Der weiße Tiger: Roman
Devraj ist der Gründer und Chef eines mächtigen indischen Mischkonzerns, der von allen nur „The Company“ genannt wird. Ebenso wie Ranjit Singh, seine rechte Hand, ist er eine bekannte Persönlichkeit im Land. Doch nun ist Devraj alt und es wird Zeit, das Erbe zu verteilen. Nur wie? Neben seinen eigenen drei Töchtern gilt es auch, die zwei Söhne von Ranjit zu bedenken. Als Sita, die jüngste Töchter, sich dem Willen ihres Vaters widersetzt, entbrennt ein Machtkampf, in den auch Ranjits unehelicher Sohn Jivan hineingezogen wird. Wer wird sich dabei durchsetzen?
„Wir, die wir jung sind“ ist ein Familienepos und der Debütroman von Preti Taneja.
Meine Meinung:
Der Roman besteht aus sechs Teilen, die wiederum in Kapitel ganz unterschiedlicher Länge untergliedert sind. Erzählt wird einerseits aus der Sicht von Devraj in der Ich-Perspektive und andererseits im Wechsel aus der Sicht unterschiedlicher Personen wie Jivan, Gargi und Jeet. Dieser Aufbau funktioniert gut.
Der Schreibstil ist ungewöhnlich. Sprachbilder, Vergleiche und Beschreibungen konnten mich begeistern. Allerdings erfordert dieser Stil beim Lesen einiges an Aufmerksamkeit – zumal immer mal wieder fremde Namen und Ausdrücke auftauchen. Daher dauerte es etwas, bis ich in der Geschichte angekommen war.
Die Protagonisten wirken durchweg realitätsnah und vielschichtig. Obwohl ich längst nicht für alle Charaktere Sympathie hegen kann, habe ich ihre Gedanken- und Gefühlswelt gerne verfolgt.
Die Handlung ist, was bei der recht hohen Seitenzahl nicht verwundert, zum Teil leider ein wenig ereignisarm und daher stellenweise langatmig. Es sind aber auch spannende Passagen vorhanden. Was die angesprochenen Themen angeht, hat die Geschichte außerdem so einiges zu bieten: Es geht um Macht, um Verrat und den Willen zu überleben.
Bei dem Roman handelt es sich um eine Adaption von William Shakespeares Tragödie „König Lear“, die – bezüglich ihrer Form und Sprache – ins Indien des 21. Jahrhunderts verlegt wurde. Eine schöne Idee. Doch die Geschichte ist nicht nur angelehnt an das Stück des bekannten Briten, sondern es gibt auch weitere literarische Bezüge und Anklänge an andere Autoren wie beispielsweise Virginia Woolf.
Hilfreich beim Verständnis ist ein Glossar, das viele, aber nicht alle erwähnten Hindi-Ausdrücke erklärt. Interessant ist außerdem das Nachwort der deutschen Übersetzerin.
Der sehr bewusst gewählte englischsprachige Originaltitel „We that are young“ wurde ins Deutsche übertragen, was ich gut finde. Das Motiv des Covers wurde dagegen nicht übernommen. Ich muss jedoch gestehen, dass mir die farbprächtige deutsche Version mehr zusagt.
Mein Fazit:
„Wir, die wir jung sind“ von Preti Taneja ist keine einfache, aber eine besondere und lohnenswerte Lektüre. Der Roman eignet sich vor allem für diejenigen, die gerne ein Familienepos der etwas anderen Art lesen möchten.
Episch und spannend kommt die dramatische Familiengeschichte aus Indien „Wir, die wir jung sind“ von der Autorin Preti Taneja daher. Der Generationen- und Machtwechsel und der Geschlechterkampf innerhalb der Familie und gleichzeitig um ein Firmenimperium steht dabei im Mittelpunkt, und ist erzählt in Anlehnung an King Lear als düstere und äußerst spitzfindig-brisante, moderne und gleichzeitig so zeitlose Variante des alten Shakespeare-Stoffes.
Devjat, alternder Machhaber und Patriarch eines mächtigen indischen Konzerns in Dehli, genannt „The Company“, will sein Erbe verteilen. Er begibt sich in den Ruhestand und überläßt es einfach seinen Nachkommen, ihren Snteil zu finden. Zu bedenken sind seine drei Töchter und die zwei Söhne seines Teilhabers Ranjit Singh. Und wie bei King Lear entwickelt sich ein Generationenrevolte und eine Tragödie, erzählt im modernen heutigen Indien.
Die Geschichte beginnt mit der Heimkehr des verlorenen Sohnes. Jivan, Harvard-Absolvent und unehelicher verstoßener Sohn von Ranjit, die der Beginn der Eskalation der Ereignisse ist. Die beiden ältern Töchter Deviats, Gargi und Rhada, sind sich über ihren Anteil an der Firma einig, sie wollen die Company übernehmen. Die jüngste Tochter Sita, Umweltaktivistin und Feministin, verschwindet vor ihrer Verlobungsfeier mit ihrem Freund, und auch der Halbbruder von Jivan, Ranjits rechtmäßiger Sohn Jeet, verschwindet.
Jedes der Kinder hat eigene Ziele, es geht um Macht, sie kämpfen auf ihre Weise für ihre Überzeugungen und gleichzeitig um die Anerkennung der Väter. Und merken dabei nicht, dass sie sich wie alle Geschichten im Kreis drehen, spiralförmig bewegt, anstatt geradlinig verlaufend. Dinge überlappen sich und wollen sich dennoch dabei selbst nie verleugnen. Das wirkt fast ein bisschen aufgesetzt und albern.
Wie im modernen Indien geben sich bei dieser Geschichte Raubtierkapitalismus und Verbundenheit mit Tradition und Mythen die Klinke in die Hand, Kastenwesen und rasante Modernisierung als Spaltformel für eine Gesellschaft. Die Shakespeare-Adaption wird hier nicht nur zur langweiligen Verlagerung in die heutige Zeit, sondern durch die vielen Zwiespälte in der indischen Gesellschaft und den nahe daran festgemachten Familienmachtkampf ergibt sich aus der jahrhundertealten Tragödie eine äußerst überzeugende Neuerzählung.
Ein Wermutstropfen ist allerdings, dass zum einen durch die vielen Querverweise, gesellschaftlich-historischen Bezüge und Andeutungen die Protagonisten ein wenig fern bleiben. Dazu kommt die anstrengend zu lesende Sprache. Anspruchsvoll und teilweise gespickt mit ganzen unübersetzten Passagen ist es für mich doch recht mühsam gewesen, das Buch ganzheitlich und mit Vergnügen zu lesen. Ein Glossar bietet leider auch nicht den nötigen Aufschluss, und ständiges Nachschlagen beim Lesen, um Verständnis ringend, mag ich nicht besonders. Das ist sehr schade, denn andernfalls wäre es ein absolut grandioses Buch und Leseerlebnis für mich gewesen.
Unterschwellige Emotionswelten über Kontinente hinweg
Am Rande von Kalkutta am Ufer eines mit Wasserhyazinthen zugewachsenen Feuchtgebiets wachsen zwei Brüder heran, deren Schicksal sich auf sehr besondere Weise miteinander verknüpfen wird im Laufe ihres Lebens. Beide sind sehr unterschiedliche Charaktere und gestalten ihren Lebensweg auch entsprechend unterschiedlich. Beide schaffen es aus den ärmlichen Verhältnissen des Vorortes zu einer gehobenen Schul- und Universitätsausbildung. Doch während es den einen, Subhash, ins Ausland zu Studium und Unikarriere in den USA zieht, bleibt der andere, Udayan, im Land und wird in seinem Drang, soziale Verbesserungen auf den Weg zu bringen, hineingezogen in die subversiven Aktivitäten einer politischen Untergrundbewegung. In diesen vom politischen Regime bekämpften Aktivitäten kommt er in jungem Alter um, wird vor den Augen seiner Eltern und seiner jungen, schwangeren Ehefrau von den Polizeikräften getötet. Als Subhash aus diesem Anlass wieder aus den USA zu einem Besuch nach Hause zurückkehrt, entschließt er sich, seine Schwägerin Gauri aus der freud- und lieblosen Atmosphäre seines Elternhauses zu befreien und als deren Ehemann in die Fußstapfen seines Bruders zu treten. Er heiratet sie und nimmt sie mit an die amerikanische Ostküste, wo sie mit der Tochter Bela, die Subhash für ihren leiblichen Vater hält und nie etwas von ihrer wahren Geschichte erfahren soll. Das Familienleben verläuft einigermaßen harmonisch, wenn auch sehr unterkühlt und emotionslos. Vor allem Gauri, die zwar froh ist, dass Subhash sie aus der indischen Umgebung, in der es für sie keine Entwicklungsmöglichkeiten gab, herausgerissen hat, bringt keine emotionale Beziehung zu ihrem 2. Ehemann und auch nicht zu ihrer Tochter auf. Und auch Subhashs Gefühle und Bindungen in diesem Familienverbund, die zweifellos bestehen, werden im Buch nie als wirkliche Emotionen geschildert und deutlich. Das gleiche gilt in Bezug auf Gauri auch für ihre Gefühle zu ihrem ersten Ehemann, Subhashs Bruder Udayan. Er war ihre große Liebe. Das wird immer wieder betont. Gleichzeitig aber hat sie auch allen Grund dazu, große Wurt zu empfinden, denn – wie der Leser stückchenweise erfährt – hat er sie für seine politischen Aktivitäten ohne ihr Wissen ausgenutzt und in große Gefahr gebracht. Ließ er sie doch unter einem Vorwand die Wege und Aktivitäten eines Mannes auskundschaften, der später von der Gruppe ermordet werden sollte.
Wut, Liebe, Verantwortungsgefühl, Heimatlosigkeit, Bildungshunger, Mutter- und Vatergefühle – viele große Gefühle werden in dieser Kontinente überschreitenden Familiengeschichte thematisiert und doch bleibt der Roman irgendwie dauerhaft unterkühlt. Die Gefühle erscheinen lediglich unterschwellig und bleiben dauerhaft unter der Oberfläche, gleichwohl bekommt der Leser auch einen Eindruck davon, wie sehr sie die Figuren des Romans prägen und bewegen. Das schafft einerseits einen interessanten zwiespältigen Eindruck beim Lesen, hat mich aber auch oftmals ratlos und unzufrieden zurückgelassen. Es fällt mir deshalb auch schwer, den Roman zu bewerten. Seine Figuren, die voller Dramen stecken, diese aber so vollkommen nach außen abschirmen, das ist schon sehr speziell geschrieben. Ich vergebe mal 4 eher schwach funkelnde Sterne.
Teilen