Sechs Jahre: Der Abschied von meiner Schwester

Buchseite und Rezensionen zu 'Sechs Jahre: Der Abschied von meiner Schwester' von Charlotte Link
5
5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Sechs Jahre: Der Abschied von meiner Schwester"

Das persönlichste Buch von Charlotte Link


Auf eindringliche Weise berichtet Bestsellerautorin Charlotte Link von der Krankheit und dem Sterben ihrer Schwester Franziska. Es ist nicht nur das persönlichste Werk der Schriftstellerin, voller Einblicke in ihr eigenes Leben, sondern auch die berührende Schilderung der jahrelang ständig präsenten Angst, einen über alles geliebten Menschen verlieren zu müssen. Charlotte Link beschreibt den Klinikalltag in Deutschland, dem sich Krebspatienten und mit ihnen ihre Angehörigen ausgesetzt sehen, das Zusammentreffen mit großartigen, engagierten Ärzten, aber auch mit solchen, deren Verhalten schaudern lässt und Angst macht. Und sie plädiert dafür, die Hoffnung nie aufzugeben – denn nur sie verleiht die Kraft zu kämpfen.


Ein subtiles, anrührendes Plädoyer für mehr Menschlichkeit. Ein Buch, das Kraft gibt, nicht aufzugeben und um das Leben zu kämpfen.


Format:Taschenbuch
Seiten:320
EAN:9783734102554
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Rezensionen zu "Sechs Jahre: Der Abschied von meiner Schwester"

  1. Ein Buch über den Abschied, die Liebe und eine unendliche Geduld

    Die für ihre Kriminalromane bekannte Schriftstellerin Charlotte Link hat sich mit dem Buch Sechs Jahre auf ein ihr bislang völlig fremdes Terrain gewagt - vor allem, weil sie es ihrer Schwester versprochen hatte.

    Anfang 2006 wird bei Charlotte Links Schwester Franziska im Alter von 41 Jahren Darmkrebs diagnostiziert. Die Situation wird von den Ärzten als kritisch eingeschätzt: Sie befürchten, dass bereits die Lymphknoten und das Bauchfell befallen sein könnten. Die Behandlung mit Chemotherapie, Bestrahlung und anschließender Operation beginnt praktisch sofort. Was jetzt so wirken mag, als hätte Charlotte Link das Wechselspiel der unterschiedlichen Therapieformen auf ein ganzes Buch ausgedehnt, ist falsch. Das Schreiben ist ihr Weg, sich mit dem langsamen Sterben ihrer ihr sehr nahestehenden Schwester auseinanderzusetzen und den Verlust zu verarbeiten.

    Bereits als junge Frau war Franziska zum ersten Mal an Krebs erkrankt: Sie litt unter Morbus Hodgkin, einer sehr seltenen Erkrankung des lympathischen Systems, die mithilfe von Chemo- und Strahlentherapie gut heilbar ist, wenn sie früh erkannt wird. So war es auch bei Franziska: 17 Jahre lang galt sie als krebsfrei, doch der dann auftretende Darmkrebs soll nicht zu ihrem Hauptproblem werden. Was ihr in den nächsten Jahren zu schaffen machen wird, sind die Vernarbungen auf der Lunge, die Jahrzehnte zuvor im Zuge der Morbus-Hodgkin-Therapie entstanden sind: Sie beginnen, sich auszubreiten und die Lungenkapazitäten allmählich dramatisch zu reduzieren. Franziska wird sechs Jahre mit allen nur erdenklichen Höhen und Tiefen, mit Hoffnungen und Enttäuschungen erleben. Sie klammert sich an ihr Leben und will sehen können, wie ihre Kinder aufwachsen.

    nnerhalb des ersten dieser sechs schweren Jahre stellen drei Ärzte unabhängig vomeinander Diagnosen, die alle mit Prognosen über Franziskas noch zu erwartende Lebenszeit einhergehen und sich später als falsch erweisen. Diese Diagnosen werden mit Attributen wie "Sie leben Ende des Jahres nicht mehr" oder "Nichts zu machen!" versehen und zum Teil so gefühlskalt und gnadenlos vorgetragen, dass sie in der Patientin schwere seelische Erschütterungen hervorrufen. Für psychisch labilere Menschen als es Charlotte Links Schwester war, können solche Situationen der Anlass für einen Suizid sein. Doch auch das Verhalten des Pflegepersonals in einer der beschriebenen Kliniken eignet sich nicht dazu, Menschen die Angst vor dem Klinikaufenthalt zu nehmen.

    Die Familie trifft jedoch bei ihrer Suche nach geeigneten Behandlungsmethoden auch auf sehr gute Mediziner, die so sind, wie sie sich jeder Patient wünscht: kompetent, geduldig und einfühlsam. In den Krankenhäusern, in denen sie tätig sind, geht auch das Pflegepersonal sehr fürsorglich mit den Patienten um. Möglicherweise gibt es hier einen Zusammenhang.

    Ich habe vereinzelte Rezensionen gelesen, in denen Charlotte Link vorgeworfen wurde, das Schicksal der Schwester und damit der ganzen Familie für ihr Buch auszuschlachten. Auch, dass es noch viele andere Menschen gibt, die genauso leiden wie Franziska, aber deren Schicksal nicht öffentlich wird, weil sie nicht prominent sind, wurde kritisiert. Prominenz hat jedoch hier einen großen Voteil: Die Stimme einer bekannten Person wird gehört, sie kann ihren Einfluss in der Öffentlichkeit und auf Entscheidungsträger nutzen. So war es auch hier: Noch während sie ihr Buch schrieb, wurde Charlotte Link bereits von zwei Kliniken um Lesungen gebeten. Den beiden Krankenhäusern ging es um den Umgang mit Schwerstkranken bzw. die Spätfolgen der Strahlentherapie. Die Medizin hat in den letzten Jahren das Dilemma einer klassischen Krebstherapie erkannt: Auch wenn die Erkrankung bei einem Patienten besiegt werden kann, kann er sich auch nach vielen Jahren seines Lebens nicht sicher sein.

    Sechs Jahre ist ein - naturgemäß - sehr emotionales Buch, das die Hilflosigkeit, in der unzählige Schwerstkranke und ihre Angehörigen stecken, zeigt. Es ist aber auch ein Buch voller Hoffnung und der Botschaft, in einer schweren Situation erst dann aufzugeben, wenn alle Möglichkeiten erschöpft sind. Es ist kein Buch, bei dem man nach dem Lesen der letzten Zeile nahtlos zum Tagesgeschehen zurückkehren kann.

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  1. 5
    25. Jun 2016 

    Charlotte Link: Sechs Jahre -

    Charlotte Link: Sechs Jahre - Der Abschied von meiner Schwester

    Von Charlotte Link habe ich "Das Haus der Schwestern" und "Die Rosenzüchterin" gelesen. Das ist schon sehr lange her. Und da ich damals noch kein Lesetagebuch führte, wollte ich die Bücher irgendwann noch einmal lesen. Bis heute bin ich nicht dazu gekommen, obwohl ich "Das Haus der Schwestern" zwischenzeitlich auch schon gehört habe.

    Nun bin ich über ein sehr privates Buch der Autorin gestolpert: "Sechs Jahre - Der Abschied von meiner Schwester".
    Schon im Vorwort lese ich, was mich in diesem Buch erwartet und dass es keine leichte Kost ist. Sechs Jahre lang kämpfen Charlotte Link und ihre Familie an der Seite ihrer Schwester Franziska gegen den Krebs, um am Ende doch zu verlieren. Franziska stirbt am 7. Februar 2012 mit sechsundvierzig Jahren nach sechsjährigem Kampf an dieser Krankheit. Sie nahm Charlotte vorher das Versprechen ab, darüber zu schreiben.

    Zwischen den Schwestern bestand seit ihrer Kindheit eine unheimlich enge Verbindung. Charlotte verlor mit dem Tod ihrer Schwester den wichtigsten Menschen ihres Lebens. Dieses Buch zu schreiben, war wohl auch ein Stück Trauerbewältigung.

    Doch nicht nur das. Sie war der Meinung, dass das, was sie in diesen sechs Jahren in Krankenhäusern erlebt haben, öffentlich gemacht werden sollte. Auf die Missstände sollte so lange hingewiesen werden, bis sich etwas Entscheidendes ändert.

    Als man im Februar 2006 bei Franziska Metastasen findet und auf die Suche nach dem Tumor gehen will, ist sie noch ganz ruhig. Sie war von den beiden Schwestern immer die sachlich und rational Agierende. Noch dazu war ihr die Situation vertraut. Achtzehn Jahre zuvor hat sie das schon einmal erlebt.
    An einem Vormittag hatte sie einen Termin bei einer Onkologin, zu dem sie noch ganz zuversichtlich ging. Innerhalb einer halben Stunde hat diese Onkologin dafür gesorgt, dass ein Psychologe Franziska wenig später eine tiefe Traumatisierung bescheinigt.
    Diese Onkologin sagte Franziska auf den Kopf zu, dass es für sie absolut keine Hoffnung gibt. Mit einer Chemo-/Strahlentherapie und der Entfernung des Tumors wird sie höchstens noch bis zum Ende des Jahres zu leben haben. Sie solle doch über den Verlauf ihres Sterbens ein Fotoalbum anlegen, damit ihre Kinder etwas hätten, das sie sich dann immer wieder anschauen können.

    Fehldiagnosen wird Franziska noch so einige bekommen. Zumeist negative, die sich dann doch nicht einstellen. Aber diese Erfahrungen macht es unmöglich an positive Diagnosen zu glauben.
    Noch eine Erfahrung, die die Familie in diversen Krankenhäusern gemacht hat: Sobald der Patient mit zwei Dingen zu kämpfen hat, die es nötig machen würden, stationsübergreifend zu arbeiten, ist er aufgeschmissen. Dazu scheinen die meisten Krankenhäuser nicht in der Lage zu sein. In einer Lungenklinik zum Beispiel wird überhaupt nicht darauf reagiert, dass Franziska nichts essen kann. Man stellt ihr das Tablett hin und holt es abends wieder ab. Ohne darauf zu reagieren, dass sie gar nichts zu sich nimmt. Wenn die Familie nicht Essen mitgebracht hätte, wäre sie dort einfach verhungert.

    Das Verhalten vieler Ärzte machte Charlotte Link sprachlos und mich als Leserin wütend. Sie fragte sich, warum ein Arzt einen helfenden Beruf ergreift,

    "wenn er gleichzeitig so menschenverachtend, rücksichtslos und fast feindselig mit Menschen umgeht, die sich in einer wehrlosen Situation befinden".

    Und wie kann es sein, dass solche Ärzte für ihr Tun nicht bestraft werden. Dass sie sich für Fehldiagnosen in rauen Mengen nicht entschuldigen und schon gar nicht verantworten müssen.

    Es hat sicherlich rechtliche Gründe, aber ich finde es äußerst schade, dass diese "Ärzte" hier nicht mit Namen genannt wurden.

    Glücklicherweise haben sie aber auch andere Ärzte und Klinikpersonal kennengelernt. Sie haben erlebt, dass man sich auch in einem Krankenhaus geborgen fühlen kann, wenn Ärzte und Schwestern mit den todkranken Patienten respektvoll und freundlich umgehen.

    Das Buch ist nicht leicht zu lesen. Wie schon am Titel zu erkennen, gibt es kein Happy end. Trotzdem macht es ein bisschen Mut, die Hoffnung nicht zu schnell aufzugeben.
    Zwei Jahre wurden Franziska anfangs noch gegeben. Sechs Jahre hat sie noch geschafft. Sechs Jahre, die sicher nicht leicht waren, die sich die Familie aber noch gehabt hat.

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Ich schenke dir den Schmerz (Krimi)

Buchseite und Rezensionen zu 'Ich schenke dir den Schmerz (Krimi)' von Ralf Gebhardt
4
4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Ich schenke dir den Schmerz (Krimi)"

Format:Taschenbuch
Seiten:250
EAN:9783958131569
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Rezensionen zu "Ich schenke dir den Schmerz (Krimi)"

  1. Die Vergangenheit bringt oft böse Bestien hervor

    "Böse Menschen müssen das Böse aus Hass gegen die Bösen tun." (Novalis)
    Hauptkommissar Richard Störmer hat seinen letzten Fall noch immer nicht richtig überwunden, da kommt es im Mansfelder Land erneut zu Mordfällen. Sein Freund Staatsanwalt Nagel ist davon überzeugt, das der letzte Täter Falk Michels dahintersteckt. Kurz danach werden zwei verbrannte Frauen bei einer Autobahnkirche aufgefunden. Bei einem weiteren Zwischenfall findet man in einem Paket 2 Köpfe und Haarbüschel von Frauen die schon älter als 20 Jahr sind. Als dann es dann bei einem Banküberfall zu weiteren Toten und Entführung von Mitarbeitern kommt, ist man sich sicher das Michels diese Taten niemals alleine begangen hat. Noch erkennt Störmer die Zusammenhänge nicht auch nicht, dass sich der Psychopath mit einer Bestie verbündet hat, die nicht vor brutalen Foltermethoden und Morden zurückschreckt. Zur gleichen Zeit muss Störmer das Rätsel um eine unbekannte Macht einer noch aktiven DDR-Seilschaft der Staatssicherheit lösen, die ebenfalls ihr Unwesen treiben. Dabei ahnt Störmer noch nicht das, das er selbst längstens zur Zielscheibe der Täter geworden ist und ihm die Zeit davonläuft.

    Meine Meinung:
    Nachdem ich den ersten Band schon gelesen hatte, war ich schon gespannt, wie es mit Kommissar Richard Störmer weitergeht. Das düstere Cover mit dem Blick auf eine Burg zeigt im Grunde schon einer der Kulissen im Mansfelder Land. Der Schreibstil war gut und hat mich schnell in den Bann gezogen. Jedoch wie schon im Vorgängerband waren mir auch hier oft wieder große Zeitsprünge, die ich nicht immer nachvollziehen konnte. Genauso waren mir in diesem Fall die Ermittlungsarbeit viel zu wenig, meist erlebte ich nur das heftige und brutale Treiben und Foltern der beiden Psychopathen. Zwar war die Spannung dadurch außerordentlich hoch, doch es hat mich bisweilen, sogar entsetzt und fassungslos gemacht wie die Täter mit ihren Opfern umgingen. Vor allem die Folterszenen und Ermordungen die der Autor wirklich brutal und detailliert dargestellt hatte, waren meiner Ansicht nach fast zu viel. Dadurch wurden die polizeilichen Ermittlungen leider so drastisch in den Hintergrund gedrängt, sodass ich mich manchmal fragte, ob hier überhaupt ermittelt wird oder ob wir nur die Täter und ihre Taten erleben. Natürlich konnte man nachvollziehen das Störmer diesen Fall ungern bearbeitet, trotzdem kam mir die reine Ermittlung zu kurz. Ich würde mich freuen, wen ich beim nächsten Mal deutlich mehr von Störmers kriminalistischer Seite miterleben könnte. Gerne auch mit dem Zutun von Autorin, Nachbarin und Freundin Magdalena, in die er sich inzwischen verliebt hatte und die ein gutes Duo abgeben würden. Meiner Meinung nach kam in diesem Buch auch seine Kollegin Alida und Staatsanwalt Nagel zu kurz. Dagegen fand ich die Machenschaften dieser Seilschaft der ehemaligen Stasi, recht glaubwürdig und erschreckend, nur gut das diese fiktiv waren. Ein Kriminalfall wieder mal nichts für schwache Nerven, dem ich 4 von 5 Sterne gebe und der weiter Luft nach oben hat.

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1913: Der Sommer des Jahrhunderts (Hochkaräter)

Buchseite und Rezensionen zu '1913: Der Sommer des Jahrhunderts (Hochkaräter)' von Florian Illies
4.5
4.5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "1913: Der Sommer des Jahrhunderts (Hochkaräter)"

Format:Taschenbuch
Seiten:320
EAN:9783596193240
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Rezensionen zu "1913: Der Sommer des Jahrhunderts (Hochkaräter)"

  1. Ein Schlaglicht auf das Vorkriegsjahr

    Das Jahr vor dem Ersten Weltkrieg, ein Jahr voller gegenseitiger Versicherungen, dass der europäische Frieden gefestigt ist und alle Beteiligten frohen Mutes, mit neuen Ideen in die Zukunft blicken. Das Jahr 1913 wird, wenn man dem Autor Glauben schenkt, von Kunst und Liebe beherrscht. Gutgelaunt, mit festem Blick auf Wien, Paris und Berlin, zählt Illies alle Ereignisse und Befindlichkeiten zeitgenössischer Persönlichkeiten und ihrer Musen auf. Von Januar bis Dezember, von Louis Armstrong bis Graf Zeppelin, vom alten Adel bis zum vorbestraften Kunstmaler, wird der Leser weich gebettet und darf sich auf gute Unterhaltung freuen, mit vermurksten Liebesbriefen, zögerlichen Anträgen, unvorbereitete Weltreisen und Bünde, die sich schließen und im Streit wieder zerbrechen.

    In der Kunst bricht sich der Kubismus Bahn, ein erfolgloser österreichischer Maler geht in die Politik, Freud und sein Schüler Jung gehen getrennte Wege, Wien scheint eingeschlafen, Paris dafür erwacht zu sein und überhaupt scheinen alle durcheinanderzulaufen, auf der Suche nach neuen Zielen, der großen Liebe, der neuen Erkenntniss.

    Und wenn man genau hinschaut in diesem Wimmelbild (ein Dank an Wanda), dann scheint die einzige Konstante, die verschwundene Mona Lisa aus dem Louvre zu sein. Dabei hatte sie sich auch nur auf den Weg in ihre Heimat begeben.

    Und dann, mit nachlassendem Licht, schwindet auch die Hoffnung auf Frieden, tauchen erste Zweifel und apokalyptische Zukunftsvisionen in Wort und Bild auf.

    Was ist Ursache, was ist Wirkung? Diese Frage stellte sich mir in diesem Kaleidoskop des bunten Allerlei. Waren alle zu sehr mit sich selbst beschäftigt, blind für das Große Ganze, oder waren alle dermaßen gelangweilt vom frommen Verlauf der Geschichte, dass der Kampfgeist heraufbeschworen wurde?

    Ich aber glaube, dass es im gemeinen Fussvolk, welches in diesem Werk keine Stimme hat, gebrodelt hat.

    Illies beschreibt mit fröhlichem Ton ein buntes, aufregendes Europa. Die Liste seiner Zeitgenossen scheint komplett, ja erschlägt zuweilen, birgt aber auch so manchen intimen Einblick, der mich staunen ließ. Der Schwerpunkt liegt auf Kunst und Kultur und nur hie und da lugt die Politik mit drohendem Unheil durch den Vorhang. Die Stimmung in der arbeitenden Bevölkerung wird völlig ausgeblendet und so könnte man schnell auf die Idee kommen, dass es mindestens zwei eigenständige Kreisläufe gegeben hat, die sich nicht auf derselben Erde gedreht haben.

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  1. 5
    26. Dez 2018 

    Die Geschichte eines Jahrhundertjahres

    Mit „1913 – Der Sommer des Jahrhunderts“ von Florian Illies habe ich in der vergangenen Woche ein Buch gelesen, um das ich mich sehr lange gedrückt habe, da ich es in dem Raster von fiktionaler Literatur und Sachbuch nur schwer einordnen konnte und mich deshalb einfach nicht entscheiden konnte. Nun habe ich es gelesen und weiß immer noch nicht, wie fiktional und/oder wie historisch/real es ist. Wie es in dieser Skala einzuordnen ist. Es präsentiert uns tatsächlich reale Einblicke in das Leben von Menschen, maßgeblich Künstlern, die Repräsentanten der im Jahr 1913 aufflackernden Moderne sind. Und bindet diese kleinen literarischen Miniaturen dann zu einem Blumenstrauß von Situationen zusammen, der in dieser Form ungemein literarisch und somit fiktional wirkt, ohne aber den realen Bezug zu der historischen Situation jemals zu verlieren, sondern im Gegenteil als Essenz alles das herauszufiltern, heraus zu liften scheint, was die Zeit ausmacht und zu dieser besonderen gemacht hat.
    Es geht darum, „die ungeheure ungleichzeitige Gleichzeitigkeit, die das Jahr 1913 vor allem ausmacht, angemessen zu schildern.“(76) schafft Illies mit dem Buch dann eine angemessene Schilderung? Schwer zu sagen. Ungewöhnlich ist sie auf jeden Fall. Er erzählt die Geschichte der Moderne „als einmal komische, mal herzzerreißende Seifenoper,“ schrieb die Washington Post. Ist das statthaft? Keine Ahnung, wieviel Vereinfachung, Glättung und auch wie viel Ersonnenes in all den von Illies geschilderten Lebenssituationen der Berühmtheiten liegen, aber egal: es bereitet ungemeines Vergnügen! Das Jahr 1913 wird darin ungemein lebendig. Das Jahr ist ein „Moment höchster Blüte und zugleich ein erstes Aufflackern des Untergangs“ (Klappentext), das Illies hier als Jahrhundertjahr schildert.
    Monat für Monat fasst Illies ungemein dicht recherchierte, besondere Szenen aus dem Arbeits- und Liebesleben von Berühmtheiten zusammen. Die große Kunst des Buches besteht dann darin, dass auf den ersten Blick Unverbundenes nebeneinandergestellt wird und dennoch zu einem Ganzen gestaltet ist und so beim Leser ankommt.
    Ich kann nur möglichst vielen Lesern raten, sich auf dieses literarische Experiment lesend einzulassen und sich köstlich unterhalten zu lassen. 5 Sterne für einen absoluten Höhepunkt meines Lesejahres 2018.

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In Todesangst

Buchseite und Rezensionen zu 'In Todesangst' von Linwood Barclay

Inhaltsangabe zu "In Todesangst"

Format:Taschenbuch
Seiten:448
Verlag: Ullstein
EAN:9783548282718
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Craving You. Henry & Lauren (A Biker Romance 1)

Buchseite und Rezensionen zu 'Craving You. Henry & Lauren (A Biker Romance 1)' von Sarah Glicker

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Rich Girl meets Biker mit düsterer Vergangenheit

Lauren ist im Luxus aufgewachsen und hat immer getan, was ihre Eltern von ihr verlangt haben. Doch dann begegnet sie Henry und plötzlich ist alles anders. Der sexy Biker mit seinen Tattoos und der rebellischen Einstellung fasziniert Lauren vom ersten Augenblick an. Als er sie um ein Date bittet, sagt sie zu, obwohl sie weiß, dass es ein Fehler ist, sich auf ihn einzulassen. Immer weiter wird sie in seine Welt aus Verlangen, Lust und Gefahr hineingezogen. Bis die Grenzen zwischen richtig und falsch schließlich verschwimmen und sie nicht mehr weiß, wem sie trauen kann …

Von Sarah Glicker sind bei Forever by Ullstein erschienen:
Second Chance for Love (Las-Vegas-Reihe 1)
Love at Third Sight (Las-Vegas-Reihe 2)

Melody & Scott – L.A. Love Story (Pink Sisters Band 1)
Haley & Travis – L.A. Love Story (Pink Sisters Band 2)
Brooke & Luke – L.A. Love Story (Pink Sisters Band 3)
L.A. Love Storys Band 1-3: 3 Romane in einem Bundle

Craving You. Henry & Lauren (A Biker Romance 1)
Breaking You. Jenny & Dean (A Biker Romance 2)
Releasing You. Lucas & Abby (A Biker Romance 3)

Format:Kindle Edition
Seiten:248
Verlag: Forever
EAN:
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Das Grüffelokind-Puzzle-Buch

Buchseite und Rezensionen zu 'Das Grüffelokind-Puzzle-Buch' von Axel Scheffler

Inhaltsangabe zu "Das Grüffelokind-Puzzle-Buch"

Die Maus war selbst Schuld. Schließlich hatte sie den Grüffelo selbst erfunden damals, im gleichnamigen Bilderbuch von Axel Scheffler und Julia Donaldson: um den anderen Tieren des Waldes Angst zu machen und sie sich vom Leib zu haben. Dann plötzlich aber stand das ausgedachte Untier bei ihr leibhaftig vor der Tür -- und Butterbrot mit Maus, das war sein Lieblingsschmaus. Wie es der Maus dann trotzdem gelang, dem behaarten, langzahnigen und gehörnten Monster das Fürchten zu lehren, davon erzählte Der Grüffelo auf äußerst amüsante Weise.

Geschichten sind dazu da, um weitergesponnen zu werden. Und so gibt der Grüffelo seine Erlebnisse mit der Maus in Das Grüfello-Kind an seine Nachkommen weiter. Geh nicht in den Wald, warnt er das Grüffelo-Kind. Da lauert die Maus und will uns böses! Aber alte Grüffelos sind nicht nur ängstlich, sondern auch sehr träge. Und als sein Vater schläft, macht sich sein Nachwuchs auf die Suche nach dem Schrecklichen. Und das ist wirklich noch Grauslicher, als das kleine Monster erwartet hatte...

Das Grüffelo-Kind ist ein Buch über das Entstehen von Ängsten, die oft einen langen Schatten auf die kindliche Seele werfen, obwohl ihre Ursache manchmal nur Mausgröße hat. Aber jenseits dieser klug verborgenen Botschaft ist es vor allem wieder einmal eine von Axel Scheffler zauberhaft gezeichnete Bildergeschichte, deren sympathische Illustrationen dem Grüffelo von Anfang an den Schrecken nehmen. Leider ist die Übersetzung von Julia Donaldsons gereimten Zeilen nicht immer so gut gelungen („gut-Mut“, „Haus-Maus“). Aber das tut der Vorlesefreude -- Schefflers phantasievollen Bildern sei Dank -- keinen Abbruch.

So ist Das Grüffelo-Kind eine gelungene Fortsetzung des großen Der Grüffelo geworden. Eine Fortsetzung zudem, die ebenfalls das Zeug zum Klassiker hat. --Thomas Köster

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:16
EAN:9783407793546
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Ziemlich gute Gründe, am Leben zu bleiben

Buchseite und Rezensionen zu 'Ziemlich gute Gründe, am Leben zu bleiben' von Matt Haig
4
4 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Ziemlich gute Gründe, am Leben zu bleiben"

Authentisch und anrührend


Ein Buch, das es eigentlich gar nicht geben dürfte. Denn mit 24 Jahren wird Matt Haig von einer lebensbedrohlichen Krankheit überfallen, von der er bis dahin kaum etwas wusste: einer Depression. Es geschieht auf eine physisch dramatische Art und Weise, die ihn buchstäblich an den Abgrund bringt. Dieses Buch beschreibt, wie er allmählich die zerstörerische Krankheit besiegt und ins Leben zurückfindet. Eine bewegende, witzige und mitreißende Hymne an das Leben und das Menschsein – ebenso unterhaltsam wie berührend.

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:304
EAN:9783423280716
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Rezensionen zu "Ziemlich gute Gründe, am Leben zu bleiben"

  1. Gibt Mut und macht Hoffnung

    Matt Haig kennt man üblicherweise als Autor von (Fantasy)Romanen sowohl für jugendliche-, als auch erwachsene Leser. Mit "Ziemlich gute Gründe, am Leben zu bleiben" hat er diesmal ein genreübergreifendes Buch geschaffen, welches sowohl biografische Elemente aufweist, als auch als Ratgeber und Sachbuch dient.

    Im Alter von 24 Jahren erkrankte er ziemlich massiv an Depressionen und Angststörungen. Im Buch beschreibt er sympathisch und authentisch seinen persönlichen Weg und Umgang mit seinen inneren Dämonen und möchte damit anderen Betroffenen einen kleinen Mutmacher mit auf deren eigenen Weg geben.

    Er beschreibt anhand seiner Symptome, wie es ihm in seinen dunkelsten Zeiten gegangen ist und wie er sich gefühlt hat. Diese sehr gefühlvollen und anschaulichen Beschreibungen finde ich gerade für Menschen die noch nie selber eine Depression hatten und die deshalb nicht wissen können, wie sich eine solche anfühlt, sehr wichtig und hilfreich.

    Matt Haig lässt den Leser teilhaben an seinem eigenen Entwicklungsprozess. Denn genau darum geht es: Zu lernen, mit dieser Erkrankung umzugehen und leben zu lernen.

    Er beschreibt, wie er im Laufe der Zeit erkannt hat, was gut und hilfreich für ihn ist, und welche Dinge ihm schaden und belasten. Selbstverständlich erkennt man dabei - trotz der ernsten Thematik - definitiv seine Handschrift und den ihm eigenen Humor deutlich wieder. Er ist einfach ein begnadeter Schreiber und gerade deswegen bin ich ihm sehr dankbar dafür, dass er den Mut hatte, dieses Buch zu veröffentlichen.

    Denn wie Matt Haig anhand von aktuellen Zahlen verdeutlicht, sind Depressionen und Angststörungen ein riesiges Problem, von dem weltweit erschreckend viele Menschen betroffen sind. Direkt als Erkrankte, oder indirekt, weil sie einen betroffenen Familienangehörigen / Freund / Arbeitskollegen oder Bekannten haben. In der breiten Öffentlichkeit wird jedoch so gut wie nie über diese Themen gesprochen, haften ihnen doch vermeintliche Makel an. Erst wenn mal wieder eine prominente Perönlichkeit Selbstmord begannen hat, geht eine Erschütterung durch die sonst schweigende Menge und man ist sich (zumindest für kurze Zeit) einig darüber, dass man diese Thematik viel mehr (oder überhaupt mal) in den gesellschaftlichen Mittelpunkt stellen müsste, anstatt sie sprichwörtlich tot zu schweigen.

    Darum ist es so ungemein wichtig, dass es Menschen wie Matt Haig gibt, die offen und ehrlich mit ihrer Erkrankung - die im Übrigen JEDEN im Laufe seines Lebens treffen kann - umgehen und sich auch nicht davor scheuen, dies in der Öffentlichkeit zu tun. Alleine die Tatsache, dass "man darüber spricht", kann Betroffenen bereits eine große Hilfe sein, weil sie dadurch erkennen können, dass sie eben NICHT die vermeintlich einzigen Menschen sind, die davon betroffen sind.

    Mein Fazit: Dieses Buch macht Mut und gibt Hoffnung. Nicht nur den Betroffenen, sondern auch ihren Angehörigen. Denn es zeigt auf, dass es durchaus Wege aus der Dunkelheit geben kann. Wie diese Wege für jeden einzelnen aussehen, ist jedoch ebenso unterschiedlich, wie es die Menschen nun mal selber auch sind. Jede Depression, jede Angststörung, ist sehr individuell, weswegen es gar keinen alleinigen und einzigen Universalweg für alle Erkrankten geben KANN. Und genau darauf weist Matt Haig auch mehrfach hin: Dass es sich bei seinem Bericht eben um genau SEINEN und sehr persönlichen Weg handelt.

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    07. Apr 2016 

    Depression: Ein Überlebensbericht...

    Ein Buch, das es eigentlich gar nicht geben dürfte. Denn mit gerade mal 24 Jahren wird Matt Haig von einer lebensbedrohlichen Krankheit überfallen, von der er bis dahin kaum etwas wusste: einer schweren Depression. Es geschieht auf eine physisch dramatische Art und Weise, die ihn buchstäblich an den Rand des Abgrunds bringt. Dieses Buch beschreibt, wie er allmählich die zerstörerische Krankheit besiegt und langsam ins Leben zurückfindet. Eine bewegende, witzige und mitreißende Hymne an das Leben und an das Menschsein – ebenso unterhaltsam wie berührend.

    'Ich habe dieses Buch geschrieben, weil letztendlich doch etwas dran ist an den uralten Klischees: Die Zeit heilt alle Wunden, und es gibt ein Licht am Ende des Tunnels, auch wenn wir es zunächst nicht sehen können. Und manchmal können Worte einen Menschen tatsächlich befreien.' Matt Haig

    Ich hatte also zwei Ziele mit diesem Buch. Gegen die Stigmatisierung zu kämpfen und - vielleicht die größere Herausforderung - andere Menschen davon zu überzeugen, dass wir am tiefsten Punkt des Tals einfach nicht die klarste Aussicht haben. (S. 7)

    Fallen - Landen - Aufstehen - Leben - Sein. Das sind die großen Abschnitte, in die Matt Haig sein Buch unterteilt hat und die einen Prozess andeuten. Seinen eigenen Prozess im Kampf gegen die Depression. Oder vielmehr in seinem Lebenlernen mit der Depression. Denn diese Krankheit ist nicht einfach plötzlich weg. Sie ist immer da, zumindest latent im Hintergrund - und kann jederzeit wieder zuschlagen...

    "Und wenn der Sandsturm vorüber ist, wirst du dich kaum erinnern, wie du ihn durchquert, ihn überlebt hast. Du wirst nicht einmal sicher sein, ob er wirklich vorüber ist. Nur eins ist sicher. Wenn du aus dem Sandsturm kommst, bist du nicht mehr derselbe Mensch, der in ihn hineingeraten ist. Darin liegt der Sinn dieses Sturms." (Haruki Murakami, Kafka am Strand) (S. 89)

    Was ist das eigentlich für ein Buch? Das fragte ich mich nach einigen Seiten der Lektüre. Erwartet hatte ich einen hoffnungsvoll gestimmten, von leichtem Humor durchsetzten Roman im Stile des vorherigen Buches von Matt Haig: 'Ich und die Menschen', von dem ich so überaus angetan war. Aber: dieses Buch ist anders. Ganz anders.

    Hoffnungsvoll gestimmt? Ja, unbedingt. Auch. Von leichtem Humor durchsetzt? Auch dies, stellenweise. Aber: eben kein Roman. Wirklich zuordnen lässt sich dieses Buch keinem Genre so richtig; es ist im Grunde eine Mischung aus Erfahrungsbericht, Sachbuch und Ratgeber. Und diese Erkenntnis war für mich: ernüchternd.

    Hat man eine Depression, versinkt man in einem Sumpf und verliert jeglichen Antrieb. Mischt man Angst in den Cocktail, bleibt der Sumpf zwar ein Sumpf, doch der Sumpf hat jetzt Strudel (...) Du bist konstant im Alarmzustand. Du bist angespannt bis zum Kollaps, in jedem einzelnen Augenblick, während du verzweifelt versuchst, dich über Wasser zu halten... (S. 62)

    Nachdem ich das Buch nun gelesen habe, bin ich der Meinung, dass mir persönlich ein Roman mit dieser Thematik deutlich besser gefallen hätte, zumal darin dann vermutlich mehr Anteile von Haigs eigener Erfahrung mit der Depression verarbeitet worden wären. Aber hätte, könnte, wäre - ist eben nicht, und so musste ich mich mit dem gewählten Stil arrangieren. Natürlich gelingt es Matt Haig auf diese Art, viel Wissenswertes rund um das Thema Depression zu vermitteln und den Leser - ob nun Betroffener oder nicht - für die Thematik zu senisibilisieren. Aber für mich persönlich muss ich gestehen, dass ich wenig Neues erfahren habe. Am berührtesten war ich letztlich bei der Danksagung - und das will wirklich etwas heißen.

    Die Depression, das bist nicht D U. Sie ist etwas, das dir passiert. Etwas, das häufig durch Reden besser wird. Durch Worte. Trost. Unterstützung. Ich habe über ein Jahrzehnt gebraucht, um offen über meine Erfahrungen zu reden, richtig zu reden, mit jedem. Und mir wurde schnell klar, dass Reden an sich schon eine Therapie ist. Wo man reden kann, ist Hoffnung. (S. 85 f.)

    Dennoch denke ich, dass es ein wertvolles Buch ist. Ich glaube, dass das Buch für Betroffene gut sein kann. Man macht hier die Erfahrung: man ist nicht alleine damit, man ist nicht 'unnormal', weil man an dieser Krankheit leidet, es ist nicht hoffnungslos - es gibt immer auch wieder einen Weg aus dem Tal hinaus, auch wenn dieser für jeden anders ausschaut, da es keine Patentrezepte gibt gegen die 'Depression'.

    Aber auch für Leser, die sich mit der Thematik bislang wenig auseinanderegestzt haben, kann es hilfreich sein, dieses Buch zu lesen. Wann sonst erhält man derart authentische Einblicke in das Innenleben (und die Lösungen) eines Betroffenen? Viele werden zumindest in ihrem Umfeld (Freunde, Familie, Kollegen) jemanden kennen, der depressiv ist - und wie hilflos reagiert man oft im Umgang mit ihnen? Das Buch kann hier m.E. dazu beitragen, mehr Verständnis für Erkrankte zu entwickeln.

    Wenn möglich, gib dem Depressiven nicht das Gefühl, noch seltsamer zu sein, als er sich sowieso schon fühlt. Drei Tage auf dem Sofa? Nicht die Vorhänge aufgezogen? Tränen wegen schwieriger Etnscheidungen wie zum Beispiel, welche Socken anziehen? Na und? Kleinigkeit. Einen Normalzustand gibt es nicht. Normal ist subjektiv. Auf unserem Planeten gibt es sieben Milliarden Versionen von normal. (S. 151)

    Es gibt hier also keine zusammenhängende Geschichte, sondern aufeinanderfolgende kleine Kapitel, in denen in meist kurzen, flüssig zu lesenden Sätzen entweder von Matt Haigs Erfahrungen berichtet wird, oder in denen er Wissenswertes zur Krankheit 'Depression' vorstellt, gerne auch in Form von Listen und Aufzählungen, wie z.B. von Dingen, die ihm gut tun und anderen Dingen, die die Symptomatik eher verschlechtern.

    Keine Depression ist wie die andere, das Erleben ist immer individuell, jeder muss für sich herausfinden, was ihm gegen den 'schwarzen Hund' hilft, ob Medikamente beispielsweise eine Option sind oder nicht. Neurowissenschaftlich ist viel weniger erforscht, als Medizin und Pharmaindustrie uns weis machen wollen, und Matt Haig beispielsweise verzichtet ganz auf Medikamente. Bei ihm sind es andere Dinge, die ihm helfen: Sonne, Luft, Reisen, Laufen, Yoga, Meditation - und Bücher.

    "Das Ziel der Kunst ist es, dem Leben Form zu geben", sagte Shakespeare. Und mein Leben - das Chaos in meinem Kopf - brauchte Form. Ich hatte den Faden verloren. Ich hatte keinen einheitlichen Erzählstrang mehr. Es war nur Chaos und Unordnung da. Also liebte ich Geschichten, weil sie mir Hoffnung gaben. (...) Es gibt das Klischee, dass Leute, die viel lesen, einsam sind, aber für mich waren Bücher der Weg aus der Einsamkeit heraus. Wenn man zu den Leuten gehört, die zu viel nachdenken, gibt es nichts Einsameres auf der Welt, als von Leuten umgeben zu sein, die eine völlig andere Wellenlänge haben." (S. 151 f.)

    Matt Haig schaut bei all seinen Schilderungen auch über den Tellerrand der eigenen Betroffenheit hinaus. So listet er beispielsweise eine stattliche Anzahl von Berühmtheiten auf, die ebenfalls an Depression leiden/litten - und nicht an ihr gestorben sind. Neben der Erkenntnis, dass auch Geld und Ruhm vor dieser Erkrankung nicht schützen, sondern dass eine Depression wirklich jeden ereilen kann, wird auch eines deutlich: man kann die Krankheit überleben. Und dies ist eine ganz wesentliche Botschaft des Buches.

    Die Intention des Buches habe ich verstanden und ich kann nur meinen Hut ziehen vor dem Mut, den Matt Haig hier mit seiner Offenlegung bewies. Bestimmte Aspekte - wie beispielsweise die Kritik an der Konsumgesellschaft (fragwürdige Werte, Schüren von Ängsten, Überforderung durch ständige Reizsetzungen) oder aber auch das 'Abwatschen' von Schopenhauer, dem 'Lieblingsphilosophen der Depressiven' - haben mir richtig gut gefallen. Anderes dagegen wie z.B. zahlreiche Wiederholungen und nahezu mantraartiges Auflisten von positiven Aspekten des Lebens ließen mich die entsprechenden Seiten eher überfliegen. Noch einmal: für Betroffene mag dies der richtige Weg sein. Mich persönlich sprach dieses Vorgehen einfach nicht an.

    Die Menschen legen so viel Wert auf das Denken, aber das Fühlen ist genauso wichtig. Ich will Bücher lesen, die mich zum Lachen und zum Weinen bringen, die mir Angst und Hoffnung machen und mich triumphieren lassen. Ich will, dass ein Buch mich umarmt oder am Kragen packt. Ich habe auch nichts dagegen, wenn es mir einen Schlag in den Magen versetzt. Denn wir sind hier, um zu fühlen. Ich will das Leben. (S. 265)

    Die Leserunde zu dem Buch hat gezeigt, dass ich eine der wenigen war, denen es nicht so zusagte. Ich kann hier aber nur meinen individuellen Eindruck schildern - und will damit weder die Bedeutung des Geschriebenen schmälern noch dessen mögliche Wirkung verneinen auf diejenigen, die zu dem Thema einen anderen Zugang haben oder bekommen möchten. Insofern: ein beeindruckendes Buch. Nur eben nicht so sehr für mich.

    © Parden

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Asphalt Tribe

Buchseite und Rezensionen zu 'Asphalt Tribe' von Morton Rhue
4
4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Asphalt Tribe"

Sie nennen sich "Asphalt Tribe" und leben auf den Straßen von New York. Die 15-jährige Maybe erstattet schonungslos Bericht über ihren Überlebenskampf, über Momente der Angst und des Glücks, über Aussichtslosigkeit und Zukunftsträume.

Autor:
Format:Taschenbuch
Seiten:224
EAN:9783473582129
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Rezensionen zu "Asphalt Tribe"

  1. Der Schmerz dieses verdammten Lebens

    Der Autor wird den meisten wohl noch aus der Schule bekannt sein! Aus seiner Feder stammt das vielfach preisgekrönte und gerne als Lektüre verwendete Buch "Die Welle", in dem es um ein missglücktes soziales Experiment geht, mit dem ein Lehrer seinen Schülern eigentlich nur zeigen wollte, wie es zum Holocaust kommen konnte... Mit fatalem Ergebnis. (Das ist in der Realität übrigens tatsächlich passiert, an einer amerikanischen Schule in den späten 60er Jahren!)

    Aber auch in seinen anderen Werken greift Morton Rhue oft brisante Themen auf, die Jugendliche betreffen: Amoklauf, Jugendkriminalität, brutale Erziehungscamps in den USA, Islamismus und Radikalisierung...

    In "Aspalt Tribe" geht es um Straßenkinder - und zwar nicht in den Slums irgendeines Entwicklungslandes, sondern in einer durchschnittlichen amerikanischen Großstadt. Denn Jugendobdachlosigkeit ist auch in Wohlstandsländern ein (oft nur wenig beachtetes) Problem! Auch in Deutschland.

    Morton Rhue erzählt die Geschichte einer kleinen Gruppe obdachloser Jugendlicher, die sich zusammengetan haben, um sich gegenseitig Schutz, Trost und Hilfe zu spenden, und die dabei allzu oft ums blanke Überleben kämpfen müssen. Die meisten von ihnen sind vor Vernachlässigung, Misshandlung oder Missbrauch geflohen, schlafen lieber bei Minus 20 Grad auf der Straße und verkaufen ihren Körper, statt zurückzugehen in ein Elternhaus, in dem sie die Hölle erlebt haben. Sie trauen Erwachsenen nicht mehr, auch nicht der netten Sozialarbeiterin, die ihnen nur helfen will.

    Das ist sicher keine lustige Geschichte und der Autor beschönigt nichts, aber er verzichtet darauf, die schlimmen Dinge, die die Jungen und Mädchen erleben, sensationsgeil auszuschlachten und zum Beispiel genauer zu beschreiben, wie sie sich prostituieren. Das hat das Buch gar nicht nötig, denn es ist auch so schon bedrückend genug und regt zum Nachdenken an. "Maybe" berichtet relativ ruhig über die Geschehnisse - und das ist an sich schon verstörend, denn es zeigt, wie sehr sie mit ihren 15 Jahren schon abgestumpft ist. Sie ist traurig, wenn ein Mitglied ihres Stamms tot im Park gefunden wird, aber nicht einmal sonderlich überrascht...

    Dennoch fand ich das Buch spannend und bewegend, und das Thema wurde in meinen Augen mit Mitgefühl und Respekt umgesetzt.

    Die Kids benutzen "Straßennamen" wie 2Moro, Maggot oder Rainbow und sprechen nicht gerne über ihre Vergangenheit. Deswegen erfährt der Lesende echte Namen und Hintergrundgeschichten meist erst dann, wenn ein Kapitel des Buches mit einem kurzen Steckbrief eröffnet wird, der unvermeidlich mit einem sachlichen Eintrag über den Tod des Jugendlichen endet... Denn das kommt mehr als einmal vor.

    Man könnte sagen, dass viele der Charaktere dadurch in gewisser Weise unnahbar bleiben, aber ich habe trotzdem mit den Kindern und Jugendlichen mitgefühlt, denn man spürt deren Leid immer zwischen den Zeilen. Die Erzählerin "Maybe" lernt man mit jeder Seite besser kennen, und man kann sich ihren Gefühlen kaum entziehen. Sie ist sehr glaubhaft und auch ihre Sprache erschien mir passend für ihr Alter und ihre Hintergrundgeschichte.

    Am Schreibstil merkt man, dass sich das Buch an jugendliche Lesende richtet, denn der ist sehr einfach und klar strukturiert. Aber es ist meiner Meinung nach dennoch ein Buch, das auch für erwachsene Leser lohnend ist, denn es ist ein Thema, das es wert ist, einmal darüber nachzudenken.

    Zitat:
    Jewel schluchzte weiter. Er würgte und stöhnte ein bisschen, hustete und schniefte, dann schluchzte er wieder auf. Das war kein körperlicher Schmerz. Es war ein anderer Schmerz. Der Schmerz dieses verdammten, frierenden, hungrigen, schmutzigen Lebens, bei dem kein Mensch sich dafür interessierte, ob man tot oder lebendig war. Bei dem man nicht einmal einen Namen hatte. Nicht einmal eine Nummer. Nur etwas Fleisch, das an irgendwelchen Knochen hing. Das darauf wartete, gefüttert oder nicht gefüttert zu werden. Zu schlafen oder nicht zu schlafen. Zu leben oder nicht mehr zu leben.

    Fazit:
    Jugendobdachlosigkeit mitten in einer amerikanischen Großstadt: Maybe, 2Moro, Maggot, Jewel, Rainbow, OG und Tears schlafen bei Minusgraden auf dem Asphalt, essen aus dem Müll, verkaufen ihre Körper, nehmen Drogen, und trotzdem kommt ihnen all das immer noch besser vor, als zurückzugehen in ein Elternhaus, wo sie geschlagen, beschimpft oder missbraucht wurden.

    Morton Rhue greift das Thema mit viel Fingerspitzengefühl auf, ohne das Leid der Jugendlichen zur Unterhaltung der Leser auszuschlachten, aber auch ohne Beschönigung. Vom Schreibstil her ist es ganz deutlich ein Jugendbuch, aber eines, das auch interessant für erwachsene Leser sein kann.

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Grundformen der Angst

Buchseite und Rezensionen zu 'Grundformen der Angst' von Fritz Riemann

Inhaltsangabe zu "Grundformen der Angst"

Fritz Riemann - Grundformen der Angst - Eine tiefenpsychologiesche Studie
Ratgeber (TB, 2002)
Weiteres siehe Foto

Format:Taschenbuch
Seiten:244
Verlag: Reinhardt
EAN:9783497007493
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Yoga für die Seele

Buchseite und Rezensionen zu 'Yoga für die Seele' von Ursula Karven

Inhaltsangabe zu "Yoga für die Seele"

Format:Taschenbuch
Seiten:192
Verlag: rororo
EAN:9783499615955
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