Der Maler der fließenden Welt: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Der Maler der fließenden Welt: Roman' von Kazuo Ishiguro
NAN
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Inhaltsangabe zu "Der Maler der fließenden Welt: Roman"

In den dreißiger Jahren hat der Maler Masuji Ono seine Kunst in den Dienst der japanischen Expansionspolitik gestellt. Jetzt, nach dem Krieg, ist sein damaliger Hurrapatriotismus anrüchig geworden, und als seine Tochter heiraten will, wird seine politische Vergangenheit zur Belastung für die Familie. Seine Lebensbeichte offenbart ein heilloses Geflecht von Schuld und Irrtum und ist ein Läuterungsprozess, nach dem er nicht mehr derselbe sein wird wie zuvor. Kazuo Ishiguros eindringlicher, meisterhaft erzählter Roman über einen Künstler, der mit seiner Vergangenheit ringt, lässt das vom Krieg zerrüttete Japan der Nachkriegszeit wieder aufleben, ein Land im Umbruch, in dem verschiedene Lebensweisen um die Vorherrschaft kämpfen und ein Volk zwischen Tradition und Moderne nach einem neuen Lebenssinn sucht.


Format:Broschiert
Seiten:256
EAN:9783896677020
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Die rätselhaften Honjin-Morde: Kriminalroman

Buchseite und Rezensionen zu 'Die rätselhaften Honjin-Morde: Kriminalroman' von Seishi Yokomizo
4
4 von 5 (4 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Die rätselhaften Honjin-Morde: Kriminalroman"

»Japans Antwort auf Agatha Christie« The Guardian Es ist der Winter 1937, und der Ort Okamura befindet sich in heller Aufruhr: schon bald wird die renommierte Ichiyanagi-Famile ihren Sohn vermählen. Aber unter den Tratsch über das anstehende Fest mischt sich ein besorgniserregendes Gerücht: ein maskierter Mann streift durch das Städtchen und fragt die Leute zu den Ichiyanagis aus. In der Hochzeitsnacht dann erwacht die Familie durch einen furchtbaren Schrei, auf den eine unheimliche Melodie folgt. Ja, der Tod ist nach Okamura gekommen und hat keine weitere Spur als ein blutiges Samurai-Schwert hinterlassen, das im reinen Schnee im Hof des Hauses steckt. Der Mord am frisch vermählten Paar gibt Rätsel auf, war doch das Schlafzimmer von innen verschlossen. Doch der private Ermittler Kosuke Kindaichi will den Fall unbedingt lösen.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:206
Verlag: Blumenbar
EAN:9783351051099
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Rezensionen zu "Die rätselhaften Honjin-Morde: Kriminalroman"

  1. 4
    18. Dez 2022 

    Locked-Room-Murder-Mystery - Made in Japan

    Wer Fan des Werkes von Agatha Christie, der Grande Dame des britischen Krimis ist, wird auch Gefallen an den Kriminalromanen des japanischen Autors Seishi Yokomizo finden. Mit seiner Reihe um den Privatdetektiv Kosuke Kindaichi tritt er in die Fußstapfen seiner Ladyschaft. Den Anfang dieser Reihe macht das Buch „Die rätselhaften Honjin-Morde". Dieser Roman, welcher 1973 in Japan erschien, liegt nun erstmalig in deutscher Sprache vor, Herausgeber ist der Blumenbar Verlag.
    Bei „Die rätselhaften Honjin-Morde" handelt es sich um ein sogenanntes „Locked-Room-Murder-Mystery“. Ein (Selbst-)Mordopfer in einem geschlossenen Raum, die Mordwaffe ist außerhalb oder nicht auffindbar, im Mittelpunkt steht daher die Frage „Wie wurde das Verbrechen begangen?“. Ein „Locked-Room-Mystery“ ist also ein Rätsel, mit dessen Auflösung sich der Leser während der Lektüre befasst.
    Im vorliegenden Roman „Die rätselhaften Honjin-Morde“ haben wir folgendes Ausgansszenario:
    Ein frisch verheiratetes Paar wird auf brutale Weise während der Hochzeitsnacht niedergemetzelt. Das Rätselhafte an dieser Sache: Der Raum, in dem das Paar ermordet wurde, ist von innen verschlossen; es gibt keinerlei Möglichkeiten, dass der/die Mörder nach der Tat aus dem Zimmer entkommen konnten. Ein Selbstmord kann ausgeschlossen werden, da die Mordwaffe, ein Katana, außerhalb des Raumes gefunden wird. Unerklärlich wie dieses Schwert dahingekommen ist, denn es gibt keinerlei Spuren, Fenster und Türen sind von innen verriegelt.
    Dieses Verbrechen ist somit ein Ding der Unmöglichkeit. Was ist also passiert?

    Alle Beteiligten, inklusive Leserschaft dieses Buches, stehen also vor einem Rätsel, das gelöst werden will. Aber ohne intelligente und scharfsinnige Unterstützung wird eine Aufklärung dieses ungewöhnlichen Verbrechens nicht möglich sein, denn auch die Polizei tappt im Dunkeln.
    Intelligenz und Scharfsinn kommen in der Person des jungen Kosuke Kindaichi daher, der seit kurzem als Privatdetektiv tätig ist und sich in dieser Zeit bereits einen beachtlichen Ruf erarbeitet hat.
    Kosuke hat mit Detektiv-Kollegen wie Hercules Poirot oder Sherlock Holmes Intelligenz, Scharfsinn Kombinier- und Beobachtungsgabe gemeinsam. Doch das war's dann auch schon mit den Gemeinsamkeiten. Er ist kein wohlhabender, älterer Gentleman-Ermittler, sondern ein jungenhafter Mann, Anfang 20, nachlässig, was sein Äußeres betrifft und er stottert. Kosuke ist also kein Mann, dem im ersten Moment Respekt entgegengebracht wird. Auf den zweiten Blick macht er jedoch Boden gut. Denn sobald er seine Mitmenschen durch seine Kombiniergabe verblüffen kann, steht er im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Das Rätsellösen bereitet ihm großes Vergnügen. Und man wird das Gefühl nicht los, dass das Aufklären eines Verbrechens ein Spiel für ihn ist.
    Schauplatz der Handlung ist ein kleines Dorf in Japan,im Jahre 1937. Die Morde sind im Haus der Familie Ichiyanagi geschehen. Der Autor Seishi Yokomizo gewährt dabei einen interessanten Einblick in die gesellschaftlichen Strukturen eines traditionsbewussten Japans der damaligen Zeit. Für Leser außerhalb dieses Kulturkreises ist dieser Roman
    daher eine Gelegenheit, sich intensiver mit einem unbekannten Land zu befassen, wobei ein Glossar am Ende des Romans zur Erklärung japanischer Begriffe, die in dem Text zu finden sind, sehr hilfreich und interessant ist, genauso wie ein Personenregister sämtlicher Charaktere.
    "Die rätselhaften Honjin-Morde" ist ein gemütlicher Kriminalroman, der sprachlich an seine englischen Pendants erinnert. Der kultivierte Umgang der Charaktere steht im Mittelpunkt. Man geht höflich, fast schon devot miteinander um. Dies mag ein Ausdruck der japanischen Höflichkeit sein. Doch es passt genauso gut zu den britisch-korrekten Umgangsformen, die man von den Romanen einer Agatha Christie gewohnt ist.
    Eine reißerischer Handlungsverlauf wäre bei Seishi Yokomizo völlig fehl am Platze. Der Plot dieses Romans bringt die Spannung von Beginn an auf ein hohes Niveau, das durch das Rätselraten, vor dem man sich nicht verwahren kann, bis zur Auflösung gehalten wird. Natürlich versteht sich von selbst, dass diese Auflösung spektakulär ist und sicher keine Lösung darstellt, auf die man ohne Kosuke Kindaichis Scharfsinn gekommen wäre.
    Seishi Yohomizo fungiert übrigens als auktorialer Erzähler, der den Leser durch die Handlung führt und ihn immer wieder auf bedeutsame Momente hinweist.
    Fazit:
    Ein herzerfrischender Locked-Room-Mystery-Kriminalroman, der die Gehirnzelten ganz schön anstrengt und große Ähnlichkeit mit den Klassikern der britischen Kriminalliteratur hat. Die geistige Brillanz des Ermittlers Kosuke Kindaichis lässt hoffen, dass noch weitere Fälle dieser Reihe im deutschsprachigen Raum veröffentlicht werden.

    © Renie

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  1. Kosuke Kindaichis erster Fall

    Gestaltung:
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    Das Cover ist sehr passend, so nostalgisch, ein wenig im Stil von Edgar Wallace, auch die Schrift betreffend. Es ist schlicht und dennoch macht das von Blut umgebene Schwert neugierig. Zudem ist mir aufgefallen, dass die Farbgebung umgekehrt zur Japan-Flagge ist (roter Kreis vor weißem Hintergrund). Diese Anspielung passt auch sehr gut.
    Insgesamt ist die ganze Gestaltung sehr hochwertig, auch der Umschlag ist ungewöhnlich: vorne wie ein Hardcover, innen durch zwei Klappen die Andeutung eines Schutzumschlags. Es ist schwer zu beschreiben, aber dies habe ich zuvor noch nicht gesehen und mir gefällt es sehr gut!

    Inhalt:
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    Ein japanisches Dorf 1937: In der Hochzeitsnacht wird das Brautpaar der angesehenen Familie Ichiyanagi tot aufgefunden. Der Raum war verschlossen, die Spuren, die man findet, geben viele Rätsel auf. Der Onkel der Braut traut der örtlichen Polizei nicht die Aufklärung des Falles zu und engagiert seinen Ziehsohn Kosuke Kindaichi, der ein anerkannter Privatdetektiv ist, um zu ermitteln.

    Mein Eindruck:
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    Der Schreibstil hat mich von Anfang an in seinen Bann gezogen. Ein unbekannter Ich-Erzähler leitet die ganze Geschichte ein. Er erzählt den Fall, als hätte ihm ein Dorfbewohner alles erzählt. Dies vermittelt dem Leser ein sehr authentisches Gefühl, als wäre der Fall in der Realität passiert. Es wird viel beschrieben, auch eine Liste der Personen sowie der wichtigsten japanischen Begriffe am Buchende sind eingefügt. Besonders genial ist die Skizze des Tatorts, mit deren Hilfe man sich immer wieder bei neuen Fakten orientieren kann.

    Mithilfe der vielen Beschreibungen taucht man in die Zeit und die Kultur Japans der 1930er-Jahre ein. Durch die Führung des Ich-Erzählers, der den Leser an einigen Stellen auch direkt anspricht, fühlt man sich eingeladen, mit zu rätseln. Interessant sind auch die häufigen Verweise des Erzählers auf ähnliche literarische Fälle westeuropäischer Schriftsteller wie z. B. John Dickson Carr, Arthur Conan Doyle uvm. Der Vergleich mit Agatha Christie in Japan passt hier durchaus. Man bekommt als Leser sehr viele Informationen, die ein konzentriertes Lesen erfordern. Zu unterscheiden, welche Spuren nützlich sind und welche in die Irre führen, das muss der Leser selbst entscheiden.

    Das macht das Buch bis zum Ende sehr spannend und man merkt, dass der Autor einen Spaß dabei hatte, mit dem Leser ein wenig zu spielen. Am Ende erfolgt eine klassische Auflösung, bei der der Detektiv die verdächtigen Personen an einem Ort versammelt und sehr eindrucksvoll seine Gedanken und schließlich die Lösung präsentiert. Auch wenn die Klärung für mich etwas konstruiert wirkte, fand ich die Erläuterung schlüssig und die Konstruktion genial. Daher habe ich mich sehr amüsiert und Kosuke gefiel mir in seiner Art sehr gut. Ein wenig hat er mich an Columbo erinnert, der aufgrund seiner anscheinend harmlosen Fragen und seiner Optik oft unterschätzt wird. Dies ist der erste Fall des Autors, der ins Deutsche übersetzt wurde und ich hoffe, dass noch weitere folgen werden!

    Fazit:
    -------------------
    Ein meisterhaft geschriebener und gut übersetzter Japan-Krimi, der bis zum Schluss zum Miträtseln einlädt

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  1. 3
    19. Sep 2022 

    Sehr konstruierter Klassiker

    Winter 1937, Dorf O., Japan. Nach vielen Jahren als alleinstehender Mann hat Kenzo, der älteste Sohn der Familie Ichiyanagi beschlossen, die junge Lehrerin Katsuko zu heiraten. Doch nach einem rauschenden Fest wartet am Morgen die grauenvolle Überraschung: Das Brautpaar wird tot in einem verschlossenen Raum gefunden, draußen im Schnee steckt ein blutiges Katana. In seiner Verzweiflung lässt der Onkel der Toten Privatdetektiv Kosuke Kindaichi herbeirufen.

    Seishi Yokomizo gehört zu Japans bekanntesten Krimiautoren. Seine Reihe um Detektiv Kindaichi umfasst im Original 77 Bände; der erste - „Die rätselhaften Honjin-Morde“ entstand im Jahr 1946. In der Geschichte inszeniert sich der Autor selbst als Erzähler und Zeitzeuge der Ereignisse und beschreibt, wie er selbst den Schauplatz des Verbrechens besuchte und über beteiligte Personen von den grauenhaften Morden erfuhr. Der Krimi lest sich daher eher wie eine Art Bericht mit Kommentaren des Erzählers und sogar einer Skizze des Tatorts. Zum bessern Verständnis dienen ein Personen- und Fremdwortverzeichnis am Ende des Buches.

    Das Buch ist ein klassischer „Locked Room Mystery“, also ein Kriminalfall, der sich in einem abgeschlossenen Raum auf scheinbar unmögliche Art und Weise abgespielt hat. Diese Technik, die auf Edgar Allan Poe zurückgehen soll, wurde auch schon von anderen berühmten Autoren wie Arthur Conan Doyle oder Agatha Christie verwendet. Im Roman wird sogar selbstreflexiv über die Autoren und darüber gesprochen, was einen guten Krimi dieses Genres ausmacht. Im Verlauf werden Hinweise gestreut und Verdächtige präsentiert – die Auflösung kommt dann recht überraschend.

    Obwohl ich sehr gerne japanische Literatur lese, konnte ich mich mit diesem Werk nicht recht anfreunden. Detektiv Kindaichi trägt Züge des großen Sherlock Holmes oder auch von Hercule Poirot, kann aber deren Charisma nicht erreichen. Auch die Auflösung des Falles war mir zu glatt, das Motiv machte mich sogar wütend, was natürlich der Entstehungszeit des Romans geschuldet sein mag. Yokomizos Bedeutung für das Genre kann ich durchaus anerkennen, das macht diesen Krimi für mich aber leider nicht spannender.

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  1. 4
    08. Sep 2022 

    Der Hochzeitsplan

    Die Ichiyanagis planen ein Freudenfest. Ihr Sohn will endlich heiraten. Die Einladungen sind geschrieben und alle freuen sich auf das Fest. Doch das Glück wärt nur kurz. In der Hochzeitsnacht ertönen Schreie. Die Eltern stürzen in das Schlafzimmer und müssen entsetzt feststellen, dass das Hochzeitspaar auf seinem Lager niedergestreckt wurde. Offensichtlich wurden beide von einem gemeinen Mörder erstochen. Die Familie Ichiyanagi musste schon manchmal mit Verlusten leben, doch wer soll es auf ein junges Paar abgesehen haben. Etwa der seltsame Fremde, der durch die Gegend schlich? Der private Ermittler Kosuke Kindaichi steht vor einem Rätsel.

    Mit Kosuke Kindaichi betritt ein bisher hier nicht bekannter Ermittler die Bühne. Er ist ein besonnener Privatdetektiv, dem kein Rätsel zu schwierig ist. Hier bekommt er es mit einem Mord in einem geschlossenen Raum zu tun, der eigentlich unmöglich ist. Und doch ist ein junges Paar tot und die Umstände sind zunächst mal nicht zu erklären. Die Familie Ichiyanagi leidet sehr unter dem grausamen und frühzeitig Tod ihres Sohnes und der Schwiegertochter. Ein Teil ihrer Zukunft wurde einfach ausgelöscht. Immer wieder durchleben sie die Todesnacht, die eigentlich eine Hochzeitsnacht hätte werden sollen und sie erinnern sich an den Klang der Koto.

    Der Autor, der seinen Ermittler Kosuke Kindaichi 77 Fälle beschert hat, lebte von 1902 bis 1981. Der vorliegende erste Band spielt im Jahr 1937. Selbst ein Liebhaber von klassischen Detektivgeschichten ist es Saishi Yokomizo gelungen einen gewieften Ermittler zu erschaffen, Mit seiner ruhigen Art überzeugt Kindaichi. Aus heutiger Sicht gelesen entwickelt sich dieser Kriminalroman eher langsam. In der schnelllebigen Zeit heute ist dies durchaus ein Plus. Man kann sich der Lektüre hingeben und in eine andere Zeit, eine andere Kultur eintauchen. Durch die anschaulichen Beschreibungen vermag man sich zumindest vage vorzustellen, wie es in einer Japanischen Familie zugegangen sein kann.

    Das Hörbuch wird dem Setting sehr angemessen vorgetragen von Denis Moschitto, dessen Betonung der japanischen Namen und Ausdrücke einiges an Sachkunde vermuten lässt. Ein wenig vermisst man beim Hörbuch eine Möglichkeit, die Schreibweise der Namen zu erfahren und auch ein Glossar könnte noch zur weiteren Erklärung beitragen.

    Das Cover ist zwar schlicht aber genau auf die Handlung zugeschnitten. Durch die kräftige rote Farbe braucht man es nur einmal zu sehen, um es sich zu merken. Zum Glück hält der Roman den Erwartungen, die das Cover weckt, stand und bietet spannende Unterhaltung.

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Kleine Wunder um Mitternacht: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Kleine Wunder um Mitternacht: Roman' von Keigo Higashino
3.25
3.3 von 5 (12 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Kleine Wunder um Mitternacht: Roman"

Es ist kurz vor Mitternacht, als drei junge Einbrecher in einen verlassenen Gemischtwarenladen eindringen, um nach ihrem Raubzug unterzutauchen. Doch Atsuya, Shota und Kohei wird keine ruhige Stunde bis zum Morgengrauen gewährt: Ein Brief wird von außen durch einen Schlitz in den Laden geworfen, obwohl in der Dunkelheit vor der Tür kein Mensch zu sehen ist. Als ihn die erstaunten Kleinkriminellen öffnen, beginnt eine unglaubliche Geschichte, die eine Nacht lang das Leben unzähliger Menschen verändern wird – und eigentlich begann sie vor über dreißig Jahren, als ein weiser alter Mann mit seinen Worten kleine Wunder vollbringen konnte.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:416
Verlag: Limes Verlag
EAN:9783809027102
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Rezensionen zu "Kleine Wunder um Mitternacht: Roman"

  1. Ein magisches, feines Lesevergnügen

    „Jedenfalls sind wir da in etwas Unglaubliches verwickelt. So eine Gelegenheit kriegt man nicht zweimal im Leben.“ (Zitat Seite 43)

    Inhalt
    Die drei Freunde Shota, Atsuya und Kohei sind in einem gestohlenen Auto unterwegs, als plötzlich die Batterie leer ist. Es ist zwei Uhr früh und Shota hat zuvor in der Nähe ein altes, leerstehendes Haus gesehen, wo sie sich verstecken können. Vor vielen Jahren war dieser Gemischtwarenladen als Kummerkasten bekannt. Wer am Abend einen Brief durch den Briefschlitz im Rollladen steckt, findet am Morgen eine Antwort im Milchkasten hinter dem Haus. Doch das können die jungen Einbrecher nicht wissen. Daher wundern sie sich zunächst, als plötzlich ein Briefumschlag durch den Briefschlitz geworfen wird. Nur ein Wort steht darauf „Mondhase“. Neugierig geworden, lesen sie den Brief und es wird für sie eine magische Nacht, in der mehr geschieht, als nur „kleine Wunder“.

    Thema und Genre
    Dieser Roman spielt in Japan. Es geht es Traditionen und Familie, um wichtige Entscheidungen und ihre Auswirkungen, um die manchmal eigenartigen Wege, die das Leben nimmt, nennt man es nun Zufall oder Schicksal.

    Charaktere
    Es sind unterschiedliche Charaktere, alte und junge, die uns in dieser Geschichte begegnen. Sie alle sind auf der Suche nach Antworten auf ihre kleinen und großen Fragen, von Schulnoten bis zu wichtigen Entscheidungen, die, einmal getroffen, das Leben verändern können.

    Handlung und Schreibstil
    Ausgehend von einer einzigen Nacht in der Gegenwart entwickelt sich eine magische Geschichte. Es sind klug und fein gesponnene Fäden, die sich langsam zu einem Ganzen mit überraschenden Zusammenhängen verbinden. Hier zeigt sich die Erfahrung des Autors von bekannten Kriminalromanen, denn auch in dieser völlig anderen Handlung geht es um Details und unvorhersehbare Wendungen. Die Sprache erzählt poetisch und in der Übersetzung bleiben die japanische Kultur und Denkweise erhalten.

    Fazit
    Eine poetische, einfühlsame Geschichte, die zum Nachdenken anregt und verzaubert.

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  1. Stille Post mit Zeitreise

    Nach einem Einbruch finden die drei jungen Männer Kohei, Shota und Atsuya in einem schon seit langem geschlossenen Gemischtwarenladen Unterschlupf für die Nacht. Dass es sich bei ihrem Versteck um einen ganz besonderen Ort handelt, bemerken die drei, als plötzlich ein Brief durch den Briefschlitz in den Laden flattert. Vor vielen Jahren als der Laden noch von seinem Eigentümer betrieben wurde hatte dieser eine Art Kummerkasten etabliert und der Briefverkehr scheint seit damals immer noch aufrecht zu sein.
    Der Japaner Keigo Higashino ist vor allem als Kriminalautor bekannt Sein Roman „Kleine Wunder um Mitternacht“ ist ursprünglich schon 2012 erschienen. Dieser war in Japan erfolgreich und wurde sogar verfilmt. Jetzt liegt das Buch in deutschsprachiger Übersetzung vor. Der Autor versetzt die Leserin an einen wundersamen Ort. In dem kleinen Laden gelten die Gesetze von Zeit und Raum nicht mehr und die drei jugendlichen (Anti)Helden geraten in eine magische Geschichte. Die Story ist hervorragend geplottet - das muss man dem Autor lassen. Trotz vieler Perspektivenwechsel und Zeitsprünge schließt sich letztlich der Erzählkreis und löst alle fraglichen Zusammenhänge auf.
    „Wann hat uns zuletzt jemand um Rat gebeten? Ach, stimmt ja, noch nie. Und wahrscheinlich kommt es auch in unserem Leben nicht wieder vor. Das ist unsere erste und einzige Chance. Ergreifen wir sie doch einfach, nur dieses Mal.“
    Es kommt, dass die drei eher tollpatschigen Kerle, in Schicksale eingreifen und zu guter Letzt… (das will ich nicht spoilern)
    Aber die Geschichte konnte mich einfach nicht einfangen. Zu vorhersehbar, zu schlicht, zu gefällig, mit zu süßlichem Unterton Der abgefahrene skurrile magische Realismus, den bei ich bei manchen japanischen Schriftstellern so sehr schätze, verkümmert hier zu einer Zeitreise mit stiller Post.

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  1. 3
    15. Jun 2021 

    zu bewegend, wenig inspirierend, aber phantastisch

    Keigo Higashino ist ein japanischer Autor, der für seine ausgefeilten Kriminalromane bekannt ist. Viele seiner Bücher sind international millionenfach verkauft worden. Mit seinem aktuellen Roman „Kleine Wunder um Mitternacht“ wagt er sich auf neues literarisches Terrain, das sich allerdings schwer kategorisieren lässt. Wir finden in diesem Roman Belletristik, Fantastik und vielleicht noch Spiritualität.

    Zumindest der Einstieg in dieses Buch lässt den Krimi-Autoren in Keigo Higashino erkennen.

    Im Mittelpunkt seines Romans steht ein kleiner, heruntergekommener Gemischtwarenladen in einer einsamen Gegend irgendeiner Stadt in Japan. Dieser Laden wird zum Unterschlupf für drei junge Einbrecher, die gerade einen Raubzug durchgeführt haben. Der Besitzer des Ladens ist bereits vor langer Zeit verstorben. Dennoch werden in dieser Nacht den 3 Einbrechern eigenartige Dinge widerfahren, die daran zweifeln lassen, ob dieser Laden tatsächlich verlassen wurde und gleichzeitig das Verständnis der Einbrecher von Zeit und Raum in Frage stellen.

    Der Roman beginnt mit dem Einbruch der Diebe in den Laden. Im weiteren Verlauf lernen wir unterschiedlichste Charaktere und ihre Geschichten kennen, deren einzige Verbindung in dem Laden und seinem ehemaligen und verstorbenen Besitzer bestand, der scheinbar die Anlaufstelle für die Probleme anderer Menschen war. Am Ende wird sich auflösen, wie die einzelnen Geschichten der unterschiedlichsten Menschen während unterschiedlichster Zeitspannen miteinander in Einklang zu bringen sind und was aus den Einbrechern werden wird.

    Der Verlag preist den Roman als „bewegend, inspirierend, phantastisch“ an. Es ist „ein Roman, der einfach nur glücklich macht“.

    Bewegend ist diese Geschichte definitiv. Leider aber auch zu bewegend. Die Charaktere in diesem Roman sind vom Schicksal gebeutelt. Anfangs mögen die Probleme dieser Figuren zunahe gehen. Doch mit der Zeit drückt der Roman zu sehr auf die Tränendrüse. Man erlebt quasi einen emotionalen Overflow, der mich am Ende nur noch kalt ließ.

    Dennoch kann ich nicht leugnen, dass dieses Buch mir einige schöne Lesestunden beschert hat. Gerade am Anfang erlebte ich die Phantasie des Autors, die er in diesen Roman hineinlegt, als magisch. Ich habe über die Wendungen in dieser Geschichte gestaunt wie ein Kind. Keigo Higashino beherrscht das Handwerk der Schriftstellerei par Excellence. Denn der Aufbau dieses Romans ist sehr ausgefeilt. Der Autor spielt mit unterschiedlichen Zeit- und Handlungsebenen und begibt sich in seiner Geschichte auf eine verwirrende Zeitreise zurück in die Zukunft.

    Mein Fazit:

    Der originelle Aufbau dieses Romans und die Fantasie des Autors haben mich begeistert, die Geschichten um die unterschiedlichsten Charaktere leider nicht: zuviele vom Schicksal gebeutelte Menschen und zuviele Lebensweisheiten, die der Autor mit diesen Geschichten verbunden hat.

    © Renie

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  1. 4
    23. Mai 2021 

    Kummerkasten...

    Erster Satz: „Es war Shotas Idee.“ (S. 5)

    Ich war doch etwas überrascht, als ich merkte, dass der Erzählstrang um die drei jungen Kleinkriminellen, die im Klappentext erwähnt werden, im Verlauf nicht konsequent verfolgt wurde. Er entpuppte sich vielmehr als Rahmenhandlung, was letztlich aber für mich passte.

    Im Mittelpunkt der Erzählung steht der kleine Gemischtwarenladen des alten Herrn Namiya, der nach dem Tod seiner Frau neuen Lebensmut gewann durch das Schreiben von Briefen. Das waren nicht irgendwelche Briefe, sondern Antworten auf anonym eingeworfene Schreiben von Menschen, die einen Rat suchten. Was im Grunde wie ein Spiel begann – anfangs gab es eher witzige und nicht ernst gemeinte Fragen von Kindern, auf die Herr Namiya dennoch ernsthaft antwortete – sprach sich bald herum. Und spätestens seit diese Besonderheit seines Gemischtwarenladens einen Zeitungsartikel wert war, war sie bald in der ganzen Stadt bekannt.

    Zunehmend erhielt Herr Namiya seitdem Post von Menschen, die sich in einer schwierigen Lebensphase befanden, eine Entscheidung treffen mussten aber nicht konnten, nicht mehr weiter wussten – und die sich von dem Ladeninhaber einen Rat erhofften, der sie weiterbringen würde. Die Briefe wurden unbeobachtet bei herabgelassenem Rollladen in den Briefschlitz des Geschäfts geworfen, die Antwort fanden die Schreiber am nächsten Morgen im Milchkasten hinter dem Haus.

    Das alles wissen die drei jungen Einbrecher jedoch nicht, als sie sich nach ihrem Raub in dem Laden verstecken. Schon seit Jahren liegt das Gebäude verlassen da, der Inhaber ist seit über 30 Jahren tot. Und doch… In jener Nacht werden gerade die drei Kleinkriminellen überrascht von eben solchen Briefen, die ihren Weg durch den Briefschlitz finden. Und sie lesen die Texte der Ratsuchenden – und antworten…

    Keigo Higashino präsentiert hier kapitelweise jeweils ein neues Schicksal, eine weitere Person, die sich mit ihrer Bitte um Rat an den Gemischtwarenladen des alten Herrn Namiya wendet – und wie sich durch die erhaltenen Ratschläge die vorgestellte prekäre Situation entwickelt. Dabei stehen die einzelnen Personen/Situationen anfangs losgelöst nebeneinander, und erst nach und nach zeigen sich neben der Gemeinsamkeit des Briefeschreibens noch andere Zusammenhänge. Der Autor verwebt dabei geschickt die verschiedenen Handlungsstränge und Zeitebenen – etwas, das der Gemischtwarenladen ebenfalls vermag. Hier kommt eine magische Komponente ins Spiel, die Zeitachsen von Gegenwart und Vergangenheit verschieben sich in dem Laden laufend. Es ist müßig zu versuchen, dahinterzukommen wie das funktioniert - man muss vermutlich den Kopf ausschalten, also nicht alles verstehen und nachvollziehen wollen, um den Roman wirklich genießen zu können. Phasenweise ist mir das gelungen.

    Es ist schwierig, den Roman klar in ein Genre einzuordnen. Der doch recht einfache und teilweise ungeschliffene Schreibstil sowie die drei jungen Einbrecher legen ein Jugendbuch nahe – aber eben nicht nur. Der fantastische Anteil fließt hier ebenso mit ein wie der Ansatz eines „Wohlfühlbuchs“. Mich würde durchaus interessieren, weshalb der Autor, der bisher wohl nur intelligent konzipierte Kriminalromane schrieb, plötzlich auf die Idee kam, solch ein magisch angehauchtes Buch zu verfassen. Das meine ich nicht abwertend, sondern wirklich rein interessehalber.

    Ich denke, es ist wichtig, bei der Lektüre den asiatischen Hintergrund nicht zu vergessen. Dass die Charaktere trotz der Darstellung ihrer Lebensfragen/-krisen oftmals distanziert bleiben, dass einzelne Entscheidungen/Handlungsweisen auf eine*n (westlichen) Leser*in befremdlich wirken können, das alles hängt für mich mit der anderen kulturellen Einstellung zusammen – und ist insofern wieder authentisch.

    Wie immer kommt es bei der Bewertung des Romans auch darauf an, mit welchen Erwartungen man in die Lektüre gestartet ist. Aufgrund der Covergestaltung, des Titels und des Klappentextes habe ich – bis auf den magischen Anteil – durchaus etwas in der Richtung erwartet, was ich letztlich bekommen habe. Insofern empfand ich „Kleine Wunder um Mitternacht“ zwar nicht als ‚literarisch hochwertig‘, aber doch als einen Roman, der mir schöne Lesestunden bereiten konnte.

    Diejenigen, die einfach durch einen Wohlfühlroman ohne große Botschaft gleiten mögen und dabei auch vor dem magischen Aspekt nicht zurückscheuen, werden an dem Roman Spaß haben. Bei mir reichte es immerhin zu 3,5 Sternen, die ich hiermit gerne auf 4 aufrunde...

    © Parden

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  1. Briefe an Herrn Namiya

    Der Gemischtwarenladen von Yuji Namiya ist kein Geschäft wie jedes andere, denn der Inhaber verkauft nicht nur allerlei, sondern ist ein gefragter Ratgeber. Mithilfe von Briefen erbitten Menschen in Not bei ihm eine Lösung für ihre Probleme. Eines Nachts suchen die drei Einbrecher Atsuya, Shota und Kohei in dem Laden Unterschlupf und werden auf unerwartete Weise in diese Sache hineingezogen...

    „Kleine Wunder um Mitternacht“ ist ein Roman von Keigo Higashino.

    Meine Meinung:
    Der Roman besteht aus fünf Kapiteln. Erzählt wird aus wechselnden Perspektiven. Handlungsorte und -zeiten variieren ebenfalls. Die geschickt aufgebaute, komplexe Struktur des Romans hat mir sehr gut gefallen.

    In sprachlicher Hinsicht hat mich die deutsche Ausgabe leider enttäuscht. Der offenbar ohnehin recht einfache Stil des Originals wird durch eine in einigen Passagen missglückte Übersetzung gänzlich verschandelt. So entstehen mehrere Stellen, die sich nicht recht erschließen. Wobei: Interessanterweise spricht der Verlag gar nicht von einer „Übersetzung“, sondern einem „Übertragen ins Deutsche“. Zudem ist dem Korrektorat noch etliches durchgerutscht.

    Die Charaktere sind reizvoll ausgestaltet. Anders als der deutsche Klappentext vermuten lässt, stehen nicht nur die drei Kleinkriminellen im Vordergrund. Besonders sympathisch finde ich Herrn Namiya selbst, der jedoch relativ wenig Raum erhält. Zwar ist es bei dem Umfang an Personen nicht immer leicht, den Überblick zu behalten. Gut gefallen haben mir aber die vielen Verknüpfungen der Figuren untereinander.

    Die Grundidee des Romans finde ich sehr charmant. Inhaltlich geht es vor allem um persönliche Schicksale von Menschen, die sich in einem Dilemma befinden. Die geschilderten Fälle sind interessant und durchaus vielschichtig.

    Auf rund 400 Seiten bleibt die Geschichte kurzweilig und abwechslungsreich. Dazu trägt auch eine Komponente des magischen Realismus bei, die sich durch die gesamte Handlung zieht und nachvollziehbar ist. Dabei kommt der Autor zwar nicht an andere schriftstellerische Größen wie Haruki Murakami heran, hat mich mit der Umsetzung aber durchaus überzeugt. Weniger gelungen ist aus meiner Sicht dagegen das letzte Kapitel, das zuerst mit einer Wendung überrascht, dann aber ins Kitschige abgleitet.

    Das Cover ist ziemlich nichtssagend, aber hübsch. Der deutsche Titel ist nach meinem Verständnis nicht ganz korrekt.

    Mein Fazit:
    „Kleine Wunder um Mitternacht“ von Keigo Higashino ist ein unterhaltsamer und besonderer Roman, der jedoch nicht ohne Schwächen ist. Vor allem die misslungene Übertragung ins Deutsche schmälert den ansonsten positiven Gesamteindruck.

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  1. 3
    18. Mai 2021 

    Kummerkastenroman

    In Keigo Higashinos Roman “Kleine Wunder um Mitternacht“ geraten 3 jugendliche Kleinkriminelle auf der Flucht vor der Polizei in einen verlassenen Gemischtwarenladen, der ein Geheimnis birgt. Dieses erkennen die drei, als ihnen Briefe mit Bitten um persönlichen Rat durch den Briefschlitz des Ladens zugespielt werden. Sie kommen auf die Idee, diese zu beantworten, und treten damit das Erbe des früheren Ladenbesitzers an, der in diesem Laden einen in der Gegend bekannten „Kummerkastenonkel“ gespielt hat. Die Briefe, die Antworten und Rückantworten treten dann in dem Roman eine Reise durch Zeit und Raum an und treffen immer wieder in dem Laden bzw. bei deren Adressaten – den Ratsuchenden - ein. Im weiteren Verlauf des Romans verändert sich die Perspektive immer wieder und wir lernen als Leser und Leserinnen einige Ratsuchende kennen sowie auch den Ladenbesitzer und seine Familie. Über den gesamten Roman hinweg soll uns das Geheimnis um den Laden in Atem halten. Allerdings ging mir nach einiger Zeit dabei wirklich die Luft aus, denn die Schicksale und Probleme der Ratsuchenden und der durch die Briefe gegebene Rat waren dann doch ziemlich konventionell und gewöhnlich: da ist der Sohn eines Fischhändlers, der sich entscheiden muss zwischen einer Musikerkarriere und der Annahme des Erbes seines Vaters (die Übernahme des Fischladens). Da ist die Sportlerin, die sich entscheiden muss zwischen der Hingabe an den Sport und die Olympiavorbereitung und der Hingabe an den todkranken Freund.
    Alle in dem Roman geschilderten Schicksale sind einerseits mit dem Gemischtwarenladen verknüpft und andererseits irgendwie auch mit einem Kinderheim. Das bringt eine gewisse Spannung und zusätzliche interessante Punkte in das Buch mit ein.
    Als Fazit bleibt bei mir aber: Ich sehe 3 Punkte, an denen das Buch für mich gescheitert ist:
    1. Der Autor hat sich hier an einer komplexen Struktur aus Zeit- und Ortszusammenhängen versucht, in der er sich aber letztlich ziemlich verstrickt hat. Die Zeit- und Ortszusammenhänge erscheinen nicht immer korrekt und stimmig angelegt bzw. stimmen manchmal einfach nicht.
    2. Zudem passte für mich die Kombination aus Magie und simpelstem Realismus in den seichten Lebensgeschichten einfach nicht zusammen. Beides hat sich gegenseitig ausgeschlossen und konterkariert.
    3. Die Lebensgeschichten der Ratsuchenden sind allenfalls eines Kummerkastens in einer mittelmäßigen Illustrierten würdig und nicht eines Romans, der mit einer leicht phantastischen Geschichte überzeugen möchte.
    Das ergibt allenfalls 3 Sterne.

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  1. 2
    14. Mai 2021 

    Was für eine grottige Übersetzung!

    Keigo Higashino ist nicht nur in Japan, sondern auch in Deutschland als erfolgreicher Kriminalschriftsteller bekannt. Mit diesem Werk, das bereits 2012 in Japan erschienen ist und ein großer Erfolg war, der zweimal verfilmt wurde, bewegt er sich hingegen im Bereich Magischer Realismus.
    Drei junge Männer, die gerade einen Raubzug begangen haben, brechen in ein seit langer Zeit verlassenes Haus ein, um dort die Nacht zu verbringen. Doch ganz verlassen scheint es nicht zu sein, denn plötzlich werden Briefe durch einen Schlitz im Rollladen hindurchgeschoben. Darin bitten sie einen Herrn Namiya um Rat, doch der ist seit über dreißig Jahren tot, wie die drei Einbrecher herausfinden. Und noch merkwürdiger: Die Briefe scheinen ebenfalls in dieser Zeit geschrieben worden zu sein, aber wollen offenbar jetzt beantwortet werden. So beginnt eine außergewöhnliche Nacht …
    Diese Geschichte bildet den Rahmen für die nun folgenden Kapitel, in denen unter anderem die Lebensgeschichten der Ratsuchenden erzählt wird und was sie dazu bewogen hat, Herrn Namiya um Hilfe zu bitten. Gut gelungen sind die Perspektivwechsel, die nicht nur durch die Personen, sondern auch durch Zeitenwechsel entstehen. Die Verbindungen zwischen den einzelnen Figuren erkennt man erst allmählich; wie beim Puzzeln fügen sich nach und nach die Teile zusammen. Geschickt gemacht!
    Wesentlich weniger erfreulich ist jedoch der Sprachstil des Erzählten. Das Ganze liest sich derart simpel und schlicht, als wäre es für LeseanfängerInnen gedacht. Nun gut, das Buch ist bereits älter und vielleicht hat der Autor es dem Thema angepasst. Allerdings sollte man wissen, dass die Übersetzung nicht aus dem Japanischen sondern aus dem Englischen erfolgt ist. Vergleicht man die englische Übersetzung mit der ins Deutsche übersetzten Version, kann man nur den Kopf schütteln. Dazuerfundenes und Sinnentstellendes gleich auf der ersten Seite – hier zwei Beispiele:

    Shota was the one who suggested the „handy shack“.
    „A handy shack? What the hell are you talking about?“ Atsuya towered over Shota, looking down at his petite frame and boyish face.

    Es war Shotas Idee. Er berichtete den Jungs, er kenne eine super Hütte, wohin sie sich dünnemachen könnten. „Wohin wir was?“ Atsuya musterte den immer noch kindergesichtigen Shota amüsiert, der selbst das Gegenteil von dünn war.

    „Sorry, guys.“ Kohei shrank back, hunching his large body, and cast a longing look at the worn-out Toyota Crown parked beside them. „I didn’t think the battery would die on us here, of all places. Not in my wildest dreams.“

    „Sorry, ihr beiden“, unterbrach Kohei. Er beugte sich über den klapprigen Lexus neben ihnen, der keinen Mucks mehr machte. „Aber wie kann denn die Batterie einfach plötzlich leer sein?“

    So kann ich letztlich nur vermuten, ob ich tatsächlich ein Buch von Keigo Higashino gelesen habe oder eher das, was sich die Übersetzerin dazu ausgedacht hat. Auf jeden Fall ist das Buch eine Enttäuschung: Die Idee dahinter und die Geschichten an sich sind nicht schlecht, aber was daraus gemacht wurde, lohnt nicht des Lesens.

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  1. Der magische Gemischtwarenladen des Herrn Namiya

    Der Japaner Keigo Higashino hat sich bisher als Autor von spannenden Kriminalromanen einen Namen gemacht. Mit diesem Wohlfühlbuch betritt er ein völlig neues Genre, in dem er sich gemäß Klappentext „völlig neu erfindet“.

    Zunächst landen drei putzige Kleinkriminelle auf der Flucht in einen alten verlassenen Gemischtwarenladen, in dem sie die Nacht verbringen wollen. Schnell stellen sie aber fest, dass manches hier nicht mit rechten Dingen zugeht: Das Handy funktioniert nicht mehr und die Zeit scheint stillzustehen… Überrascht wird das Trio von einem emotionalen Brief, in dem eine junge Frau um Hilfe in einer schwierigen Situation bittet: Sie wurde für den Sommer für die Olympischen Spiele nominiert, möchte aber eigentlich ihren sterbenskranken Mann nicht alleine lassen und für ihn da sein. Der Brief ist an den ehemaligen Inhaber des Ladens, Herrn Namiya, gerichtet. Angesichts der Dringlichkeit des Anliegens beantworten die drei liebenswert-trotteligen Gauner den Brief. Es entsteht ein mysteriöser Schriftwechsel, der Fragen aufwirft und nicht auf derselben Zeitebene stattzufinden scheint…

    In den weiteren Kapiteln stehen andere Protagonisten Vordergrund, denen Herr Namiya durch seine schriftlichen Ratschläge in verschiedenen Situationen hilft, Lebensträume zu verwirklichen oder Konfliktsituationen zu meistern. Er tut das freundlich und mit gesundem Menschenverstand, was ihm viel Wertschätzung einbringt. Es obliegt den Adressaten, seine Briefe richtig auszulegen und zu interpretieren. Der Gemischtwarenhändler ist ein wahrer Sympathieträger.

    Die einzelnen Episoden sind zunächst nicht miteinander verknüpft. Mit zunehmender Lektüre werden die Zusammenhänge allerdings deutlich. Figuren tauchen wiederholt auf oder haben Bedeutung für andere. Anhand der Konzeption kann man schon erkennen, dass der Autor es gewohnt ist, verschiedene Handlungsfäden am Ende wieder miteinander zu verknüpfen, so dass sich ein stimmiges Ganzes ergibt. Allerdings ist manche Wendung schon sehr dramatisch, rührselig oder zufällig geraten. Die Plausibilitätskontrolle sollte man nicht ernsthaft durchführen, wir sind im Reich der Wunder – wie der Titel schon sagt.

    Die Geschichten lesen sich locker-leicht, das Buch hat nicht das Ziel, literarische Ansprüche zu befriedigen, es dient der reinen Unterhaltung. Die Dialoge sind spritzig, die Sprache konventionell und direkt. Schöne Formulierungen oder Beschreibungen sucht man vergeblich. Die Übersetzung erfolgte nicht vom japanischen Original, sondern auf Basis der englischen Ausgabe. Ob das eine Rolle für die fehlende sprachliche Raffinesse spielt, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen.

    Wer dieses Buch lesen möchte, sollte magischen und märchenhaften Momenten gegenüber aufgeschlossen sein, die Realität verschwimmt nämlich zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die verschiedenen Zeitebenen waren für mich eine Herausforderung. Nett ist in diesem Zusammenhang die Erwähnung von verschiedenen Musiktiteln, die dem Leser eine zeitliche Orientierung ermöglichen.

    Es war nicht mein Buch. Ich bin aber sicher, dass Leser, die reine Entspannung mit Wohlfühlfaktor suchen, ihre Freude an „Kleine Wunder um Mitternacht“ haben werden. Ich hatte sie nicht. Ich gebe dennoch drei Sterne, da ich mich selbst in der Verantwortung sehe: Das wunderschön gestaltete Cover sowie der Klappentext weisen ausdrücklich auf Art und Inhalt des Buches hin. Ich habe mich schlichtweg vergriffen.

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  1. Japanischer Wohlfühlroman

    Der Titel lautet „Kleine Wunder um Mitternacht“ und es handelt sich um eine Erzählung eines japanischen Autors. Wenn ihr keine Lust auf Kitsch, auf fantasievolle Lebensweisheiten habt, dann macht bitte gleich einen großen Bogen um dieses Buch. Wenn ihr aber auf japanische Literatur, auf einen erfrischenden Schreibstil steht, dann auf in den nächsten Buchladen und schnappt es euch.
    Die drei Freunde Atsuya, Kohei und Shota sind Kleinkriminelle. Nach einem Einbruch verstecken sich die drei Männer in einem alten verlassenen Laden. Dabei handelt es sich um Namiya´s Gemischtwarenladen. Dieser Laden ist jedoch nicht für sein ausgewähltes Sortiment bekannt, sondern für die Ratschläge die der ehemalige Besitzer an unzählige Ratsuchende erteilt.
    Die Geschichte beginnt relativ einfach, erinnert gar ein wenig an ein Jugendbuch. Die lockere Sprache der drei Jugendlichen verstärkt diesen Eindruck noch, doch mit Fortdauer der Erzählung werden die Zusammenhänge komplexer. Der Aufbau dieses Romans ähnelt einem Episodenroman mit unterschiedlichen Ratsuchenden, die aber gegen Ende geschickt zusammengeführt werden. Einiges ist in der Tat vorhersehbar, anderes war aber auch überraschend.
    Der Autor, der bis dato eigentlich für seine Krimis bekannt war, hat sich für eine leichte, flüssige Sprache entschieden, sodass die Seiten nur so dahin flogen. Literarisches oder gar poetisches sucht man in diesem Buch vergebens, aber nicht jedes Buch muss diesen Anspruch haben. Möglicherweise liegt es aber auch an der Übersetzung, da ich jedoch kein japanisch spreche, kann ich dies auch nicht beurteilen.
    Man sollte schon ein Fan der japanischen Literatur sein oder zumindest das eine oder andere Buch eines japanischen Autors gelesen haben. Ich persönlich finde, dass die japanischen Autoren einen eigenen Stil haben. Das Buch beinhaltet viel Herz und viel japanische Seele und Tradition.
    Ich habe das Buch im Rahmen einer Leserunde gelesen und die Meinungen gingen sehr weit auseinander. Einige konnten tatsächlich gar keinen Zugang zu der Geschichte finden, andere, mich eingeschlossen, waren hingegen restlos begeistert über die fantasievolle Umsetzung. Woran es genau liegt kann ich nicht sagen, aber ich mag Japaner und auch ihre Art, wie sie Geschichten erzählen. Für manche ist es Kitsch, für mich macht es das Buch und das Land von dem es handelt, authentisch.

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  1. Haut mich nicht um

    In "Kleine Wunder um Mitternacht" zeigt Krimi Autor Keigo Higashino eine andere Seite von sich. Drei jugendliche Einbrecher landen in einem verlassenen Gemischtwarenladen, um sich nach einem Raubzug zu verstecken. Unverhofft wird ein Brief durch einen Schlitz in den Laden geworfen, indem eine unbekannte Person den alten Ladenbesitzer Herr Namiya um Hilfe bittet. Die drei Jugendlichen beantworten den Brief, doch dies war nicht der Letzte...

    Ich muss sagen, dass mich das Buch nicht umgehauen hat. Die grundsätzliche Idee und die phantastischen Elemente fand ich prima. Auch möchte ich die unterschiedlichen Perspektiven in dem Buch, die durch den Autor geschickt miteinander verknüpft wurden.

    Die Charaktere fand ich sympathisch und nachvollziehbar. Mich haben persönlich die vielen exotischen Namen gestört, bzw. brauchte ich länger um die Namen im späteren Verlauf den Personen zuzuordnen, aber das ist so bei japanischen Schriftstellern.

    Ein Dorn im Auge war mit der Schreibstil. Zu plump, zu kurz, zu jugendbuchmäßig. Ich weiß nicht ob es daher kam, dass das Buch erst von japanisch auf englisch und dann ins deutsche übersetzt wurde, aber der Schreibstil hat echt Luft nach oben.

    Auch nicht so besonders gefallen hat mir der nicht vorhandene Spannungsbogen. Irgendwie war die Story nett, aber sie ist ohne Plot so dahin geplätschert. Zwischenzeitlich fand ich die Story auch etwas langweilig, obwohl die Weisheiten des Herrn Namiya durchaus Tiefgang hatten.

    In Summe ist es kein schlechtes Buch... aber eben ach kein Herausragendes.

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  1. Selbst magische Lädchen mag ich nicht.

    Drei Kleinkriminelle verschlägt es nach einer kopflosen Flucht nach einer relativ kopflosen Angelegenheit in die Außenbezirke eine Stadt, wo sie im verlassenen „Namiya Gemischtwaren“ unterkriechen. Von dort aus wollen sie sich am Morgen, wenn die Berufstätigen zur Arbeit fahren, im diesen Strom von Menschen mischen, untertauchen und entkommen. Dann merken sie, dass die Zeit stehen bleibt.

    Der Kommentar: Unversehends wie bei einem kleinen Wunder um Mitternacht bin ich mit den drei Jungs in einem Lädchenbuch gelandet. (Fast) jeder weiß, was ich von Lädchenbüchern halte. Aber wie gesagt, das Wunder um Mitternacht hat mich hierherverschlagen, es kann nicht freiwillig gewesen sein. Vielleicht war ich umnachtet. Oder wurde entführt. Jedenfalls. Hier sind wir.

    Das Lädchen ist ein besonderes Lädchen. Es ist ein Zeitsprunglädchen. Allerdings kann man nicht mitspringen, was nett gewesen wäre, man kann nur Briefe hin und herschicken. Ein magisches Lädchen eben. Laßt euch nicht nachts in eine Buchhandlung einschließen, wer weiß, was passiert!

    Lädchenbuch. Lebensberatung. Lebensberatung durch die Zeit hindurch. Hat was.
    Weil auf magische Weise Briefe mit Bitte um Lebensberatung ankommen, mischen die Jungs natürlich kräftig mit.

    Die Grundidee des Romans ist wirklich nett. Leider ist die Ausführung ein wenig, na ja, sagen wir, wirr. Wir wechseln mehrmals die Perspektive. Dabei hätten wir so gerne verfolgt, was die Jungs in der Zeit mit ihren Ratschägen so anrichten und die Zukunft verändern. Ist aber nicht.

    Fazit: Ein Lädchenbuch mit magischem Anreiz, der wegen übergroßer Langeweile leider schnell verfliegt.

    Kategorie: Lädchenbuch.
    Verlag. Limes, 2021

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  1. 4
    09. Mai 2021 

    Reopening

    Am 13. September wird Namiyas Gemischtwaren für eine einizige Nacht wiedereröffnet. Und davon wie es dazu kommt erzählt dieses Buch. Als die Frau von Herrn Namiya verstirbt verlässt ihn der Lebensmut. Er ist kurz davor aufzugeben. Eher aus Spaß beginnen die Kinder aus der Nachbarschaft, Herrn Namiya um Rat zu bitten. Der alte Herr blüht wieder auf und schon bald werden auf ernsthafte Fragen an ihn herangetragen. Herr Namiya widmet sich jeder Frage mit Liebe und Respekt. Und als viele Jahre später scheint sein Geist immer noch in seinem Laden zu wirken. Das bekommen drei junge Einbrecher zu spüren, die sich hier verstecken.

    Der Autor Keigo Higashino ist bisher eher mit seinen ausgeklügelten Kriminalromanen bekannt. Nun aber überrascht er mit einem Gesellschaftsroman mit einer leicht fantastischen Note. Das Buch beginnt in der Gegenwart in dem Moment, wo die Einbrecher den alten Laden erreichen. Dieser wirkt, obwohl schon lange geschlossen, noch sehr frisch. Sehr überrascht sind die jungen Männer als plötzlich ein Brief durch den Briefschlitz fällt. Sollen sie den Brief lesen oder gar beantworten? Und was ist mit dem alten Herrn, dem der Laden einmal gehört hat? Wird diese Nacht auch das Leben der drei Einbrecher verändern?

    Klar, kein Krimi, aber doch eine äußerst spannende Geschichte um die Ratschläge eines alten Herrn, der unerwartet das Leben vieler Menschen beeinflusst. Nicht immer wird sein Rat genau befolgt, doch immer bewirkt er etwas zum Positiven. Der alte Herr Namiya schreibt mit dem Herzen und auch wenn sie ihn nie gekannt haben, so fühlen die drei Eindringliche auch seinen liebevollen Geist. Mit diesem herzerwärmenden Roman berührt Keigo Higashino seine Leser. Gerade in der heutigen Phase möchte man manchmal in eine schönere Welt entfliehen und sich mit positiven Vibes umgeben. Dieser wunderbare Roman bietet dazu die beste Gelegenheit. Man taucht ein, fühlt mit den Protagonisten und schließt das Buch mit Sonne im Herzen.

    4,5 Sterne

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Insel der verlorenen Erinnerung: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Insel der verlorenen Erinnerung: Roman' von Yoko Ogawa
4
4 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Insel der verlorenen Erinnerung: Roman"

Auf einer Insel, nicht weit vom Festland entfernt, prägen sonderbare Ereignisse das Leben. In regelmäßigen Abständen verschwinden Dinge, und zwar für immer. Zunächst sind es Hüte, dann alle Vögel, später die Fähre. Bald gibt es keine Haarbänder mehr und keine Rosen … Die Bewohner haben sich damit abgefunden, dass auch ihre Erinnerung immer weiter verblasst. Nur einige wenige können nichts vergessen. Deshalb werden sie von der Erinnerungspolizei verfolgt, die dafür Sorge trägt, dass alle verschwundenen Dinge auch verschwunden bleiben, nicht nur im alltäglichen Leben, sondern auch in den Köpfen der Menschen. Als eine junge Schriftstellerin herausfindet, dass ihr Verleger Gefahr läuft, von der Erinnerungspolizei festgenommen zu werden, beschließt sie, ihm zu helfen – auch wenn sie damit ihr Leben riskiert. Sie richtet im Untergeschoss ihres Hauses ein Versteck für ihn ein. Doch die Razzien der Polizei werden ständig ausgeweitet, und immer häufiger verschwinden Dinge. Die beiden hoffen auf die Fertigstellung ihres neuen Romans als letzte Möglichkeit, die Vergangenheit zu bewahren. Yoko Ogawas internationaler Bestseller ist eine faszinierende Parabel über den Verlust von Freiheit und die Bedeutung der eigenen Vergangenheit. Selten werden die drängenden Fragen unserer Zeit so poetisch verhandelt wie hier.

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:352
EAN:9783954381227
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Rezensionen zu "Insel der verlorenen Erinnerung: Roman"

  1. Amnäsie, Sprachlosigkeit, Verschwinden

    Mit Spannung und Ergriffenheit habe ich den Roman der japanischen Autorin Yoko Ogawa gelesen, das sich dem Phänomen der verlorenen Erinnerung widmet. Es erzählt die Geschichte einer Auslöschung: der Dingen, der Erinnerung und der Welt. In einem fiktiven Inselstaat herrscht die Erinnerungspolizei: sie wacht über die Einhaltung des Vergessens und Verschwindens: totalitär, unerbittlich und auf verhaltene Weise grausam. In regelmässigen Abständen verschwinden Dinge: Vögel, Rosen, Bücher und viele andere Gegenstände. Mit ihrem Verschwinden erlischt auch die Bedeutung derselben für die auf der Insel lebenden Menschen: das physische Verschwinden von Gegenständen bedingt ihr Vergessen durch die Menschen. Sind die Dinge einmal verschwunden, zerstört und vergessen, so ist der Prozess unausweichlich: nur mehr ein wages Gefühl an die einstige Bedeutung bleibt über, seine Bedeutung kann durch die der Erinnerung beraubten Menschen kaum mehr erschlossen werden. Wem es aber gelingt, die verschwundenen Dinge (und damit die Erinnerung an sie) doch festzuhalten, dem droht die Verschleppung durch die Erinnerungspolizei.

    Die Geschichte einer Schriftstellerin wird erzählt, welche ihrem Lektor Unterschlupf gewährt, weil dieser befürchtet, von der Erinnerungspolizei abgeholt und – niemand weiss wohin – verschleppt zu werden. Er ist einer jener Menschen, die von dem um sich greifenden Prozess des Vergessens ausgenommen sind und deshalb für die Ziele der Erinnerungspolizei in höchstem Masse gefährlich sind. Mit Hilfe eines alten Mannes baut die Schriftstellerin in ihrer Wohnung einen gut getarnten Unterschlupf, in dem ihr Lektor Zuschlupf findet: eine Art Widerstandsnest gegen das Vergessen. Eingebettet in diese Handlung sind Texte des neuen Romanes der Protagonistin, der von der Geschichte einer Schülerin erzählt, die von ihrem Schreibmaschinenlehrer der Freiheit beraubt wird und, ohne sich sprachlich ausdrücken zu können, von diesem für seine perversen Obsesionen missbraucht wird. Ihrer Schreibmaschine beraubt, verstummt sie und vegetiert in der Dachkammer eines Turmes dahin. Wir lernen in diesem sehr intensiv und klug geschriebenen Buch, dass mit dem Verschwinden der Dinge und der Sprache menschliche Erinnerung und Ausdrucksfähigkeit versiegen, ja überhaupt zum Verschwinden der Menschlichkeit und des Menschen führen. Und doch: die Erinnerung stirbt, so wie die Hoffnung immer zuletzt.

    In vielen Kritiken dieses Romans wird dieser als grossartige Dystopie gefeiert, als neue Parabel auf autoritäre Regime mit ihren Kontrollmechanismen und der Unterdrückung von öffentlicher Sprache und Erinnerungskultur. Das sicherlich zu Recht. Vergleiche mit George Orwell werden gezogen. Letzteres sicher zu Unrecht. Assoziationen an die Nationalsozialistische Diktatur tauchen natürlich auf, etwa an jenen Stellen, die auf eindrückliche Weise Bücherverbrennungen beschreiben. Ein Schlüsselerlebnis für die Schriftstellerin, da sie ab nun ihrer Lebensgrundlage beraubt ist. Mit einem Male hat das Schreiben und Verfassen von Geschichten keine Bedeutung mehr. Ihr Lektor versucht ihr, die Erinnerung wiederzugeben. Es reicht zum Vollenden der Geschichte. Ein müshsamer, fast unmöglicher Prozess.

    Ich glaube nicht, dass man es sich so einfach machen kann, das Buch allein als eine Dystopie des Totalitarismus lesen zu wollen, ganz einfach deshalb, weil weit mehr erzählt wird als die Bedrohung durch eine Erinnerungspolizei, von welcher man zudem nicht erfährt, welchen Zielen ihre klandestine Tätigkeit dient. Die Phänomene der Amnäsie, der Sprachlosigkeit und der Auslöschung sind in das Erleben der Protagonistin des Romans verlagert, die Angst vor dem Unerklärlichen bestimmt ihren Alltag. Die Leser schreiben sich ein in die allgemeinen Prozesse der Amnäsie, und in das Verschwinden der Vergangenheit. Die Zukunft verschwindet mit ihr und eine apathische Gegenwart ergreift Alle.

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  1. 4
    16. Nov 2020 

    Abfinden oder Aufbegehren ?!?!

    4 Sterne bekommt dieses Buch von Yoko Ogawa von mir. "Die Insel der verlorenen Erinnerung" ist eine interessante Dystopie über den Unterschied zwischen dem fraglosen Hinnehmen oder dem Anzweifeln von Fakten/von Vorgaben eines unheimlichen Systems und/oder über Abhängigkeiten von Menschen untereinander oder auch Abhängigkeiten von einem führenden System. Auf einer namentlich nicht genannten Insel verschwinden Dinge, Totes und Lebendes, und die Bewohner der Insel nehmen dies einfach so hin, vergessen das Verschwundene auch recht schnell. Aber nicht alle Bewohner. Manche können nicht vergessen und werden als eine Gefahr des Systems gejagt, von der Erinnerungspolizei. Die Protagonistin, eine Schriftstellerin, versucht gegen das System anzukämpfen und schreibt ebenso an einer Geschichte, einer Geschichte über Selbstaufgabe und Abhängigkeit. Es ist eine wirklich interessant verwobene Geschichte/ein spannendes Buch, die/das ein Grauen beinhaltet und eine Spannung aufbaut, die den Leser fordert und auch beim Lesen schwer innehalten lässt. Das Einzige was ich für mich bemängele, ist eine gewisse Distanz, die sich zwischen mir und den Protagonisten aufbaut, was auch an dem kühl/kalt geschilderten Geschehen liegt. Was einerseits sicher der Kultur der Autorin zuzuordnen wäre, andererseits aber sicher auch der dystopischen Geschichte geschuldet ist. Dennoch blitzt ab und zu doch etwas Tiefes und ein Empfinden/ein Gefühl auf. Gerade wenn ich an die Schreibe der Protagonistin oder an das Verhalten der Protagonistin ihrem Verleger gegenüber denke. Yoko Ogawa hat ein sehr interessantes und spannendes Buch geschrieben und Freunde von Dystopien sind hier gut aufgehoben.

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Brüste und Eier: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Brüste und Eier: Roman' von Mieko Kawakami
4.5
4.5 von 5 (4 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Brüste und Eier: Roman"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:496
Verlag:
EAN:9783832183738
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Rezensionen zu "Brüste und Eier: Roman"

  1. Japanische Frauen über 30 mit ihren Wünschen und Sorgen

    Das Cover gefällt mir überhaupt nicht und den Titel finde ich unmöglich! Warum ich das Buch trotzdem gelesen habe? Durch meine japanische Schwiegertochter habe ich ein besonderes Verhältnis zu Japan und durch sie kenne ich auch die Einstellung vieler japanischer Frauen, ihren Wunsch nach ewiger Schönheit und Jugend + ihre sonstigen Probleme.

    Wegen meines permanenten und intensiven Austauschs mit Schwiegertochter und mein großes Interesse an ihrem Heimatland kann man mir vielleicht auch Befangenheit bezüglich dieses Buches unterstellen: mir fielen nämlich Kleinigkeiten auf, die nur so ganz nebenbei erwähnt wurden, z.B. das kleine Frotteetuch – ‚Hankachi‘ genannt. (Das ist quadratisch und jede Japanerin trägt mindestens eines bei sich und verwendet es zum Schweiß abwischen, zum Hände abtrocknen usw.)

    Zur Geschichte: Zur 30-jährigen Ich-Erzählerin Natsuko – in Tokyo lebend – kommt ihre 9 Jahre ältere Schwester Makiko und deren 12 Jahre alte Tochter Midoriko auf Besuch. Makiko ist vom Wunsch nach einer Brustvergrößerung beseelt und ihre Tochter steht kurz vor dem Eintreten ihrer Menstruation. (Die Gedanken dazu kann der Leser jedoch nur als eingeschobene Tagebucheinträge verfolgen, da Midoriko sich weigert zu reden und nur per Stift mit Mutter und Tante kommuniziert.)

    Der 2. Teil beginnt 8 Jahre später: Natsuko ist inzwischen in einen neuen Stadtteil gezogen, hatte vor 5 Jahren ihr Debüt als Autorin und kämpft mit einem neuen Roman. Der will allerdings nicht so recht vorwärts gehen, da ihr Kopf mit dem Thema ‚ungewollte Kinderlosigkeit‘ und die Möglichkeiten, etwas dagegen zu tun, blockiert ist - Eizellenspenden und Spendersamen beschäftigen unsere Protagonistin jetzt.

    In diesem Zusammenhang erfährt der Leser auch vom ‚Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung‘, von etlichen Familiengeschichten mit Schwerpunkt ‚Pflichten der Töchter / Schwiegertöchter bei der Pflege von Eltern / Schwiegereltern‘ und was man alles nicht tut und nicht fragt – kurz zusammengefasst vom familiären und sozialen Leben in Japan. Ich fand das äußerst interessant und faszinierend!

    Die Lebensanschauungen von Natsuko und ihren Freundinnen + z.B. die groteske Szene mit dem Treffen zwischen der Protagonistin und einem Samenspender boten viel Diskussionsstoff mit meinem Mann und meiner Schwiegertochter! Den zweiten Teil des Buches empfand ich als wesentlich stärker als den ersten und etliche Stellen darin gingen mir gewaltig unter die Haut!

    Wer sich für dieses beeindruckende Land zwischen Tradition und Moderne interessiert und sich nicht nur oberflächlich auf die Komplexität des Lebens ihrer Bewohner in diesem Spannungsfeld einlassen will, ist bei diesem Buch richtig! Diese ausdrucksstarke Sprache mit vielen wunderschönen Sätzen, herrlichen Beschreibungen und philosophischen Momenten macht die literarische Reise außerdem zu einem lohnenden Vergnügen! Volle Leseempfehlung!

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  1. Selbstbestimmtes Leben

    Natzuko lebt allein in Tokyo und bekommt Besuch von ihrer Schwester und ihrer Nichte. Ihre Schwester, Makiko, möchte gerne ihre Brüste vergrößern lassen. Sie ist Hostess in einer Bar und alleinerziehend. Sie möchte, da sie gestillt hat, wieder wunderschöne feste, große Brüste haben. Wahrscheinlich um sich weiblicher zu fühlen. Sie zeigt ihrer Schwester verschiedene Broschüren über Kliniken. Ihre Tochter, Midoriko, macht gerade eine schwierige Teenagerphase durch. Sie hat ein Problem mit ihrer beginnenden Weiblichkeit (ihre Brüste entwickeln sich, bald bekommt sie ihre erste Regel) und kommuniziert mit ihrer Mutter und Tante nur mit einem Stift und Papier. Es kommt zu einer Eskalation der Situation....

    Dann kommt es zu einem Szenenwechsel. Natzuko kann jetzt von ihrer "Kunst" (Schreiben) leben. Sie schreibt mehrere Artikel in verschiedenen Illustrierte und hat ein Erzählband veröffentlich, der positiv im Fernsehen beurteilt wurde. Sie ist nun ende 30 und möchte gerne ein Kind. Da sie ein Problem mit Sex, menschliche Nähe und körperliche Intimität hat, überlegt sie sich eventuell ihrer Kinderwunsch durch eine private Samenspende zu erfüllen. Es wird ihre Odyssee beschrieben. Wie sie im Internet private Samenspender anschreibt und sich mit ihnen trifft. Dann nimmt sie an Versammlungen teil. Dort traf sie auf Menschen, die durch anonyme Samenspende gezeugt wurden. Für diese Menschen ist ihre Herkunft ein riesiges Fragezeichen, da sie nichts über ihren biologischen Vater erfahren konnten.

    Eigene Meinung:

    Der erste Teil, als ihre Schwester und ihre Nicht sie in Tokyo besucht haben, war für bedrückend. Da die Erlebnisse in der Kindheit, die die beiden Schwestern erlebt und ihr ganzes Leben begleitet, sehr bedrückend sind. Der zweite Teil empfand ich um einiges positiver und Lebensbejahender. Die Protagonistin hat mehr soziale Kontakte und ist nicht mehr so isoliert und man hat als Leser nicht mehr den Eindruck, dass sie von der Hand in den Mund lebt. Auch die Erlebnisse rund um die Samenspende und ihr Weg zu ihrem Kind haben mich sehr berührt.

    Fazit:

    Wenn man japanische Literatur mit dem reduzierten emotionalen Stil mag, kann ich das Buch sehr ans Herz legen. Es hat mich sehr berührt und, obwohl die Protagonistin ein Problem mit der Nähe, Sexualität und Initimität hat, habe ich sie am Ende sehr lieb gewonnen!

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  1. Frau sein - eine Auseinandersetzung

    Makiko und Natsuko sind Schwestern. Die Mutter floh mit den beiden Mädchen, als diese noch klein waren, vor dem gewalttätigen Ehemann zur Großmutter. Die Kindheit war entbehrungsreich. Nach dem frühen Tod der Mutter verloren die Schwestern auch bald die Großmutter. Mittlerweile erwachsen ist Makiko nun schon selbst Alleinerzieherin einer pubertierenden Tochter. Sie beschäftigt sich intensiv mit der Idee einer Brustvergrößerung. Natsuko hingegen ist beherrscht von dem Gedanken, unbedingt ein Kind bekommen zu wollen.

    „Brüste und Eier“, was für marktschreierischer Titel für die deutschsprachige Ausgabe des Romans der japanischen Schriftstellerin Mieko Kawakami. (Da ist der Originaltitel viel weniger heischend und heißt übersetzt „Sommererzählung“. Das japanische Wort natsu bedeutet Sommer und bezieht sich direkt auf die Protagonistin Natsuko. Aber das nur ganz nebenbei.)

    Es ist eine sehr ausführliche Auseinandersetzung mit Feminismus, Weiblichkeit, Sexualität, Körperbewusstsein, einzementierten sozialen Rollen.

    Erzählt wird die Geschichte in zwei zeitlichen Abschnitten. Im ersten Teil - Sommer 2008 – besucht Makiko mit ihrer zwölfjährigen Tochter Midoriko die Schwester in Tokyo mit dem Ziel, eine Klinik für eine Klinik für eine Brustvergrößerung auszuwählen. Dann erfolgt ein Bruch. Einige Jahre später steht Natsuko im Mittelpunkt des Romans. Obsessiv beschäftigt sie sich mit dem Wunsch nach einem Kind. Dazu fehlt ihr nicht nur ein Partner, sondern grundsätzliches Interesse an Sex.

    „Als Kind……spielte das gar keine Rolle, Sex oder Frausein. Irgendwie … ich weiß nicht, bin ich Kind geblieben. In Bezug auf Sexualität bin ich nicht komisch, sondern einfach nicht erwachsen geworden. Deshalb frage ich mich manchmal, ob ich wirklich eine Frau bin.“

    Mit künstlicher Befruchtung als Mittel der Wahl stößt sie aber nicht nur an die Grenzen (japanischen) Rechts, sondern auch in ihrem persönlichen Umfeld, vor allem bei ihrer Schwester, auf Unverständnis.

    „Niemand von uns kommt freiwillig auf die Welt.“

    Ein Titel, der anheizt. Themen, die brennen. Sprache, die kalt lässt: Das Buch ist in Sprache und Stil sehr distanziert, emotionslos, in vielerlei Hinsicht „sehr japanisch“, oft vortragsartig, protokollierend, wirft aber einen sehr universellen Blick auf den Optimierungsdruck, den Schönheitswahn und das Aufbegehren gegen patriarchale Strukturen, mit dem Frauen sich überall auf der Welt auseinandersetzen müssen.

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  1. 4
    06. Nov 2020 

    Eine sich verändernde patriarchale Welt

    Bei diesem etwas eigenwilligen Titel denkt sich die Leserin/der Leser, wohin trägt mich wohl dieses Buch. Japan und dieser Titel??? Ungewöhnlich. Eigenwillig. Verwirrend. Beim Leser wird dann klarer, es geht um zwei Schwestern, eine, Makiko, trägt sich mit den Gedanken um eine Brustvergrößerung und die andere, Natsuko, denkt über ein Kind nach, dass sie sich über eine Samenbank ordern möchte. Beide sind vom Leben etwas gezeichnet, haben frühzeitig Mutter und Großmutter verloren, mussten sich allein durchschlagen. Mutter und Kinder sind vor dem aggressiven Vater geflohen, daher das allein durchschlagen. Auch sozial und finanziell stehen sie nicht auf den oberen Stufen der Karriereleiter. In den Betrachtungen über ihr Leben kommt auch ihre Umgebung zu Wort und es wird klarer, dass die patriarchale Welt Japans nicht besonders gut zu ihren Frauen und Kindern ist. Harter Tobak, aber wohl wahrer Tobak. Trotzdem etwas einseitig betrachtet in meinen Augen. Aber dies möchte ich gar nicht als Kritikpunkt erwähnen. Denn ich kann das auch gar nicht beurteilen.

    Was mich aber gestört hat war, dass diese Thematik irgendwie kühl erzählt wird, so dass das Ganze irgendwie an mir vorbei gerauscht ist. Was schade ist! Die Erzählstimme wirkt kühl/kalt und ich bin innerlich distanziert. Und das bei einer Thematik, die mich eigentlich berührt. Und ich möchte berührt werden! Schade! Die Punktevergabe ist mir hier auch nicht leichtgefallen, eigentlich wären 3,5 Punkte hier besser gewesen. Thematisch ist es ja nicht schlecht, nur erzählerisch wirkt dieses Buch etwas eigenwillig. Obwohl ich mir nicht so ganz sicher bin, ob das eventuell eine japanische Schreibe/eine japanische Erzählweise, dieses Kühle eine japanische Sichtweise ist. ... Und auch daher habe ich aufgerundet, denn thematisch gibt "Brüste und Eier" Einblicke in ein fremdes Land. Obwohl manches in diesem Land gar nicht so fremd ist. Und manches Handeln mancher Japanerin gar nicht mehr so japanisch wirkt, auch hier eine Emanzipation der Frauen einzieht, was mir wieder sehr gefällt.

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64

Buchseite und Rezensionen zu '64' von Hideo Yokoyama
4
4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "64"

Format:Taschenbuch
Seiten:768
Verlag:
EAN:9783038821083
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Rezensionen zu "64"

  1. 4
    21. Jan 2019 

    Deutscher Krimipreis International 2019

    Mikamis Tochter ist verschwunden, sie haderte mit ihrem Aussehen, das nach ihrem Vater kommt. Als Pressesprecher bei der Polizei setzt Mikami alles in Bewegung, um seine Tochter zu finden. Er ist überzeugt, dass die drei Schweigeanrufe, die er und seine Frau bekommen haben, von ihr getätigt wurden. Die Suche nach der Tochter lenkt Mikami nicht von der Arbeit ab, als noch relativ neu eingesetzter Pressesprecher muss er bei den Presseleuten einige Schwierigkeiten überwinden. Und nun wird auch noch der Besuch eines hohen Beamten aus Tokio angekündigt, der den Vater eines Entführungsopfers aufsuchen will. Ein seit vierzehn Jahren ungelöster Fall, der von Verjährung bedroht ist.

    Mikami ist wie zerrissen, eigentlich möchte er sich nur um die Suche nach seiner Tochter kümmern. Immerhin hat er hier seine gesamte Kollegenschaft hinter sich. Doch auch die Arbeit fordert seine volle Aufmerksamkeit. Besonders den Besuch gilt es vorzubereiten. Der Vater des vor Jahren entführten und zu Tode gekommenen Mädchens scheint allerdings kein großes Interesse haben, den Polizeioberen zu empfangen. Er scheint das Vertrauen in die Polizei verloren zu haben. Die Überzeugungsarbeit, die Mikami leistet, fruchtet nur in geringem Maß. Misstrauisch geworden, beginnt Mikami zu untersuchen, weshalb der alte Mann so reagiert. Er ahnt nicht, was er damit lostritt.

    Gerade beendet, schon bekommt dieser Roman den deutschen Krimipreis 2019 in der Sparte International verliehen. Eine Ehrung, die diesem umfangreichen Werk wohl zusteht. Der japanische Autor entführt einen in den Moloch der japanischen Polizeiverwaltung. Wie kann das spannend sein, könnte man sich fragen. Nun, nach der Lektüre wird es keinen Zweifel mehr geben, dass sich hinter einer eher trockenen Thematik eine fesselnde Geschichte verbergen kann. Die Verwaltungsstrukturen, die inneren Zwänge, das Hadern Mikamis damit, seine Sorge um die Tochter, die ihn so Manches ertragen lässt, was er unter anderen Umständen wohl verweigern würde. An die Art, wie die Ränkespielchen innerhalb der Verwaltung dargelegt werden, mag einem zunächst etwas sperrig vorkommen, doch schon nach wenigen Kapiteln ist man gefangen genommen und die fast 800 Seiten sind wie im Flug gelesen.

    4,5 Sterne

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In Liebe, Dein Vaterland II: Der Untergang

Buchseite und Rezensionen zu 'In Liebe, Dein Vaterland II: Der Untergang' von Ryū Murakami
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "In Liebe, Dein Vaterland II: Der Untergang"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:504
EAN:9783902711809
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Rezensionen zu "In Liebe, Dein Vaterland II: Der Untergang"

  1. 5
    20. Aug 2020 

    dystopisch, satirisch, spannend

    Bis ins Jahr 1945 war die koreanische Halbinsel über 100 Jahre lang eine Kolonie Japans. Koreaner waren während dieser Zeit für die Besatzer Menschen zweiter Klasse und sind es leider bei vielen Japanern heute noch. In dem zweiteiligen Japan-Nordkorea Epos "In Liebe, dein Vaterland" von Ryū Murakami wird der Spieß umgedreht und Nordkorea ist plötzlich die Macht, die eine japanische Halbinsel besetzt und deren Bevölkerung in die Unterwerfung zwingt.
    In Anbetracht der Historie und dem schlechten Ruf, den Nordkorea in der Welt hat, wäre dies ein Schreckensszenario, das man sich durchaus vorstellen könnte, und das der Autor in seinem Zweiteiler genüsslich inszeniert hat.
    In dem ersten Teil "In Liebe, dein Vaterland I. Die Invasion", den ich vor ein paar Monaten gelesen habe, konzentriert sich die Handlung auf die unmittelbaren Anfänge der Besatzung von Fukuoka durch eine militärische Eliteeinheit Nordkoreas. Nach einem offenen Ende dieses Teils, war ich natürlich gespannt, wie die weitere Entwicklung in Fukuoka sein würde. Und wie das bei Mehrteilern so ist, fragt man sich natürlich, ob die Fortsetzung genauso gut wie der erste Teil ist. Soviel vorweg: Der 2. Teil steht dem 1. Teil in nichts nach.
    Eine nordkoreanische Militärtruppe besetzt also die japanische Halbinsel Fukuoka. Sie errichtet hier ihr Hauptquartier und bildet gleichzeitig die Vorhut für weitere 120.000 nordkoreanische Soldaten, die sich auf dem Seeweg nach Japan befinden.

    "Die Nordkoreaner schienen überhaupt sehr darauf zu achten, keine Ressentiments bei der Bevölkerung zu schüren. Nicht dass sie Waisenhäuser gestiftet, älteren Bürgern über die Straße geholfen oder Unkraut im Park gejätet hätten, doch beispielsweise achteten sie strikt darauf, ihr Lager sauber zu halten. Außerdem waren sie höflich und verstießen nie gegen die guten Sitten."

    Zu Beginn des zweiten Teils "Der Untergang" erleben wir, dass mittlerweile der Alltag in Fukuoka eingekehrt ist. Die Bevölkerung ist bemüht, sich mit den Besatzern zu arrangieren. Bis auf wenige Ausnahmen in der Bevölkerung haben die wenigsten jedoch Grund, sich über die Nordkoreaner zu beschweren, sind diese doch ausgesprochen höflich und zurückhaltend im Umgang mit den Einheimischen - vorausgesetzt, dass man nach nordkoreanischen Regeln spielt. Der Feind scheint nicht Nordkorea sondern die eigene Regierung zu sein. Denn durch den fehlgeschlagenen Versuch der Regierungsbehörden, einen versteckten Angriff auf die Besatzer zu wagen, mussten Menschen sterben, darunter viele Einheimische.
    Daraufhin wird man vorsichtig bei der Wahl der Mittel. Wer will schon Schuld am Tod der eigenen Landsleute haben? Die japanische Regierung stellt Fukuoka zunächst unter Blockade. Flug- und Schiffsverkehr sowie jeglicher Warenverkehr werden eingestellt. Da es keine Alternativen für die Bewohner der isolierten Halbinsel gibt, lassen sich die Einheimischen auf Geschäftsbeziehungen mit den nordkoreanischen Besatzern ein. Denn diese müssen die Versorgung und Unterbringung der 120.000 Soldaten organisieren, die in Kürze eintreffen werden.

    "Wieviele Handys würden sie wohl benötigen, wenn die 120.000 eintrafen. Bei der schwächelnden Wirtschaft Fukuokas würden sich eine Menge Händler die Hände reiben. 120.000 Zuwanderer würden die Nachfrage enorm steigern."

    Nicht alle Einwohner Fukuokas wollen die Besatzung der Nordkoreaner hinnehmen. Und hier begegnen mir meine persönlichen Helden aus dem ersten Teil wieder: Eine Gruppe von Aussenseitern will den Kampf gegen die feindlichen Besatzer aufnehmen, wobei die Bezeichnung "Aussenseiter" nur eine harmlose Vorstellung über diese Gruppe suggeriert. Tatsächlich handelt es sich um Soziopathen, vorwiegend in jugendlichem Alter, die durch die direkte oder indirekte Beteiligung an unvorstellbar brutalen Verbrechen und den daraus resultierenden Konsequenzen eine sehr spezielle Kindheit verbracht haben. Das Verrückte an Murakamis Darstellung der einzelnen Charaktere dieser Gruppe ist, dass man trotz der individuellen Vorgeschichten ein hohes Maß an Empathie für diese Charaktere entwickelt - zumindest für die Jüngeren unter ihnen. Dies liegt nicht nur daran, dass sie als Underdogs dem nordkoreanischen Feind die Stirn bieten wollen. Tatsächlich stellt der Autor Ryū Murakami das Menschliche dieser Charaktere in den Vordergrund. Letztendlich haben wir es hier mit jungen Menschen zu tun, die ihre Kindheit unter extrem schlechten Bedingungen verbracht haben, und die als "Problemkinder" von der Gesellschaft ins Abseits gestellt wurden. Nun haben sie sich in Fukuoka zu einer Gruppe zusammen gefunden, in der ihre persönliche Geschichte und Herkunft nur eine untergeordnete Rolle spielt. Hier steckt also hinter jedem Charakter ein Schicksal. Und genau das stellt Murakami in den Vordergrund.

    "Endlich hatten sie ein äußeres Ziel, auf das sie all die zerstörerische Energie richten konnten, die in ihnen schlummerte. Woher dieser Drang zur Zerstörung kam, war unklar, aber Mori wusste, dass alle hier davon beherrscht waren."

    Ryū Murakami schreibt nicht nur Romane, sondern er ist auch Regisseur und Drehbuch-Autor. Das merkt man diesem Buch an. Genau wie der 1. Teil ist "Der Untergang" unglaublich spannend und bietet genügend Potenzial, um einen Actiothriller daraus zu drehen. Der Sprachstil des Japaners ist dabei sehr visuell. Er lässt Bilder im Kopf des Lesers entstehen, die streckenweise sehr drastisch sind. Wie sich das für einen guten Actionstreifen gehört, knallt und scheppert es, dass es eine wahre Wonne ist. Explosionen, Schießereien, Blut und reichlich Tote und Verletzte ... hier hat Murakami alles in seinem Buch untergebracht, was das Action-Thriller-Herz begehrt.

    Dennoch sollte man nicht den Fehler begehen, diesen Roman auf Action, Mord und Totschlag zu reduzieren. Denn, genau wie der erste Teil, ist dieser Roman mehreren Genres zuzuordnen. Er ist eine anspruchsvolle Dystopie, die sich mit einer nahen Zukunft beschäftigt. Er ist Satire, die sich die japanische Gesellschaft vorknöpft und er ist Politthriller. Und auch hier gilt: Fiktion und Realität liegen sehr dicht beieinander.

    Leseempfehlung!

    © Renie

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