Die Habsburger: Aufstieg und Fall einer Weltmacht

Buchseite und Rezensionen zu 'Die Habsburger: Aufstieg und Fall einer Weltmacht' von Martyn Rady

Inhaltsangabe zu "Die Habsburger: Aufstieg und Fall einer Weltmacht"

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:624
EAN:9783737101080
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Berlin 1936: Sechzehn Tage im August

Buchseite und Rezensionen zu 'Berlin 1936: Sechzehn Tage im August' von Oliver Hilmes
3.65
3.7 von 5 (3 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Berlin 1936: Sechzehn Tage im August"

Die Diktatur im Pausenmodus: Stadt und Spiele im Sommer 1936


Im Sommer 1936 steht Berlin ganz im Zeichen der Olympischen Spiele. Zehntausende strömen in die deutsche Hauptstadt, die die Nationalsozialisten in diesen sechzehn Tagen als weltoffene Metropole präsentieren wollen. Oliver Hilmes folgt prominenten und völlig unbekannten Personen, Deutschen und ausländischen Gästen durch die fiebrig-flirrende Zeit der Sommerspiele und verknüpft die Ereignisse dieser Tage kunstvoll zum Panorama einer Diktatur im Pausenmodus.


Die »Juden verboten«-Schilder sind plötzlich verschwunden, statt des »Horst-Wessel-Lieds« klingen Swing-Töne durch die Straßen. Berlin scheint für kurze Zeit eine ganz normale europäische Großstadt zu sein, doch im Hintergrund arbeitet das NS-Regime weiter daran, die Unterdrückung zu perfektionieren und das Land in den Krieg zu treiben.


In »Berlin 1936« erzählt Oliver Hilmes präzise, atmosphärisch dicht und mitreißend von Sportlern und Künstlern, Diplomaten und NS-Größen, Transvestiten und Prostituierten, Restaurantbesitzern und Nachtschwärmern, Berlinern und Touristen. Es sind Geschichten, die faszinieren und verstören, überraschen und bewegen. Es sind die Geschichten von Opfern und Tätern, Mitläufern und Zuschauern. Es ist die Geschichte eines einzigartigen Sommers.


Format:Taschenbuch
Seiten:304
EAN:9783328101963
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Rezensionen zu "Berlin 1936: Sechzehn Tage im August"

  1. Brot und Spiele

    Inhalt

    Oliver Hilmes stellt die Ereignisse rund um die Olympischen Spiele in kleinen Episoden dar, die er sehr gut recherchiert hat und von die auf Tatsachen basieren. Am Beginn jeden Tages steht der Wetterbericht für Berlin, es folgen unterschiedliche Eindrücke des Tages auf verschiedenen Perspektiven.
    Einen roten Faden bilden dabei die Erlebnisse des Schriftstellers Thomas Wolfe, der auf Einladung des Rowohlt-Verlags nach Berlin gekommen ist und dessen anfängliche Begeisterung für diese Stadt und die Organisation der Spiele verblasst. Nach seiner Rückkehr nach Amerika veröffentlicht er eine autobiographische Erzählung, die "einerseits eine Liebeserklärung an Berlin, andererseits (...) eine wortgewaltige Abrechnung mit den Nazis und ihrem Regime" (S.278) ist.

    Neben der Sicht des Literaten zeigen Goebbels Tagebuchaufzeichnungen einen nüchternen Blick auf die Spiele und verdeutlichen die gnadenlose Instrumentalisierung des Sportes für die machtpolitischen Ziele des NS-Regimes, auf die Hilmes immer wieder hinweist, indem er zum Beispiel Anweisungen der Gestapo zitiert. Erhellend sind auch die Tagesmeldungen der Staatspolizeistelle Berlins oder die Auszüge der täglichen Anweisungen der Reichspressekonferenz, die verdeutlichen, dass um jeden Preis der schöne Schein aufrecht zu erhalten ist.

    Auch die sportliche Ereignisse kommen nicht zu kurz, wie das Ausscheiden der deutschen Mannschaft beim Fußball oder die Alibi-Jüdin der deutschen olympischen Mannschaft, die Fechterin Helene Mayer. Der Unwille Hitlers über die Siege des schwarzen Sprinterstars Jesse Owens dagegen sind hinlänglich bekannt.
    Wirklich berühren die Geschichten der sogenannten "kleinen Leute", die im Fahrtwasser der Spiele untergehen. Wie zum Beispiel die kleine Elisabeth, deren Familie, da sie zu den Sinti und Roma gehören, im Rahmen der Olympiade aus dem Zentrum Berlins verbannt werden und unter menschenunwürdigen Bedingungen am Rande der Stadt zusammengepfercht werden. Diese Geschichten hätten noch stärker in den Vordergrund gerückt werden müssen, da sowohl die politischen als auch die sportlichen Ereignisse nicht Neues erzählen.

    Die Darstellung der glamourösen Etablissements, denen eine Gnadenfrist während der Olympiade gewährt wird, um das Bild des mondänen Berlins aufrecht zu erhalten, wie das Beispiel des Quartier Latin zeigt, runden die Eindrücke, die Außenstehende während der olympischen Spiele haben, ab.
    Der letzte Teil des Buches beleuchtet, was aus den einzelnen Personen nach den Spielen geworden ist.
    So entsteht insgesamt ein interessantes Kaleidoskop der Olympischen Spiele in Berlin im Jahre 1936.

    Bewertung

    Zu Beginn ist es mir schwer gefallen, in den Roman hineinzukommen. Die Episoden sind zunächst sehr kurz, verschiedene Personen tauchen auf, Schicksale werden angedeutet, ein schneller Wechsel der Orte und Perspektiven erfolgt. Bis auf wenige Einzelschicksale tauchen die Figuren jedoch immer wieder auf und es spinnen sich rote Fäden, wie z.B. die Erlebnisse des Autors Thomas Wolfe oder Goebbels Tagebuchaufzeichnungen, die den Roman stringenter werden lassen.
    Trotzdem bin ich der Meinung, dass weniger Figuren eine größere Identifikationsfläche geboten hätten und man so eventuell tiefer in das Geschehen hätte eintauchen können. So berühren die Einzelschicksale, der Rest zieht vorüber, ohne tiefere Spuren zu hinterlassen.

    Insgesamt entsteht ein facettenreiches "Gemälde" der 16 Tage im August, in denen es den Nationalsozialisten leider gelungen ist, einen Großteil der Besucher im Glauben zu lassen, sie hätten eine friedliche Gesinnung. Das Buch zeigt jedoch auf, dass es durchaus Menschen, wie Thomas Wolfe gegeben hat, die es vermochten, hinter den schönen Schein geblickt haben und verdeutlicht erneut die Unmenschlichkeit und Skrupellosigkeit des NS-Regimes. Dadurch gehört es für mich in die Reihe jener Werke gegen das Vergessen.

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  1. Hervorragend recherchiert ohne zu berühren

    Die Olympischen Spiele der Nationalsozialisten in Berlin 1936 gelten bis heute als Musterbeispiel staatlicher Propaganda. Nie zuvor war eine Veranstaltung mit soviel technischem und personellem Aufwand so perfekt inszeniert worden. Die Welt sollte beeindruckt sein - und sie war es auch. Bis heute wird Leni Riefenstahls Propagandafilm „Olympia“, die Dokumentation jener Tage und finanziert von Propagandaminister Joseph Goebbels, kontrovers diskutiert.

    Der Historiker Oliver Hilmes berichtet in „Berlin 1936 - 16 Tage im August“ über diese scheinbaren Tage der Normalität in einer pulsierenden Metropole. Unzählige ausländische Besucher sind in die Stadt gekommen, denen die Nazis Weltoffenheit demonstrieren wollen. Die „Juden verboten“-Schilder sind für gut zwei Wochen verschwunden.

    Jedem dieser 16 Tage ist ein eigenes Kapitel gewidmet, angefüllt mit Anekdoten zu mehr oder minder bekannten Persönlichkeiten der damaligen Zeit. Der Leser erfährt Details über den Tagesablauf des amerikanischen Autors Thomas Wolfe, der sich in der Stadt aufhält und die legendären Feiern und Saufgelage bei Verleger Ernst Rowohlt. Amüsant ist auch die Geschichte des unehelichen Sohnes Heinz Ledig. Verleger und Sohn wollen die Geschichte geheim halten, tatsächlich kennt sie der ganze Verlag. Hilmes zitiert auch aus den Tagebuchaufzeichnungen von Goebbels. Der Seitensprung seiner Frau und das sehr spezielle Verhältnis von beiden zum Führer werden beleuchtet. Das alles ist interessant und von Hilmes hervorragend recherchiert, bleibt aber immer seltsam oberflächlich.

    Es gibt in diesem Buch viele Anekdoten über Diplomaten, Komponisten, Schriftsteller und Nachtclubbesitzer, die sich während dieser Tage in der Stadt tummeln und das Partyleben der mondänen Clubs geniessen. Die Opfer der Nazis oder wie es um diesen Staatsapparat tatsächlich bestellt ist, werden eher nebenbei abgehandelt. So wird beispielsweise der damals schon berühmte Thomas Wolfe von einer Begleitung darüber aufgeklärt, dass in Deutschland unbequeme Personen schnell im Konzentrationslager landen. Das alles wird aber nur in wenigen Sätzen abgehandelt.

    Ja, man fühlt sich durch die vielen kurzen Geschichten wirklich ins Berlin des Jahres 1936 versetzt. Aber ein Buch über eine Diktatur im Pausenmodus ist dieses Buch nicht. „Ein Sommer der Widersprüche: Im Olympiastadion jubeln die Massen, und vor der Stadt entsteht das KZ Sachsenhausen“, beschreibt der Klappentext. Die Geschichte der Konzentrationslager beginnt bereits 1933. 1936 sind Hunderttausende inhaftiert und der Willkür ihrer Bewacher ausgesetzt. Was ist eigentlich mit denen? Das erfahren wir nicht, nur ansatzweise, nicht aber detailliert anhand von Einzelschicksalen. Das Los, der Überlebenskampf dieser Personen vor der Fassade von Olympia 1936 wäre sicher interessanter und beeindruckender gewesen als noch eine Anekdote mehr über den Nachtclub Sherbini und seinen zwielichtigen Betreiber.

    Hätte sich da nicht der eine oder andere Zeitzeuge finden lassen, der in diesen 16 Tagen um den verschleppten Bruder, die verschleppte Schwester gebangt hat oder vielleicht selber schon in der Zelle der Gestapo sass? Dann hätte „Berlin 1936 - 16 Tage im August“ ein berührendes Werk werden können - schade.

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  1. 5
    27. Jul 2016 

    Sehr interessant

    Es gibt sehr viele Bücher und Filme über den Nationalsozialismus, und ich bin immer wieder erstaunt darüber, dass noch mehr Bücher dazu geschrieben werden. Es zeigt, dass man nie fertig ist mit dieser Thematik.

    "Berlin 1936" hat mir auch recht gut gefallen.

    Ich denke, dass es dem Historiker Oliver Hilmes ziemlich gut gelungen ist, zu den Olympischen Spielen 1936 hinter die Kulissen zu schauen. Am 1. August begann die Eröffnungsfeier und endete mit einer Abschlussfeier am 16. August. Adolf Hitler bzw. das Deutsche Reich ist Gastgeber gewesen.

    Die sechzehn Tage werden jeweils in einzelne Kapitel gegliedert. Zu Beginn eines neuen Tages gibt es einen kleinen Wetterbericht.

    Neben den sportlichen und politischen Ereignissen beschreibt Hilmes auch das Berliner Stadtleben, in dem viele Feierlichkeiten in Bars und gehobenen Tanzlokalen stattgefunden haben ...

    Der Autor hat die Propagandapolitik gut beschreiben können. Viele interessante Zitate aus verschiedenen Tagebüchern der Akteure wie z. B. Hitler, Goebbels und diverse andere Tagebuchschreiberlinge können dem Buch entnommen werden.

    Was sehr nachdenklich stimmt, ist, dass nicht nur das deutsche Volk manipulierbar gewesen ist, sondern auch die Sporttouristen. In diesem Sinne wurden die Olympischen Spiele zu politischen Zwecken im Nazi-Deutschland instrumentalisiert.

    Hitler und Goebbels waren eigentlich gegen die Olympischen Spiele. Goebbels äußerte sich in seinem Tagebuch recht abfällig dazu und dass er froh sei, wenn alles wieder schnell vorbei ginge. Manche Beteiligte bezeichnete er als "Zirkusflöhe."

    Goebbels und Hitler fühlten sich in ihrer Politik gestört, niemand sollte dahinterkommen, dass sie antisemitische Politik betreiben. Während der Olympischen Spiele setzte die Politik kurzweilig aus. Anderenorts wurde sie im Untergrund heimlich weiter betrieben. 1936 gab es schon vereinzelt KZ.

    Hitlers Auftreten in der Öffentlichkeit zeugte von großer Sympathie bei den Touristen. Seine Ausstrahlung war geprägt von väterlichem Charisma. Nur wenige konnten hinter seine Fassade schauen.

    Hilmes stellt sich die Frage, ob Hitler sich sogar als getarnter Friedensstifter ausgab, als dieser zu den verschiedenen Nationen spricht:

    >>Wir wollen uns kennen und schätzen lernen und dadurch eine Brücke bauen, auf der die Völker Europas sich verständigen können. << (2016,106)

    Oliver Hilmes gebraucht den Begriff Das Spiel als Massensuggestion.

    Dazu ein kritisches Zitat der Sportjournalistin Bella Fromm aus ihrem Tagebuch:

    >>Die Ausländer werden verwöhnt, verhätschelt, umschmeichelt und getäuscht (…). Indem man die Olympischen Spiele als Vorwand benutzt, versucht die Propagandamaschine bei den Besuchern einen günstigen Eindruck vom Dritten Reich zu schaffen.<< (105)

    Was hat mich persönlich berührt?

    Tief berührt hat mich der amerikanische Sportler Jesse Owens, schwarze Hautfarbe, der in den Olympischen Spielen mit mehreren Goldmedaillen ausgezeichnet wurde, über die sich Hitler massiv erregt hat. Hitler konnte nicht verstehen, dass die Amerikaner Schwarze für sich kämpfen ließen. Dass Jesse Owens so athletisch war, erklärte Hitler damit, dass Schwarze (Nigger) gegenüber der weißen Rasse keine fairen Konkurrenten abgeben würden, da die Schwarzen aus dem Dschungel kommen würden. Als würden die Menschen dort wie Affen nur auf Bäumen klettern ... Wobei der dunkelhäutige Athlet Amerikaner ist und nicht aus Afrika kommt.

    Auf Seite 206 findet man ein kritisches Gedicht mit dem Titel Nazi-Olympiade von dem Schriftsteller Alfred Kerr, der in London im Exil lebte. In seinem Gedicht hat er den Rassismus gegenüber Juden und Schwarzen deutlich gemacht.

    Dazu dritter Vers:

    "Der >>Führer<< ächzt: >>Die Olympiad´
    (Das ist schon durchgesickert)
    Scheint ganz wie der Franzosenstaat
    Verjuddet und Verniggert<<.
    Er stöhnt: >>Gott, du Gerechter!<<
    (Olympisches Gelächter)."

    Der amerikanische Schriftsteller Thomas Wolfe hat mich auch beschäftigt. Wolfe liebte Berlin so sehr, dass er erst Probleme hatte, die rassistisch gefärbte Politik, auch gegen andersgeartete Menschen, in Deutschland wahrzunehmen. Zu sehr idealisierte er das Land. Später kommt er zu einer anderen Erkenntnis:

    Ihm wird klar, dass die Nationalsozialisten dieses Land, das Tom so sehr liebt, schleichend mit ihrem Gift durchsetzen, dass sie es zerstören wollen: >>Es war eine solche Leistung -unsichtbar, aber unverkennbar, wie der Tod. (214f)

    Mein Fazit?

    Oliver Hilmes bestätigt meine Theorie, dass in den Sportmeisterschaften die Menschen hochgradig manipulierbar sind, und dass die Spiele aus meiner Sicht auch heutzutage noch politisch instrumentalisiert werden, weshalb ich mich selbst nicht für Sport interessiere. Fußball-WM und -EM können Sportdesinteressierten dadurch völlig kalt lassen. Man kann aber bei der Vorstellung, wenn die Masse vor dem Kasten sitzt und sie sich von dem Spiel und dem Sportmoderator emotional hochkochen lässt, leicht Gänsehaut bekommen, weil es deutlich macht, wie sehr der Mensch sich davon beeindrucken und beeinflussen lässt ...

    Nun habe ich durch dieses Buch jene Sportattraktionen im Nazi-Deutschland mitbekommen. Das hatte ich bisher neben den vielen anderen Nationalsozialistischen Büchern, die ich gelesen habe, noch nicht gehabt.

    Das Buch ist gut geschrieben, leicht verständlich, sehr interessant und gut recherchiert.

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Von den Nazis trennt mich eine Welt

Buchseite und Rezensionen zu 'Von den Nazis trennt mich eine Welt' von Peter Graf
4
4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Von den Nazis trennt mich eine Welt"

Hermann Stresau arbeitet als Bibliothekar in Berlin, als 1933 die Machtergreifung durch die Nationalsozialisten erfolgt. In seinen Tagebüchern, die der in Amerika geborene Intellektuelle mit der Machtergreifung wieder aufnimmt, entfaltet sich ein intimes Bild der Vorkriegszeit. Ausnehmend klarsichtig schildert er, wie die neuen Machthaber mit der ihnen eigenen Mischung aus geschickt eingesetzter Propaganda, inszenierten Machtdemonstrationen, der skrupellosen Ausübung von Gewalt und einer gut organisierten Bürokratie die Herrschaft absicherten und Stück für Stück ausweiteten. Doch genauso sehr interessiert sich Stresau für sein Umfeld. Reflektiert beschreibt er das Verhalten derjenigen, die sich aus Überzeugung oder Karrieregründen dem System andienen, schildert das Mitläufertum ebenso wie die Gedanken der ihm Gleichgesinnten, die sich den neuen Verhältnissen verweigern. So entsteht ein unvergleichliches Zeitpanorama und Psychogramm der Deutschen. Die Tagebücher wurden von den Herausgebern Peter Graf und Ulrich Faure wiederentdeckt und reichen von 1933–1945. Ein zweiter Band, der die Kriegsjahre umfasst, erscheint im Herbst 2021.

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:448
EAN:9783608983296
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Rezensionen zu "Von den Nazis trennt mich eine Welt"

  1. Der Blick von Innen als wertvoller Zugang zur Geschichte

    1948 erschien das Tagebuch Hermann Stresaus unter dem Titel „Von Jahr zu Jahr“, gekürzt vom Autor selbst. Über 70 Jahre später bringt der Klett-Cotta-Verlag die Tagbücher neu heraus, versehen mit einem umfangreichen Kommentarteil und ergänzt um die komplett gestrichenen Tage oder Passagen, nur die stilistischen Änderungen Stresaus wurden beibehalten. Der erste Band umfasst die Jahre bis zum Kriegsbeginn, im Herbst 2021 wird dann der zweite Band mit den Jahren 1939 – 1945 erscheinen.

    Hermann Stresau wurde 1894 in den USA geboren und kam mit seinen deutschen Eltern bereits 1900 nach Frankfurt zurück. Er kämpfte als Freiwilliger im Ersten Weltkrieg, arbeitete nach abgebrochenem Studium als Bibliothekar in Spandau und wurde 1933 aus politischen Gründen entlassen. Danach schrieb er Artikel für Zeitungen, Übersetzungen, arbeitete als Lektor und veröffentlichte Sachbücher und Romane.
    Der Verlust seiner Stelle, der Kampf um Wiedereinstellung, die Auseinandersetzungen mit denen, die dafür verantwortlich waren, sowie die ständigen juristischen Konflikte rund um einen Hauskauf und -umbau, die Stresau fast alle verlor, weil seine Kontrahenten zwischenzeitlich Mitglieder der NSDAP waren, und der oft auch finanziell schwierige Aufbau einer neuen Existenz – das alles prägt neben den großen politischen Ereignissen die Aufzeichnungen Stresaus. Hellsichtig und hochintellektuell berichtet hier jemand, der kein Blatt vor den Mund nimmt und dem schlimmste Konsequenzen gedroht hätten, wenn diese Aufzeichnungen in falsche Hände gekommen wären.

    Aber hier schreibt kein Widerstandskämpfer, Stresaus Ansichten sind teilweise selbst rechts-konservativ. Über Tucholsky schrieb er, dass dieser „wie sein geistiger Vorfahr Heine in politischer Hinsicht nichts taugt“ und ein „Mann wie Stefan Zweig hat freilich verheerend gewirkt“. Man findet bei ihm, gerade in den frühen Jahren, auch Begriffe wie „Wucherjuden“ oder „Entartung“. Aber er erkannte zumindest sehr schnell beim Vorgehen der Nazis gegen Juden, „daß wir dafür noch einmal teuer zu bezahlen haben würden.“

    Wie so oft bei der Beschäftigung mit Menschen, die sich gegen den Nationalsozialismus aussprachen, passen das heute vorherrschende bequeme Denken in Schwarz-Weiß-Kategorien, das Bedürfnis nach Schubladen-Ordnung überhaupt nicht. Hermann Stresau zeigt vielmehr, wie Menschen sich vom Nationalsozialismus abwandten, ohne dessen Ideen immer komplett abzulehnen. Und gerade hier sind Tagebücher hervorragende Zeugnisse, da sie Veränderungen, Entwicklungen und Wandlungen zeigen.
    So schrieb Stresau noch im November 1933, als seine Abneigung noch mehr auf Äußerlichkeiten, weniger auf Inhaltlichem beruhten:
    „Das Verwirrende in dem ganzen Vorgang ist dies: manches ist zu bejahen, selbst im Grundsätzlichen. Wer wollte leugnen, daß Gemeinnutz vor Eigennutz geht? (…) Kein Mensch kann im Augenblick ermessen, was längeren Atem hat: Schaden oder Nutzen eines Systems, das seine Leistungen ja erst vor sich hat. Es bleibt nur ein Gefühl des inneren Widerstandes, moralischen, ästhetischen Widerstandes, die Ablehnung der gemeinen Methoden, der Ruhmredigkeit, der Dummheit…“ S. 153f)

    Zwei Jahre später aber hatte er erkannt, dass nichts die Art und Weise dieses Regimes entschuldigen kann, dass die aus seiner Sicht eventuell guten Seiten der nationalsozialistischen Revolution nicht ins Gewicht fallen beim Rückschritt in eine „massenhaft gezüchtete Gesinnungslosigkeit.“:

    „Aber wenn die Ignoranz, die mit keinerlei Erfahrung oder Wissen belastete Skrupellosigkeit das Ruder ergreift, dann hilft auch ein subjektiv guter Wille nichts, und die Herrschaft ist keine Herrschaft, sondern eine bloße Diktatur.“ (S. 217)

    Und so zeigt sich mit fortschreitender Dauer der Aufzeichnungen immer mehr, wie hellsichtig, wie unglaublich vorausschauend Stresau die Umstände analysierte. Seine Ablehnung der Person Hitlers und anderer Nazigrößen bezieht sich nicht nur auf tagesaktuelle Erkenntnisse, sondern basiert auf grundlegenderen Überlegungen, so z.B. auf historischen Parallelen, die der Autor mit hoher Intellektualität sieht:

    „Was die sogenannten Großen Männer hinterließen, war immer Stückwerk, das binnen kurzem zerfiel. Und doch erscheint immer wieder einer, der glaubt tun zu können, was seine Vorgänger nicht fertig brachten, der meint, mit ihm beginne die Geschichte erst eigentlich…“ (S. 238) Oder: „Mir geht für die Ideologie der heutigen Machthaber jedes Verständnis ab, außer dem einzigen: daß sie eben Machthaber sind und ihre Macht mit allen Mitteln, ob erlaubt oder unerlaubt, erhalten.“ (S. 341)

    Bereits 1938 erkannte er ganz klar die Gefahren eines Krieges für Deutschland und seine Überlegungen zu den Folgen der massiven Aufrüstung, zu dem angeblich abschreckenden Effekt könnten genauso aus der Abrüstungsdebatte der 70er und 80er-Jahre stammen.

    Stresau machte bei aller Kritik aber auch klar, dass für ihn eine Emigration ins Ausland nicht in Frage kam. Er sah keinen Weg, sein „Selbstvertrauen im Ausland zu festigen, er brauchte die „Verbindung mit dem deutschen Geschick“. Außerdem fühlte er sich mit seiner Frau schlicht zu alt für einen so gravierenden Schritt und wusste auch um die große finanziellen Probleme einer solchen Entscheidung.

    Die Tagebücher von Hermann Stresau bieten wie z.B. auch die von Friedrich Percyval Reck-Malleczewen, Friedrich Kellner oder Victor Klemperer einen direkten, unmittelbaren Blick ohne nachschauende Reflexion. Das führte selbstverständlich auch zu Fehleinschätzungen, da dem Autor zu vielem keine oder falsche Informationen vorlagen, aber solche Aufzeichnungen sind unentbehrlich für eine gesamtheitliche Beurteilung der Auswirkungen des Nationalsozialismus. Denn hier zeigen sich nicht nur die Vorgänge auf politischer Ebene im „Dritten Reich“, sondern auch der zunehmende Eingriff und Einfluss des Regimes in das berufliche und private Leben jedes einzelnen in dieser Zeit.

    Und noch ein Hinweis: Dieses Buch war ein kostenloses Rezensionsexemplar vom Verlag, aber selbstverständlich bekomme ich für eine Rezension keinerlei Geld.

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12 Tage und ein halbes Jahrhundert

Buchseite und Rezensionen zu '12 Tage und ein halbes Jahrhundert' von Christoph Nonn
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "12 Tage und ein halbes Jahrhundert"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:687
Verlag: Beck C. H.
EAN:9783406755699
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Rezensionen zu "12 Tage und ein halbes Jahrhundert"

  1. Hervorragend

    Lange bin ich um dieses Buch herumgeschlichen. Die Thematik Deutsches Kaiserreich gehört zu meinen Steckenpferden, allerdings haben mit Preis und Machart (darauf werde ich noch eingehen) zunächst abgeschreckt. Doch irgendwann wurde der "Will-haben-Reflex" größer als die Bedenken. Aber die Entscheidung zum Buchkauf habe ich nicht bereut.

    Der an der Düsseldorfer Universität lehrende Christoph Nonn wählt einen ungewöhnlichen Weg, um seinen Lesern die Geschichte des Kaiserreich nahezubringen. Statt einem durchgängig von 1871 bis 1918 reichenden Erzählstrang wählt er einzelne Tage aus diesem Zeitraum aus, beschreibt die Ereignisse, die sich da ereigneten und ordnet diese dann ein. So behandelt er beispielsweise das Thema "Kulturkampf" am Beispiel der Marpinger Marienerscheinungen 1876, die Affäre um den Hauptmann von Köpenick ist Anlass, sich mit dem Thema Militarismus im Kaiserreich auseinanderzusetzen. Man könnte nun das Buch quasi kreuz und quer nach den Themenschwerpunkten lesen, allerdings sollte man besser die Chronologie, die dann irgendwie doch das zweite Ordnungsschema des Buches darstellt, nicht außer Acht lassen, denn gerade sie ermöglicht es dem Leser nachzuvollziehen, welche Transformationen das Kaiserreich im Laufe seiner Zeit gemacht hat. Mehrfach hat man als Leser das Gefühl, dass das Reich, dem in wirtschaftlicher und sozialpolitischer Hinsicht eine Spitzenstellung in Europa zukam, kurz davor war, in innenpolitischer Hinsicht aufzuholen und vor dem Durchbruch zur konstitutionelllen Monarchie zu stehen (was sicherlich auch die Außenpolitik massiv, und man muss ja wohl sagen positiv beeinflusst hätte), eine Frage, die Nonn dann selbst im drittletzten Kapitel im Zusammenhang mit der "Daily-Telegraph-Affäre" aufgreift, um sie überraschenderweise negativ zu beantworten. Aber seine Argumentation überzeugt. Trotz des Bedeutungsgewinns des demokratisch gewählten Reichstages scheuten die demokratischen Parteien davor zurück, eine durchsetzbare Verfassungsänderung vorzunehmen. Denn dieser Schritt hätte Zusammenarbeit und Kompromisse bedeutet, die Parteien zogen es aber vor, weiterhin Klientelpolitik für ihre jeweiligen Wähler zu betreiben, was sich in Absprachen mit den konservativen Machthabern in der Reichsleitung wesentlich besser erreichen ließ. Wenn also, bildlich gesprochen, die Frucht reif zum Pflücken war, dann fand sich keiner, der es tat. Und so konnten sich die alten Eliten an der Macht halten und einen Kurs steuern, der über den Weg des Ersten Weltkriegs zum Untergang des Kaiserreiches führte und darüber hinaus die Geschichte der folgenden Weimarer Pepublik nachhaltig negativ beeinflusste.

    Diese Entwicklungen, zusammengesetzt aus den 12 Tagen, hat der Historiker höchst anregend und damit lesenswert nachgezeichnet, eigentlich ein Muss für jeden, der sich für diese Epoche der deutschen Geschichte interessiert.

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Die Europäer

Buchseite und Rezensionen zu 'Die Europäer' von Orlando Figes

Inhaltsangabe zu "Die Europäer"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:640
Verlag: Hanser Berlin
EAN:9783446267893
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Die Kreuzzüge

Buchseite und Rezensionen zu 'Die Kreuzzüge' von  Jonathan Riley-Smith
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Die Kreuzzüge"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:484
Verlag: wbg Theiss
EAN:9783806241051
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Rezensionen zu "Die Kreuzzüge"

  1. Grundsolide

    Jonathan Riley-Smiths "Die Kreuzzüge" ist nicht die erste und vielleicht auch nicht die letzte Darstellung dieses Aspekts der mittelalterlichen Geschichte, die ich gelesen habe. Ich halte sie für grundsolide, aber sie kommt nicht an der schon als Klassiker zu bezeichnenden "Geschichte der Kreuzzüge" von Steven Runciman heran, auch nicht an modernere Monographie "Die Kreuzzüge" von Thomas Asbridge. Diese beiden Darstellungen widmen sich ausführlich und sehr detailreich den "bewaffneten Wallfahrten" ins heilige Land und enden dementsprechend mit dem Fall von Akkon, dem letzten europäischen Vorposten in Pälastina. Das wird natürlich auch bei Riley-Smith angesprochen, aber etwas knapper und grüßzügiger. Dafür liegen die Stärken aber woanders. Riley -Smith fasst den Krezugsbegriff sowohl inhaltlich als auch zeitlich weiter, sodass auch innereuropäische Kreuzzüge, wie etwa die gegen die Katharer, die Stedinger oder die Hussiten angesprchen werden, zudem erläutert er intensiv die sich ändernde Haltung der katholischen Kirche zur Frage der Legitimität von Gewalt. Und er zeigt auf, dass die Idee des Kreuzzuges nicht mit dem Mittelalter vorbei war. Die Auseinandersetzungen der ost und südosteuropäischen Staaten mit dem Osmanischen Reich in der frühen Neuzeit sind ebenso Beweis dafür wie religiös motivierte Begründungen aus der Zeit des Imperialismus. Und zu guter letzt geht er auch auf den mödernen Dschihad ein, der sich argumentativ der Kreuzzugsbewegung des Mittelalters bedient. Das alles macht die Studie lesens- und lohnenswert.

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Codex 632. Wer war Christoph Kolumbus wirklich?

Buchseite und Rezensionen zu 'Codex 632. Wer war Christoph Kolumbus wirklich?' von J.R. Dos Santos
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Codex 632. Wer war Christoph Kolumbus wirklich?"

Format:Taschenbuch
Seiten:368
EAN:9783946621065
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Rezensionen zu "Codex 632. Wer war Christoph Kolumbus wirklich?"

  1. Spannende Mischung aus Fakten und Fiktion

    „Wenn jemand Tomás Noronha an diesem Morgen gesagt hätte, er würde die nächsten Wochen damit verbringen, durch die Welt zu reisen, um eine fünfhundert Jahre alte Verschwörung zwischen den beiden einstigen Weltmächten Spanien und Portugal aufzuklären und in die esoterische Welt der Kabbala und der Tempelritter einzutauchen, hätte er vermutlich gelacht. Und doch stand ihm genau das bevor.“ (Zitat Seite 12)

    Inhalt
    Dieser 6. Dezember 1999 in Lissabon begann für den Historiker und Dozenten Tomás Noronha mit einer Vorlesung, gefolgt von Institutsbesprechungen. Am späten Abend eines sehr langen Tages erhält er einen Anruf von Nelson Moliarti, Stiftung für gesamtamerikanische Geschichte in New York, in deren Auftrag der bekannte Professor Toscano die historischen Hintergründe der Entdeckung Brasiliens untersucht. Der Professor teilt der Stiftung mit, brisante Fakten entdeckt zu haben, die bekannte historische Ereignisse verändern werden, doch bis zur Veröffentlichung will er seine Forschungsergebnisse geheim halten. Am 30. November 1999 ist Professor Toscano in seinem Hotelzimmer in Rio überraschend verstorben. Die Stiftung bittet den bereits international bekannten Codespezialisten Tomás Noronha um Hilfe, er soll herausfinden, woran genau der Professor gearbeitet und was er entdeckt hat. Dieser nimmt den hochdotierten Auftrag an und bald ist er einem Geheimnis auf der Spur, das tatsächlich die bisher bekannten historischen Fakten um eine wichtige Entdeckung verändern kann, denn im Mittelpunkt der Forschungen des verstorbenen Professors standen nicht Cabral und Brasilien, sondern Christoph Kolumbus.

    Thema und Genre
    Dieser in deutscher Sprache als vierter Band erschienene Roman ist im Original das erste Buch der Serie um den portugiesischen Kryptanalysten und Historiker Tomás Noronha. Es geht um die Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus.

    Charaktere
    Tomás Noronha, fünfunddreißig Jahre alt, ist ein international bekannter Codepsezialist und Historiker, spricht eine Reihe von alten Sprachen. Professor Toscano pflegte seine Daten und Notizen mit komplizierten Wortkreationen zu verschlüsseln. Obwohl ihn gerade auch seine private Situation fordert, recherchiert Tomás intensiv, denn die Stiftung drängt, braucht Resultate. Die Veröffentlichung soll bereits zur geplanten Jubiläumsfeier fünfhundert Jahre Entdeckung Brasiliens am 22. April 2000 stattfinden.

    Handlung und Schreibstil
    Bereits in diesem ersten Buch der Tomás Noronha Reihe überzeugt die interessante, packende und wissenschaftlich umfassend recherchierte Mischung aus Fiktion und Fakten. Die chronologisch erzählte Handlung führt den Hauptprotagonisten von Lissabon nach Rio de Janeiro, New York, Jerusalem und zuletzt nach London. Gekonnt baut der Autor die historischen Dokumente, authentischen Quellen, Manuskripte und alten Bücher in die Handlung ein, lässt uns durch seine Hauptfigur Detail um Detail die einzelnen Puzzleteile entdecken und nachvollziehen. Auch den titelgebenden Codex 632 gibt es tatsächlich. Dennoch ist die Handlung selbst fiktiv, ein Roman.

    Fazit
    Diese hochinteressante Kombination aus Information, Wissenschaft und spannender Geschichte, aus authentischen Fakten und Fiktion, macht jedes Buch der Serie zu einem besonderen Leseerlebnis.

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Der Fall von Akkon

Buchseite und Rezensionen zu 'Der Fall von Akkon' von  Roger Crowley
4
4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Der Fall von Akkon"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:304
Verlag: wbg Theiss
EAN:9783806241778
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Rezensionen zu "Der Fall von Akkon"

  1. Geschichte spannend erzählt

    Glück gehabt – denn dieses Buch habe ich beim Gewinnspiel der Wbg-wissenverbindet gewonnen! Es erzählt das Ende der durch die Kreuzzüge versuchten Inbesitznahme des „Heiligen Landes“ durch die Christen, als 1291 die muslimischen Truppen unter Sultan Khalil al-Aschraf die Stadt Akkon einnehmen. Roger Crowley gibt dabei einen Überblick über dieses Abenteuer europäischer Herrscher, die großen Ritterorden und über die Machtkämpfe innerhalb der muslimischen Welt im 13. Jh.

    Und auch wenn das jetzt in dem Zusammenhang wie ein Kalauer klingt: Ich möchte gerne für dieses Buch eine Lanze brechen. Roger Crowleys Arbeiten werden gerne mit dem Etikett „Populärgeschichte“ belegt, was v.a. in Deutschland immer etwas despektierlich gemeint ist. Grundsätzlich ist die angelsächsische Geschichtsschreibung erzählender und wirkt damit für den strengen Historiker vielleicht etwas unwissenschaftlicher. Sätze wie „Ochsen spannten ihre Kräfte an“ oder „Am Strand spielten sich verzweifelte Szenen ab“ wird man in einem deutschsprachigen historischen Text kaum finden. Ich habe in einer Rezension zu dem Buch den Begriff der „Verlebendigung von Ereignisgeschichte“ gelesen – und das trifft es sehr genau. Diese Art der Geschichtsschreibung erzählt, was passiert ist; sie analysiert, systematisiert und interpretiert aber weniger. Damit ist sie auf jeden geeignet für jeden historisch Interessierten, der sich nicht mit hunderten Seiten streng wissenschaftlicher Lektüre auseinandersetzen will. Das Buch hat ein Quellen- und Literaturverzeichnis, Anmerkungen zu allen Zitaten und Crowley arbeitet anhand historischer Quellen. Als ehemaliger Geschichtsstudent hätte ich dieses Buch nie für eine Hauptseminararbeit verwendet, aber für ein Thema, das einen einfach außerhalb akademischer Arbeit interessiert, bietet "Der Fall von Akkon" einen spannend zu lesenden Überblick – und das dennoch historisch fundiert. Man muss im Elfenbeinturm ein wenig berücksichtigen, dass auch Nicht-Historiker Bücher über Geschichte lesen wollen.

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Deutschland: Wegmarken seiner Geschichte

Buchseite und Rezensionen zu 'Deutschland: Wegmarken seiner Geschichte' von Hans Maier
4
4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Deutschland: Wegmarken seiner Geschichte"

Autor:
Format:Taschenbuch
Seiten:208
Verlag: Beck C. H.
EAN:9783406764530
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Rezensionen zu "Deutschland: Wegmarken seiner Geschichte"

  1. Sichtweisen auf die Vergangenheit

    Klappentext:
    „Deutschland – das ist ein spätes Wort, ein Neuankömmling unter den Bezeichnungen europäischer Länder. Erst im Grundgesetz kam es erstmals zu verfassungsmäßigen Ehren. Hans Maier hat sich ein Leben lang mit diesem eigentümlichen Gebilde beschäftigt, der vielberufenen Kulturnation, dem staatlich-politischen Kern, den Institutionen. In diesem Buch beschreibt er bedeutende Wegmarken Deutschlands und analysiert sie in gewohnt souveräner Weise.

    Hans Maier, der am 18. Juni 2021 90 Jahre alt wird, kann auf eine glanzvolle Laufbahn als Professor, als Kultusminister und als Organist zurückblicken. In diesem Buch kehrt er noch einmal zurück zu zentralen Fragen seiner Arbeit....“

    Maier hat nicht nur einen unheimlich großen Backround, er hat auch eine sehr sachliche und weitblickende Sichtweise. In diesem Buch geht er alles irgendwie nochmal durch, was er alles so erlebt hat, wertet einige Dinge und verwebt die Vergangenheit mit der Gegenwart wo es passt. Gerade seine Sichtweise auf unser Grundgesetz ist wirklich lesenswert. Nichtsdestotrotz wagt er in einigen Dingen auch mal den Blick in die Glaskugel und lässt dabei seine Erfahrung gekonnt mit einspielen.
    Dieses Buch könnte nicht passender erscheinen als jetzt, wo viele Menschen so manche Dinge hinterfragen. Es ist immer eine Sichtweise, aber man sollte weitblickend und neutral herangehen.
    Der Leser wird dieses Buch mit vielen Gedanken zuschlagen und das Gedankenkarussell wird sein übriges dazu tun. Ich bin gern mit Maier nochmal viele Punkte und Wegmarken in unserer Geschichte durchschritten...4 von 5 Sterne.

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Der Dreißigjährige Krieg.

Buchseite und Rezensionen zu 'Der Dreißigjährige Krieg. ' von  Peter H.Wilson
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Der Dreißigjährige Krieg. "

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:1168
Verlag: wbg Theiss
EAN:9783806241358
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Rezensionen zu "Der Dreißigjährige Krieg. "

  1. Kompaktes Wissen

    Klappentext:

    „Der Dreißigjährige Krieg kostete Millionen Leben und veränderte die politische wie religiöse Landkarte Europas. Bis heute hält die Auseinandersetzung mit dem verheerenden Krieg an. War es ein »teutscher« Krieg? In erster Linie ein Religionskrieg? Oder war es der Kampf Frankreichs, Schwedens, Englands, niederländischer und deutscher Protestanten gegen die spanisch-habsburgische Hegemonie? Peter H. Wilsons große Gesamtdarstellung nimmt alle Aspekte in den Blick: beginnend mit der Vorgeschichte des Krieges und einem europaweiten Panorama der strukturellen Gegebenheiten über eine breite Schilderung des Kriegsgeschehens bis hin zum Westfälischen Frieden und den Folgen. In die Darstellung eingestreut finden sich Kurzporträts der wichtigsten politischen und militärischen Akteure. Doch Wilson verharrt nicht auf der Ebene der großen Gestalter, ihn interessieren immer auch Schicksal und Lebensrealitäten der gewöhnlichen Soldaten und Zivilisten. Ein opus magnum im besten Sinn.“

    Wenn man sich einen kompakten und übersichtlichen Überblick über den Verlauf des Dreißigjährigen Krieges verschaffen möchte, ist man mit diesem Buch bestens aufgehoben. Autor Peter H. Wilson geht nicht nur Ursachen und Verlauf auf den Grund, er hinterfragt auch viele Geschehnisse und erweitert somit das eigene Denk- und Blickfeld. Ich persönlich mag solche Anregungen immer sehr. Auch sein Ausdruck und seine Wortwahl sind äußerst gelungen. Er ist distanziert, aber dennoch treffsicher mit seinen Worten. Wilson hat mit diesem Buch eine lesenswerte Gesamtdarstellung geschaffen, die für jeden Geschichtsinteressierten sehr gut lesbar und verständlich ist. Hier geht niemand mehr mit einem Fragezeichen über dem Kopf raus. Wilson beleuchtet eben auch die Hintergründe sehr detailliert. Er verliert sich dabei keineswegs und gibt wertvolle Informationen an den Leser weiter. Die kleinen Illustrationen waren zudem ein sehr guter Blickpunkt bei so einem schweren geschichtsträchtigem Thema.

    5 von 5 Sterne gibt es von mir!

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