Such nach dem Namen des Windes: Gedichte
Cover und Umschlaggestaltung
Man muss erst einmal reinkommen in diesen israelischen Krimi. Die Vielzahl von fremdländischen Namen haben mich verwirrst, zumal für den gleichen Protagonisten oft der Vorname und im nächsten Absatz der Nachname genannt werden. Und dann fast der gleiche Text auf dem zweiten und vierten Buchumschlag, wobei vorne der ersten Satz mit "Beide" beginnt und man erst die nächsten Sätze lesen muss, um die rückbezügliche Bedeutung zu begreifen.
All dies nicht dem Israeli Deror Mishʿani anzulasten, der seinen Krimi auf Hebräisch schrieb. Auswahl von Übersetzer und Umschlaggestaltung ist Sache des schweizerischen Diogenes-Verlags.
Erste Seiten
Der Kampf des Lesers durch die ersten Seiten und eine zugegebenermaßen verzwickte Handlung lohnt sich. Charaktere und Hintergrundgeschichte werden liebevoll und elegant eingeführt. Der Autor verzichtet auf schablonenhafte Schwarz-Weiß-Zeichnung, was bei Krimis heutzutage fast schon Standard ist. Man kann sich so fast jeden der Protagonisten, ob sie nun zu den scheinbar guten oder den scheinbar bösen gehören, wunderbar einfühlen.
Souveräner Umgang mit multipersonalen Erzählperspektiven und fließenden Übergänge zwischen innerem und erzählten Dialog, das ist wirklich große Literatur!
Handlung und Figuren
Wer zu den Guten und zu den Bösen gehört, wird erst nach 350 Seiten klar. Im Laufe der Erzählung entwickelt sich ein Rededuell zwischen der Kriminalkommissarin, die an einer fürchterlichen Augenkrankheit leidet, und einer zickigen Frau aus der Unterschicht. Jene jedoch einen Plan hat, tischt mit raffinierter Strategie eine Lügengeschichte nach der anderen auf. Die Hintergründigen Hintergründe der Hintergründe enthüllen sich gleich einer Zwiebel, die man schält, Schale um Schale – wobei dem Leser die Tränen in die Augen steigen können.
Ähnlich verhält es sich bei den Untersuchungen der Kollegen der Erblindenden bei der israelischen Polizei, der nach Paris reisen muss, um einen vagen Verdacht bestätigt zu bekommen, dass es sich bei einem ermordeten jüdischen Geschäftsmann um einen Agenten handelt und warum der Geheimdienst Mossad keinerlei Interesse an der Aufklärung des Falls hat.
Beide Erzählstränge sind genial miteinander verknüpft. Feinstes Lesevergnügen. Man muss als Leser halt erst einmal reinkommen in die Geschichte, dem Buch eine Chance geben.
Lieblingsstelle
Ziemlich am Ende des Buches zitiert Dror Mishani aus "Don Quijote" von Cervantes. Die Geschichte vom Ritter mit der traurigen Gestalt, der gegen Windmühlenflügel ankämpft., ist bekannt - jedoch:
Auf Seite 323 lässt der Autor das Zitat aus dem Munde seiner Figur Ben-Chayat jedoch folgendermaßen kommentieren:
"Bei uns auf jeden Fall ist es umgekehrt, Avi. Denken Sie daran. Bei uns sind Leute, die wie Windmühlenflügel erscheinen mögen, in Wahrheit gewaltige Riesen mit todbringenden Armen, die sehr, sehr weit reichen."
Spoilerwarnung
Allen meinen üblichen Leser-Gewohnheiten zum Trotz habe ich in diesem Krimi auf das Ende geschielt, weil es mir momentan ähnlich geht und ich wie Kriminalkommissar Avraham angesichts der Übermacht von Bürokraten in die Knie gehe. Soll ich meinen Kampf gegen Windmühlenflügel aufgeben, weil sie in Wahrheit gewaltige Riesen sind? Die letzten beiden Seiten geben mir die Antwort.
Klappentext:
„In einem Vorort von Tel Aviv wird vor einem Krankenhaus ein Neugeborenes gefunden. Am selben Tag verschwindet ein Tourist und lässt sein Gepäck im Hotelzimmer zurück. Inspektor Avi Avraham hat genug von Bagatellfällen und häuslichen Dramen. Deshalb stürzt er sich gleich in den rätselhaften Vermisstenfall. Doch bald merkt er, dass auch das Private Sprengstoff birgt – und gerät in ein Labyrinth aus Gewalt und Täuschung, das ihn bis nach Paris führt und nicht nur mit dem Mossad in Konflikt bringt.“
Autor Dror Mishani hat sich mit seinem Roman „Drei“ fest bei mir ins Lesergedächtnis eingebrannt. Mit seinem aktuellen Roman „Vertrauen“ gehen wir Leser wieder in die Kategorie Krimi. Ich muss gestehen, man sollte hierbei die ersten Bände der Reihe rund um Ermittler Avi Avraham doch gelesen haben um ein besseres Verständnis für die Person zu erhalten. Ich stand dabei etwas im Regen da ich die andere Bücher der Reihe nicht kannte. Der Plot der Story rund um den Vermisstenfall und alle anderen „Bagatellen“ geben gewisses Futter für eigene Gedanken aber dennoch hält uns der Autor an der Stange. Es gab dennoch langwierige Parts mit für mich mit unverständlichen Aspekten und langweiligen Gesprächen. Der Leser ist bei zwei Fällen gleichzeitig präsent und verfolgt die Arbeit Avrahams mit. Ich konnte trotz allem keine richtige Bindung zu ihm aufbauen und verstand so manches Mal nicht wirklich was Mishani mir damit sagen wollte. Der Krimi war für mich weder Fisch noch Fleisch. Ich bin nicht richtig warm geworden aber schlecht war er wiederum eben auch nicht. Ich reihe mich hier in die Leserschaft ein, die den Roman als „verwirrend“ beschrieben hat, denn genau so habe ich ihn beendet. 3 von 5 Sterne für diesen „Krimi“ der anderen Art.
Was erwartet man, wenn man einen biografischen Roman über Sylvia Plath zu lesen beginnt? Man kennt vielleicht „Die Glasglocke“. Man weiß von ihrem Selbstmord und von ihrer problematischen Ehe mit Ted Hughes. Man kennt die Diskussion darüber, ob Hughes durch sein Verhalten Plaths Selbstmord ausgelöst hat. Vielleicht hat man gehört, dass Assia Wevill, Hughes Geliebte zur Zeit von Sylvias Tod, sechs Jahre später auf nahezu identische Weise Selbstmord begeht - und dass Hughes Sylvias „homicidal ghost“ die Schuld an diesem Tod gegeben hat.
Klar ist, dass der Fokus des Interesses für Plath im Wesentlichen auf ihrer Tragik liegt, also dem Selbstmord in der Blüte ihres Lebens – weniger auf ihrem Werk, das dem von Hughes in nichts nachstehen soll. Gelingt es dem Roman von Cullhed, den Blickwinkel zu ändern?
Der Text vermittelt Sylvias Innenperspektive – ein Wagnis, das gelungen ist. „Ich wollte auch wie Ted nach oben ins Dachzimmer gehen und wichtig sein, aber ich wusste, dass jemand hier liegen und unendlich für sein Kind sein musste.“ Diese Passage (eine von vielen) dokumentiert Cullheds Talent für überraschende Formulierungen, die gleichzeitig befremden und überzeugen und dadurch das Wesen ihrer Protagonistin illustrieren. Cullhed behauptet nicht, sie zeigt.
Sie lässt Sylvia sich in Eigenlob ergehen und zeigt damit ihre tiefe innere Unsicherheit. „Wer war ich, dass ich das Ganze zu einem Kompromiss zwischen Teds keltischer Eiseskälte und meiner grandiosen amerikanischen Strahlkraft hatte werden lassen?“ Cullheds Plath polarisiert. Sie oszilliert zwischen Arroganz und Unterwürfigkeit, zwischen Selbstmitleid und Exaltiertheit. Sie befremdet ihre Freunde mit Ausbrüchen künstlicher Heiterkeit, um sie im nächsten Moment zu brüskieren. Sylvia ist ganz Intellekt und im nächsten Moment „ganz obergärig von frischem Sauerstoff“, ein organisches Geschöpf, sehr irdisch, sinnlich, vulgär, dem Verfall preisgegeben. Hochs und Tiefs in gefühlter Endlosschleife. Das zu lesen, habe ich sehr genossen – und gleichzeitig als ungemein ermüdend empfunden. Ein emotionales Wechselbad, analog zu den Extremen, die Sylvia durchlitten haben muss. Das bei den Lesern auszulösen, ist zweifellos hohe Kunst.
Zum Ende hin erspart Cullhed uns dankenswerterweise ein Miterleben des Suizids – der Roman endet etwa zwei Monate vorher, nach Plaths Umzug nach London. Aber sie pflanzt Hinweise, dunkle Zeilen in Sylvias vordergründig hellem Narrativ. Plath ist am Ende ihrer Kraft. Gleichzeitig ist diese Zeit ihre produktivste Phase.
„Ich schrieb, bis mein Inneres ausgehöhlt war, bis ich mit jeder Faser spürte, dass mein Leib ein gekrümmter Bogen war, der Seele erbrach wie eine Art Eingeweide, das im Klo landen würde."
Ich bin mir nicht sicher, was ich aus diesem intensiven Text an Erkenntnis gewinnen kann. Plaths Ringen darum, Schriftstellerin zu werden, trotz der an sie gestellten Rollenerwartungen, tritt im Lauf der Story mehr und mehr in den Hintergrund. Ihr Schreiben erscheint als bloßer Schwanengesang, ja als Ausdruck ihrer Krankheit. Ob das der Künstlerin gerecht wird?
Für mich ein anstrengendes Buch, das mich letztlich in meinem Verständnis von Plath nicht weitergebracht hat. Am besten lese ich „Die Glasglocke“ noch einmal und lasse die Autorin selbst zu mir sprechen.
Klappentext:
„Zwei Orte, zwei Jahreszeiten, zwei Personen in zwei Teilen eines Ereignisses. Das trockene und das feuchte Element, Hell und Dunkel, Innen und Außen, Belebtes, Unbelebtes, Wiederbelebtes und Nichttotzukriegendes bilden die Dichotomien und Isotopien dieser Gedichte, durch die die Tiere ziehen und die Gestirne, denn alles spielt sich gleichzeitig im Himmel und auf Erden ab. Wörtliche und prophetische Rede, untermalt von etwas Musik, ein Gegenübertreten von Sommer und Winter. Auch mit ihrem dritten Gedichtband beweist Judith Zander, dass sie eine Meisterin der kurzen Strecke ist.“
Judith Zander zeigt in ihrem zarten, kleinen Buch wie man mit Worten jongliert und dabei den Kern der Thematik immer punktgenau trifft. Sie benutzt die Worte wie einen Spielball und lässt mit jedem Gedicht, jedem Stück ein neues Spiel beginnen. Ihre Worte wählt sie mit Bedacht und mit viel Phantasie das sie nur so in den Ohren klingen! „Septembergelb“ ist so ein Wort welches es mir besonders angetan hat, sagt es doch so viel über den 9. Monat des Jahres aus welcher den Herbst einläutet aber es gäbe noch unzählige Beispiele mehr. Für Zanders Buch braucht man Zeit und Muße. Das liest man nicht einfach mal so schnell weg, sondern muss es genießen und eben auch mal darüber nachdenken.
Ich kann es jedenfalls sehr empfehlen und vergebe deshalb 5 von 5 Sterne. Das es nochmal ein Autor schafft, den Lesern von heute Lyrik näher zu bringen, ist wahrlich ein Geschenk. Danke Judith Zander!
Liv lebt in Berlin und ist Ärztin. Doch nach einem Zwischenfall zweifelt sie an ihrer Berufung. Da kommt das Stellengesuch für einen Verwalter einer kleinen Insel im Starnberger See gerade recht. Mindestens vier Wochen Einsamkeit soll ihr die erhoffte Ruhe schenken und ihr die Möglichkeit geben, über ihre Zukunft nachzudenken.
Kurz nachdem sie angekommen ist, findet sie in der Villa, die sie unter anderem mit betreut, ein altes Tagebuch. Dieses Tagebuch erzählt die Geschichte von Magdalena, die ca. 130 Jahre zuvor auf der Insel lebte. Auf Grund ihrer Herkunft versteckt vor der Welt.
Das Buch hat mir ausgesprochen gut gefallen. Die Geschichten aus beiden Zeitebenen sind sehr interessant und gut geschrieben. Die Roseninsel taucht vor dem inneren Auge des Lesers auf und schickt den Leser in einen Kurzurlaub. Livs Geheimnis wird erst nach und nach gelüftet und damit auch der Grund für ihre Ängste. Die Beziehung zu Johannes, der sie auf der Insel mit allem Lebensnotwendigem versorgt fand ich gut entwickelt.
Auch Magdalenas Geschichte fand ich sehr interessant und ich habe mitgefiebert, wie sie wohl aus ihrer unglücklichen Situation befreit werden wird. Hier erfährt man auch einiges über die Geschichte des bayerischen Königshauses, was vielen vermutlich unbekannt sein dürfte.
Ich fand beide Zeitebenen sehr ausgewogen erzählt und gut miteinander verbunden. Beide Geschichten nehmen den Leser mit und lassen ihn mit den Charakteren mitfühlen. Ich kann das Buch daher nur empfehlen, eine kurzweilige Sommerlektüre mit historischem Hintergrund, die einen dazu anregt die Roseninsel bei Gelegenheit auch selbst einmal zu besuchen.
Liv tritt die Stelle als Verwalterin auf der Roseninsel am Starnberger See an . Befristet als Krankheitsvertretung auf vier Wochen . Die Insel ist einsam gelegen und das kommt Liv sehr gelegen . Nur der Sohn des ansässigen Wirtshauses , Johannes , kommt mit Post und Lebensmittel vorbei . Dann findet Liv in der alten Villa auf die sie unter anderem auch aufpassen soll durch Zufall ein Tagebuch von 1889 . Darin entdeckt Liv langsam das Geheimnis um die Roseninsel und sie lernt dadurch Magdalena kennen die in dieser Zeit hier gewohnt und das Tagebuch geschrieben hatte .
Die Protagonisten sind sehr sympathisch und gewinnend . Der Spannungsbogen ist genau so wie er sein sollte , er steigert sich allmählich und es wird immer interessanter . Der Schreib - und Erzählstil ist bildhaft , leicht und sehr gut zu lesen .
Fazit : Der Roman spielt sich am Starnberger See ab . Die Autorin beschreibt sehr bildhaft die Insel und die Natur . Immer wieder gibt es Rückblenden um das Jahr 1890 herum . Dabei sind die Kapitel nicht allzu lang . Es ist eine wunderbare Geschichte die historisch angehaucht ist . Es sind praktisch zwei Geschichten in einem Buch . Sie fesselte mich von Kapitel zu Kapitel mehr auch weil ich unbedingt herausfinden wollte wie sie ausgehen . Aufregend und romantisch präsentiert sich die Story vor der atemberaubenden Kulisse des Sees . Ich konnte mich bis zum Schluss nicht durchringen ob mir die Geschichte aus dem Tagebuch oder die Geschichte aus unserer heutigen Zeit mehr gefällt . Der Schluss endete anders als ich es erwartet habe . Es war für mich eine positive Überraschung . Besonders das Nachwort der Autorin war für mich interessant zu lesen . Wer sich für historische Romane interessiert und zudem noch eine tolle Liebesgeschichte miterleben will , dem kann ich dieses kurzweilige Buch auf jeden Fall empfehlen .
Ich möcht in dieser Zeit nicht Herrgott sein ...
Schon früh verliert Mascha Engel ihre Heimat in Galizien, eine Heimat, die sie im späteren Leben gerne unerwähnt lässt. Doch sie merkt auch, dass es nichts bringt zu verzagen und so schafft sie sich ein neues Zuhause im wilden Berlin der 20er Jahre. Von ihrer eigenen Familie im Stich gelassen, ja schon fast verachtet, ist es kein Wunder, dass sie sich zu dem stillen und bedächtigen Saul Kaléko hingezogen fühlt und mehr als einmal fragte ich mich beim Lesen, ob sie ihn als Mann oder mehr als Vaterersatz liebte. Er betet den Boden an, auf dem sie läuft und ist doch stark und klug genug, Mascha ihre Freiheit zu lassen. „Don’t fence me in“ ist ein alter amerikanischer Cowboy Song und ich kann mir wenige Menschen vorstellen, auf die der Titel besser passt als auf die junge und aufstrebende Künstlerin Mascha Kaléko. Während ihre Karriere Fahrt aufzunehmen scheint, gerät ihre Ehe immer mehr in Gefahr, als aus Maschas Flirtereien bitterer Ernst zu werden scheint. Der aufkeimende Judenhass tut sein Übriges, um ihr Leben schließlich auf den Kopf zu stellen …
Ich gebe zu, Gedichte gehören eigentlich nicht zu meiner bevorzugten Lektüre aber solch kluge und tiefgehende Lyrik wie sie aus Mascha Kalékos Feder geflossen ist, hat selbst mich als kritischen Leser tief beeindruckt und berührt. Die Autorin Indra Maria Janos, vielen vielleicht auch als Felicity Whitmore bekannt, hat aus einem Lebensabschnitt der Künstlerin einen biografischen Roman geschaffen, der immer wieder geschickt mit den jeweils passenden Gedichten gespickt ist, dass man gar nicht anders kann als sich beim Lesen ein klein wenig in die Protagonistin zu verlieben, obwohl ich ihr durchaus zwischendurch auch mal gegrollt habe. Ein wunderbar flüssig geschriebener Roman mit authentisch gezeichneten Figuren in originaltreuer Umgebung hat mir viele Stunden Lesevergnügen verschafft und so vergebe ich auch gerne die volle Punktzahl für den Roman und seine äußerst sympathische Autorin. Von mir gibt es eine absolute Leseempfehlung. Das Buch eignet sich bestimmt auch hervorragend als weihnachtlicher „Stocking Stuffer“ für die ein oder andere Leseratte, nur mal so als kleiner Tipp!