Höllenkalt
Klappentext:
„Áróra Jónsdóttir lebt in London und ist Ermittlerin im Bereich Wirtschaftskriminalität – sie spürt Geld auf, das illegal in Steuerparadiesen und auf Offshore-Konten versteckt ist, und sie ist sehr gut in ihrem Job. Privat ist Áróra eher eigenbrötlerisch. Zu ihrer Familie hat sie wenig Kontakt, und als ihre Mutter sie bittet, nach Island zu fahren, um nach ihrer älteren Schwester Ísafold zu schauen, die sich nicht mehr meldet, ist sie genervt. Dennoch macht sie sich auf nach Reykjavík und muss bald erkennen, dass Ísafold tatsächlich spurlos verschwunden ist. Áróra stellt Björn, den brutalen, mit Drogen dealenden Freund ihrer Schwester zur Rede und befragt die Nachbarn, die genau wie Björn ausweichend reagieren. Wurde Ísafold Opfer eines Verbrechens? Verzweifelt bittet sie den Polizisten Daníel um Hilfe, doch auch ihm erscheint die Situation mehr als rätselhaft. Auf ihrer atemlosen Suche wird Áróra nicht nur mit der Entfremdung von ihrer eigenen Schwester konfrontiert, sondern auch mit ungeahnten menschlichen Abgründen ...“
Diese neue Krimireihe mit Drehort Island beginnt mit diesem Band 1 namens „Höllenkalt“. Unsere Ermittlerin Áróra Jónsdóttir hat ihren eigenen Kopf und ich muss gestehen, nach beenden des Buches, ich empfand das recht sympathisch. Sie ist wie sie ist aber alles hat auch einen Ursprung. Der Schauplatz Island hat ein besonderes Flair welches mir sehr vertraut ist und den Leser wirklich sofort einnimmt. Durch die verschiedenen Blickwinkel, die beleuchtet werden, und hier und da auch sehr gut positionierte Rückblenden, erkennen wir Leser einfach mehr und alles wird deutlicher. Die Schwesternbindung zwischen Áróra und Ísafold wird ebenfalls immer deutlicher und der Leser springt schnell auf den Spannungsbogen auf und darf sich gekonnt treiben lassen. Die Geschichte ist recht kurzweilig aber verliert keine Spannung. Als Áróra Jónsdóttir Hilfe annehmen muss bezüglich der Suche ihrer Schwester , nimmt das Rätsel seinen großen Lauf und somit steigt die Spannung auf die Folgebände! Fazit: Spannend, tolle Location, kurzweilig und eine Ermittlerin, die ihren eigenen Kopf hat. 4 sehr gute Sterne hierfür!
Nachdem eine Explosion den Osloer Hafen erschüttert hat, herrscht Terroralarm in Norwegen. Viele Menschen wurden getötet oder verletzt. Ein Opfer kommt knapp mit dem Leben davon: Ruth-Kristine Smeplass. Diese ist keine Unbekannte für Kriminalkommissar Alexander Blix, denn sie war die Mutter der zweijährigen Patricia, die vor zehn Jahren gekidnappt wurde. Blix ermittelte in diesem Fall, erfolglos. Als sich der Rauch in Oslo legt, ist die Zeit reif, sowohl das Mysterium der Vergangenheit als auch das der Gegenwart zu lösen. Zusammen mit der Journalistin Emma Ramm entdeckt Blix ein unverzeihliches Verbrechen. (Verlagsbeschreibung)
Das neue Jahr beginnt mit einem Knall - nicht nur das obligatorische Feuerwerk erwartet die zahlreichen Besucher im Osloer Hafen, sondern auch eine Bombe. Für manche Menschen gibt es kein neues Jahr mehr - sie werden beim Bombenanschlag getötet. Unter den Schwerverletzten taucht ein Name auf, der bei Alexander Blix vom Osloer Dezernat für Gewaltverbrechen die Alarmglocken klingeln lässt - Ruth-Kristine Smeplass. Vor zehn Jahren wurde ihre Tochter entführt, seither fehlt von ihr jede Spur. Ist Ruth-Kristine nur zufällig unter den Opfern?
Auch die Journalistin Emma Ramm befindet sich zur fraglichen Zeit am Osloer Hafen. Sie selbst bleibt unversehrt, doch ihr Freund Kasper gehört zu den Todesopfern. Um sich abzulenken, stürzt sich Emma in die Arbeit - und wie schon im ersten Band ergeben sich bei ihr Spuren, die die Ermittlungsarbeit von Alexander Blix und seiner Kollegin Kovic ergänzen. Diesmal findet allerdings verhältnismäßig wenig Austausch zwischen Emma und Blix statt, was der besonderen Situation und der Trauer der Journalistin geschuldet und daher verständlich ist, was ich aber trotzdem schade fand. Die teilweise gefährlichen Alleingänge von Emma erzeugen zwar Spannung, wirken teilweise aber auch übertrieben.
Erstaunlich genug fand ich zudem die Fokussierung von Blix und Kovic auf den Coldcase - die Entführung des zweijährigen Mädchens vor zehn Jahren und die damalige zweifelhafte Rolle ihrer Mutter Ruth-Kristine. Der Rest der Polizei geht bei der Bombenexplosion von einem Terroranschlag aus - eine Theorie, die durch eine weitere Bombe in einem Park wenige Stunden später noch untermauert wird. Dass Blix hier seinem Bauchgefühl folgen und in eine ganz andere Richtung ermitteln kann, erschien mir ehrlich gesagt nicht ganz plausibel. Aber sei's drum.
Die Ermittlungen selbst beginnen verhalten, und trotz der kurzen Kapitel zieht sich das Geschehen zeitweise etwas. Als sich die Erkenntnisse häufen, wird es zunehmend spannender, bis sich alles auf einen Countdown zubewegt. Falsche Fährten und überraschende Wendungen inklusive. Die kurzen Kapitel erzeugen einen Sog. Abwechselnd wird hier aus der Sicht von Blix und Emma geschrieben, was zusätzlich für Schwung sorgt. Dabei werden auch kleine Einblicke in das persönliche Leben der beiden Hauptcharaktere gewährt, die den eigentlichen Fall aber kaum einmal überlagern.
Alles in allem ein durchaus spannender Fall, der durch die genannten kleinen Schwachpunkte jedoch für mich nicht ganz an den stärkeren ersten Band heranreicht. Dennoch freue ich mich schon auf die Fortsetzung!
© Parden
Um den Jahreswechsel ist am Osloer Hafen immer eine große Menschenmenge. Die Explosion um Mitternacht hätte also zu einer Katastrophe führen können. Obwohl bei dem Anschlag vier Menschen sterben, muss das in Anbetracht der Umstände wohl es kleine Zahl bezeichnet werden. Und doch sind es Menschen. Emma Ramms Freund Kasper ist eines der Opfer. Und so wird aus einer Zahl etwas ganz Persönliches. Kommissar Alexander Blix und seine Kollegen übernehmen die Ermittlungen. Zur selben Zeit erhält ein Gefängnisinsasse ein Foto seiner Tochter, die vor Jahren entführt wurde. Es wurde befürchtet, das Mädchen sei tot.
Hierbei handelt es sich um den zweiten Fall, in dem Kommissar Alexander Blix und die Journalistin Emma Ramm gleichzeitig ihren Berufen nachgehen. In Oslo, aber auch bei der Polizei herrscht helle Aufregung. Was könnte das Motiv für diesen perfiden Anschlag gewesen sein? Und wieso taucht auf einmal ein Foto von einem vor langer Zeit verschwundenen Kind auf? Im privaten Bereich erlebt Alexander Blix eine Überraschung, während Emma Ramm einen schweren Verlust hinnehmen muss. Vor allem Emma nimmt die Arbeit als willkommene Ablenkung von einem Schmerz. Als Journalistin muss auch sie über ermittlerische Fähigkeiten verfügen, was sie auch in diesem Band eindrucksvoll unter Beweis stellt. Alexander Blix kommt und Emma Ramm ist schon da.
Dieser spannende Kriminalroman überzeugt durch seinen verwickelten Fall, bei dem man sich fragt, wie es zwischen den Ausgangspunkten einen Zusammenhang geben kann. Wie bei einem ordentlichen Krimi zu erwarten, bekommt man eine unerwartete Lösung präsentiert. Allerdings entsteht der Eindruck, dass das Potential aus dem Ansatz Reporterin und Polizist entstehen könnte, nicht zur Gänze ausgenutzt wird. Blix und Ramm stellen ihre Nachforschungen nebeneinander her an. Ein wirklicher Austausch findet kaum statt. Irgendwie wirken beide nicht so nahbar und bleiben kühlt und distanziert in der Empfindung der Leserin. Dennoch ist dieser Kriminalroman interessant und wegen der kurzen Kapitel auch flott zu lesen.
3,5 Sterne
Zwei Tage in einer norwegischen Kleinstadt, 9 Figuren, aus deren Perspektive Knausgard das Geschehen in nur 2 brütend heißen Tagen aufrollt. Auf den ersten Blick haben die meisten dieser Menschen nichts miteinander zu tun. Auf den zweiten gibt es dünne Fäden, die sie miteinander verbinden. Gemeinsam haben sie ihre mehr oder weniger desolaten Beziehungen, ihren hilflosen Wunsch nach Veränderung und, vor allem die Männer, ihre Unfähigkeit zu selbstloser Liebe, zu Empathie, zur Hingabe. Sein Personal ist Knausgard überzeugend dreidimensional geraten - die Männerfiguren insgesamt farbiger als die weiblichen. Der Eindrücklichste ist Jostein, ein Fiesling von einem Journalisten. Und alle Männer saufen wie die Ketzer.
In all den Konflikten und seltsamen Geschehnissen, die in jedem Strang auftauchen, versuchen die Charaktere, ihr Leben irgendwie weiterzuführen. Manches ist nur seltsam – Krebse flüchten in den Wald, Hirsche bleiben auf der Straße stehen und lassen sich anfassen. Manches ist furchterregend. Vögel mit Schuppen und menschlichen Gesichtern? Muss man sich eingebildet haben. Dem seit Tagen Toten kann man nicht erst gestern in einer anderen Stadt begegnet sein, eindeutig Einbildung. Und wenn ein Geisteskranker, der noch nie gesprochen hat, plötzlich verkündet "Du bist gerichtet worden", muss man sich verhört haben. Man rettet sich in Rationalität, aber, und das liest sich wie Grusel, im Roman ist ganz klar, dass sie sich nichts eingebildet haben. Was sie gesehen, gehört haben, ist real.
So wie der helle Stern, der plötzlich am Himmel steht und selbst tagsüber zu sehen ist. Ist dieser ein Zeichen? Und wenn ja, wofür? Sind wir wirklich alle gerichtet worden, und wenn ja, inwiefern? Ist die Klimakrise (die im Roman nur einmal explizit erwähnt wird, aber durch die brüllende Sommerhitze ständig präsent ist) das Urteil?
Knausgard geht an die Grenzen des Vorstellbaren, löst sie auf und erzeugt Skepsis gegenüber der eigenen Wahrnehmung. Sind wir alle blind, weil wir bestimmte Dinge systembedingt ausblenden? Offensichtlich ist Wissen etwas anderes als Glauben. Können wir an den Tod, an die Klimakrise, einfach nicht glauben? Verstellt uns das Wissen den Blick? Knausgards Figuren denken über Tod und Teufel, Paradies und Auferstehung, das Wesen der Zeit und die Existenz Gottes nach. Laut FAZ nichts weiter als ein Kierkegaard-Aufguss. Aber da ich Kierkegaard nicht gelesen habe und das auch nicht tun werde, bin ich dankbar für dieses inspirierende Konzentrat.
Das alles, typisch für Knausgard, eingebettet in Beschreibungen alltäglichster Tätigkeiten, wodurch das Seltsame noch seltsamer wirkt. Am Schluss gibt es einen derartigen Cliffhanger, dass man am liebsten SOFORT weiterlesen möchte.
Trotz seiner fast 900 Seiten, trotz (oder wegen?) seiner herausfordernden Struktur, habe ich mich keine Seite lang gelangweilt. „Der Morgenstern“ liest sich unwiderstehlich.
Zu Beginn gleich ein Zitat von relativ weit hinten, auf Seite 821: „Was jenseits der Reichweite ihrer Sinne liegt [gemeint sind hier die Tiere], gibt es für sie nicht, es existiert schlichtweg nicht in der Welt.“
Wenn ich mir jetzt die Fische und andere Wasserlebewesen vorstelle, die natürlich die ganze Welt jenseits des Wassers nicht – oder kaum – wahrnehmen können, so wie die meisten von uns die wirkliche Wasserwelt nicht wahrnehmen können …. Ja, dann bleibt so viel Unerkanntes übrig, wie die ganze Luftwelt für die Fische. Was mag es noch jenseits unserer Wahrnehmungswelt alles geben? Wir wissen ja nicht mal, wer wir wirklich sind und wo wir herkommen. Damit meine ich jetzt nicht die Bäuche unserer Mütter, sondern wo der Mensch an sich herkommt. War er schon immer auf diesem Planeten?
Also zäume ich hier das Pferd vom Schwanz auf und beginne mit dem Ende, bzw. mit dem Anfang vom Essay am Ende.
Knausgård macht es uns hier nicht leicht mit diesem dicken Buch mit seinen 891 Seiten. Es liest sich schön und schrecklich zugleich, aber man bleibt dran, kann es nicht weglegen, obwohl nicht alles gefällt. Bei Weitem nicht alles.
Zunächst fand ich die Anzahl der Protagonisten zu unüberschaubar, fing doch jedes Kapitel mit einem neuen Erzähler an – neun sind es insgesamt – und alle sprachen in der Ich-Form. Wer davon ist so richtig hängen geblieben? Natürlich Arne, das ist der vom Anfang, mit der verrückten Frau, drei Kindern und zwei toten Katzen. Gruselig schon zu Beginn. Er begräbt eine Katze, die noch nicht richtig tot ist und die Katzenmutter dieses armen Tieres stirbt auch keines natürlichen Todes. Hier beginnt schon die Schrägheit der gesamten Atmosphäre im Roman. Arne fährt betrunken Auto und überall auf der Straße laufen Krebse herum. Massenhaft geangelte Fische stinken in Arnes Keller vor sich hin. Auch nach der Abreise aus dem Sommerhaus noch. Die verrückte Ehefrau wird vorher noch schnell ins nächstgelegene Krankenhaus abgeschoben.
Hat der Morgenstern, der neue, das alles ausgelöst und zu verantworten? Die ganze Welt ist aus den Fugen geraten, so wie unsere gerade auch. Da wird alles geleugnet, was nicht ins System passt, und: „Keiner hat jemals ein vernünftiges Gespräch mit einem Leugner geführt. Das geht einfach nicht.“ (Seite 790)
Arne hat einen Nachbarn in diesen Norweger-Sommerhäusern in Bergen am Meer: Egil. Auch Egils Welt ist aus den Fugen geraten, deshalb schrieb er den Essay am Ende: „Über den Tod und die Toten“, ab Seite 817. Hier wird nach viel Philosophie eine Zugbekanntschaft von Egil thematisiert und eine Beerdigung, derlei Merkwürdigkeiten kann man sich kaum ausdenken, die müssen schon so passiert sein.
Der Journalist Jostein ist noch so ein Protagonist, der hängen bleibt im Gedächtnis, einfach weil er solche Unmengen an Alkohol trinken kann, dass man es kaum zu glauben vermag. Er betrügt seine Frau, fällt öfter mal in Ohnmacht, einmal auch ins Koma und irrt seitenlang in der Anderswelt herum.
Die Frauen sind nicht so markant und gerieten ob der Textfülle bei mir mehr oder weniger schon in Vergessenheit: Turid, Josteins Frau, arbeitet in der Psychiatrie. Sie muss mit einem harten Schicksalsschlag fertig werden und Monster im Wald verkraften.
Dann ist da noch Kathrine, die Pfarrerin, mit den Wahnvorstellungen (oder sind es keine?), Vibeke, Solveig und andere.
Manche der Protagonisten kennen sich und begegnen sich, andere wirken wie zufällig ins Buch geraten. Allen gemeinsam ist das Staunen über oder die Angst vor diesem Morgenstern.
Ich weiß nicht, ob das Buch empfehlenswert ist oder nicht. Ich habe es gar nicht gern gelesen und konnte es trotzdem nicht aus der Hand legen. Warum liest man so ein dickes Buch?
Und es werden noch mehr, so die „Androhung“, siehe hier aus dem Interview mit dem Autor: Früher hätte er, deutet er an, wohl zuerst an sein Werk gedacht. Aber das sei nun im Vergleich mit seiner Familie unbedeutend. Trotzdem hat er weiter große Pläne als Autor. „Der Morgenstern“ ist nämlich nur der Auftaktband zu einer Romanreihe. „Schwer zu sagen, wie viele Romane es werden. Mindestens fünf. Es werden wohl fünf“, sagt Knausgård und lacht.
Fazit: Ein seltsames Buch, es ist schön und schrecklich zugleich. Die Erlebnisse von neun Protagonisten - jeweils Ich-Erzähler - überfordern etwas. Trotzdem will man wissen, wie es weitergeht ...
„Der rote Rucksack mit den Ponys darauf war das Letzte, war von den Mädchen zu sehen war. Dann verschwanden sie.“ (Zitat Seite 16)
Inhalt
Hildur Rúnarsdóttir hat Geschichte studiert, wollte aber keine akademische Laufbahn einschlagen. Zu sehr ist sie von ihrer Vergangenheit geprägt und immer noch auf der Suche nach Antworten, denn ihre beiden jüngeren Schwestern sind vor beinahe fünfundzwanzig Jahren eines Nachmittags spurlos verschwunden. Seit nunmehr zehn Jahren ist Hildur zurück in ihrer alten Heimat Ísafjörður und leitet als Kriminalbeamtin die Abteilung für vermisste Kinder im Verwaltungsbezirk Westfjorde. Als im November 2019 eine Lawine ein Gebiet mit Sommerhäusern unter sich begräbt, werden auch Hildur, ihr neuer Kollege Jakob Johanson, ein finnischer Polizist, und ihre Chefin Beta zu Hilfe gerufen, denn angeblich war eines der Häuser bewohnt. Es gibt tatsächlich einen Toten, doch dieser ist eindeutig ermordet worden. Damit beginnt eine Serie von Morden, die auf den ersten Blick überhaupt nichts gemeinsam haben, doch Hildur ist überzeugt, dass es einen Zusammenhang gibt.
Darum geht es
Dieser Kriminalroman, Band eins der Hildur-Reihe, spielt in Island. Im Mittelpunkt stehen unterschiedliche Ereignisse, die teilweise in der Vergangenheit stattgefunden haben, und rätselhafte Mordfälle in der Gegenwart. Weitere Themen sind Verlust, Familie, Beziehungen und das Leben in einem abgelegenen, wilden Teil Islands im grauen Wintermonat November.
Meine Meinung
Hildur liebt das Surfen im unbeständigen, stürmischen Meer, um den Kopf freizubekommen, Jakob dagegen strickt Pullover in den komplizierten isländischen Mustern. Dieses interessante, sympathische Ermittlerteam in Kombination mit einer spannenden Handlung, einer glaubhaften Geschichte mit Tiefgang, und lebhaften Schilderungen der beeindruckenden Natur und Landschaft Islands garantieren ein facettenreiches Lesevergnügen.
"Hvarf" ist der Name des ehemaligen Bauernhofs, auf dem sich das Drama abgespielt hat. Der Name bedeutet soviel wie "Verschwinden": Selbst für isländische Verhältnisse lebt man hier abgeschieden. Und bewirtschaftet wird der Hof schon lange nicht mehr. Die neuen Bewohner sind Isländer, die lange in den USA gelebt haben: ein Softwareingenieur, der eine Menge Geld gemacht hat, aber wegen Krankheit seinen Beruf nicht mehr ausüben kann, mit seiner Frau und zwei Töchtern. Außerdem lebte ein Au-pair-Mädchen auf dem Hof. Frau, Töchter und Au-pair-Mädchen liegen erschlagen in ihren Zimmern. Von dem Mann keine Spur. Es gibt jedoch eindeutige Hinweise, dass noch Tage nach den Morden jemand auf dem Hof war, gegessen und getrunken sowie die Haustiere versorgt hat. Kann jemand so kaltblütig sein?
Zuständig für die Ermittlungen ist die Polizei von Akranes. Die kennen wir bereits aus dem Krimis von Eva Björg Ægisdóttir: Hörður. Sævar und Elma. Da wir uns aber hier in einem Krimi von Yrsa Sigurðardóttir befinden, sind diese Figuren "ausgeliehen" und spielen kaum eine Rolle. Unsere Hauptperson heißt Týr, gehört zur Polizei Reykjavik und wird dem Team aus Akranes wegen der Schwere des Verbrechens zur Aufstockung zuarbeiten. Das gilt auch für seine Kollegin Karó und die Rechtsmedizinerin Iðunn.
Wir in vielen ihrer Krimis erzählt die Autorin alternierend in zwei Strängen. Der eine deckt die Tage vor den Morden ab und ist aus der Sicht des Au-pair-Mädchens Sóldís erzählt, das nach einer persönlichen Krise die Einsamkeit sucht und deshalb die Stelle angenommen hat. Leider läuft es anders als erhofft: Die Job ist anstrengend und in der Familie ihrer Arbeitgeber liegt offenbar einiges im argen. Die riesigen Glaswände des renovierten Hauses, die besonders nachts wie eine Bedrohung wirken, rauben der jungen Frau den Nerv, und obendrein gibt es gespenstische Vorfälle. Dieser Handlungsfaden wird immer wieder unterbrochen durch die polizeilichen Ermittlungen nach der Bluttat; die Spannung bleibt also hoch. Leider verlaufen die Ermittlungen selbst nach dem furiosen Auftakt eher lahm. Die Autorin plant offenbar eine Serie mit dem gleichen Ermittlerteam, da es sehr viel um Privates geht: Týr hat lange bei einer Adoptivfamilie in Schweden gelebt und quält sich mit ungelösten Fragen um seine Herkunft, und die Gerichtsmedizinerin Iðunn macht einen misanthropischen Eindruck, was sicher auch seine Gründe hat. Am unkompliziertesten ist noch die junge Kollegin Karó, obwohl sie wegen ihrer dunklen Hautfarbe ständig gegen Vorurteile ankämpfen muss.
Die privaten Bürden der Ermittler, besonders Týrs, nehmen nach meinem Geschmack zu viel Raum ein, was vielleicht darüber hinwegtäuschen soll, dass wir über die Ermittlungen selbst gar nicht viel erfahren. Die werden nämlich von der Polizei in Akranes durchgeführt, und das müssten wir uns von Eva Björg Ægisdóttir erzählen lassen. Vielleicht tut sie es noch. Aber es gibt einige Vernehmungen, Verdächtige werden ausgemacht, und natürlich erfahren wir die Auflösung des Mordes - wenn man ein so lahmes, vorhersehbares und (sorry, Frau Sigurðardóttir) lieblos erzähltes Fazit überhaupt "Auflösung" nennen will. Eine Riesenenttäuschung. Auch wenn die Person des Täters überraschen könnte, hat die Autorin hier jede Gelegenheit ausgelassen, die letzten Vernehmungen und Erkenntnisse spannend und wendungsreich aufzubereiten. Das Verbrechen ist spektakulär, der Schauplatz stimmungsvoll - bis etwa zur Mitte stimmt es. Dann scheint die Autorin ihre erzählerischen Mittel im Galopp zu verlieren. "Hvarf" - alles verschwindet. Lust auf den Folgeband, der schon vorliegt, habe ich jedenfalls nicht.
Spannender Auftakt einer neuen Island-Krimi-Reihe
Höllenkalt ist der Auftakt einer neuen Island-Krimi-Serie. Um was geht es:
Áróra Jónsdóttir, geboren in Island, arbeitet in London als Ermittlerin im Bereich Wirtschaftskriminalität und hat zu ihrer Familie wenig Kontakt. Als ihre Schwester Ísafold nicht mehr zu erreichen ist, macht sich ihre Mutter sorgen und bittet Áróra nach dem Rechten zu sehen. Da das Verhältnis zwischen den Schwestern nicht das Beste ist, macht sich Áróra nur wiederwillig auf den Weg nach Island. Dort muss sie aber feststellten, dass Ísafold spurlos verschwunden ist. Ihrem gewalttätigen und drogendealenden Freund Björn traut sie immer noch nicht über den Weg. Unerwartete Hilfe bekommt sie von dem Polizisten Daniel. Gemeinsam machen sie sich auf die Suche und treffen auf eine Mauer des Schweigens.
Der Schreibstil der Autorin ist fesselnd und trotz des relativ unaufgeregten Plots mochte ich das Buch kaum aus der Hand legen. Sie schafft hier durch die Beschreibung der herrlichen isländischen Lokation eine stimmungsvolle Atmosphäre.
Besonders gefallen hat mir die Charakterisierung der Protagonisten. Dadurch, dass die Autorin sich Zeit für die Darstellung ihrer Figuren genommen hat, wirken sie sehr lebendig. Áróra finde ich zwar nicht unbedingt sympathisch in ihren Ansichten, aber bei einigen ihrer Handlungen musste ich doch schmunzeln.
Durch verschiedene Perspektiven erhalten wir Einblick in Ísafolds Leben und Umfeld und dank der Ermittlungen von Áróras und Daniels entstehen Bilder von menschlichen Abgründen. Zum Schluss blieben noch einige Fragen offen, die sicherlich Thema in den Folgebände sind, auf die ich jetzt schon sehr gespannt bin.
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