Das unsichtbare Leben der Addie LaRue: Roman
Im Jahr 1714 soll Adeline LaRue heiraten, sie soll in ihrem kleinen französischen Dorf bleiben, Kinder haben und relativ früh ausgezehrt sterben. Nein, das ist nicht ihr Weg. Obwohl ihre mütterliche Freundin Estele sie warnt, sich an die Geister zu wenden, die nur in der Dunkelheit hervorkommen, schließt Adeline mit eben einem solchen einen Pakt. Sie darf frei sein, doch die Freiheit hat einen hohen Preis. Addie gewinnt Jugend und möglicherweise ewiges Leben, doch sie schwebt durch die Zeit wie ein Geist, niemand erinnert sich an sie. Bis eines Tages alles anders ist.
Welch ungewöhnliches Schicksal erlebt Adeline LaRue, die viel lieber Addie ist. Wie ein flüchtiger Schatten reist sie durch die Jahre und Jahrzehnte. Menschen, die sie treffen, vergessen sie sobald sie ihr den Rücken kehren. Das gibt ihr große Freiheit, aber sie ist dadurch auch heimatlos und ohne Bezugsperson. Falls sie doch einen Bezug gewinnt, so merkt nur Addie dies, der andere vergisst immer wieder. Allerdings kann sie sich nehmen was sie braucht, selbst wenn sie mal was klaut oder in eine Wohnung eindringt, ist es sofort vergessen. Der, der ihr gab, will auch nehmen, doch Addie findet auch nach Jahrhunderten immer noch Dinge, die sie entdecken kann, sie gibt nicht auf.
Mit fast sechshundert Seiten ist dieser Roman mit phantastischen Einflüssen ein echter Brocken. Gerade zu Beginn stellt dies doch ein kleines Hindernis dar, denn die Handlung entwickelt sich recht langsam und zumindest eine gewisse Gefahr besteht, dass man aufgibt. Doch setzt man eine Weile ab und liest dann weiter, erschließt sich auf einmal der Reiz dieses ungewöhnlichen Werkes. Plötzlich gelingt es, sich in Addie hineinzuversetzen. Ihr langes Leben durch mehrere Jahrhunderte. Ihre Einsamkeit, selbst ihre Eltern können sich nicht mehr an sie erinnern. Die Schwierigkeiten sich mit dem Einfachsten zu versorgen. Doch auch ihre Freude an Neuem, sei es neue Sprachen, neue Länder oder neues Essen. Nur mit den neuen Menschen ist es schwierig, denn die erinnern sich ja nicht. Wird sie irgendwann ihre Seele aufgeben? Nach kleinen Anfangsschwierigkeiten bannt einen Addie LaRue vor die Seiten.
REZENSION – Mit „Allmen und Herr Weynfeldt“ erschien im März beim Diogenes Verlag bereits der siebte Band der beliebten Krimireihe des Schweizer Schriftstellers Martin Suter (76), die 2011 mit „Allmen und die Libellen“ begann und deren erste drei Bände mit Heino Ferch für das Fernsehen verfilmt wurden.
Schon der Name Johann Friedrich von Allmen, mit dem sich der über 40-jährige Hans Fritz von Allmen gern vorstellt, um dann in gespielter Bescheidenheit anzufügen „Allmen reicht“, zeigt das Motiv „Mehr Schein als Sein“ des kunstverständigen und belesenen Hochstaplers, der seiner Umwelt den längst verlorenen Reichtum weiterhin erfolgreich vorgaukelt. Trotz Zwangsverkaufs seiner Villa lässt er sich in deren Gartenhaus mit umgebautem Treibhaus unverändert von dem ihm ergebenen Diener Carlos und dessen Ehefrau Maria als Haushälterin umsorgen. „Reichtum misst man nicht daran, wie viel Geld man hat, sondern daran, wie viel Geld man ausgibt“, ist Allmens Motto. Zur notwendigen Auffrischung der Haushaltskasse übernimmt Allmen – „Ich bin kein Detektiv. Ich bin eher ein Künstler.“ – mit seiner Firma Allmen International Inquiries hin und wieder lukrative Aufträge zur Auffindung gestohlener Kunstobjekte. Gleichberechtigter Partner ist Carlos, der seinem auf zu großem Fuß lebenden Patron immer mal ein paar Geldscheine „zur Festigung seiner Kreditwürdigkeit“ zustecken muss. Doch letztlich ist Maria als Finanzchefin des Unternehmens diejenige Person dieses ungewöhnlichen Trios, die sämtliche Fäden in der Hand hält und als einzige zur rechten Zeit die richtige Idee hat.
Eines Abends trifft Allmen in einer Bar einen kultivierten Herrn ähnlichen Alters – den Kunstsachverständigen und Sammler Adrian Weynfeldt. Als dieser Tage später bemerkt, dass in seiner Wohnung ein Bild fehlt, beauftragt er Allmen mit der Suche. Anfangs schließt Weynfeldt seinen engeren Bekanntenkreis, mit dem er sich statt wie üblich im Restaurant nur wenige Tage zuvor erstmals in seiner Wohnung im Obergeschoss eines Bankhauses getroffen hat, als Tatverdächtige grundsätzlich aus. Bevor die Kunstbuchhändlerin Karin Winter, die diesem Kreis angehört, Allmen etwas Wichtiges mitteilen kann, kommt sie bei einem Treppensturz zu Tode. Jetzt sind alle verdächtig. Allmen hat seinen ersten Mordfall.
Im neuen Krimi lässt Suter die Figur des Adrian Weynfeldt wieder aufleben, Hauptfigur aus dessen bereits 2008, also noch vor dem Allmen-Krimis veröffentlichten und 2010 verfilmten Roman „Der letzte Weynfeldt“. Amüsant zu lesen ist nun das Zusammenspiel dieser beiden Protagonisten – Weynfeldt tatsächlich reich, Allmen nur scheinbar. Um dieses „Spiel“, das Allmen einiges abverlangt, geht es eigentlich im Roman, während die Suche nach dem Gemälde zur Rahmenhandlung verblasst.
Dennoch kann der neue Band nicht so recht überzeugen: Wieder und wieder erfahren wir von den Eigenarten des scheinreichen Lebemannes, die doch inzwischen bestens bekannt sind. Es fehlt das Neue, das Überraschende. Mag auch das Auftreten der früheren Romanfigur Adrian Weynfeldt im Allmen-Krimi vielleicht überraschen, ist aber auch über diese Figur in „Der letzte Weynfeldt“ schon alles gesagt, so dass es im neuen Allmen-Band, in dem Suter sogar Weynfeldts Freundin Lorena und den mittellosen Kunstsammler Rolf Strasser erneut auftreten lässt, bei bereits Bekanntem bleibt.
Bei Suter nichts Neues? „Allmen und Herr Weynfeldt“ ist wie die früheren Bände mit leichter Hand locker geschrieben, doch intellektuell nicht gerade überfordernd. Der Roman genügt als entspannende Feierabend-Lektüre. Man muss also schon ein bedingungsloser Fan des Autors und seiner Krimis sein, um dem siebten Band etwas Besonderes abgewinnen zu können.
Kurzmeinung: Geht schon unter die Haut, irgendwie.
„Hässlichkeit“ von der Autorin und Künstlerin Moshtari Hilal, ist ein verstörendes Buch. Um einen Roman handelt es sich keinesfalls und ein Sachbuch ist es ebenfalls nicht. Essay trifft es als Gattung wohl am ehesten; obwohl es künstlerische Anteile hat, Fotografien, lyrische und bildgebende Werke der Künstlein herself. Die Gedichte und die Fotos sprechen mich gleichermaßen leider nicht an bis auf eine kleine Fotoreihe mit Selbstbildnissen der Autorin, sozusagen „frühe Automatenfotos“, für die sie in ihrem Umfeld mit "Pferdefresse" beschimpft wird.
Die Autorin geht von eigenen diskriminierenden Erfahrungen bezüglich ihres Äußeren, also ihrer Körperbeschaffenheit aus; sie wurde schon als junges Mädchen verspottet wegen einer großen Nase und zu starker dunkler Körperbehaarung. Allerdings, das ist Fakt, hänseln Jugendliche einander immer wegen irgendwas.
Ich mag den Dialog im Buch:
Junger Mann: „Du hast Haare in der Nase.“
Junges Mädchen: „Du auch“.
Freilich geht der Dialog unerfreulich weiter: „I c h bin ein Mann“.
Davon handelt der Essay. Davon, wie das Aussehen von Frauen durch Männer festgelegt wurde und wird, die Frau ist ein Objekt männlichen Begehrens und männlicher Gestaltungsmacht. Das Buch handelt davon wie Frauen zu sein haben, um dem männlichen Auge zu gefallen. Und wie doof das ist. Nein, wie schlimm das ist. Wie entwürdigend das ist. Und wie sehr wir Frauen uns dies bewusst machen sollten und uns von dem Zwang „schön sein zu müssen“ befreien sollten. Aber nein. Davon handelt der Essay leider gar nicht. Letztgenanntes sind nur die Schlussfolgerungen, die aus Vorgenanntem zu ziehen wären, die die Autorin aber gar nicht zieht, im Gegenteil, sie unterwirft sich dem gängigen Schönheitsideal, eifert ihm nach mit allerlei kosmetischen Hilfsmitteln und leidet darunter, dass sie diesem Ideal nicht entspricht. Jedenfalls in ihrer Jugend, heute mag das anders aussehen!
Die besagten Automatenfotos zeigen nämlich ein dunkelhaariges junges Mädchen mit markantem Profil, sehr attraktiv, sehr apart, aber nicht hübsch im landläufigen Sinne. Nicht puppenhübsch, Hilal ist keine Barbie. Aber wer will eine Barbie sein? Wieso haftet ein so entfremdetes Selbstbild an der Autorin, wieso glaubt eine so offensichtlich aparte Erscheinung an die eigene Hässlichkeit? Wem glaubt sie, was ihre Person angeht? Wieviel Druck auf den weiblichen Körper übt die kapitalistische Gesellschaft aus? Wer definiert eigentlich, was Schönheit und was Hässlichkeit ist? In Hilals Fall ist es sogar die eigene Familie, die Druck ausübt, weil sie die Puppenschöheit als Ideal verinnerlicht hat.
Im Einzelnen und Besonderen geht es um Diskriminierung wegen einer zu großen Nase und starker dunkler Körperbehaarung. Fände man die Thematik lustig und denkt man, hei, vielleicht ist die junge Frau ein wenig zu sensibel, vergeht einem das Lächeln, wenn die Autorin in sachbuchartigen Anteilen über ihre eigene Geschichte hinaussieht und den Blick des Lesers in die Historie lenkt. Die Geschichte der Medizin, also die Medizinhistorik ist voller grauenhafter Vorkommnisse. Die Geschichte der Gesichtsplastik also der Wiederherstellungschirurgie und der Schönheitschirurgie ist davon nicht ausgenommen. Auch darüber schreibt die Autorin. Anekdotenhaft. Nicht repräsentativ. Trotzdem erschütternd. Skandalös.
Zudem informiert der Essay über die Ausbeutung der Frauen durch die Kosmetikindustrie, des weiteren über Ausgrenzung wegen Krankheit, über Ausgrenzung wegen Sterbens und der Einsamkeit des Todes. Und über die Ausnutzung und Ausbeutung des Körpers über den Tod hinaus, den Voyeurismus an den Toten im Dienste von Kunst und Wissenschaft.
Der Kommentar:
Die Mischung des Essays, Erfahrungsbericht, Sachbuchanteil, Fotos, Lyrik, macht das Ganze trotz des emotionalen Themas leicht zu ertragen, bewirkt aber auch Befremden, da man einerseits bei den Erfahrungen der Protagonistin bleibt (Nase, Haare), andererseits über sie als Person kaum etwas erfährt. Man will aber mehr erfahren. Was ist das für ein Mensch? Wie wird er fertig mit dem, was ihm widerfährt? Wie hält er stand oder bricht er? Diese Auseinandersetzung würde einen Roman ausmachen. Die bloße Aufzählung im Sachbuchbereich von Nase, Haare, Krankheit, Tod ist gelinde gesagt eine seltsame, willkürliche Auswahl. Was ist mit großen Füßen, mit Kleinwuchs oder Übergewicht? Was ist mit übermäßigem Schweißgeruch? Was ist mit Haarlosigkeit? Kleine Brüste, große Brüste, Magersucht?
Dass Äußerlichkeiten der Anlaß für Ausgrenzung sind und sein können, ist wohl unbestritten. Alles, was anders ist, ist fremd. Und auf das Fremde reagiert man befremdet. Die Autorin verkürzt jedoch die Ursachen von Körperdiskriminierung auf das Erbe des Kolonialismus. Mit anderen Worten, „die Weißen sind schuld“. Oder der Westen. Dabei ist die Ursache wohl eher in weltweiter Misogynie zu finden. In China wurden den Frauen die Füße gebunden, in Afrika wurden/werden Holzteller in Lippen gesetzt und Halsringe verlängern einen weiblichen Hals wie den Hals einer Giraffe und dürfen zu Recht Folter genannt werden.
Die Verkürzung darauf, dass an allem der Kolonialismus schuld sein sollte, ist schade und erinnert an die übliche Tirade "ihr seid die Bösen". Natürlich hatte der Kolonialismus seinen Anteil, denken wir an die Verpönung jüdischer Nasen. Aber auch irische Nasen standen nicht hoch im Kurs. Jede Nation hat einen anderen Schönheitskult! Schönheit/Hässlichkeit und sein gesellschaftlicher Kontext ist im weitesten Sinne immer auch eine politisch brisante Thematik. Wer und was prägt unser Selbstbild? Wer darf mein Selbstbild prägen und im weitesten Sinne mein Selbstwertgefühl? Es ist auch meine eigene Verantwortung, welchem Diktat ich mich unterwerfe, wem ich erlaube, Werte für mich zu setzen.
Dennoch ist es wichtig, sich neu bewusst zu machen, welche Industrien an dem Körperbild der Frauen (aber heute nicht mehr nur der Frauen)
herumwerkeln, wer verdient alles damit? Es dürften nicht wenige sein, nicht zuletzt sind sogar die Kunst und die Künstler mitverantwortlich, die alten Maler bildeten mit Vergnügen Nacktheit ab und setzten damit Standards, heute setzt die PornographieIndustrie frauenverachtende Bilder in die Köpfe der Gesellschaft, Frauen sind Objekte, ist ihre Wahrheit. Nicht, dass Pornografie Kunst wäre. Aber selbst mit toten Körpern kann man noch Geschäfte machen, z.B. kann man mit „Körperwelten“ gut verdienen oder Aufmerksamkeit erregen oder sehr bekannt werden wie Teresa Margolles, eine mexikanische Künstlerin, die mit Leichenresten arbeitet. Man mag es Auseinandersetzung mit dem Tod nennen, Aufklärung oder aber Toten- bzw. Leichenschändung.
Was ich in dem Essay insgsamt sehr vermisse, sind Wertungen über jene eine hinausgehend, dass das Erbe des Kolonialismus an allem schuld sei. Das stimmt einfach nicht. Man kann nicht ewig den Kolonialismus für alles verantwortlich machen, man muss dem entwachsen und selber Verantwortung übernehmen.
Ich vermisse sowohl den Aufruf zum Widerstand wie eigene Reflexionen, Abgrenzungen, Perspektiven. Die Social Media, die Influencerszene, die gesamte Mode- und Kosmetikindustrie können doch nur leben, wenn „die Frauen“ mitmachen, die Wünsche des männliche Klientels bedienen und miteinander in Konkurrenz treten. Hier ist noch viel zu tun. Wer ist die Schönste im ganzen Land? Solange Frauen darum wetteifern, ein Schönheitsköniginnenkrönchen zu ergattern, weil man damit Gold scheffeln kann, solange also Frauen sich für ein gewisses Schönheitsideal verkaufen, solange wird sich gar nichts ändern. Wahrscheinlich kennt Hilal den legendären Disput zwischen Alice Schwarzer und Verona Pooth nicht. Frauen können Frauen in die Pfanne hauen. Aber Frauen haben es in der Hand. Werdet mündig, Frauen! Wehrt euch. Lasst euch nicht länger kaufen. Solche Aufrufe fehlen im Buch und kosten einen ganzen Stern.
Fazit: Moshtari Hilal packt ein heißes Eisen an und bringt es in einen persönlichen Kontext. Auch wenn ich mit der Darstellungsweise, der Argumentation und einer gewissen Kurzsichtigkeit nicht immer einverstanden bin, ist doch die Thematik selbst viel zu wichtig, um das Buch nicht zu würdigen. Denn eigentlich müsste für das Gendern ein weiterer Stern verpuffen. So aber bleiben dennoch vier Sterne stehen für die Vermittlung von manch befremdlicher Information und für den gesellschaftlichen Input.
Kategorie: Essay.
Verlag: Hanser, 2023
Inhalt: Granada 2016. Ein surrealistisches Gemälde, das über Jahre hinweg keine großartige Beachtung erfahren hat, wird aus einem Luxushotel gestohlen. Dies droht zu einem handfesten Skandal zu werden. Denn: Julius Ritter, der Vater des deutschen Verteidigungsministers Franziskus Ritter, hat das Gemälde vor Jahrzehnten auf nicht ganz legalem Wege erworben. Da Ritter Jun. fürchtet, dieser Umstand könne sich als Fallstrick für seine Kandidatur als NATO-Generalsekretär erweisen, beauftragt er den Kunsthistoriker Lennard Lomberg damit, das Gemälde ausfindig zu machen – möglichst ohne großes Aufsehen. Während seiner Ermittlungen spürt Lomberg der Geschichte des Gemäldes nach, die bis in das Spanien Francos reicht…
Persönliche Meinung: „Die Akte Madrid“ ist ein kunstaffiner Kriminalroman von Andreas Storm. Es handelt sich um den zweiten Band der „Lennard-Lomberg-Reihe“. Die Handlung von „Die Akte Madrid“ ist in sich abgeschlossen, sodass man sie auch ohne Kenntnis des Vorgängers „Das neunte Gemälde“ lesen kann (für ein besseres Verständnis der Figurenbeziehungen ist es aber natürlich sinnvoll, die Reihe chronologisch zu lesen). Erzählt wird die Handlung aus einer Vielzahl unterschiedlicher Perspektiven, wobei diejenige Lombergs den Ankerpunkt des Krimis bildet. Die Handlung entfaltet sich auf mehreren im Wechsel erzählten Zeitebenen, wovon ich hier nur einzelne anteasern möchte: Während wir 2016 in Spanien gemeinsam mit Lomberg den Verbleib des Gemäldes ermitteln, begleiten wir im Jahr 1966 einen Journalisten, der Verstrickungen der Bonner Republik mit Francos Spanien aufdecken will. In den 1940er Jahren wiederum erfahren wir etwas über den Ursprung des Gemäldes – und den folgenschweren Pakt zwischen Hitler und Franco. Für alle Zeitebenen gilt: Zeitgeschichte, Politik und zeitgenössische Kunst spielen hier eine ebenso große Rolle wie der Fall des verschwundenen Gemäldes; Historisches wird stimmig mit Fiktivem verknüpft. Die Verzahnung der einzelnen Zeitebenen ist klug durchdacht und komponiert: Man ist – durch den Wechsel der Zeitebenen – Lomberg permanent einen kleinen Schritt voraus, dennoch entstehen immer wieder schöne „Aha“-Momente. Durch die verschiedenen Perspektiven, Zeitebenen und Handlungsorte ist „Die Akte Madrid“ ein inhaltlich abwechslungsreicher Krimi mit einem angenehmen Tempo. Die Handlung selbst changiert zwischen klassischem Kriminalroman und Agententhriller. Der Schreibstil von Andreas Storm, der mit einer feinen Ironie auftrumpft, lässt sich angenehm und flüssig lesen. Insgesamt ist „Die Akte Madrid“ ein spannender, schön komponierter Kriminalroman, der sich ungezwungen dem Thema der zeitgenössischen Kunst widmet.
"Die Akte Madrid" handelt von einem verschollenen Gemälde. Ein Gemälde das für alle Beteiligten von großer Bedeutung ist. Lennard Lomberg, ein Kunstexperte, erhält den Auftrag dieses ausfindig zu machen. Dabei hat er noch Unterstützung, und viele Dinge kommen bei der Suche ans Tageslicht - Dinge, die wohl lieber verborgen geblieben wären.
Die Handlung spielt im Jahr 2016, es gibt aber immer wieder Zeitsprünge in die Vergangenheit. Das hat mir sehr gut gefallen und die Zeitsprünge erhöhen auch den Spannungsfaktor.
Was mir nicht so gut gefallen hat, ist die Anzahl der Personen, die in dem Buch vorkommen - es sind zu viele, den Überblick zu behalten ist schwierig und das stoppt auch immer wieder den Lesefluss.Was mir nicht so gut gefallen hat, ist die Anzahl der Personen, die in dem Buch vorkommen - es sind zu viele, den Überblick zu behalten ist schwierig und das stoppt auch immer wieder den Lesefluss.
Mir persönlich hat die Kombination von Kunst und Krimi sehr gut gefallen - tolle Kombination, toll gelungen und auch spannend mit gutem, durchdachten Ende.
Wird Sturm ernten. Franziskus Ritter steht kurz vor der Erfüllung seiner beruflichen Träume. Der deutsche Verteidigungsminister soll Nato-Generalsekretär werden. Eine Nachricht, die er überraschend erhält, kommt ihm mehr als ungelegen und bringt seine Pläne in Gefahr. Um seinem Freund Peter Barrington einen Gefallen zu erweisen, übernimmt Lennard Lomberg den Auftrag von Ritter. Die Existenz eines lange verschollenen Bildes wurde bestätigt, in dem es gestohlen wurde. Und Lomberg soll dieses Bild ausfindig machen. Die Spur führt nach Granada in Spanien. Lennard Lomberg begibt sich auf die Reise, die nicht nur nach Granada, sondern auch in die Vergangenheit führt.
Zum zweiten Mal ist Lennard Lomberg Unterweg, um ein verschollenes Kunstwerk zu finden. Ähnlich eines Detektivs geht er vor. Zunächst werden Hintergrundinformationen gesammelt. Hierbei hilft ihm seine Tochter Julie, die schon mal eine sehr gute Spürnase bewiesen hat. Dass die Suche nicht ganz ungefährlich ist, merkt Lomberg spätestens nach dem Verschwinden seines Konkurrenten Deveraux, der wenig überraschend auch mit der Sache befasst wurde. Das gesuchte Bild gibt einen Hinweis auf die Hintergründe, die in der Vergangenheit liegen. Der spanische Bürgerkrieg, der zweite Weltkrieg und die Nachkriegszeit - Zeiten, die Gelegenheiten boten, auf Kosten anderer Kasse zu machen. Lennard Lomberg entschlüsselt eine Geschichte, die manche Ereignisse in einem anderen Licht erscheinen lässt.
Wir schon im ersten Band dieser Reihe wird die Suche nach einem Bild mit einem spannenden Einblick hier in die spanisch-deutsche Geschichte verwoben.Gelungen sind die lebendigen Einschübe aus einer Vergangenheit, über die man so nicht so viel gewusst hat. Bei Lennard Lomberg handelt es sich um einen gewieften Kunstkenner, der nicht locker lässt, wenn er einmal einer Spur folgt. Die BKA-Beamtin Sina Röhm ist nicht nur Lennards Lebensgefährtin, sondern auch eine herausragende Ermittlerin, die ihren Zugang zu Informationen mit Schläue einzusetzen weiß. Lennard und Sina bilden nicht nur ein tolles Team, sondern auch ein schönes Paar. Auch wenn der erste Band etwas mehr mitgerissen hat, weil er persönlicher war, ist dieser zweite Band sehr lesenswert. Einen intelligenten und informativen Krimi, der einen Teil der Geschichte beleuchtet, der vielleicht weniger bekannt ist und doch jedem zur Mahnung dienen sollte, findet man nicht so häufig.
Die Gestaltung des Covers passt gut zum ersten Band, diese zwei und vielleicht weitere machen sich gut in vielen Regalen.
Andreas Storm hat mit „ Das Neunte Gemälde“ eine neue Krimireihe eröffnet rund um den Kunstexperten Lennard Lomberg. Wie schon in seinem Debut geht es auch im neuen Roman „ Die Akte Madrid“ um ein verschwundenes Gemälde.
Kein Geringerer als der deutsche Verteidigungsminister Franziskus Ritter tritt an Lomberg heran und erbittet seine Hilfe. Ritter wird erpresst mit einem Gemälde, das im Besitz seines Vaters war. Da er aber kurz vor seiner Ernennung zum NATO - Generalsekretär steht, möchte er die Erpressung diskret behandeln.
Die Ermittlungen führen Lomberg nach Granada, wo besagtes Gemälde aus dem Nebengebäude eines Luxushotels verschwunden ist. Es handelt sich hier um das Werk einer spanischen Malerin, die den Surrealisten nahestand. Sie hat die drei damaligen Freunde Salvador Dali, Luis Bunuel und Federico Garcia Lorca im Jahr 1928 gemalt. Dieses Gemälde wurde 1943 beschlagnahmt und galt seitdem als verschollen.
Das Bild und die Malerin sind fiktiv ( wenngleich letztere ein reales Vorbild hat ), die drei Männer bis heute weltberühmt.
Andreas Storm verbindet auch hier wieder Kunstgeschichte und Zeitgeschichte miteinander.
Der Roman spielt auf verschiedenen Zeitebenen. Auf der Gegenwartsebene, im Jahr 2016, laufen die Ermittlungen, doch die führen weit in die Vergangenheit zurück. Dabei zeigt sich die unheilvolle Verstrickung zwischen Nazi- Deutschland und der Franco - Diktatur. Aber diese Verflechtungen endeten nicht mit dem Tod Hitlers, sondern gingen weit bis in die 1960er Jahre. Und immer wieder spielt Ritters Vater eine entscheidende Rolle.
Es ist nicht notwendig, den Vorgängerroman zu kennen, da es sich bei beiden Büchern um abgeschlossene Fälle handelt. Allerdings ist der Leser im Vorteil, der den Ermittler und sein Umfeld schon kennt. Lomberg ist etwas speziell. Er pflegt einen sehr exquisiten Lebensstil, verkehrt in den besten Kreisen, liebt gutes Essen und guten Wein. Obwohl er kein „ gelernter Ermittler“ ist, sondern studierter Jurist und promovierter Kunsthistoriker, betreibt er sehr professionell seine Nachforschungen. Unterstützung erhält er dabei von Kriminalrätin Sina Röhm, die ihm auch privat näher kommt.
Die Geschichte ist sehr komplex aufgebaut, mit vielen Zeit- und Perspektivenwechseln. Wie Puzzleteile fügen sich die einzelnen Elemente zusammen, ohne dass gleich zu viel verraten wird. So bleibt die Spannung hoch. Andreas Storm fügt gekonnt die vielen Erzählfäden zu einem schlüssigen Ende zusammen und als " Appetizer" bekommt man einen Ausblick auf den nächsten Fall.
Der Roman erfordert aber konzentriertes Lesen, nicht nur aufgrund der verschiedenen Zeitebenen, sondern auch wegen des großen Figurenarsenals. Hilfreich ist dabei die Personalliste im Anhang, die sowohl die fiktiven als auch die historischen Personen aufführt. ( Eine lobenswerte Verbesserung zum Vorgängerroman.)
Die Sprache ist dialoglastig, der Stil geschmeidiger als beim ersten Buch. Etwas Straffung hätte dem Roman allerdings gut getan. Man spürt, dass der Autor das ganze Ergebnis seiner intensiven Recherche unbedingt in die Geschichte einfließen lassen wollte. Das möchte ich auch keineswegs bemängeln. Aber gerade deshalb hätte er auf ein paar Nebensächlichkeiten verzichten sollen.
Im Hinblick auf das Gesamtergebnis verzeihe ich dem Autor auch die etwas kkischeehaften Frauenfiguren.
Trotz der Kritikpunkte habe ich den Roman gerne gelesen. Mit Hilfe einer spannenden Krimihandlung zeigt Andreas Storm die verhängnisvolle Allianz zwischen Deutschland und Spanien. „ Ohne die militärische Unterstützung Nazi- Deutschlands wäre Franco nie an die Macht gekommen.“ schreibt der Autor in seinen kurzen Anmerkungen zum historischen Hintergrund. Wir wissen von der unrühmlichen Rolle der „ Legion Condor“. Dass aber deutsche Politiker der Bonner Republik und die deutsche Wirtschaft gerne Geschäfte mit dem Franco- Regime gemacht haben, dürfte nicht jedem bekannt sein. So bekommt man mit „ Die Akte Madrid“ nicht nur einen interessanten Einblick in die Kunstgeschichte und das Thema „ Beutekunst“, sondern auch in politische und historische Zusammenhänge.
Zutiefst originelle Geschichte
In einem kleinen französischen Dorf im Jahr 1714 soll Addie La Rue zwangsverheiratet werden, doch sie wünscht sich mehr vom Leben als die ihr zugedachte Rolle als Ehefrau und Mutter. Sie will die Welt sehen, will neue Dinge erleben, will frei sein. Also fleht sie die alten Götter um Hilfe an und schließt einen faustischen, verhängnisvollen Pakt: Sie wird ewig leben, vollkommen selbstbestimmt – aber niemand wird sich je über den flüchtigen Moment hinaus an sie erinnern.
Daher ist Addie zutiefst einsam und durchwandert dennoch mit unbändiger Lebenslust die Jahrzehnte und schließlich Jahrhunderte. Sie erlebt Revolutionen und Kriege, bestaunt technologische Entwicklungen, stürzt sich in Kunst, Literatur und Musik. Und eines Tages trifft sie einen Buchhändler, der sie nicht vergisst.
V. E. Schwab schöpft das Potential dieser Geschichte voll und ganz aus, in zügellosem kreativem Schaffensdrang. Dabei umschifft sie gekonnt die üblichen Klischees – sowohl bezüglich der Handlung, als auch der Charaktere – und setzt sich über Genregrenzen hinweg. Ist es Fantasy? Ist es eine Liebesgeschichte? Oder ist es eine Parabel über die Marginalisierung von Frauen in der Geschichtsschreibung? Ja, all das.
Die Handlung ist unerwartet düster, oft sogar brutal und gnadenlos. Addie mag unsterblich sein, doch sie ist nicht immun gegen Schmerz und Hunger. Besonders in den ersten Jahrzehnten ihrer neuen Daseinsform ist sie gezwungen, sich für ein paar Münzen und einen Schlafplatz zu erniedrigen, und dennoch reicht es kaum für eine halbwegs erträgliche Existenz. Das ist oft herzzerreißend und schwer zu lesen, aber Addie besinnt sich immer wieder auf die hoffnungsfrohe Magie des Lebens – auf den Zauber von Kunst, Literatur, Musik und Architektur, mit dem der Mensch sich kleine Momente des Glücks ertrotzt.
Zwischen Dunkelheit und Licht, Tragik und Lebenslust entfaltet sich eine unwiderstehliche Sogwirkung, fesselnd und voller rascher, unerwarteter Wendungen.
Addie mag zu einer geisterhaften Existenz verdammt sein, als Protagonistin ist sie indes unvergesslich. Sie ist überraschend zwiespältig, denn die jahrhundertelange Einsamkeit hat ihre Menschlichkeit Stück für Stück erodiert, und dennoch kann man sich ihrer Sehnsucht nach einem selbstbestimmten Leben nur schwer entziehen.
Andere Menschen sind zwangsläufig nur Randerscheinungen in ihrer Geschichte. Zwar verbringt sie mit einigen von ihnen Monate, aber es sind Monate immer wiederkehrender erster Begegnungen und daher notgedrungen oberflächlich. Und so ist der Dämon, den sie letztlich “Luc” tauft, über Jahrhunderte hinweg die einzige echte Bezugsfigur in ihrem Leben. Hier hätte V. E. Schwab leicht abdriften können in kitschige Romantasy, aber tatsächlich umkreisen sich Luc und Addie in einem ewigen erbitterten Kampf um ihre Seele – und Addie schenkt ihm nichts. Sie findet eine geniale Art, als Muse die Grenzen ihres Fluches auszuloten.
Henry, der dritte Hauptcharakter, ist ein sensibler, kreativer Mensch, der einerseits einen bestechenden Gegenpol zu Addies und Lucs zeitloser Andersartigkeit darstellt, andererseits aber auch seine eigenen überraschenden Abgründe und Geheimnisse verbirgt.
Der Schreibstil liest sich oft beinahe lyrisch, voll dichter Atmosphäre und lebendiger Bilder. Mal entwirft V. E. Schwab ein episches Panorama der Jahrhunderte, die Addie durchlebt, nur um dann wieder zu einer intimen Charakterstudie zu wechseln.
Fazit
Lange habe ich »Das unsichtbare Leben der Addie LaRue« vor mir hergeschoben, abgeschreckt vom Hype, der um diesen Roman gemacht wurde.
Aber was soll ich sagen: Der Hype ist meines Erachtens gerechtfertigt … Die Geschichte ist zutiefst originell, auch die Charaktere entziehen sich den üblichen Klischees, und der Schreibstil ist großartig. Aber vor allem sind die Themen weitaus tiefgründiger als erwartet – kann ein Mensch leben ohne echte Freundschaft oder Liebe? Was ist Leben, was nur Existenz?