»Wie eine Schädeldecke«

Buchseite und Rezensionen zu '»Wie eine Schädeldecke«' von Dirk Hempel

Inhaltsangabe zu "»Wie eine Schädeldecke«"

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:128
EAN:9783837840261
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Unsere Liebe soll nicht traurig sein

Buchseite und Rezensionen zu 'Unsere Liebe soll nicht traurig sein' von Oliver Kohler
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Unsere Liebe soll nicht traurig sein"

Ein grauer Tag im Januar 1945, der alles verändert: Bei einem Luftangriff kommt ein Mann ums Leben. Sein Sohn, ein Flakhelfer in den Wirren des Zweiten Weltkriegs, schaut hilflos zu, wie sein Vater stirbt. Wolf-Dieter Kohler tritt in die Fußstapfen seines gefallenen Vaters Walter und wird zu einem bekannten Künstler, der viele öffentliche Gebäude, vor allem Kirchen, gestaltet. Doch ihn treiben zeitlebens viele Fragen um: Wie kann man diesen Krieg jemals vergessen, ihn aus dem eigenen Leben verbannen und versöhnt weitergehen? Wie schafft man es, die Schatten der Katastrophe zu überwinden? Wie gelingt es, diese Gegensätze in der eigenen Biografie anzunehmen? Nur eines hält ihn am Leben, etwas, das die Grenzen des Todes überwindet: die Liebe zwischen Vater und Sohn. Eine berührende Geschichte über die Schatten des Krieges und ein Schicksal, das so viele Familien teilen.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:160
Verlag: adeo
EAN:9783863341350
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Rezensionen zu "Unsere Liebe soll nicht traurig sein"

  1. Ein Kriegskind auf Spurensuche

    "Die Linien des Lebens sind verschieden, wie Wege sind, und wie der Berge Grenzen. Was hier wir sind, kann dort ein Gott ergänzen mit Harmonien und ewigem Lohn und Frieden." (Friedrich Hölderlin)
    Wir schreiben den 28. Januar 1945 es sollte ein wunderbarer Tag werden, den an diesem Tag treffen sich die der 17-jährige Flakhelfer Wolf-Dieter Kohler und seinen Vater Walter in den Kriegswirren Berlins. Doch an diesem Abend kommt es zum Bombenalarm und Wolf-Dieter muss mitansehen wie der Vater und sein Freund Karl Storch in unmittelbarer Nähe von Bomben getroffen werden. Für Wolf-Dieter gab es nun die Aufgabe, diese traurige Nachricht seiner Mutter und Frau Storch mitzuteilen. Wir erleben eine Rückblende aus dem Leben Walter Kohlers einem Maler der unter anderem auch Kirchenfenster bemalte. Es wird hier die Liebe zur Malerei von Walter Kohler beschrieben, mit welcher Hingabe er diese Werke gemacht hat. Und so ist es auch nicht verwunderlich das er dem Sohn diese künstlerische Ader vererbt hat. Man merkt aber auch wie zwiegespalten Walter Kohler den Krieg und seine Auswirkungen miterlebt hat. Ich denke, das dies hauptsächlich daher kommt, da Walter Kohler ein gläubiger Mensch war, dem sein Glaube sehr wichtig war. Ich frage mich wie man im Anbetracht das man Christ ist diese Kriegszeit überstehen konnte. In diesen Zeiten muss man doch als gläubiger Mensch sehr zwiegespalten gewesen sein.

    In dem Buch befinden sich auch beeindruckende Bilder von Walter und Wolf-Dieter Kohler. Der Glaube wurde Walter schon als Kind durch seinen Vater Pfarrer Christian Kohler in die Wiege gelegt und er hat diesen weitergegeben. Aber auch das Leben von Wolf-Dieter wird hier aufgegriffen. Beeindruckt hat mich die Aussage:
    "Dieser Krieg ist anderes. Goebbels hat ihn den totalen genannt. Die Gewalt achtet keine Grenzen mehr. Gesetze und Gebote halten uns nicht auf und nicht zurück. Wenn einige von uns dabei noch Kunst produzieren, ist das wie ein Frühstück im Stehen, eilig heruntergeschlungen, bis es wieder an Kämpfen geht."
    Hier merkt man sehr genau die Zwiespalt, mit dem sie damals zu kämpfen hatten. Ein Buch, das einem neu diese Zeit mit anderen Augen sehen lässt und das auch teils die Bibel aus künstlerischer Sicht darstellt.
    Oliver Kohler den Sohn Wolf-Dieters hat hier in diesem Buch ein Stück Lebensgeschichte von zwei begnadeten Künstlern und Männern Gottes in Kürze zusammengefasst, das man unbedingt lesen sollte, deshalb von mir 5 von 5 Sterne.

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Odyssee in Rot

Buchseite und Rezensionen zu 'Odyssee in Rot' von Heinrich Gerlach

Inhaltsangabe zu "Odyssee in Rot"

Bericht einer Irrfahrt. Herausgegeben und mit einem dokumentarischen Nachwort versehen von Carsten Gansel
Gebundenes Buch
"Hitler muss fallen, damit Deutschland lebe!"
Nach dem Riesenerfolg des Spiegelbestsellers 'Durchbruch bei Stalingrad': die Wiederentdeckung von Heinrich Gerlachs monumentalem Werk über seine Zeit in sowjetischer Kriegsgefangenschaft und den Versuch des Bundes Deutscher Offiziere, Hitler zu stürzen.
Von den über drei Millionen Wehrmachtssoldaten, die zwischen 1941 und 1945 in sowjetische Kriegsgefangenschaft gerieten, starben mehr als eine Million. Heinrich Gerlach überlebte. Das Grauen von Stalingrad hatte er in einem Roman verarbeitet, seinen schier endlosen Weg durch sowjetische Arbeits- und Gefangenenlager beschreibt er in seinem autobiographischen Bericht 'Odyssee in Rot'.

Im Lager Lunjowo war Gerlach aber auch Gründungsmitglied des Bundes Deutscher Offiziere (BDO), eines Verbands kriegsgefangener Wehrmachtsoffiziere, die ab 1943 aus der Gefangenschaft deutsche Soldaten zur Desertion und zum Kampf gegen Hitler aufriefen - in aufgezwungener Zusammenarbeit mit Exilkommunistenwie Wilhelm Pieck, Walter Ulbricht oder Erich Weinert. 1944 wurde in Nazi-Deutschland in Abwesenheit gegen Gerlach ein Verfahren wegen Hochverrats eingeleitet, seine Familie kam in Sippenhaft.

In seinem materialreichen Nachwort liefert Herausgeber Carsten Gansel zu Gerlachs aufwühlendem Bericht Hintergrundmaterial aus russischen Archiven - etwa zu den Plänen, die die sowjetische Führung für die BDO-Mitglieder im Nachkriegsdeutschland hatte; Gansel skizziert die Versuche des Geheimdienstes, Heinrich Gerlach und andere Führungsmitglieder zu Agenten zu machen - und wertet erstmalig die Nachkriegstagebücher Gerlachs aus, die dieser von 1951 bis 1991 führte. So rekonstruiert er den Entstehungsprozess der 'Odyssee in Rot' und erzählt anhand der Leitfigur Gerlach, wie die BDOler, die nach dem...

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:928
EAN:9783869711447
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Lion: Der lange Weg nach Hause

Buchseite und Rezensionen zu 'Lion: Der lange Weg nach Hause' von Saroo Brierley

Inhaltsangabe zu "Lion: Der lange Weg nach Hause"

Es ist ein Tag wie jeder andere im Leben des fünfjährigen Saroo: Auf dem Bahnhof einer indischen Kleinstadt sucht er nach Münzen und Essensresten. Schließlich schläft er vor Erschöpfung in einem wartenden Zug ein. Der fährt den kleinen Jungen ans andere Ende von Indien, nach Kalkutta. Völlig alleine an einem der gefährlichsten Orte der Welt schlägt er sich wochenlang auf der Straße durch, landet im Waisenhaus und gelangt so zu den Brierleys, die Saroo ein neues Zuhause in Australien schenken.
Fünfundzwanzig Jahre später macht sich Saroo mit Hilfe von Google Earth auf die Suche nach seiner leiblichen Familie. Am Bildschirm fährt er Nacht für Nacht das Zugnetz von Indien ab. Das Unglaubliche passiert: Er findet ein Dorf, das dem Bild in seiner Erinnerung entspricht – und macht sich auf den Weg ...

Format:Hörbuch-Download
Seiten:0
Verlag: SAGA Egmont
EAN:
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Oriana Fallaci: Ein Frauenleben

Buchseite und Rezensionen zu 'Oriana Fallaci: Ein Frauenleben' von Cristina De Stefano Literary Scouting
5
5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Oriana Fallaci: Ein Frauenleben"

Format:Taschenbuch
Seiten:352
Verlag: btb Verlag
EAN:9783442714162
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Rezensionen zu "Oriana Fallaci: Ein Frauenleben"

  1. 5
    03. Mai 2017 

    Oriana Fallaci

    Eine starke Frau, diese Oriana Fallaci, die zusammen mit ihrer Herkunftsfamilie alle Klischees sprengt. Äußerlich wie auch innerlich …

    Was sie alles als Frau in einer männerdominierten Welt geleistet hat, ist wirklich enorm.

    Oriana, deren Namen aus Marcel Prousts Figuren stammt. Wer die sieben Proust-Bände gelesen hat, ist eine Madame Oriane Guermante mehr als vertraut ... Wie kamen die beiden Eheleute Edoardo und Tosca Fallaci zu Proust? Zuerst etwas zur Herkunft. Oriana kam im Juni 1929 zu Welt. Geboren wurde sie in Florenz und sie war das erste Kind von drei weiteren Kindern. Die Eltern waren sehr arme Leute. Aber sie besaßen recht viele Bücher. Die Wohnung besaß wenige materielle Güter, aber sie war reich an Büchern. Obwohl die Fallacis sehr wenig Geld zur Verfügung hatten, kauften sie sich die Bücher, wenn auch nur auf Raten. Sie waren sehr belesen. Ganz untypisch für eine arme Familie. Die Bücher hatten für sie einen hohen ideellen Wert. Dies allein hatte mir schon sehr imponiert, dass Bücher einer armen Familie so bedeutend sein können. Die Fallacis betrachteten die Bücher als das Tor zur Welt, und so wuchs Oriana auch mit dieser Bücherliebe auf. Das Tor zur Welt passt exakt zu Orianas Leben, die im erwachsenen Alter überall auf der Welt journalistisch tätig wurde. Ihre journalistische Schule absolvierte sie in ihrem geliebten Land Amerika.

    Orianas Kindheit und Jugend ist nicht ganz einfach verlaufen. Sie musste als die Erstgeborene den Jungen in der Familie ersetzen. Der politisch aktive Vater Edoardo nahm seine Tochter überall mit, denn

    "… auch als Mädchen kann man dienen. (…) Um zu vermeiden, dass seine Frau sich allzu sehr ängstigt, teilt Edoardo seiner Frau Tosca nicht mit, wann er seine Tochter auf Einsatz schickt." (2016, 19).

    Oriana wuchs in einer sehr kalten Welt auf. Sie war gerade mal zehn Jahre alt, als der Faschismus in Italien ausgebrochen ist. Der Vater mischte sich als Antifaschist unter die Partisanen und kämpfte im Untergrund für Freiheit und Gerechtigkeit. Oriana bekam vom Vater den Auftrag, antifaschistische Flugblätter zu verteilen, d. h. sie war schon recht früh politisch aktiv … Früh trat sie in die Fußstapfen ihres Vaters.

    Oriana hat viel Elend gesehen und hat dadurch auch den Glauben an Gott recht früh verloren. Sie bezeichnete sich selbst als eine Atheistin, als ihr eine Ungerechtigkeit mit den Nonnen widerfahren ist:
    Die Nonnen im Kloster sagen zu ihr, sie solle alles als Geschenk für den Heiland am Altar zurücklassen.

    >>Kurz darauf bin ich heimlich noch einmal in die Kirche zurück, um nachzusehen, ob das Jesuskind alles aufgegessen hatte, und das Essen war weg. Doch nicht einmal die Bananenschale lag mehr da, und auch das Silberpapier der Schokolade war verschwunden. Mir kam der Verdacht. Ich verließ die Kirche, ging einen Flur entlang, und da saß auf einem Mäuerchen die Nonne, die meine Banane aß.<< (39f)

    Oriana geht nach der Schule auf die Universität und versucht es mit einem Medizinstudium, das sie aber wegen der Armut selbst finanzieren muss. Das wurde ihr mit der Zeit zu anstrengend, und sie brach das Studium wieder ab und engagierte sich hauptsächlich journalistisch …

    Oriana hatte eigentlich den Wunsch, Schriftstellerin zu werden, da sie aber nicht wusste, wie sie sich diesen Wunsch erfüllen konnte, blieb sie weiterhin journalistisch tätig. Ihre Art zu schreiben ist nach deutscher Art sehr ungewöhnlich. Sie pflegte einen polemischen Ton, aber immer mit Herz und Verstand bei der Sache. Vorurteile konnte sie schnell ablegen, sobald sie sich als falsch erwiesen haben. Oriana wurde als Kriegsberichterstatterin viel in Krisengebieten eingesetzt, wie z. B. im Iran, Indien, Türkei, Südamerika etc. Mit der Zeit genoss sie international große Beliebtheit … Sie hatte Erfolg, sie verschaffte sich auch bei den Patriarchen hohen Respekt. Für mich erwies sich Oriana Fallaci nicht wirklich als Italienerin, für mich war sie ein Weltmensch …

    Und dennoch, durch Orianas genossene Erziehung zahlte sie auch einen hohen Preis. Sie lebte nicht wirklich ihre Rolle als Frau, und war auch nicht beziehungsfähig, und erlebte mehrere Zusammenbrüche was die Partnerwahl betraf. Dadurch blieb auch ihr Kinderwunsch unerfüllt. Selbst durch den Beruf, umgeben von vielen Menschen, war sie bis zu ihrem Tod eine sehr einsame Frau.

    Weiteres ist dem Buch zu entnehmen …

    Mein Fazit zu dem Buch?

    Meine Lesepartnerin Tina und ich hatten dieselben Empfindungen. Wir sind beide der Ansicht, dass Oriana Fallaci eine sehr bedeutende Persönlichkeit war, die viel Achtung verdient hat, und trotzdem war sie uns auch zu anstrengend, dass wir uns eine Freundschaft mit ihr schwer vorstellen konnten.

    Und wir haben uns die Frage gestellt, was aus ihr geworden wäre, wenn vor ihr ein Junge geboren wäre? Sicher, sie bekäme eine klassische Mädchenerziehung. Aber Oriana hatte noch drei Schwestern, die alle eine gute Schulausbildung erhielten, und sich wahrscheinlich die ältere Schwester zum Vorbild nahmen, da auch sie politisch aktiv und journalistisch tätig wurden. Den Eltern war es also schon wichtig, auch den anderen Mädchen trotz der Armut eine hohe schulische Ausbildung zukommen zu lassen.

    Auf meinem Blog hat das Buch 12 von 12 Punkten bekommen.

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  1. 5
    26. Mär 2017 

    Was für eine Persönlichkeit - ich bin beeindruckt

    Du wirst nicht viel Zeit haben, um die Dinge zu begreifen und sie zu erledigen. Die Zeit, die man uns gibt, in dem, was man Leben nennt, ist viel zu kurz. Und so ist es nötig, dass alles in großer Eile geschieht.

    Heute möchte ich Dich auf eine interessante Frau aufmerksam machen. Eine Frau, die schon sehr früh erwachsen werden musste, da sie schon als Kind den Krieg miterlebte und im Untergrund arbeitete. Eine Frau, die sich mit ihrer Berufswahl eine Männerdomäne eroberte.

    Am 4. September 2006 kehrt Oriana Fallaci nach Florenz zurück. Ihr Neffe begleitet sie auf ihrem Flug. Ihr Krebs ist im letzten Stadium, weshalb sie ein Privatflugzeug nehmen musste. Keine Fluggesellschaft wollte sie als Passagier haben.
    Die letzten 50 Jahre lebte sie in New York. Doch zum Sterben möchte sie dahin, wo alles begann. Sie igelt sich auf ihrem Sitz ein und erinnert sich:

    Als Oriana Fallaci 1929 in Florenz geboren wurde, war ihrem Leben keine erfolgreiche Karriere vorherbestimmt. Ihre Mutter musste für die Familie des Mannes das Aschenputtel spielen und sie bat ihre Tochter oft: Lerne, studiere, schau dir die Welt an. Und als Oriana 1977 den Ehrendoktortitel am Columbia College in Chicago annimmt, sagt sie in ihrer Dankesrede:

    Ich widme diesen Ehrentitel meiner Mutter Tosca Fallaci, die nicht die Universität besuchen durfte, weil sie in einer Zeit, in der arme Frauen nicht studieren durften, arm war und eine Frau.

    Oriana bekommt noch zwei Schwestern und viel später, als sie selbst schon erwachsen waren, noch eine Adoptivschwester. Es gab keinen Stammhalter, und so zog Orianas Vater sie wie einen Jungen auf.

    Die entscheidende Rolle für ihre spätere Berufswahl spielte ihr Onkel väterlicherseits: Bruno Fallaci. Er gehört der Welt der Schreibenden an, ist mit der Schriftstellerin Gianna Manzini verheiratet und selbst ein erfolgreicher Journalist. Einer seiner Ratschläge, die Oriana immer wieder zitiert: „Vor allem eins: Den Leser NIEMALS langweilen!“

    Orianas Kindheitserinnerungen sind eher trauriger Natur. Die Mutter hungert öfter, damit die Kinder etwas in den Magen bekommen. Aber sie sorgt auch dafür, dass man der Familie die Armut äußerlich nicht ansieht. Aus Alt mach Neu war ihre Devise. Und der Vater schreinerte Möbel, nur einen Geschäftssinn hat er nicht – er war eher ein Künstler.

    Schon als Kind interessierte sich Oriana für ihre Vorfahren. In einer Truhe gab es jede Menge Andenken an frühere Familienmitglieder. 1944 wird die Truhe samt Haus bei einem Bomenangriff total zerstört. Nur weil Oriana einige Briefe der Vorfahren abschrieb, blieben diese erhalten. Sie hat damals schon begriffen, „dass jedes Ding eine Sprache hat und zu einer Geschichte werden kann – man muss nur gut zuhören können“.

    Die Fallacis haben schon immer gegen die Obrigkeit aufbegehrt. Aber um die Politik kümmerte sich der Vater. Die Mutter teilte zwar die Meinung, hatte aber gar keine Zeit, den Kindern zu erklären, warum Mussolini schlecht war. Es war halt so.

    Oriana wird ein Kind des Krieges. Diese Zeit hat sich ihr tief ins Gedächtnis eingegraben. „Ich war ein Mädchen, das sich mit Hunger, mit Kälte und Angst auskannte.“ Und sie kämpfte als Kind schon mit ihrem Vater im Untergrund.

    Orianas Vater wird denunziert und ins Gefängnis geworfen. Man foltert ihn, sodass sie ihn, als sie ihn endlich besuchen dürfen, gar nicht erkannten.

    Nach dem Krieg, Florenz liegt in Trümmern, macht der Vater in der Aktionspartei Gewerkschaftsarbeit. Oriana wurde als einfacher Soldat aus der italienischen Armee verabschiedet. Da war sie 16 Jahre jung.

    Das dritte Kapitel hat die Überschrift „Ein Haus voller Bücher“ und ich war ganz traurig, dass es nur acht Seiten hat. Die Autorin lässt Oriana hier eine kleine Geschichte erzählen, die ich unbedingt aufschreiben muss, weil ich sie so schön finde:

    „Als ich noch klein war, kaufte meine Mutter Wolle im Strang, die sie dann zu einem Knäuel aufwickelte. Den Anfang des Knäuels knotete sie immer um ein zerknülltes Stückchen Papier, ob es nun ein weißes Blatt, ein Stück Zeitung oder eine Quittung aus dem Lebensmittelladen war. Mich brachte die Neugier jedes Mal schier um, wenn ich zusah, wie das Knäuel beim Stricken immer kleiner wurde, weil ich es nicht erwarten konnte zu erfahren, was sie wohl diesmal reingesteckt hatte. War das Knäuel zu Ende, hielt ich das Stück Papier ganz fest und drehte es in meinen ungeduldigen, kleinen Fingern hin und her. Wie gesagt, kam es durchaus öfters vor, dass es nur ein unbeschriebenes Stück Papier war, und in diesem Fall war die Enttäuschung groß. Stand jedoch etwas darauf, gab ich es sogleich der Mama, damit sie es mir vorlas, und lauschte ihr verzückt. Selbst die Rechnung aus dem Kaufladen erzählte mir eine Geschichte.“

    Was für ihre gesellschaftliche Herkunft eher ungewöhnlich ist, ist, dass Orianas Eltern leidenschaftliche Leser sind. Sie kaufen ihre Bücher auf Raten.

    Diese acht Seiten haben es in sich. Ich möchte sie euch am liebsten abschreiben, aber das geht leider nicht.

    Oriana verliebt sich nach den ersten Seiten von „Ruf der Wildnis“ von Jack London in den Hund Buck und London selbst war ihr erstes Vorbild. Er ist für sie „der Inbegriff des schriftstellernden Journalisten, in dem sich Neugier und Abenteuerlust mischen“.

    Da ihr jederman sagte, der Beruf des Schriftstellers wäre nur etwas für reiche oder alte Leute, arbeitete sie darauf hin, Journalistin zu werden.
    Sie weiß, dass sie in diesem von Männern dominierten Beruf besser sein musste als alle anderen und arbeitete akribisch.

    Arrigo Benedetti, Herausgeber des „Europeo“, sagte zu ihr:

    Du musst aufpassen. Du bist gut und wirst dir in unserer Branche keine Freunde machen, weil das alles Primadonnen sind, die einer Frau wenig zugestehen. Genauer gesagt, gar nichts. Tatsache ist, dass du dir einfach alles nehmen musst, ohne darauf zu warten, dass sie es dir geben, und damit wirst du dir nicht viel Sympathie verschaffen.

    Und da Florenz zu klein für sie wurde, ging sie für den „Europeo“ nach Rom, wo aber erst einmal eine Zeit des Hungers begann.

    Hiermit schließe ich und hoffe, ich habe Dich neugierig gemacht auf das Leben von Oriana Fallaci.

    Nur noch so viel: Oriana Fallaci arbeitete auch für renommierte internationale Zeitungen. Sie berichtete 1956 über den Ungarn-Aufstand und wurde beim Massaker von Tlatelolco durch Schüsse verletzt. Sie interviewte berühmte Menschen, darunter auch Ayatollah Chomeini und schrieb Bücher, die in 20 Sprachen übersetzt und in 31 Ländern veröffentlicht wurden.

    Nach ihrer Reise nach Ungarn schrieb Oriana das, was mir heute dauernd durch den Kopf geht:

    Wie können wir als Männer und Frauen mit Bewusstsein uns denn noch für die Liebschaften von Filmstars interessieren, für die Skandale der High Society oder für die Filmpremieren, die man im Smoking und tiefem Dekolleté besucht?

    Eine absolut interessante Biografie. Mich hat sie so neugierig gemacht, dass ich nun noch etwas Geschriebenes von Oriana Fallaci lesen möchte. „Wir, Engel und Bestien – Ein Bericht aus dem Vietnamkrieg“ habe ich mir schon besorgt.

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Mirabeau: oder Die Morgenröte der Revolution

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Inhaltsangabe zu "Mirabeau: oder Die Morgenröte der Revolution"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:397
Verlag: C.H.Beck
EAN:9783406704987
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Pontifex: Die Geschichte der Päpste

Buchseite und Rezensionen zu 'Pontifex: Die Geschichte der Päpste' von Volker Reinhardt

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Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:928
Verlag: C.H.Beck
EAN:9783406703812
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Maria Theresia: Die Kaiserin in ihrer Zeit

Buchseite und Rezensionen zu 'Maria Theresia: Die Kaiserin in ihrer Zeit' von Barbara Stollberg-Rilinger

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Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:1083
Verlag: C.H.Beck
EAN:9783406697487
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Farbenblind

Buchseite und Rezensionen zu 'Farbenblind' von Trevor Noah

Inhaltsangabe zu "Farbenblind"

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:336
EAN:9783896675903
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Schwarze Flaggen: Der Aufstieg des IS und die USA

Buchseite und Rezensionen zu 'Schwarze Flaggen: Der Aufstieg des IS und die USA' von Joby Warrick
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Schwarze Flaggen: Der Aufstieg des IS und die USA"

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:396
EAN:9783806234770
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Rezensionen zu "Schwarze Flaggen: Der Aufstieg des IS und die USA"

  1. Die Geschichte des IS packend erzählt

    Klappentext
    Es ist der 4. Februar 2015. Eine Frau wird gehenkt. Zusammen mit anderen IS-Kämpfern hatte sie eine Hochzeitsgesellschaft gestürmt. Bilder von zerfetzten Menschen gingen darauf durch das arabische Fernsehen.
    Warum fühlte sich diese Frau von der Terrororganisation und den Botschaften ihres Gründers Al-Zarqawi angezogen? Warum sind es so viele, die sich dem IS anschließen? Und was hat das noch mit Religion zu tun?
    Diesen Fragen ist der Reporter und zweifache Pulitzer-Preisträger Joby Warrick nachgegangen, er hat Gefängnisse besucht, mit Beamten, Terroristen und Agenten gesprochen. Warrick fördert dabei Unglaubliches zu Tage: In seiner wegweisenden Reportage beschreibt er die Beteiligung der US-Regierung unter George W. Bush und Barack Obama an der blutigen Karriere Al-Zarqawis! Der Blick auf die Wurzeln des IS zeigt auch, welche neue Kraft - anstelle der Religion - den Terror heute antreibt. Ein packend geschriebener, nuancierter Bericht, der durch Gründlichkeit und Präzision besticht.

    Der Autor
    Joby Warrick ist seit 1996 Reporter der Washington Post und zählt zu den wenigen Autoren, die zweimal den Pulitzer-Preis gewonnen haben. Beim ersten Mal als Journalist und jetzt als Autor von ›Schwarze Flaggen‹ für sein Arbeite über den IS.

    Meine Meinung

    Story
    Plötzlich war er da, der islamische Staat. Zum ersten Mal ist es einer Terrororganisation gelungen einen Staat zu errichten und so eine Basis für den Terror, der von den Herrschern des IS-Regimes ausgeht, zu erlangen. Die angrenzenden Staaten aber auch die Weltmächte müssen mit ansehen, wie es den Truppen gelingt, in kürzester Zeit ein Gebiet zu erobern, größer als Israel und der Libanon zusammen. Nicht nur Waffen amerikanischer Bauart auch Ölquellen fallen den Schergen in die Hände und damit viel Geld. Doch woher kamen die Soldaten des IS, wie konnte der IS so stark werden und warum haben die Geheimdienste so versagt. Der zweifache Pulitzer Preisträger Joby Warrick geht in seinem neuen Buch diesen und weiteren Fragen nach.

    Schreibstil
    Das Buch hat durchaus Romancharakter,. chronologisch erzählt der Autor, wie der Aufstieg der IS zustande kam. Bei der Lektüre kommt durchaus Spannung auf. Die Geschichte verliert sich dabei auch nicht in lange Erklärungen, kurz wie möglich, so lang wie nötig. Auch das oft komplizierte Stammes-Gefüge wird einfach erklärt.

    Mein Fazit

    Der Nahe Osten ist schon immer ein Ort der Gewalt und des Krieges gewesen. Man kann 100 Bücher lesen und weiß immer noch nicht alles über die komplizierten Zusammenhänge. Entwicklungen, die wir heute sehen, haben ihren Ursprung oft schon vor 100 Jahren. Das Buch von Joby Warrick kann auch nicht den ganzen Zusammenhang aufzeigen. Dennoch ist es dem Autor gelungen, eine Passage daraus sinnvoll und nachvollziehbar aufzuzeigen. Dabei ist das Buch spannend, was für ein Sachbuch nicht immer der Fall ist. Selbst Leser, die mit dem Thema Naher Osten nicht vertraut sind, kommen mit dem Buch gut zu Recht.Es ist informativ, spannend, recht einfach zu lesen.Für mich, der viel über das Thema Naher Osten liest, eins der besten Bücher seit Langem. Den Pulitzer Preis hat es zu Recht bekommen. Ich hoffe noch mehr von dem Autor, der für die Washington Post schreibt zu lesen. Von mir gibt es volle fünf von fünf Leseratten/Sternen und eine Leseempfehlung.

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