Das Schweigen des Wassers

Buchseite und Rezensionen zu 'Das Schweigen des Wassers' von Susanne Tägder
4.75
4.8 von 5 (8 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Das Schweigen des Wassers"

Format:Kindle Ausgabe
Seiten:367
Verlag: Tropen
EAN:
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Rezensionen zu "Das Schweigen des Wassers"

  1. 5
    04. Apr 2024 

    Altlasten

    Susanne Tägder „ Das Schweigen des Wassers“ ( 2024)

    Susanne Tägder, 1968 in Heidelberg geboren, ist Juristin und war Richterin am Sozialgericht in Karlsruhe, und hat nun mit „ Das Schweigen des Wassers“ ihren ersten Kriminalroman vorgelegt. Inspiriert wurde sie dazu durch eine Zeitungsreportage, in dem es um einen Fall aus DDR-Zeiten ging, der kurz nach der Wende wieder aufgerollt wurde.

    Die Geschichte setzt ein im Herbst 1991 in der fiktiven Stadt Wechtershagen in Mecklenburg - Vorpommern. Von hier ging Arno Groth 1960 in den Westen und hierher wird er als Hauptkommissar von seiner früheren Dienststelle in Hamburg geschickt. Abgeschoben fühlt er sich, als „ Altlast“ nach einem beruflichen Fehler. Nun soll er hier als Aufbauhelfer Ost seine neuen Kollegen in westdeutscher Polizeiarbeit schulen. Keine leichte Aufgabe, denn diese begegnen ihm mit Vorsicht und Misstrauen.
    Da wird er eines Tages auf dem Parkplatz der Polizeiwache von einem heruntergekommenen Mann angesprochen, ein Alkoholiker, wie es scheint. Der fühlt sich verfolgt und wolle nochmal wiederkommen, dieses Mal mit Beweisen. Während Groth noch überlegt, wie glaubwürdig diese Behauptung sei ( „ Jemand ist hinter mir her. Gilt das nicht für uns alle? denkt Groth. Wer wird denn nicht von etwas verfolgt, und wenn es nur die eigenen Fehler sind.“) und ob er der Sache nachgehen muss, da wird eine Leiche am Seeufer gefunden. Als Groth am Fundort eintrifft, stellt sich heraus, dass es sich bei dem Toten im Wasser um genau jenen Mann handelt. Der Bootsverleiher und Musiker Siegmar Eck. Für die Polizei vor Ort kein Unbekannter. War er doch in einem aufsehenerregenden Mordfall elf Jahre zuvor als Hauptverdächtiger festgenommen und verhört worden. Damals wurde die Polizistentochter Jutta Timm vergewaltigt und ermordet aufgefunden. Doch Eck kam wieder auf freien Fuß ; er hatte ein hieb- und stichfestes Alibi. Allerdings hat man danach das Verfahren eingestellt ; der Mörder der jungen Frau wurde nie gefasst.
    Auch im aktuellen Fall versucht die Polizei die Sache schnell zu den Akten zu legen. Kein Verdacht auf Fremdeinwirkung; Eck scheint betrunken ins Wasser gefallen zu sein.
    Doch Groth lässt das Ganze keine Ruhe. Seinem Gefühl nach stimmt hier etwas nicht. Er vermutet einen Zusammenhang zu dem alten ungelösten Fall und beginnt zu ermitteln, gegen den Befehl seiner Vorgesetzten.
    Susanne Tägder entwickelt ihre Geschichte ruhig und mit viel Gespür für Details. Dabei fängt sie sehr gut die Atmosphäre dieser Umbruchszeit ein. Die DDR ist Geschichte, doch in den Köpfen ihrer früheren Bewohner steckt sie noch fest. Sie spüren die Verluste und fürchten sich vor dem Neuen. Auch die alten Seilschaften funktionieren nach wie vor.
    Erzählt wird aus zwei Perspektiven. Neben dem melancholischen Ermittler Groth ist Regine Schadow die zweite Hauptfigur. Ihre tatsächliche Rolle wird erst im Verlaufe der Handlung klar. Warum hat sie ihren guten Job im Kempinski in Berlin aufgegeben, um nun in einem drittklassigen Ausflugslokal in Wechtershagen als Kellnerin zu arbeiten? Will sie tatsächlich nur die Wohnung ihrer Großmutter aufräumen, wie sie sagt, oder verfolgt sie ganz andere Pläne? Wie stand sie zu dem ermordeten Siegmar Eck?
    Neben der Krimihandlung, bei der es um zwei zusammenhängende Verbrechen geht, überzeugt die Autorin vor allem mit ihrer Figurenzeichnung. Es sind beinahe alles Versehrte, die uns im Roman begegnen. Groth mit seiner grüblerischen Art und seinen Selbstzweifeln ist eine interessante Figur. Ein Kommissar mit einer Liebe zur Literatur, ein Mann, der mit Verlusten klarkommen musste - seine Ehe ist schon lange geschieden, seine Tochter gestorben - bringt allein schon deshalb viel Verständnis auf für diejenigen auf der Opferseite. Und auch Regine hat, trotz ihrer Jugend, schon viele traurige Erfahrungen machen müssen. Aber auch die Nebenfiguren werden vielschichtig gezeichnet, so z.B. der eher verschlossene Kollege mit fragwürdiger Vergangenheit, der Groth bei seinen Ermittlungen unterstützt oder der schweigsame und gebrochene Vater von Eck. All diesen Personen begegnet die Autorin mit viel psychologischem Einfühlungsvermögen und Empathie.
    Susanne Tägder schreibt im Präsens. Das wirkt unmittelbarer und verstärkt den filmischen Effekt. Dabei bedient sie sich einer präzisen, z.T. lakonischen Sprache und zeigt gerade in den Dialogen ihr ganzes Können.
    Der Autorin ist mit „ Das Schweigen des Wassers“ ein atmosphärisch dichter und fesselnder literarischer Krimi gelungen. Gleichzeitig ist der Roman ein stimmig gezeichnetes Porträt jener Umbruchjahre. Es ist zu hoffen, dass Susanne Tägder weitere Fälle mit dem sympathischen Ermittler folgen lässt.

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  1. Gespenster der Vergangenheit

    Kriminalhauptkommissar Arno Groth ist im Herbst 1991 frisch zurück in seiner mecklenburgischen Geburtsstadt, dem fiktiven Wechtershagen nahe Demmin. Nicht ganz freiwillig hat er Hamburg verlassen, wo er seit seinem Weggang aus der DDR 1960 lebte und arbeitete, als Kriminalpolizist, weil aus dem Germanistikstudium für den passionierten Leser und Sammler von Erstausgaben nichts wurde. Nun soll er in der alten Heimat ermitteln und als Aufbauhelfer Ost ehemalige DDR-Volkspolizisten schulen, keine dankbare Aufgabe und nicht dazu angetan, sich Freunde unter den neuen Kolleginnen und Kollegen zu machen. Eine Scheidung, der Tod seiner Tochter und eine unverzeihliche berufliche Fehleinschätzung setzen dem von Zweifeln geplagten Mann darüberhinaus schwer zu.

    Ein Toter am Wechtsee
    Kaum angekommen, trifft Groth im Hof der Polizeiwache auf den Ex-Musiker und jetzigen Tretbootverleiher Siegmar Eck, einen verwahrlosten Alkoholiker, der sich verfolgt fühlt. Bevor dieser dem zweifelnden Groth Beweise dafür bringen kann, wird er tot am Bootsanleger des Wechtsees aufgefunden. Ohne Hinweise auf Fremdeinwirkung und mit einem plausiblen Unfallszenario wird der Tod als Unglücksfall eingestuft. Nur Groth mag sich damit nicht abfinden, gar zu seltsam erscheint rückblickend seine Begegnung mit dem Opfer. Als sich auch noch herausstellt, dass Eck zehn Jahre zuvor im Mordfall an der 19-jährigen Polizistentochter Jutta Timm als Haupttatverdächtiger galt, wegen seines bombensicheren Alibis jedoch freigesprochen wurde, ist Groths Ermittlerinstinkt endgültig geweckt. Warum fehlen in diesem abgeschlossenen Altfall aus dem Mai 1980, in dem nie ein Schuldiger ermittelt wurde, sämtliche Akten? Entgegen der Anordnung seines neuen Chefs verbeißt sich Groth in den Fall, wohlwissend, dass er sich keinen weiteren Fauxpas leisten darf.

    Und noch jemand ist neu in Wechtershagen: die Kellnerin Regine Schadow aus Berlin, wesentlich jünger als Groth, aber mit nicht weniger Altlasten. Sie arbeitet im zweitklassigen Ausflugslokal am Wechtsee, löst nebenher die Wohnung ihrer Großmutter auf und scheint einiges zu verbergen. Jedenfalls gibt sie immer nur so viel zu, wie Groth bereits weiß. Welche Verbindung hatte sie zum Opfer und warum hat sie wirklich ihre Stelle im Kempinski aufgegeben?

    Viel mehr als ein Whodunit-Roman
    Die 1968 in Heidelberg geborene ehemalige Richterin Susanne Tägder hat ihr sehr empfehlenswertes Krimidebüt "Das Schweigen des Wassers", das auf einem realen Mordfall von 1979 fußt, in der ehemaligen Heimat ihrer Eltern angesiedelt: Vorbild für Wechtershagen war die Stadt Neubrandenburg. Was den Krimi aus der Masse der Neuerscheinungen heraushebt, sind seine sprachliche Gewandtheit, die Wahl der beiden Zeitebenen kurz vor bzw. nach der Wende, die die politischen und gesellschaftlichen Umbrüche und Stimmungen beleuchten, die ruhige, melancholische Atmosphäre sowie die glaubhaften Charaktere. Alle sind verwundet, sei es das Mordopfer Eck, dessen Leben nach der Anklage aus der Bahn geriet, der Kafka lesende Ermittler Groth mit seiner schwierigen Vergangenheit, sein neuer Kollege Gerstacker, der im Fokus der Stasi-Begutachtungskommission steht, oder die traumatisierten Mitglieder der Familie Timm. Ausgerechnet die alten DDR-Seilschaften, die den Mordfall von 1980 weitgehend vertuschten, haben die Zeiten allgemeiner Auflösung, Verunsicherung und Entwurzelung um 1989 unbeschadet überlebt.

    Einziger Wehmutstropfen beim Lesen war für mich, dass ich die Auflösung recht früh – und richtig – durchschaute, was ich selbst bei diesem literarischen Krimi, der viel mehr als nur Whodunit-Roman ist, schade finde. Auf eine Fortsetzung hoffe ich trotzdem, denn Susanne Tägder, Arno Groth und Wechtershagen haben unbedingt das Potential dafür.

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  1. Ost-westdeutsche Polizeiarbeit nach der Wende

    Hauptkommissar Groth wird in seine alte Heimatstadt geschickt, um den dortigen Kollegen die westdeutsche Polizeiarbeit zu vermitteln. Schon bald gibt es einen Toten und es war kein Unfall. Bei den Ermittlungen stoßen die Polizisten auf einen ungeklärten Fall, der schon viele Jahre zurückliegt.
    Dieser Krimi verläuft eher ruhig und unaufgeregt, nichtsdestotrotz ist es eine spannende Geschichte, die uns auch in die schwierige Zeit nach dem Mauerfall führt. Das Misstrauen in dieser Zeit ist spürbar. Groth soll den Kollegen zeigen, was westdeutsche Polizeiarbeit ist. Das kommt nicht gut an, denn die Mecklenburger Kollegen wissen, dass sie ihren Job können. Doch dieser Fall, zu dem sich dann noch ein Cold Case gesellt, bringt sie zusammen, denn alle haben das Interesse, die Fälle zu lösen. Sie lassen sich auch nicht durch Anordnungen von oben aufhalten.
    Groth war viele Jahre im Westen und muss nun in seine alte Heimatstadt zurück. Dabei hat er genug mit sich selbst zu tun, denn er trauert um seine Tochter. Doch er ist ein guter Polizist, der auch seinem Baugefühl folgt und der seine Fälle unbedingt lösen möchte. Aber es gibt auch andere, die ein Verlust zu beklagen haben und trauern.
    Die Autorin Susanne Tägder erzählt authentisch und eindringlich und auch die Personen sind glaubhaft dargestellt. Die Geschichte basiert auf einem wahren Fall.
    Ein interessanter und spannender Krimi mit zeitgeschichtlichem Hintergrund.

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  1. Nicht nur das Wasser schweigt

    Susanne Tägder war Richterin in Karlsruhe. Sie ist nicht die erste Juristin, die zur Autorin mutiert, aber sie tut es auf wunderbare Weise und mit einem sehr eindringlichen, spannenden Timbre. Dem Roman diente ein realer Mordfall aus dem Jahr 1979 als Inspiration.

    Hauptkommissar Groth aus Hamburg wurde als Aufbauhelfer Ost nach Wechtershagen in Neubrandenburg versetzt. Dort ist er aufgewachsen, kurz vor dem Mauerbau siedelte er jedoch in den Westen über. Am neuen Arbeitsplatz betrachtet man den Kollegen mit großer Skepsis. Im Herbst 1991 wird nun die Leiche des Musikers Siegmar Eck aus dem nahe gelegenen Wechtsee gezogen. Im Umfeld des Opfers wird ermittelt. Während Groths Kollegen schnell von einem Unfall in Folge von übermäßigem Alkoholkonsum ausgehen, wird Groth stutzig, als er mehr über Ecks Leben erfährt. Eck war nämlich im Jahr 1980 Hauptverdächtiger im Mordfall der 19-jährigen Jutta Timm, der Tochter eines Volkspolizisten. Eck hatte damals ein Geständnis abgelegt, es anschließend widerrufen - am Ende wurde er freigesprochen. Gibt es eine Verbindung zwischen den beiden Fällen? Groth lässt dieser Gedanke nicht los, auch wenn er spürt, dass es unerwünscht ist, in alten DDR-Akten nachzuforschen.

    Die Ermittlung vollzieht sich langsam, die Informationen entfalten sich erst nach und nach. Immer mehr interessante Figuren betreten die Bühne. Die meisten von ihnen wirken auf irgendeine Art versehrt, was ihnen Komplexität und Tiefe verleiht. Die Autorin lässt sie uns in ihrem Lebensumfeld kennenlernen. So ist die Zeugin Regine Schadow nicht nur eine Kellnerin im Seerestaurant, sonders sie hat auch ein Leben in Berlin zurückgelassen, eine pflegebedürftige Großmutter und ein an ihr zehrendes persönliches Geheimnis. Groth selbst hat seine Tochter Saskia verloren, wodurch er weiß, wie sich Verlust anfühlt. Es wirkt keinesfalls rührselig oder konstruiert, wenn er sich mit Saskia in vertraute Zwiegespräche begibt. Groth erweckt den Anschein eines verletzten, einsamen Wolfes, der sich der Wahrheitsfindung verpflichtet sieht. Er ist literaturaffin, sein Zugang zur Poesie und den Werken Kafkas hat seine Fähigkeit, hinter die Fassaden zu blicken oder auf das Ungesagte zu lauschen, sehr geschult.

    Ebenso sorgfältig wie die Figurenzeichnung gelingt der Autorin die Darstellung der Schauplätze zu den unterschiedlichen Zeiten. Man muss vor Augen haben, dass Siegmar Eck im Jahr 1980 möglicherweise keinen fairen Prozess erhielt. Trotz Freispruch war er fortan ein gebrochener Mann, der sein Leben nie wieder richtig in den Griff bekommen hat. An verschiedenen Stellen des Romans wird deutlich, was es heißt, in die Mühlen eines skrupellosen Regimes zu geraten und wie gefährlich es sein kann, an dieser Vergangenheit zu rühren. Offenbar wurde im Fall Jutta Timm nach dem Prozess gegen Eck nicht weiter ermittelt. Was bedeutet das für die Familie des Opfers? Es sind vielfältige Ebenen, die in unterschiedlichen Szenen beleuchtet werden und die Qualität des Romans ausmachen.

    Faszinierend ist auch die Darstellung des Umbruchs in den neuen Bundesländern, der mit vielen Unsicherheiten und Ungerechtigkeiten einhergeht. Die Menschen fühlen sich abgehängt, verlieren von einem Tag zum anderen ihre Arbeit, werden von im Kapitalismus kundigen Westlern laufend übervorteilt. Entsprechend schlägt der Argwohn dem aus Hamburg versetzten Groth entgegen, der wiederum mit dem Blick von außen die Verstrickungen zu erkennen glaubt (schließlich ist er in Wechtershagen aufgewachsen). Die Diktatur hallt sowohl in den Köpfen der Menschen als auch in den Büroräumen der Behörde nach.
    Es wird viel geschwiegen in diesem Roman. Dennoch fesselt die ruhige, eindringliche Sprache von Beginn an. Immer wieder legt die Autorin ihren Figuren Sätze in den Mund, die zum Nachdenken anregen und die Bedingungen dieser Nachwendezeit verdeutlichen. Die verschiedenartigen Verwundungen des Figurenpersonals sorgen für latente Melancholie, der ich mich nicht entziehen konnte. Ich betrachte „Das Schweigen des Wassers“ als gelungenen literarischen Kriminalroman, der auch anspruchsvolle Leser begeistern sollte.

    Mit Groth hat die Autorin einen zurückhaltenden, sympathisch-aufrichtigen Ermittler geschaffen. Ich möchte aus dem Ende herauslesen, dass es eine Fortsetzung dieses großartigen Debüts geben wird.

    Große Lese-Empfehlung!

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  1. 5
    17. Mär 2024 

    Nach einem wahren Fall

    Als Hauptkommissar Groth Anfang der 90er Jahre nach vielen Jahren in Hamburg zurück in seine Heimatstadt geschickt wird, ergeht es ihm zunächst so wie jedem, der aus dem Westen in den Osten geht. Die Kollegen beäugen ihn misstrauisch. Als Aufbauhelfer Ost soll er Kollegen in westdeutscher Polizeiarbeit schulen. Doch eigentlich wollte man ihn nach einem ,,Fehltritt“ aus Hamburg weghaben.
    Als die Leiche des Bootsverleihers Siegmar Eck im örtlichen See gefunden wird, ahnt Groth bald, dass es kein Unfall war. Denn kurz zuvor hatte Siegmar Eck Groth aufgesucht und ihm anvertraut, dass er sich verfolgt fühle. Allerdings war Eck auch Alkoholiker und ein ziemliches Wrack. Groths Kollegen und vor allem sein Chef wollen den Fall möglichst schnell zu den Akten legen, was Groth misstrauisch macht. Zusammen mit einem Kollegen ermittelt er dennoch weiter und stößt auf den Fall eines getöteten Mädchens, der noch zu DDR-Zeiten nicht aufgeklärt wurde, bei dem Groth aber so einiges merkwürdig vorkommt.
    ,,Das Schweigen des Wassers“ ist inspiriert von einem wahren Fall. Die Autorin versteht es, die Atmosphäre in einem kleinen Dorf der Wendezeit glaubwürdig einzufangen. Groth, aber auch einige andere Figuren, wirken aus der Spur geworfen und auf der Suche, Die Stimmung des Romans ist eher bedrückend und melancholisch, doch der Kriminalfall und die menschlichen Schicksale dahinter packen den Leser.
    Sehr lesenswert!

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  1. 4
    16. Mär 2024 

    Blutwissen

    Im Jahr 1991 ist der Polizist Arno Groth aus Hamburg in seine Geburtsstadt in der ehemaligen DDR gezogen, um dort eine Stelle anzutreten. Eigentlich wäre er als Aufbauhelfer zu verstehen, doch wegen eines Falles, in dem er falsche Schlüsse gezogen, ist sein Einsatz wohl eher endgültig. Eines Tages kommt ein Anwohner an Groths offenes Bürofenster und behauptet, er fühle sich verfolgt. Da der Mann etwas heruntergekommen aussieht, tut der Beamte die Sache ab. Doch nur wenig später wird der Mann tot im See gefunden. Wegen der Alkoholisierung wird die Sache als Unfall betrachtet. Jedoch hat Groth ein ungutes Gefühl.

    So wie er sich damals im Westen zurechtfinden musste, muss sich Arno Groth nun auch im Osten zurechtfinden. Er kennt die alten Plätze noch, aber Menschen, die er von früher kennt, trifft er nur wenige. Wegen seiner Unachtsamkeit gegenüber der Anzeige des späteren Opfers, hat Groth ein schlechtes Gewissen. Unabhängig davon kann Groth wegen des engen zeitlichen Zusammenhangs nicht an einen Zufall glauben. Als es dann auch noch hinweise auf einen alten Mordfall gibt, ist Groth umso mehr überzeugt, dass es hier noch mehr zu ermitteln gibt. Seine Kollegen, die nicht unbedingt begeistert sind über die westliche Aufbauhilfe, unterstützen Groth nur wenig.

    Dieser ungewöhnliche Kriminalroman greift einen alten Fall auf, der eigentlich als abgeschlossen galt. Ausgehend von dem vermeintlichen Unfall im Jahr 1991 führen die Spuren zurück in die 1980er Jahre der DDR. Als Leser nimmt man Teil an einer Ermittlung, bei der sich ein beinahe Wessi und ein Ossi zusammenraufen, um an die Wahrheit zu kommen. Gleichzeitig begleitet man Arno Groth auf seinem Weg zurück in die alte Heimat, wie er sich erst fremd fühlt, dann nach und nach ankommt. Immer mehr durchschaut er die Vorgehensweisen damals in der DDR und eben auch kurz nach der Wende. Dabei muss er durchaus feststellen, dass es Intrigen auch im Westen geben kann. Gebannt verfolgt man die Suche nach der Wahrheit, bei der er unerwartete Hilfe erhält, immer unsicher, ob es nicht immer noch Personen gibt, die verhindern wollen, dass eben jene Wahrheit ans Licht kommt. Ein toller atmosphärischer Kriminalroman, der aus seiner ruhigen Erzählweise eine bemerkenswerte Spannung generiert. Diesen Roman kann man kaum aus der Hand legen, wenn man einmal mit der Lektüre begonnen hat.

    Das Cover ist etwas abstrakt gestaltet. Durch die Farbgebung ist es sehr auffällig und sollte verlocken, das Buch zur Hand zu nehmen.

    4,5 Sterne

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  1. 5
    16. Mär 2024 

    Krimi aus einer Zeit der Verunsicherung

    Susanne Tägder hat sich für ihren ersten Kriminalroman von einem Artikel von Renate Meinhof in der Süddeutschen Zeitung anregen lassen. Renate Meinhof schildert einen älteren Fall, der sich in ihrer Heimat Mecklenburg zugetragen hatte. Ein junges Mädchen, die Tochter eines Volkspolizisten, wird in einem Dorf nach einer Tanzveranstaltung ermordet. Die Ermittlungen werden von der StaSi übernommen, und da schon bald feststeht, dass der Täter in den eigenen Reihen zu finden ist, wird ein Sündenbock gesucht und auch gefunden.

    Der Roman spielt kurz nach der Wende. Der Hamburger Kommissar Groth wird in seine mecklenburgische Heimatstadt versetzt, um als Aufbauhelfer Ost seine ostdeutschen Kollegen in das neue Rechtssystem einzuführen. Er trifft auf Misstrauen und Ablehnung. Die Kollegen – und nicht nur die Kollegen – erleben die Wende als eine Zeit der Verunsicherung, weil altbekannte und vertraute Systeme weggebrochen sind. Sie fühlen sich entwurzelt, wie Susanne Tägder im vorangestellten Interview ausführt, und müssen sich notgedrungen neu orientieren, wenn sie überleben wollen.

    Groth ist ein Ermittler der leisen Art. Er liest gerne, er geht ins Theater, er liebt Gedichte und Kafka, hier vor allem „Der Hungerkünstler“. In der Figur des Hungerkünstlers erkennt er beklemmende Parallelen zu dem Mordfall, in den er hineingeworfen wird. Beklemmungen überkommen ihn auch, als er die Macht alter Seilschaften und Ungerechtigkeiten im nächsten Umkreis erkennt. Und so setzt er sich mit einem altgedienten Volkspolizisten über die Weisung hinweg, keine Altfälle, und erst recht nicht diesen, aufklären zu wollen. DDR-Akten auf dem Schreibtisch? Nicht erwünscht.

    Wie Groth ist auch der Roman einer der leisen Art. Natürlich geht es um die Aufdeckung eines Mordfalls, aber wer hier einen genialischen Ermittler, ein großes Showdown, gefährliche Situationen und jede Menge Aktion erwartet, wird enttäuscht werden. Stattdessen erfährt der Leser einiges über die Strafverfolgung in der DDR. Und er erfährt viel über das, was falsche Anschuldigungen im Leben eines Menschen und seiner Familie anrichten können und wie die Familie des Opfers jahrelang mit der Last leben muss, dass der Täter bewusst nicht zur Rechenschaft gezogen wird.

    Das alles erzählt die Autorin in einem immer ruhigen Ton, der durch die eingestreuten Kafka-Zitate sehr nachdenklich wirkt. Diese ruhige und sehr subtile Art des Erzählens hat mir hervorragend gefallen.

    Lese-Empfehlung!

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  1. Ein Panorama der Versehrten

    Wechtershagen, Mecklenburg, im Herbst 1991: Hauptkommissar Arno Groth kehrt aus Hamburg in seine Heimatstadt zurück. Er soll dort eine Art "Aufbau Ost" betreiben und die ehemaligen DDR-Polizist:innen in westdeutscher Polizeiarbeit schulen. Während seiner Zeit im Büro fällt ihm ein Mann auf, der sich auf dem Parkplatz der Polizei herumtreibt. Hilfesuchend wendet sich dieser kurz darauf an ihn und stellt sich als Bootsverleiher Siegmar Eck vor. Er fühle sich verfolgt und ein Boot sei ihm gestohlen worden. Die Beweise dafür werde er Groth noch liefern. Drei Tage später fischt die Polizei einen Toten aus dem Wechtsee. Sein Name: Siegmar Eck...

    "Das Schweigen des Wassers" ist der Debütroman der gebürtigen Heidelbergerin Susanne Tägder, der jetzt bei Tropen erschienen ist. Es ist ein bemerkenswert souverän erzähltes Debüt, das vor allem durch seine starken Figuren, die melancholische Atmosphäre und die pointierten Dialoge glänzt. Doch auch auf der Handlungsebene weiß "Das Schweigen des Wassers" zu überzeugen. Denn der ertrunkene Eck ist nur der Pfeiler eines elf Jahre zurückliegenden Verbrechens. 1980 wurde im Tannenkruger Forst nämlich die Leiche der 19-jährigen Jutta Timm gefunden. Der Mord blieb unaufgeklärt, obwohl Eck seinerzeit bereits ein Geständnis abgelegt hatte, vor Gericht aber freigesprochen wurde.

    Das größte Plus sind aber die Figuren. Neben Protagonist Groth gibt es eine ganze Reihe an Charakteren, die den Leser:innen lange im Gedächtnis bleiben werden. Da ist beispielsweise Gerstacker, Groths nächster Kollege, der alles ganz genau nimmt und sich von niemandem reinreden lässt. Schon gar nicht von jemandem, der aus Westdeutschland kommt. Da ist Hennemann, Fotograf und Reporter der lokalen Zeitung, der zum Fall der ermordeten Jutta Timm eine ganz besondere Verbindung hat. Da ist Regine Schadow, Kellnerin eines zweitklassigen Lokals am See, die mehr über Eck weiß, als es anfangs scheint. Und da ist Ecks Vater, ein nach außen hin stoisch wirkender Hinterbliebener. Sie alle haben ihre Verletzungen erlitten und gemeinsam bilden sie so etwas wie ein Panorama der Versehrten. Tägder nähert sich diesen Verwundeten mit großer Empathie und Mitgefühl, nie verrät sie sie, welche Fehler sie auch begehen mögen. Hervorstechend ist aber tatsächlich Arno Groth. Der Kafka lesende Kommissar musste einige Schicksalsschläge verkraften. Er trauert noch immer um seine Tochter Saskia und auch beruflich hat er Hamburg nicht ohne Grund verlassen. Tägder widmet ihren Roman allen, "die ein rauer Wind aus ihrer Heimat fortgeweht hat" und bezeichnenderweise trifft dies auch auf Groth und viele ihrer Figuren zu. Groth ist ein herausragendes Beispiel an Menschlichkeit, ein Ermittler, der trotz seiner Probleme nie so verkorkst wirkt wie seine literarischen Kolleg:innen aus Schweden. Als eine Art einsamer Wolf hat er zunächst nicht nur mit den Verdrießlichkeiten alter Aktenarbeit zu tun, sondern auch mit der Missstimmung gegenüber eines aus dem Westen Zugezogenen. Gemeinsam mit Gerstacker bildet er mit zunehmender Dauer ein kongeniales Duo aus Herz und Verstand.

    Atmosphärisch erinnert "Das Schweigen des Wassers" in seiner Melancholie ein wenig an die Fälle von Friedrich Anis Ermittler Jakob Franck, die bedauerlicherweise seit 2017 auf eine Fortführung warten. In den Dialogen agiert Tägder aber ohne die Francksche Tristesse, sondern lockert den in seiner Gesamtheit eher düsteren Grundton immer wieder pointiert und feinsinnig auf. Beispielsweise, wenn Groth sich in einer Dorfkneipe auf die Suche nach einem ehemaligen Bandkollegen von Siegmar Eck begibt. Oder wenn Regine Schadow, die die zweite Hauptfigur in diesem Kriminalroman ist, ihre Oma im Pflegeheim besucht.

    Toll sind auch die plastischen Beschreibungen der fiktiven Stadt Wechtershagen, deren geographisches Vorbild Neubrandenburg ist, Herkunftsort von Susanne Tägders Eltern. So erfahren wir es in der Danksagung ganz am Ende des Buches. In dieser schildert die Autorin auch, woher die Idee des Krimis stammte. Die Geschichte basiert nämlich auf einem wahren Fall, den die Journalistin Renate Meinhof 2002 in der Reportage "Das eisige Echo des Verdachts" für die Süddeutsche Zeitung veröffentlichte. Ich empfehle eindringlich die Lektüre dieser Reportage, die sich einfach und kostenfrei im Archiv des Reporter-Forums finden lässt. Allerdings erst nach der Lektüre von "Das Schweigen des Wassers", denn es wäre schade, sich die bis zum Ende bestehende Spannung möglicherweise dadurch zu verderben, wenn man schon zu viel weiß.

    Im Klappentext meint Schrifstellerkollege Andreas Pflüger über Susanne Tägder: "Diese Autorin ist gekommen, um zu bleiben." Wünschenswert wäre es auch, wenn man sagen könnte "Dieser Kommissar ist gekommen, um zu bleiben", denn man fühlt sich dem Protagonisten am Ende so verbunden, dass man ihn schwer wieder loslassen möchte. Mit "Das Schweigen des Wassers" gelingt Susanne Tägder jedenfalls ein bemerkenswert großer Schritt in Richtung des bislang rein männlichen Triumvirats der höchsten Klasse der deutschen Kriminalliteratur, bestehend aus Friedrich Ani, Matthias Wittekindt und Jan Costin Wagner.

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Yellowface: Roman. »Rasiermesserscharf!« TIME

Buchseite und Rezensionen zu 'Yellowface: Roman. »Rasiermesserscharf!« TIME' von Rebecca F. Kuang
3.65
3.7 von 5 (3 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Yellowface: Roman. »Rasiermesserscharf!« TIME"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:384
Verlag: Eichborn
EAN:9783847901624
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Rezensionen zu "Yellowface: Roman. »Rasiermesserscharf!« TIME"

  1. Herausfordernd & ambivalent

    Bislang habe ich mich mit noch keiner Rezension so schwer getan wie mit der zu „Yellowface“. Meine Erwartungen waren durch starkes Marketing und den Erfolg der Original-Ausgabe enorm hoch. Und weil ich davon ausging, dass es ein Easy-Read mit moralischer Dimension wird, waren diese Erwartungen zum Scheitern verurteilt. (Abgesehen von der Umschlagsgestaltung, wie genial ist die bitte?!)

    Denn wenn „Yellowface“ eins nicht ist, dann einfach. Das liegt nicht an der Sprache, sondern an der Wucht an Ambivalenz. Die weiße Protagonistin June stiehlt nach dem Tod ihrer wesentlich erfolgreicheren, chinesisch-amerikanischen Freundin Athena deren Manuskript, schreibt es um und veröffentlicht es. Es wird ein Bestseller, aber auf den Erfolg folgen die ersten Kritiken, Zweifel und Drohungen. Die Handlung ist immer wieder von thrillerartigen Elementen durchzogen. Das Ende fanden einige Menschen wohl vorhersehbar, ich nicht und mich hat es persönlich auch nicht ganz zufriedengestellt.

    Nicht nur die Protagonistin ist ziemlich unsympathisch, auch die anderen Charaktere lassen sich nicht wirklich moralisch klar einordnen. Und das macht das Buch nicht nur zu einer Kritik am Literaturbetrieb, an kultureller Aneignung und Cancel Culture, sondern in meinen Augen vor allem zu einem Werk stetiger Hinterfragung der eigenen moralischen Wertung und des persönlichen Verständnisses. Was ist Satire, was ist reale Ambivalenz? An welchen Stellen manipuliert June unser Urteil, wo ist Mitgefühl vielleicht angebracht? Ich bin davon überzeugt, dass alle Lesenden zu einer (leicht) unterschiedlichen Bewertung kommen. „Yellowface“ fand ich wirklich herausfordernd bis anstrengend und dennoch wichtig zu lesen. Sich mit anderen dazu auszutauschen ist wahrscheinlich sehr zu empfehlen.

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  1. 4
    14. Mär 2024 

    Dieser Roman war spannend,

    Dieser Roman war spannend, wie schon länger keiner, ich wollte stets weiter lesen und wissen was denn wohl als nächstes passieren wird. Ich fand das Konzept extrem spannend das Innenleben einer Protagonistin mit zu verfolgen, die nicht sympathisch auf mich wirkt und noch weniger vertrauenswürdig. Auch sprachlich hatte ich mir von diesem Roman etwas ganz anderes erwartet, fand den Stil aber sehr passend gewählt und flüssig zu lesen. Die Autorin liefert sehr spannende, wenn auch ernüchternde Einsicht in das Verlagswesen und Leben einer Autorin.
    Yellowface regt sehr viel zum Nachdenken an, da auch sehr viele Themen auf sehr kontroverse Weise angesprochen werden: Rassismus, Social Media, Cancel Culture, vor allem aber ist es ein Roman über Moralvorstellungen.
    Die Auswirkungen, die Erfolg und soziales Ansehen auf Menschen haben können wird sehr eindrücklich geschildert. Es ist durchaus ein Roman, der dauerhaft Eindruck hinterlassen wird, schon alleine durch seine einzigartige Erzählweise. Einen Stern Abzug gibt es für mich für das verwirrende Ende und auch da mich die Geschichte einfach nicht vollends begeistern konnte.
    Ich habe das Buch aber sehr gerne und mit vielen Emotionen gelesen und bin froh, dem Hype gefolgt zu sein (wer auch immer entschieden hat, dieses Buch zu einem zu machen).

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  1. June hat einen Bestseller geschrieben - oder doch nicht?

    Als die Amerikanerin June Hayward mit ihrer Freundin, bzw. eher Bekannten seit Studientagen, der chinesischstämmigen Athena Liu deren netflix-Vertrag in ihrem Loft feiert, stirbt diese vor Junes Augen. Unüberlegt und automatisch steckt sie das neue Manuskript von Athena ein, das noch niemand kennt. Darin geht es um das Leid von chinesischen Arbeitern im Ersten Weltkrieg. June ist so davon gefesselt, dass sie beschließt, es zu überarbeiten und druckreif zu machen.
    June, die mit ihrem Debütroman keinen Erfolg hatte, wird als Juniper Song mit "Die letzte Front" endlich zum Bestseller!

    Dieses Buch liest sich wie ein Geständnis oder Tagebuch; June spricht die Leser:innen direkt an (Das durchgehende Gendern im ganzen Roman war für mich gewöhnungsbedürftig. In Artikeln oder Nachrichten hat man sich ja schon daran gewöhnt, aber in einem Roman stört es meinen Lesefluss.)
    Durch die direkte Ansprache von June bekommt man tiefe Einblicke in ihre Gedanken- und Gefühlswelt. Und ich muss sagen: das gefiel mir nicht. June ist vor Neid zerfressen, eine sehr unsympathische Person, die emotional unterentwickelt und nicht empathisch ist. Sie sucht immer neue Rechtfertigungen, warum sie diese Geschichte veröffentlichen durfte. So eine derart falsche, hinterhältige und unerträgliche Protagonistin hatte ich noch nie. Trotzdem musste ich einfach ALLES erfahren, was für die Schreibkunst der Autorin spricht.
    Ich verurteile Junes Doppelmoral, mit der sie alles bewertet. Sie wechselt auch laufend von himmelhoch jauchzend zu Tode betrübt. Hat keinerlei Selbstbewusstsein und keine feste, eigene Meinung. Sie schwimmt mit dem Strom und versucht immer, im besten Licht dazustehen und das beste für sich rauszuholen, mit teils widerwärtigen Methoden. Und sie ist lernresistent. Sie lernt einfach nicht aus ihren Fehlern und verhält sich manchmal einfach nur dumm.

    Die Autorin verarbeitet in diesem Roman nicht nur Rassismus (der ein großes Thema ist), Diversität und die Frage der kulturellen Aneignung (Darf jeder alles schreiben? Also hatte June mit ihrer Herkunft überhaupt das Recht, einen Roman über das Leiden chinesische Arbeiter zu schreiben?); auch die Themen Plagiat, die Buchbranche in den USA (was für mich besonders interessant zu lesen war, denn oft denkt man sich: ja, genauso ist es; wobei es in den USA sicherlich noch schwieriger ist als in Europa durch die Buchpreisbindung), die "Diskussions"kultur in den Sozialen Medien (bzw. eher das Mobbing und Shitstorms, vor denen June besonders Angst hatte), Neid, Eifersucht, Intrigen. Somit also auch eine breite Bandbreite der Gefühle.
    Man fiebert mit June mit, wer da wohl so viel Hass auf sie hat und sie derart verunglimpft, und hasst sie trotzdem gleichermaßen wie auch Athena, der sie ihren Erfolg aus diversen Gründen missgönnt hat, denn auch diese war kein einfacher Charakter. Trotzdem hätte ich Athena gern etwas besser kennengelernt; nicht nur aus Sicht von June.
    Auch ein kleiner Krimi ist inkludiert, denn man grübelt bis zum Schluss, wie sich der Tod von Athena wirklich abgespielt hat.
    Doch manchmal wusste man selbst gar nicht mehr, was echt war und was sich June nur ausgedacht hat.

    Den Schluss fand ich leider nicht befriedigend, etwas dünn in der Erklärung, nicht wirklich nachvollziehbar. Aber auch so naheliegend, und deshalb etwas unspektakulär und vorhersehbar. Und June macht wieder dort weiter, wo sie zuvor schon aufgehört hat ("täglich grüßt das Murmeltier"). Doch gleichzeitig ist es auch ein eher offenes Ende, denn man weiß nicht, wie es schlussendlich ausgehen wird und kann auch nicht mit Bestimmtheit sagen: hat June uns das alles erzählt?

    Fazit:
    Ein Roman über das Autor:innen-Dasein, die Buch- und Verlagswelt, Plagiate, Sozial Media und alles, was dazugehört; der alle Gefühle vereint, einen mitreißt, wütend und traurig macht und manchmal nur den Kopf schütteln lässt. Und vor allem wird man nachdenklich.

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Notizen zu einer Hinrichtung: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Notizen zu einer Hinrichtung: Roman' von Danya Kukafka
4
4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Notizen zu einer Hinrichtung: Roman"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:348
Verlag: Blumenbar
EAN:9783351051211
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Rezensionen zu "Notizen zu einer Hinrichtung: Roman"

  1. 4
    13. Mär 2024 

    „Es ist nicht so schwierig, Böses zu tun.“

    Die Autorin wählt ungewöhnliche Perspektiven und mutet ihren Lesern damit eine nicht leichte Kost zu. Anselm Packer ist des vierfachen Mordes schuldig und soll in 12 Stunden hingerichtet werden, der Countdown läuft. Jedes Kapitel bringt den Mörder näher an seine Hinrichtung heran. Zugleich rückt jedes Kapitel wie in einem Figurenreigen andere Personen in den Fokus. Da ist Anselms Mutter, die vor der Gewalt des Ehemannes flieht und ihre Kinder der staatlichen Fürsorge überlässt Schon hier fragt sich der Leser, inwieweit die erlebte Gewalt auch den Mörder geprägt hatte. Seine Schwägerinnen treten auf, seine Nichte, zu der er eine emotionale Bindung entwickeln kann, und seine Kindheitsgefährtin aus dem Kinderheim, die ihm seine Morde nachweist.

    Die übliche Frage eines Kriminalromans nach dem Täter wird hier verdreht. Die Autorin wendet sich anderen Fragen zu. Die Morde haben nicht nur ein junges Leben ausgelöscht, sondern auch eine Zukunft. Welches Leben hätte auf die jungen Frauen gewartet? Welche Auswirkungen hat der Mord auf die Familie? Und was bedeutet seine Hinrichtung für sie? Die Angehörigen der ermordeten jungen Frauen treffen sich zum Zeitpunkt der Hinrichtung zu einer Gedenkfeier. Der Leser beobachtet die Szene und muss sich fragen, was vermutlich in diesen Menschen vorgeht und wie er sich selber verhalten würde. Und vor allem einer Frage geht die Autorin nach: Was geht in einem Menschen vor, dessen Lebenszeit abläuft? In diesen Passagen wählt sie die Du-Perspektive und rückt den Leser damit beklemmend nahe, fast verstörend nahe an den Mörder heran. Trotz dieser Nähe wird der Leser aber nicht zum Komplizen des Mörders; er begleitet ihn, das ja, aber er solidarisiert sich nicht mit ihm.

    Das hängt auch damit zusammen, dass die Autorin keine Ursachen für Anselms Taten anführt. Was macht Anselm zum Mörder? Das bleibt offen. Die Autorin verschont ihren Leser mit leichtfertigen Antworten auf diese Frage, so wie sie ihn auch mit der Schilderung der Morde verschont, weit entfernt von jeder Sensationsgier.

    Ähnlich zurückhaltend betrachtet sie die Todesstrafe. Sie hat einen durchaus kritischen Blick auf das amerikanische Justizsystem und seine rassistischen Auswüchse, und die detaillierte Schilderung der letzten Minuten lässt ihre Ablehnung der Todesstrafe deutlich werden.

    Ein beeindruckender Roman!
    Sehr störend sind die vielen Verstöße gegen die Sprachrichtigkeit, die den Lesefluss immer wieder unterbrechen und zur Abwertung führen.

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Feindliche Übernahme

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Rezensionen zu "Feindliche Übernahme"

  1. 3
    25. Feb 2024 

    Human Resources

    Die Human Resources Inc. hat John Lagos groß gemacht. Doch nicht so wie man vielleicht denkt. Als Praktikant werden er und seine Kollegen in Firman eingeschleust, um Geheimnisse auszuspionieren oder auch mal einen Auftragsnord zu begehen. Gemeinsam mit Alice übernimmt John die Firma. Sie sind ein echt heißes Paar und zur Hochzeit schenkt John ihr einen Auftrag. Ewig dauern die Flitterwochen aber nicht und irgendwann beginnt das Misstrauen zwischenJohn und seiner Liebsten zu wachsen. Werden die beiden nun vom glücklichen Paar zu erbitterten Feinden?

    Bisher gibt es zwei Bücher um John Lago und Alice, wobei sie sich im ersten Band kennengelernt haben und nun im zweiten ihre Zusammenarbeit perfektionieren, soweit es bei ihren unterschiedlichen Persönlichkeiten eben geht. Am Anfang sind sie glücklicher als es die Polizei normalerweise erlauben würde. Leider bricht die Wirklichkeit nur allzu bald über sie herein. Es muss einen eigentlichen Boss ihrer Firma geben, nach dem, den sie ausgeschalter haben. Und wohlmöglich einen jemanden bei FBI, der nicht nach den Regeln spielt. Irgendwann sind Alice und John kurz davor, sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen.

    Ein lustiges Auftragsmorden zieht sich durch den gesamten Roman. Gleich neben einem Husten Ehegattenmorden. Das ist witzig und rasant zu lesen. Allerdings ist vorstellbar, dass es sich mit der Zeit ein wenig abnutzt. Von der Reihe gibt es bisher nur die erwähnten zwei Bände. Und man spürt nicht das ganz dringende Bedürfnis nach mehr. Dennoch kann man mit dem Buch unterhaltsame Stunden verbringen. Es ist spannend wie sich Alice und John immer mehr aufeinander einschießen im wahrsten Sinne des Wortes und wie sich immer mehr die Geschichte hinter der Geschichte enthüllt. Auch die kreativen Ideen des lustigen Tötens lenken schön vom tristen Alltag ab. Ein Thriller zum Abschalten an einem winterlichen Sonntag.

    3,5 Sterne

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Ein perfektes Leben

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Rezensionen zu "Ein perfektes Leben"

  1. Mehr als "nur" ein Kriminalroman

    „Mario Conde nahm die geschlossene Akte in die Hand. Ihm schwante, dass sie eine Art Büchse der Pandora sein könnte, und er verspürte keinerlei Lust, die Dämonen der Vergangenheit aus ihr zu befreien.“ (Zitat Seite 22)

    Inhalt
    Noch sehr angeschlagen von der Silvesterfeier, freut sich Teniente Mario Conde über sein freies Wochenende, als sein Chef anruft und dieses beendet. Denn am Abend des 1. Januar hat die Ehefrau von Rafael Morín Rodríguez ihren Mann als vermisst gemeldet. Dieser Fall ist brisant und Conde muss sofort zu ermitteln beginnen, denn Rodríguez ist der einflussreiche Leiter der Import-Export-Abteilung im Industrieministerium. Da es sich bei Rafael Morín um genau jenen Schulkollegen handelt, der Tamara Valdemira geheiratet hat, die heimliche große Jugendliebe von Mario Conde, begleiten persönliche Erinnerungen den Teniente bei seinen aktuellen Recherchen. Das Leben und Verhalten von Rafael Morín Rodríguez waren immer perfekt, ein untadeliger Mann mit einer weißen Weste, wo sind die Schatten?

    Thema und Genre
    Der vorliegende Kriminalroman spielt in Kuba. Es ist der erste Band der Serie Havanna Quartett und es geht hier um wesentlich mehr, als das Verschwinden einer Person. Themen sind Politik, Gesellschaft, Jugenderinnerungen, sowie die Lebensträume einer jungen Generation und die Veränderungen im Laufe der Jahre.

    Charaktere
    Seit zwölf Jahren ist die Hauptfigur, Teniente Mario Conde, bei der Polizei und ebenso lang fragt er sich, warum. Gerade dieser aktuelle Fall führt El Conde weit in seine Vergangenheit zurück und kurz wünscht er sich, wieder sechzehn Jahre alt zu sein, einen anderen Weg für sein Leben auszuprobieren. „Eines Tages vielleicht würde er seine alten Illusionen wieder haben, würde in einem Haus in Cojímar wohnen, wie Hemingway, direkt an der Küste, in einem Holzhaus mit roten Dachziegeln und einem Zimmer zum Schreiben.“ (Zitat Seite 147)

    Erzählform und Sprache
    Die Handlung wird personal erzählt, die aktuellen Ermittlungen werden ergänzt durch Erinnerungen an Ereignisse im Jahr 1972 und Gedankenströme, sowie Beobachtungen und Schilderungen des Umfeldes und der Situation in Kuba. Zwischendurch wechselt die Erzählform sowohl bei Mario Conde, als auch bei seinem Mitarbeiter Manolo in die Ich-Form, was uns tief in die Gedanken der Figuren eintauchen lässt und die Geschichte auch sprachlich interessant und abwechslungsreich gestaltet.

    Fazit
    Ein vielschichtiger Kuba-Roman mit interessanten Themen und ebenso facettenreichen Figuren. Eine spannende Geschichte mit atmosphärischen Schilderungen Kubas, auch sprachlich überzeugend.

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Hotel Kafka: Fiktion

Buchseite und Rezensionen zu 'Hotel Kafka: Fiktion' von Paul M. Whiting

Inhaltsangabe zu "Hotel Kafka: Fiktion"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:184
Verlag: tredition
EAN:9783384053992
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Die rote Jägerin

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Rezensionen zu "Die rote Jägerin"

  1. 4
    14. Feb 2024 

    Spezialermittlerin Antonia Scott

    Die Tochter eines der reichsten Männer Spaniens verschwindet auf dem Weg zu ihrem Reitstall. Ihr Vater ist höchst besorgt und die Polizei ist erstmal ratlos. Bis die externe Beraterin Antonia Scott hinzukommt. Sie ist eine der intelligentesten Personen der Welt und ihr neuer Partner Jon Gutiérrez ist eigentlich suspendiert. Ihr gemeinsamer Chef und Förderer nennt sich Mentor und er verschafft ihnen Informationen und Ausrüstung. Antonia ist die erste, die ahnt, dass das Verschwinden von Carla Ortiz mit einem anderen Fall zusammenhängen könnte. Antonia strengt ihr Gehirn an und doch ist es nicht einfach, eine Spur zu finden. Dem Täter scheinen keine Fehler zu unterlaufen.

    Antonia Scott ist die Tochter des britischen Botschafters, doch sie ist auch eine Frau, die sich nach einem tragischen Ereignis sehr zurückgezogen hat. Deren Kind von ihrem Vater betreut wird, die verheiratet ist und doch nicht. Sie wollte nicht mehr für Mentor arbeiten. Doch dieser Fall erfordert es und Jon Gutiérrez soll sie von der Notwendigkeit überzeugen. Jon hat eigentlich eigene Probleme. Sein gutes Herz ist mit ihm durchgegangen und nun ist er suspendiert. Die Zusammenarbeit mit Antonia Scott, von der er noch nie etwas gehört hat, erscheint Jon wie eine Rettung. Das die Errettung lebensgefährlich werden könnte, ahnt Jon noch nicht.

    Der Vater von Antonia Scott meint, sie sei echt gestört. Das kann nach der Lektüre des Romans so nicht bestätigt werden. Natürlich ist die hochintelligente Antonia Scott eher speziell. Sie sieht und deutet die Welt eben anders. Manchmal eckt sie damit an und es ist für ihre Mitmenschen schwierig, wenn sie eingestehen müssen, dass Antonia mal wieder recht hatte. Jon Gutiérrez ist da wesentlich geerdeter und bildet somit ein gutes Gegengewicht zu Antonia. Der Fall ist so verzwickt, dass sogar Antonia an ihre Grenzen kommt. Bis sie mal wieder beweist, dass sie schlauer ist als es die Polizei gerne sehen würde. Das Rätsel um das Motiv des Täters und auch die Suche nach dem Opfer gestalten sich ausgesprochen packend. Die sich immer weiter aufbauende Anspannung wird bei diesem Hörbuch sehr gut zum Ausdruck gebracht von Sandrine Mittelstädt.

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Die vergessenen Kinder

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Rezensionen zu "Die vergessenen Kinder"

  1. Dieser nervenaufreibende Thriller hat mich positiv überzeugt

    Dieser Thriller, der in Ragmullin spielt, umfasst neun Tage die jeweils nochmals in Kapiteln unterteilt werden. Insgesamt sind es somit 111 Kapitel. Die Story beginnt am 30. Dezember 2014 und sie berichtet die meiste Zeit von Detective Lottie Parker. Es geht zwischendurch in die 70er Jahre zurück und dies ist fast schon ein Handlungsstrang für sich der immer wieder aufblitzt. So wurde die Story für mich persönlich vielschichtig zu lesen. Der Schreibstil ist ruhig und sehr bildhaft wobei die Atmosphäre eher kompakt angelegt ist. Schon bald wusste ich wohin die Geschichte gehen wird und ich sollte rechtbehalten. Da das Thema auch den Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche behandelt sind meiner Meinung nach viele Szenen dabei die nicht's für schwache Nerven sind. Ich musste deswegen öfter mal dieses Buch zur Seite legen und durchatmen. Der Thriller wird sehr emotional, zum Teil verstörend und mit all seinen Gefühlen litt ich mit den authentisch dargestellten Protagonisten mit. Die Story wurde für mich von Kapitel zu Kapitel aufwühlender und aufregender. Dieser Thriller zog mich mehr und mehr in seinen Bann. Von Kapitel zu Kapitel und Tag für Tag wurde die Story für mich persönlich fesselnder. Am liebsten hätte ich das Buch an einem Stück durchgelesen. Die Story ist dramatisch, bewegend, tragisch und sie machte mich auch zeitweise traurig. Ich werde diesen Thriller nicht so schnell vergessen können. Dann gibt es noch das Privatleben von Detective Lottie Parker das für sich alleine schon spannend geschrieben ist und sich nach und nach mit ihrem Fall verbindet. Ich hielt während des lesens immer mal wieder unbewusst meinen Atem an so sehr fesselte mich diese Story. Im letzten Drittel geht es dann fast Schlag auf Schlag. Dann der Schluss...was soll ich dazu schreiben? Ich atmete erst einmal aus und das erste was ich dachte: Ich muss unbedingt den zweiten Teil lesen... Dieser Thriller ist der erste Band einer dreizehnteiligen Reihe. Er ist in sich abgeschlossen. Diese kurzweilige und überzeugende Story hat mich zutiefst erschüttert aber sie hat mich gleichzeitig auch sehr gut unterhalten. Dieser Thriller zählt zu meinen Lesehighlights und vergebe daher sehr gerne fünf Sterne.

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Zu wenig Zeit zum Sterben

Buchseite und Rezensionen zu 'Zu wenig Zeit zum Sterben' von Steve Cavanagh
3.5
3.5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Zu wenig Zeit zum Sterben"

Format:Taschenbuch
Seiten:512
EAN:9783442494040
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Rezensionen zu "Zu wenig Zeit zum Sterben"

  1. 4
    13. Mär 2024 

    Rasanter und spannender Reihenauftakt...

    Vor über einem Jahr hat der Strafverteidiger Eddie Flynn vor Gericht einen folgenschweren Fehler begangen – und sich danach geschworen, niemals mehr einen Fall zu übernehmen. Doch nun muss er Olek Volchek, den berüchtigten Paten der New Yorker Russenmafia, gegen eine Mordanklage verteidigen. Volchek droht, Eddies Tochter Amy umzubringen, falls er sich weigert. Und so bleiben ihm nur 48 Stunden Zeit, um das Unmögliche zu schaffen: die Geschworenen von der Unschuld seines schuldigen Mandanten zu überzeugen, das Leben seiner Tochter zu retten – und Volchek für immer aus dem Verkehr zu ziehen... (Verlagsbeschreibung)

    Das nenne ich mal einen Auftakt nach Maß. Gleich wird man mitten ins Geschehen geworfen, die Fakten sind schnell klar. Der Pate der New Yorker Russenmafia fragt nicht erst, er sorgt dafür, dass alles so läuft wie er sich das vorstellt. Er zwingt den Strafverteidiger Eddie Flynn, seinen im Grunde aussichtslosen Fall zu übernehmen - und innerhalb von 48 Stunden zu gewinnen. Sollte dies nicht gelingen, wird Eddies Tochter Amy ermordet, die sich bereits in den Händen der Mafia befindet. Ein Spiel, das Eddie gar nicht gewinnen kann. Und doch beschließt er genau das...

    Eddie Flynn hatte eigentlich beschlossen, nie wieder als Strafverteidiger zu arbeiten, da sein letzter Fall derart fatal endete, dass er alkoholabhängig und arbeitsunfähig wurde und seine Ehe scheiterte. Einzig seine Tochter Amy gab ihm noch Halt, und ihretwegen hat er sich auch in eine Entziehungskur begeben. Und nun das! Eddie muss nun nicht nur innerhalb von zwei Tagen für einen Freispruch seines eindeutig schuldigen "Mandanten" sorgen, ihm muss es gleichzeitig gelingen, dass der Pate Olek Volchek für immer aus dem Verkehr gezogen wird - und mit ihm seine Handlanger.

    Nach dem Motto "unmöglich gibt es nicht" macht sich Eddie also ans Werk und greift dafür tief in die Trickkiste. Vor Gericht macht es Spaß, ihn bei seinen Finten zu beobachten, bangt aber gleichzeitig mit ihm, wie das alles zu bewerkstelligen sein soll. Dabei kommt Eddie seine Vergangenheit zugute - er hat einfach besondere Fähigkeiten, von denen er profitiert, und auch seine zahlreichen Bekanntschaften könnten für ihn von Nutzen sein. Aber wie soll er diese kontaktieren? Und wie Volchek und seine Partner bei Laune halten?

    Zugegeben: nicht alles, was hier erzählt wird, befindet sich im Rahmen des Vorstellbaren. Aber: es wird überaus unterhaltsam und rasant geschildert. Steve Cavanagh schreibt den Leser geradezu schwindelig - ich hatte zwischendurch immer wieder das Gefühl, einen Actionfilm zu lesen... Tatsächlich haben mich die vereinzelten unglaubhaften Szenen hier kaum gestört, irgendwie kommt man kaum dazu, über das Gelesene nachzudenken, weil Cavanagh einen gemeinsam mit Eddie immer weiter treibt. Und ich mag den gewitzten Strafverteidiger, der immer für eine Überraschung gut ist und auch vor Gericht zu verblüffen weiß.

    Da es sich bei diesem Krimi/Thriller um einen Reihenauftakt handelt, ist klar, dass zumindest Eddie diesen Fall überlebt - doch zu welchem Preis? Das herauszufinden macht Spaß, auch wenn der Autor in seinen Schilderungen nicht zimperlich ist. Der Showdown hat es dann noch mal in sich...

    Ich jedenfalls bin gespannt auf die weiteren Fälle und freue mich schon auf Band zwei.

    © Parden

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  1. 3
    13. Feb 2024 

    Running Eddie

    Eddie Flynn ist Anwalt in New York. Seine Vergangenheit ist eine ganz andere, aber er hatte Glück, dass Richter Harry Ford sich seiner angenommen hat. Nach einem Fall, der nicht gut gelaufen ist, will Eddie nicht mehr vor Gericht auftreten. Aber er hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Der Russenmafia-Boss Olek Volcheck ist wegen Mord angeklagt. Um Flynn zu überzeugen, für ihn tätig zu werden, entführt er Eddies kleine Tochter Amy. Der Prozess hat schon begonnen und Eddie Flynn muss an allen Fronten kämpfen, um seine Tochter zu retten und Volcheck rauszuhauen. Und er hat nur 48 Stunden Zeit.

    Mit diesem ersten Band um den Anwalt Eddie Flynn geht der Autor gleich in die vollen. Es scheint kaum möglich zu sein, dass Flynn alles schaffen kann. Zunächst einmal muss er herausfinden, was hinter der Anklage steckt. Und er muss sich einiges einfallen lassen, um an Hilfe zu kommen. Wenn er seine Tochter retten will, muss er auch Volcheck retten. Eigentlich ist das kaum möglich, der Fall scheint klar und es gibt einen Zeugen. Doch Eddie Flynn ist ein gewiefter Anwalt, der einige Strategien in petto hat.

    Dieser spannende und rasante Thriller liest sich weg wie nichts. Gerade wenn Eddie im Gerichtssaal agiert und man sich über seine Kniffe und Finten wundert und sich freut, wenn er die anderen gegeneinander ausgespielt hat, macht dieser Roman wirklich Spaß. Allerdings kann es möglicherweise etwas stören, dass einige Szenen wirklich nicht glaubhaft wirken. Man denkt an „Die Hard“ und Bruce Willis und denkt, das funktioniert einfach nicht. Dass ein kleines Mädchen entführt wird, dass schließlich mitbekommt, was mit ihm passiert, erscheint als nicht so guter Aufhänger. Doch jedes Mal, wenn Flynn es schafft aus einer unmöglichen Lage herauszukommen, freut man sich. Ein sehr fesselnder Reihenbeginn, bei dem man sich in manchen Momenten von seinen eigenen Bedenken frei machen muss, um dann eben der wahrhaft rasanten Story zu folgen.

    3,5 Sterne

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Was wir verschweigen

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Rezensionen zu "Was wir verschweigen"

  1. 3
    11. Feb 2024 

    Finnischer Mord

    In einer finnischen Kleinstadt wird in einem Wochenendhaus ein angetrunkener Mann erstochen. Da alle in dem Haus betrunken waren, weiß keiner richtig, was passiert ist. Nur kurz nach der Tat wird ein weiterer Betrunkener im Wald gefunden, dessen Kleidung blutbefleckt ist. Es scheint ein einfacher Fall zu sein. Allerdings fehlt die Tatwaffe. Kommissar Jari Paloviita hat vertretungsweise die Leitung seiner Abteilung übernommen. Sein eigentlicher Partner Oksman übernimmt die Außenermittlungen gemeinsam mit der Kollegin Linda. Paloviita ist froh über den vermeintlich einfachen Fall. Jedenfalls so lange bis er erfährt, wer der Verdächtige ist.

    In diesem ersten Fall für Jari Paloviita und sein Team muss sich der Kommissar mit seiner eigenen Vergangenheit befassen. Das kommt recht unerwartet. Schließlich hat er sich gerade erst in seiner Leitungsposition eingefunden. Und er ist unsicher wie er mit dieser Sache umgehen soll. Seine Kollegen Oksman und Linda sind gewiefte Ermittler und doch erweisen sich die Nachforschungen als schwierige Aufgabe. Das fängt schon mit dem regnerischen Wetter an, durch den die Umgebung des Tatorts nicht verwüstet, aber doch ziemlich zermatscht ist. Tja, dann der Täter. Er ist wohl ebenso ein Trunkenbold wie das Opfer und er behauptet, keine Erinnerung an die Tatzeit zu haben.

    So leicht ist es nicht, die Karriereleiter zu erklimmen. Schon garnicht, wenn man einiges für sich behalt. Langsam entwickelt sich der Fall, der erst gar keiner zu sein scheint. Ein Fall, der so klar ist. Auch als Leser fragt man sich, wie sich Spannung entwickeln soll, wenn man den Mörder schon nach den ersten Seiten kennt. Nun, es geht. Auch wenn die Vergangenheit vielleicht ein wenig zu ausführlich dargestellt wird, enthüllt sich eine fesselnde Geschichte. Ein gewisses Manko ist die problembehaftetheit der Polizisten. Da hat einfach jeder seine Probleme und zwar größere als man bei normalen Arbeitskollegen erwarten würde. Das kann einem gefallen oder nicht. Gut dargestellt ist, wie so etwas zu so was führt. Die Kindheitserlebnisse prägen und wirken lange bis in die Gegenwart. Trotz kleiner Kritikpunkte ein lesenswerter Kriminalroman und ein Reihenstart, der durchaus weiter verfolgt werden kann.

    3,5 Sterne

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