Der Garten der Lüste

Buchseite und Rezensionen zu 'Der Garten der Lüste' von John Vermeulen

Inhaltsangabe zu "Der Garten der Lüste"

Format:Taschenbuch
Seiten:592
Verlag:
EAN:9783257233834
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Andrin: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Andrin: Roman' von Martina Altschäfer
4.5
4.5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Andrin: Roman"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:264
Verlag:
EAN:9783947857050
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Rezensionen zu "Andrin: Roman"

  1. 4
    28. Okt 2020 

    Höchst unterhaltsam und absolut lesenswert!

    Mit Beginn der Lektüre betreten wir das Büro von Jupp, einem Verleger und erleben ein brisantes Gespräch zwischen ihm und der Ich-Erzählerin Susanne, die Schriftstellerin ist und wegen einer Schreibblockade aus einem Vertrag aussteigen möchte.

    Jupp will das mit allen Mitteln verhindern und bietet ihr großzügig an, Zeit in seinem Ferienhaus an der italienischen Mittelmeerküste zu verbringen.
    Dort soll sie sich erholen und entspannen, um ihr neuestes Projekt, das Verfassen einer geschönten Autobiografie für einen wohlhabenden Prominenten, zum Abschluss bringen zu können.
    Trotz anfänglichem Zögern und inneren Hemmnissen gibt Susanne sich schließlich geschlagen und willigt ein.
    Mit dem Zug macht sie sich auf den Weg und kommt doch nicht an ihrem eigentlichen Ziel an.

    Manchmal ist es wie verhext.
    Eine routinemäßige Inspektion eines Tunnels verhindert auf längere Zeit die Weiterfahrt und dann wird die Ersatzstrecke über den Pass auch noch wegen Steinschlag gesperrt.

    Manchmal trifft man unvernünftige und widersinnige Entscheidungen.
    Susanne entscheidet sich, zu Fuß über den Berg und zum nächsten Bahnhof zu laufen, von wo aus die Fahrt dann weitergehen kann.

    Manchmal hat man Glück.
    Als der Anstieg dann doch zu beschwerlich wird, kommt unerwartet und erfreulicherweise ein Jeep vorbei und der geschätzt 60 bis 70-jährige, Pfeife rauchende und wortkarge Fahrer Andrin nimmt Susanne mit.
    So gelangt sie zwar nicht über den Berg zum nächsten Bahnhof, aber zumindest zum nächsten Ort: nach Voglweh.

    Andrin bietet ihr für die Nacht ein Gästezimmer in seinem einsamen Haus in den Bergen an, damit sie am nächsten Tag ausgeruht weitermarschieren oder er sie mit seinem Jeep zum Bahnhof bringen kann.
    Aber aber nächsten Tag geht es nicht weiter.
    Und auch nicht am übernächsten...

    Wir lesen von doppeldottrigen Eiern, Tomaten- und Zucchinibergen, Wasser mit berauschender Wirkung, einem toten Telefonkabel, lernen Uta, Andrins eigenwillige Frau, kennen und erfahren, dass der skurrile Andrin die leckersten Gerichte zaubern kann, seitdem ein Koch, der sich auf einer einsamen Hüttenwanderung nach Voglweh verirrt hat, es ihm beigebracht hat.

    Anfangs und lange Zeit fragte ich mich, ob dieser Roman ein Psychothriller ist, aber ich recherchierte nicht und ich werde hier diesbezüglich auch nichts verraten, außer, dass die phasenweise unheilvoll-schaurig-beklemmende Stimmung im Buch, v. a. im ersten Viertel, mich mehrmals auf diesen Gedanken gebracht hat.
    Dazwischen sorgten entspannte und witzige Momente wiederum dafür, diesen Gedanken zu verwerfen.

    Mit überraschter und verblüffter Verwunderung registrierte ich, wie die beiden aktuellen Lebenswelten der Protagonistin Susanne verwoben wurden. Geschickt verzwirbelt die Autorin den „Biografiefaden“ ihres Auftraggebers mit dem „Alltagsfaden“ bei dem liebenswürdig-schrägen Pärchen Andrin und Uta in Voglweh, so dass man eigentlich eine Geschichte in der Geschichte zu lesen bekommt.

    Mir gefiel der Wechsel der Erzählperspektive, die immer von der Ich-Erzählerin Susanne ausgeht.
    Sie erzählt uns die Geschehnisse im Rückblick und manchmal streut sie künftiges Wissen ein, das sie in der Situation, auf die sie zurückblickt, noch gar nicht hatte bzw. haben konnte.
    So weiß der Leser zu bestimmten Zeitpunkten manchmal mehr, als die Protagonistin selbst und wird damit nicht allwissend, aber „mehrwissend“.
    Sie spielt mit dem Leser, denn sie verrät nie so viel, dass es langweilig wird. Im Gegenteil. Sie verrät immer so viel, dass die Neugierde angefacht wird.
    Diese Kamera-Schwenks finde ich extrem schlau, abwechslungsreich und interessant.

    Ich genoss die wunderschöne Sprache, die anschaulichen Metaphern, ausdrucksvollen Formulierungen und bildhaften und eindrücklichen Landschaftsbeschreibungen.

    Einige Beispiele möchte ich gern anführen:
    „Zu beiden Seiten des Fahrzeugs materialisierten sich von vor Nässe glänzende Sockelzonen anthrazitfarbener Felswände und verloren sich in unwägbaren Höhen. Erst hielten sie Abstand, rahmten die Fahrbahn respektvoll ein, dann kamen die Wände näher und näher, wurden aufdringlich, waren weniger als eine Armlänge, dann eine Handbreit vom Jeep entfernt, bis die Straße nur noch ein Spalt im Fels war.“ (S. 43)

    „... der Taktschlag, mit dem der Scheibenwischer das Konzert dirigierte und dabei ein Tempo anschlug, schneller als ein Sportlerherz bei maximaler Belastung.“ (S. 43)

    „Rund um den See lagen Felsbrocken, wie hingestreut, als hätten Kinder mit Murmeln gespielt und wären gegangen, ohne aufzuräumen.“ (S. 45)

    Ihr originelles und amüsantes Bild von dem „guten Willen“ musste ich mehrmals lesen, weil es mir so außerordentlich gut gefiel:
    „Kaum war der Rechner ausgeklappt und hochgefahren, schaute auch schon der gute Wille vorbei. Bedauerlicherweise war er stets in Eile. Er legte nicht einmal den Mantel ab, selbst wenn ich ihn dazu aufforderte und ihm anbot, den Sessel freizuräumen, damit er es sich bequem machen konnte. Er kam ins Zimmer, lüpfte kurz den Hut zum Gruß, um sich im nächsten Moment bereits wieder zu verabschieden.“ (S. 157)

    Der Roman unterhält, sorgt gleichzeitig für Spannung und Entspannung und hat etwas Märchenhaftes.
    Manche würden vielleicht sagen, dass einiges fragwürdig oder unrealistisch ist.
    Aber ich möchte es anders ausdrücken:
    Manches ist nicht logisch im alltäglichen Sinn, sondern märchenhaft, romantisch oder idyllisch. Einiges ist vielleicht unwahrscheinlich, aber dennoch möglich.
    Wenn man sich in die Geschichte fallen lässt, die Realitätsprüfung manchmal hintan stellt und nicht kleinlich ist, dann kann man den Plot, die Sprache und den Erzählstil in vollen Zügen genießen.

    „Andrin“ ist ein unterhaltsames und packendes Werk, dem der Humor nicht fehlt. Es liest sich leicht und flüssig.
    Aus Martina Altschäfers originellen und kreativen Einfällen ist eine Geschichte entstanden, die mir äußerst vergnügliche Lesestunden beschert hat, obwohl ich am Ende einen Kloß im Hals hatte und einige Tränen über meine Wange kullerten.

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  1. 5
    25. Sep 2020 

    Paradiesische Zustände

    Warnung! "Andrin" von Martina Altschäfer ist ein Roman, der Sehnsüchte weckt. Insbesondere, wenn man als Stadtkind durch den Alltag hetzt, dabei von Lärm, Gestank, Hektik und Stress geplagt wird und sich einfach nur nach einem Ort voll himmlischer Ruhe und Entschleunigung sehnt. In "Andrin" gibt es diesen Ort, der zu schön ist, um wahr zu sein.
    Dieser paradiesische Ort heißt Voglweh und ist gar nicht weit entfernt. Nur ein Katzensprung Richtung Italien und irgendwo in den Schweizer Alpen findet man Voglweh. Oder Voglweh findet denjenigen, der mal eine Auszeit von Stress und Alltag benötigt.
    Genau dies ist Susanne, Protagonistin dieses Romans, widerfahren.

    Susanne ist eine mehr oder weniger erfolgreiche Schriftstellerin aus der Großstadt. Sie ist "weniger erfolgreich", wenn es um die Veröffentlichung eigener Werke geht. Sie ist "mehr erfolgreich", wenn sie als Ghostwriterin Auftragsarbeiten erledigt. Insbesondere im Schreiben von Biografien zahlungskräftiger "Berühmtheiten" oder solchen, die meinen, eine zu sein, hat sich Susanne als sehr talentiert erwiesen. Doch ihr aktueller Auftrag bringt sie an ihre kreativen Grenzen. Tapetenwechsel und Auszeit müssen also her. Das meint insbesondere ihr Chef und Verleger, der keine Kosten und Mühen scheut, Susanne - eines seiner besten Pferde im Stall der Ghostwriter - auf die kreativen Sprünge zu helfen. So reist sie also mit dem Zug nach Italien. Doch auch ein Wunderwerk der Technik ist vor den Tücken der Natur nicht gefeit. Steinschlag bremst den Zug aus, woraufhin Susanne versucht, auf eigene Faust weiterzureisen. Und hier verliert sich zunächst ihre Spur für alle, die sie vermissen könnten.

    Doch der Leser begleitet sie weiter auf ihrer Reise, die plötzlich anders als verläuft als geplant.

    Und jetzt kommt der Teil, der Sehnsüchte weckt: Susanne wird von einem älteren Herrn namens Andrin am Straßenrand aufgabelt. Er nimmt sie mit nach Voglweh. Hier lebt er seit ein paar Jahren mit seiner Frau Uta. Sie sind die einzigen Bewohner dieses Ortes. Die beiden versorgen sich selbst, leben von dem, was die Natur ihnen bietet. Und die Natur meint es dabei gut mit ihnen. Ihr Lebensrythmus richtet sich nach den Jahreszeiten, ihr Tagesablauf ist einfach strukturiert: Arbeiten in der Natur oder Instandhaltung der wenigen Gebäude, die es gibt; viel Schlafen und viel Essen. Das Leben, das sie führen ist luxuriös einfach. Es scheint Ihnen an nichts zu fehlen. Zumindest gibt es nichts, was sie vermissen.
    Susanne wird zunächst als Gast angesehen, doch nach und nach entwickelt sie sich zu einem festen Bestandteil der Gemeinschaft. Sie bringt sich in die täglichen Arbeiten ein, so gut es geht. Denn als Stadtkind sind ihre viele Arbeiten fremd und müssen erlernt werden. Gleichzeitig will sie die Zeit ihres Aufenthaltes nutzen, an ihrer aktuellen Auftragsarbeit weiter zu schreiben.

    "Viele Dinge, die mich in dieser Zeit dringend hätten beschäftigen müssen, entglitten mir auf angenehme Weise, schwebten sanft wie Seifenblasen davon und schickten höchstens bei günstigstem Licht in dem verwirbelten Muster ihrer schlierigen Haut einen flüchtigen Gruß."

    Das Leben gestaltet sich als paradiesisch. Doch das Paradies wäre kein Paradies, wenn es keine Schlange gäbe - natürlich im übertragenen Sinne. Denn worin genau die Bedrohung des paradiesischen Lebens in Voglweh besteht, ist kaum greifbar. Von Naturgewalten bis hin zur Mystik, die die Handlung des Romans an die Schwelle des magischen Realismus lenkt, ist alles möglich und obliegt der Fantasie des Lesers. Die Autorin macht das an dieser Stelle sehr geschickt. Sie kreiiert ein bedrohliches Szenario, das die Handlung unterschwellig begleitet, aber niemals in den Vordergrund rückt. Dadurch erzeugt sie eine ungeheuere Spannung, so dass der Leser damit rechnet, dass die Vertreibung aus dem Paradies Voglweh kurz bevor steht. Wie diese Vertreibung aussehen könnte, und ob sie überhaupt stattfindet, bleibt jedoch bis zum Ende offen.

    Eines meiner Highlights in diesem Buch sind die täglichen gemeinsamen Abendessen der drei Protagonisten. Das mag sich im Moment banal anhören. Doch wer das erste Mal einer Mahlzeit in diesem Buch beigewohnt hat, wird definitiv verstehen, was ich meine.
    Andrin ist ein kreativer Koch, dem es gelingt, aus den Lebensmitteln, die den drei Bewohnern zur Verfügung stehen, und die sie größtenteils selbst anbauen, kulinarische Köstlichkeiten zu zaubern. Die Zubereitung der Mahlzeiten wird akribisch geschildert. Zutaten und Menüfolgen sind sehr besonders. Es geht dabei nicht allein um notwendige Nahrungsaufnahme, sondern der Genuss steht im Vordergrund. Wenn man bedenkt, dass Voglwehs Bewohner nicht viel Abwechslung im Alltag haben, scheint die Schlemmerei einen Ausgleich zu bieten. Diese Abschnitte über die gemeinsamen Essen haben dafür gesorgt, dass mir regelmäßig das Wasser im Mund zusammen gelaufen ist.

    "Die Teigtaschen, die ihre außergewöhnliche Farbe einigen Tropfen einer Rote-Bete-Reduktion verdankten, waren mit einer Steinpilzfarce gefüllt. Für die Sauce hatte er Butter zerlassen und mit dem Sud aus leicht gegorenem Fichtennadelextrakt cremig aufgeschlagen. Das Gericht, das ein Topping aus gerösteten Steinpilzbröseln krönte, schmeckte nach Wald. Der ganze Teller duftete nach Moos, nach Pilzen und Tannenzapfen, und nach der Erde, wenn nach einer langen Regennacht die Sonne morgens den Boden wieder wärmt."

    Die Appetitlichkeit dieser Momente wird sicherlich durch den Sprachstil der Autorin gefördert. Zeichnet sich dieser Stil von Beginn an durch Spritzigkeit und Lebendigkeit aus, entwickelt er in den Passagen rund ums Essen eine wahre sprachliche Schwelgerei. Die Autorin Martina Altschäfer scheint ein Genussmensch zu sein, denn selten sind Speisen und deren Herstellung mit soviel Fantasie und Poesie geschildert worden.

    Mein Fazit zu diesem Roman:
    Die Geschichte ist originell, weckt Sehnsüchte und ließ mich vom Alltagsstress in Tagträume hinabgleiten. Ich wurde also in einen literarischen Kurzurlaub geschickt und habe mich dabei prächtig erholt. Nur schade, dass auch der schönste Urlaub irgendwann vorbei ist.

    Leseempfehlung! Unbedingt!

    © Renie

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Das Geburtstagsfest: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Das Geburtstagsfest: Roman' von Judith W. Taschler
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Das Geburtstagsfest: Roman"

Format:Taschenbuch
Seiten:352
Verlag:
EAN:9783426306468
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Rezensionen zu "Das Geburtstagsfest: Roman"

  1. Vielschichtig, spannend, großartig erzählt

    „Als ihm bewusst wurde, dass es Tevi sein musste, da sie den Kopf etwas zur Seite neigte, stand er da wie angewurzelt. Ines sah in den Augen ihres Sohnes Triumph, in den Augen ihres Mannes bestürzte Hilflosigkeit und beides rührte sie so sehr, dass auch ihr die Tränen kamen.“ (Zitat Seite 27)

    Inhalt
    Kim Mey, Architekt, will seinen fünfzigsten Geburtstag nicht besonders feiern, doch seine Frau Ines sieht das anders. Ende 1978 war Kim vierzehn Jahre alt und Tevi zwölf, als sie auf abenteuerlichen Wegen als Flüchtlinge aus Kambodscha über Thailand nach Österreich kamen, wo sie von Ines‘ Mutter aufgenommen worden waren. Seit dreiundzwanzig Jahren haben sie sich nicht mehr gesehen, doch Jonas, der zwölfjährige Sohn von Kim findet Tevi und lädt sie als besonderen Überraschungsgast zum Geburtstagsfest ein. Seine beiden älteren Geschwister helfen ihm dabei – es ist das Geburtstagsgeschenk der Kinder an ihren Vater und sie sind voll Vorfreude.

    Thema und Genre
    Kernthema ist die Schreckensherrschaft der Roten Khmer in Kambodscha, Schuld und der Preis des Überlebens, Flucht, Kindheitstraumata, Liebe, Familie und ein Familiengeheimnis, das alles verändert.

    Charaktere
    Kim ist ein erfolgreicher Architekt. Seine Ehe mit Ines wurde mit den Jahren mühsam, da er ihre Erwartungen nicht immer erfüllen kann. Er war zwar noch ein Mal in Kambodscha, 1993, aber er schweigt über die Vergangenheit. Tevi dagegen spricht auf Vortragsreisen über ihre Kindheit in Kambodscha und erzählt auch Kims Kindern von dieser Zeit. Sie verbringt drei bis vier Monate des Jahres dort und ist ehrenamtlich tätig.

    Handlung und Schreibstil
    Die Geschichte wird in mehreren Handlungssträngen auf unterschiedlichen Zeitebenen erzählt. Die Jetztzeit in Österreich betrifft die Tage um Kims Geburtstagsfest zwischen 17. und 19. Juni 2016 und wird durch Abschnitte unterbrochen, die in der Vergangenheit spielen, deren zeitliche Abfolge jedoch immer in sich chronologisch bleibt. Die Zeit in Kambodscha, Siebzigerjahre, Familie Mey, wird von einem Ich-Erzähler geschildert, Kambodscha Siebzigerjahre, Familie Chhang dagegen in einer personalen Erzählform, in deren Mittelpunkt Tevi steht. Dazwischen erfahren wir auch mehr über die Kindheit von Ines, die gemeinsame Zeit von Kim, Tevi und Ines und über die Ehejahre von Kim und Ines.
    Judith Taschler ist eine großartige Erzählerin, sicher, einfühlsam und stimmig entwickelt sie ihre Geschichte aus diesen einzelnen Erzählsträngen, bis sich langsam Vergangenheit und Gegenwart zu einem Ganzen verbinden. Doch nicht immer sind die Dinge so, wie sie scheinen.

    Fazit
    Ein sehr vielschichtiger, spannender Roman um das Schicksal Kambodschas unter der Herrschaft der Roten Khmer. Parallel dazu wird das Leben von zwei inzwischen längst erwachsenen Menschen erzählt, die damals als Kinder alles verloren haben und deren Geheimnisse und Entscheidungen ihr Leben geprägt haben. Eine sehr intensive, packende Geschichte mit überraschenden Wendungen, die lange nachklingt.

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Feenstaub: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Feenstaub: Roman' von  Cornelia Travnicek
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Feenstaub: Roman"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:280
Verlag:
EAN:9783711720900
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Rezensionen zu "Feenstaub: Roman"

  1. Herzensbuch.

    Die Handlung ist simpel. In einem nicht näher bezeichneten Land, obwohl ich aufgrund der Eigennamen der Protagonisten Rumänien assoziiere, liegt eine Insel in einem Fluss. Es muss sich um eine abgelegene Flussbiegung handeln, denn dort kommt niemand hin. Meist liegt Nebel über den Bäumen. Am Ufer liegt ein Boot mit Rudern.

    Was es mit der Insel auf sich hat, will ich nicht verraten. Andere Rezensionen verraten es euch sicher, aber hier lest ihr nichts davon. Ich sage nur so viel: Die Atmosphäre stimmt.

    In fast lyrischen, kurzen Texten, die aber nichts mit Gedichten zu tun haben, vermag es Cornelia Travnicek eine Geschichte zu verdichten und fast märchenhaft zu gestalten, aber gleichzeitig so zu schreiben, dass man zu keinem Zeitpunkt im Märchenhaften abtauchen kann. Nein, kein Märchen, keine Sage, das ist Gesellschaftskritik pur. Das ist heute.

    Originell empfinde ich "Feenstaub". Gut, ich stellte eine gewisse Nähe mit Lisa Tetzners "Die schwarzen Brüder" fest. Aber wer kennt diesen Roman heute noch. Nach so langer Zeit darf man eine Idee neu formulieren.

    Menschenhandel ist leider traurige Realität in alten wie in modernen Gesellschaften. Denn darum geht es. Immer haben wir gedacht, es sei aus und vorbei damit. Aber das Böse ist eben niemals auszurotten. Das Gute aber auch nicht.

    Cornelia Traverniceks Roman „Feenstaub“ ist große Literatur. Leicht zu lesen. Große Vorstellungskraft. Wunderbare Übersetzung eines Märchens in die Gegenwart. Traurig und schön.

    Fazit: Ein Märchen, das leider keines ist. „Feenstaub“ hat im Handumdrehen mein Herz gewonnen.

    Kategorie: Belletristik in ihrer schönsten Ausgestaltung
    Verlag: Picus, 2020
    Auf der Shortlist des Österreichischen Buchpreises.

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Mutter. Chronik eines Abschieds

Buchseite und Rezensionen zu 'Mutter. Chronik eines Abschieds' von Melitta Breznik
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Mutter. Chronik eines Abschieds"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:160
Verlag:
EAN:9783630875064
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Rezensionen zu "Mutter. Chronik eines Abschieds"

  1. Abschied von der Mutter

    Melitta Breznik ist Ärztin in einem Schweizer Krankenhaus, vom Elternhaus lebt sie weit entfernt. Für ein Buchprojekt hat sie sich eine Weile vom Dienst freistellen lassen, doch dann kommt der Anruf ihrer 91-jährigen Mutter, die bislang noch weitgehend selbständig hat leben können, nun aber Hilfe braucht. Die Mutter klagt über schlimme, anhaltende Bauchschmerzen. Die Tochter reist an und sorgt für gründliche Untersuchungen im Krankenhaus. Die Diagnose ist niederschmetternd: Ein stark metastasierender Bauchspeicheldrüsenkrebs, unheilbar. Schon in Kürze wird keine Nahrungsaufnahme mehr möglich sein. Die Mutter wird zum Pflegefall.

    Die Tochter beschließt, zur Mutter zu ziehen, sie zu pflegen und beim unabwendbaren Sterbeprozess zu begleiten. Dieses kleine Buch ist ein intimes Memoir über die letzten Wochen einer Mutter-Tochter-Beziehung. Die Autorin legt sehr persönlich ihre eigene Geschichte und die ihrer Eltern offen, erzählt von der Kindheit, von der Ehe der Eltern, von den beiden Brüdern, von denen einer schon im Alter von18 Jahren verstorben ist.
    Sie analysiert das eigene Verhältnis zur Mutter, das nicht immer unbeschwert war. Als Baby war das Mädchen unerwünscht, schließlich war die Mutter bereits 41 Jahre alt und der Vater unzuverlässig. Darüber hinaus gibt es einen erlittenen Verlust, über den sie gern noch mit der alten Frau sprechen möchte.

    Daneben beschreibt das Buch die Krankheit, die Schmerztherapie, die langsamen Veränderungen des Körpers, die Höhen und Tiefen im Alltag mit einem schwerkranken Menschen. Wachphasen wechseln mit Schlafphasen ab. Letztere werden länger, die Mutter zieht sich aus dem Leben zurück. „Der Tod braucht Zeit, er duldet keine Eile, er duldet nichts anderes neben sich.“ (Epub S. 64)

    Auch für die Tochter bedeutet der Dienst rund um die Uhr eine große Belastung. Anfangs wird sie noch stundenweise vom Bruder oder einer Nachbarin vertreten, später möchte die Kranke nur noch die Tochter in der Nähe haben, wehrt sich gegen eine entlastende Pflegerin. Diese Situation macht dünnhäutig und fordert enorm. Die Tochter ist nächste Angehörige, Pflegerin und Ärztin in einer Person – es ist bewundernswert, wie sie die Herausforderung annimmt, lediglich telefonisch assistiert von der Hausärztin und befreundeten Studienkollegen. „Die Minuten dehnen sich und doch erscheinen die vergehenden Stunden kurz, eine Zeit, die nirgends beginnt und nirgends endet. Ich kann dann einfach eine Weile dasitzen und nichts tun, fühle eine Gelassenheit dem Leben gegenüber und bin dankbar.“ (Epub S. 74)

    Dieses Buch ist in einer warmherzigen, sensiblen Sprache verfasst, die die wechselhaften Emotionen und Erinnerungen stets auf den Punkt bringen. Die beiden Frauen teilen noch manch schönen Moment miteinander, sie freuen sich an der Natur, an Musik und alten Geschichten. Sie können sich verabschieden. Der Tochter wird klar, dass sie mit der Mutter den bedingungslosen Rückhalt der Herkunftsfamilie verlieren wird. „Wer wird an meinem Bett sitzen?“, fragt sie sich, gerade weil sie selbst keine Kinder hat.

    Melitta Breznik gelingt es, ihrer Mutter den Tod in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen. Dafür hat sie ihr eigenes Leben rund zwei Monate völlig hintenan gestellt. Sie konnte der Mutter einen letzten Liebesdienst erweisen, sie hat das Sterben aushalten können. Das ist heute nicht selbstverständlich in einer Welt, die das Lebensende gerne wegschiebt und ausklammert.

    Diese Chronik des Abschieds ist ein wichtiges, ein sehr zeitloses Buch. Viel wird über Geburt und Leben geschrieben, über den Tod nur selten. Melitta Breznik hat hier ein Buch verfasst, das Hilfestellung geben und trösten kann. Die Bilder bei jedem Krebstod ähneln sich. Es ist ein Buch der leisen Töne. Die Sätze sind feinfühlig, intensiv, harmonisch, jedoch ohne Pathos und Gefühlsduselei. Es ist kein trauriges Buch, aber es macht nachdenklich. Der Erzählstil hat mich begeistert. Die Autorin hat sehr viel von ihren eigenen Erfahrungen preisgegeben und öffentlich gemacht. Dafür ist ihr zu danken.

    „Mutter. Chronik eines Abschieds“ ist ein sehr liebevolles, intimes Portrait vom Abschiednehmen zweier Menschen, die bei aller Nähe und Verbundenheit auch schwierige Zeiten miteinander erlebt haben. Es ist absolut ehrlich und ungeschönt. Es steht berechtigt auf der Longlist zum österreichischen Buchpreis 2020. Unbedingt lesen!

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Silver Crown - Forbidden Royals

Buchseite und Rezensionen zu 'Silver Crown - Forbidden Royals' von Julie Johnson
4.5
4.5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Silver Crown - Forbidden Royals"

Format:Broschiert
Seiten:304
Verlag:
EAN:9783736313033
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Rezensionen zu "Silver Crown - Forbidden Royals"

  1. 5
    11. Sep 2020 

    "Plötzlich Prinzessin" für Erwachsene

    Inhalt: „Silver Crown“ ist der erste Band der „Forbidden Royals“-Triologie von Julie Johnson. Er ist am 28.08.2020 bei LYX erschienen.
    Emilia Lancaster genießt ihr Leben als Studentin. Eines Tages ändert der Tod des Königs alles. Sie hat versucht die royale Familienseite zu vergessen. Immerhin hat ihr Vater nie Kontakt zu ihr gewollt. Ihre Mutter hat sie alleine großgezogen. Als ihr Vater zum neuen König gekrönt werden soll, muss sie an seiner Seite den Platz der Kronprinzessin einnehmen. Immerhin ist sie sein einziges leibliche Kind. Was für andere ein Traum ist, ist für sie der reinste Albtraum. Sie wollte nie die Prinzessin sein. Nicht alle Menschen sind davon begeistert, dass es eine rechtmäßige Erbin gibt und somit die Monarchie weiter erhalten bleibt. Emilia muss sich nun an ihren neuen Status und Familie gewöhnen. Sie merkt schnell, dass es viele Intrigen und Machtspielchen gibt. Besonders ihr neuer Stiefbruder und sie haben keinen besonders guten Anfang und trotzdem fühlt sie sich zu ihm hingezogen...

    Meinung: Das Cover finde ich schön, wenn auch ein bisschen blass. Es passt zu einer Prinzesinnengeschichte. Der Titel passt perfekt. Ich denke, dazu muss ich nicht mehr erklären. Übersetzt wurde die Geschichte von Anika Klüver. Von der Autorin habe ich schon mal ein Buch gelesen, das mir eher mittelmäßig gefallen hat. Bei diesem Buch hat mir der Schreibstil sehr viel besser gefallen. Ich bin quasi durch die Geschichte geflogen. Der Plot hat mich einfach mitgerissen und der Schreibstil ließ sich diesmal flüssiger lesen. Im Gegensatz zu ihrem anderen Buch habe ich diesmal überhaupt nicht das Gefühl als würde eine Szene unnötig lange dauern. Ich war die ganze Zeit über neugierig wie es wohl weitergehen würde. Das komplette Buch wird aus Emilias Sicht geschrieben. Das finde ich in diesem Fall gut gewählt, obwohl ich eigentlich immer gerne aus beiden Sichten lese. In diesem Band liegt der Schwerpunkt nicht auf der Liebe. Das sollte einem vielleicht bewusst sein, bevor man das Buch liest. Man begleitet Emilia von dem Moment an, als sie erfährt, dass der König gestorben ist. Man bekommt mit, wie sie zur Prinzessin wird und wie sie sich in ihr neues Leben einlebt. Gerade das fand ich interessant. Man überlegt die ganze Zeit, ob es eine Verschwörung gibt und wer wohl dahinter steckt. Man merkt, wie Emilia sich entwickelt. Ihre Familie und Freunde finde ich interessant. Bei ihrem Vater bin ich hin und hergerissen und kann mich immer noch nicht so wirklich entscheiden, was ich denn nun von ihm halten soll. Bei seiner Frau und gleichzeitig Emilias neuer Stiefmutter weiß ich jetzt schon, dass ich sie nicht leiden kann. Sie ist ein intrigantes Miststück. Ich bin auf ihre weiteren Machenschaften gespannt und bin neugierig wie Emilia mit ihr umgehen wird. Emilias Stiefschwester finde ich einfach nur großartig. Sie ist so eine offene Person und einzigartig. Dank ihr musste ich einige male grinsen. Ihr Bruder ist eher das Gegenteil. Bisher habe ich ihn noch nicht ganz durchschaut. Er ist ein Badboy. Man merkt auch jetzt schon seine weiche Seite, weswegen ich gespannt bin, wie er sich noch entwickeln wird. Bisher würde ich sagen, passt das zwischen Emilia und ihm sehr gut. Ich hoffe, dass ihre Beziehung noch etwas tiefgründiger wird. Auch bin ich gespannt, wie sich die Beziehung mit ihrem besten Freund weiter entwickeln wird. Immerhin gab es in diesem Band einige Vorfälle.

    Fazit: Gelungener Reihenauftakt! Wer nach einer neuen Prinzessinengeschichte sucht ist hier genau richtig! Hier geht es um Macht, Intrigen, Familienproblemen und auch ein bisschen um Liebe. Es ist ein bisschen wie „Plötzlich Prinzessin“ für Erwachsene. Der zweite Teil „Golden Throne“ erscheint am 27.11.2020 bei LYX und ich kann es kaum erwarten!

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  1. Ein gelungener Auftakt und Vorarbeit für die Folgebände

    Einmal Prinzessin sein und im Rampenlicht stehen… welches Mädchen wünscht sich das nicht? Emilia möchte alles, aber definitiv keine Prinzessin sein…
    In „Silver Crown“ von Julie Johnson geht es um die junge Emilia Lancaster, die alleine bei ihrer Mutter in bürgerlichen Verhältnissen aufgewachsen ist. Gemeinsam mit ihrem besten Freund Owen lebt sie ein normales Teenager Leben, bis es eines Tages zu einem tödlichen Unfall im Königshaus kommt, der Emilias Leben für immer verändert. Plötzlich findet sie sich als einzige Thronerbin im Palast wieder und wir mit allerhand Intrigen und Verpflichtungen konfrontiert – eine Rolle die sie nie wollte und immer verabscheut hat. Zudem ist bislang ungeklärt, wie es zu dem tragischen Unfall im Königshaus gekommen ist und ob nicht doch mehr dahintersteckt. Als wäre das noch nicht genug, hat sie plötzlich auch noch einen heißen Stiefbruder Carter, der ihr immer wieder im Kopf herumspukt…
    Das Cover ist schlicht in weiß und Silber gehalten und für mein ästhetisches empfinden wirklich ansprechend. Das Buch selber wirkt in real sogar ein bisschen rosa. So oder so, ein wirklich schönes und passendes Cover.
    Julie Johnsons Schreibstil ist echt klasse. Man suchtet die Seiten nur so weg und man kommt super in die Geschichte rein. Insbesondere das knistern zwischen Carter und Emilia ist extrem gut beschrieben. Ich habe bei vielen Szenen die Verzweiflung der beiden, über die unmögliche Situation in der sie sich befinden, richtig spüren können. Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir eine Szene, wo Carter Emilia einen Song vorspielt – diesen habe ich mir danach bei Youtube angehört und seitdem einen echten Ohrwurm. Mal ganz davon abgesehen, dass die Playlist der beiden im Buch abgedruckt ist und ich diese sehr empfehlen kann, fand ich die Idee einfach mega süß. Aber lest ruhig selber, denn ich möchte nicht zu viel verraten.
    Emilia ist ein echt toller Charakter. Neben ihrem Liebeschaos mit Carter muss sie sich auch noch mit einem eifersüchtigen Besten Freund, einer bösen Stiefmutter, politischen Intrigen und vielen weiteren Problemen rumschlagen. Dabei bleibt Emilia stark und schlagfertig – eine echte Powerfrau. Insbesondere die Dialoge habe ich in „Silver Crown“ zu schätzen gewusst. Nicht nur zwischen Emilia und Carter sondern auch zwischen den anderen Charakteren, wie z.B. Stiefschwester Chloe oder Vater Linus. Julie Johnson hat das Talent die richtigen Worte zu finden.
    Einen Stern Abzug gibt es von mir, weil ich im Laufe des ersten Bandes ab und an den Eindruck hatte einen langen Prolog für die Folgebände zu lesen. Damit möchte ich keineswegs sagen, dass mir langweilig war, denn das war mir zu keinem Zeitpunkt. Ich wusste aber schon während des Lesens, dass sich die Probleme und Rätsel des ersten Bandes nicht auflösen, sondern noch verkomplizieren werden. Da hätte ich mir vielleicht ein paar kleine Lichtblicke gewünscht.
    Ich kann das Buch dennoch sehr empfehlen und werde definitiv die Folgebände lesen.

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Was man sät: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Was man sät: Roman' von Marieke Lucas Rijneveld

Inhaltsangabe zu "Was man sät: Roman"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:317
Verlag:
EAN:9783518428979
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Hamster im hinteren Stromgebiet

Buchseite und Rezensionen zu 'Hamster im hinteren Stromgebiet' von Joachim Meyerhoff
4.5
4.5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Hamster im hinteren Stromgebiet"

Was passiert, wenn man durch einen gesundheitlichen Einbruch auf einen Schlag aus dem prallen Leben gerissen wird? Kann das Erzählen von Geschichten zur Rettung beitragen? Und kann Komik heilen? Nachdem der Erzähler Joachim Meyerhoff aus so unterschiedlichen Lebenswelten berichtet hat wie einem Schüleraustausch in Laramie, Amerika, dem Aufwachsen auf einem Psychiatriegelände, der Schauspielschule und den liebesverwirrten Jahren in der Provinz, gerät der inzwischen Fünfzigjährige in ein Drama unerwarteter Art. Er wird als Notfall auf eine Intensivstation eingeliefert. Er, der sich immer durch körperliche Verausgabung zum Glühen brachte, die »blonde Bombe«, für die Selbstdetonationen ein Lebenselixier waren, liegt jählings an Apparaturen angeschlossen in einem Krankenhausbett in der Wiener Peripherie. Doch so existenziell die Situation auch sein mag, sie ist zugleich auch voller absurder Begebenheiten und Begegnungen. Der Krankenhausaufenthalt wird zu einer Zeit voller Geschichten und zu einer Zeit mit den Menschen, die dem Erzähler am nächsten stehen. Er begegnet außerdem so bedauernswerten wie gewöhnungsbedürftigen Mitpatienten, einer beeindruckenden Neurologin und sogar wilden Hamstern. Als er das Krankenhaus wieder verlassen kann, ist nichts mehr, wie es einmal war. Joachim Meyerhoff zieht alle literarischen Register und erzählt mit unvergleichlicher Tragikomik gegen die Unwägbarkeiten der Existenz an.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:320
Verlag:
EAN:9783462000245
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Rezensionen zu "Hamster im hinteren Stromgebiet"

  1. Zeit ist Hirn

    Joachim Meyerhoff sitzt gerade mit seiner Tochter zusammen, als er einen Schlaganfall erleidet. Er kommt ins Krankenhaus, wo er 9 Tage erst auf der Intensivstation und dann auf der normalen Station bleiben muss. Diese 9 Tage begleitet der Leser nun Meyerhoff durch seine Erlebnisse und Gedanken.

    Ich muss gestehen, ich hatte vorher noch kein Buch von ihm gelesen, bin aber durch mehrere Interviews immer wieder auf das Buch gestoßen worden. Da auch in meiner Umgebung eigentlich durchgehend positiv über das Buch gesprochen wurde, dachte ich mir, ich gebe dem Ganzen mal eine Chance.

    Ich bin nicht enttäuscht worden. Das Buch liest sich angenehm, ich musste bei manchen Szenen auch lauthals lachen. Meyerhoffs Humor liegt doch auf meiner Wellenlänge.

    Trotzdem gab es auch Dinge, die mich im Nachhinein gestört haben. Die herablassende Einschätzung der Mitpatienten auf der Intensiv gehört dazu. Da merkt man, dass er doch sehr stolz darauf ist, intellektuell (vermeintlich) über den anderen zu stehen. Und auch, ob man wirklich 9 Tage nach einem Schlagerl so einfach aus dem Krankenhaus geworfen wird, erschien mir doch ein wenig fragwürdig. Und auch, warum er nachts panische Angst vor dem Einschlafen hat und tagsüber dann die ganze Zeit schläft, ohne etwas dabei zu finden.

    Gut gefallen haben mir aber besonders gut die Rückblicke auf den Urlaub mit dem Bruder und die Reisen mit Freundin und einem Kumpel. Hier merkt man die enge Verbundenheit, besonders die zu seinem Bruder.

    Alles in allem fand ich das Buch gut zu lesen, die Sprache ist sehr eindringlich und lässt auch nach dem Lesen nicht los. Ich werde mir die anderen 4 Bücher auch noch mal auf den Merkzettel setzen, Ich denke auch die werden mich sicher noch interessieren.

    Von mir daher eine Leseempfehlung

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  1. Unterhaltsam und berührend

    Wenn man schon das ein oder andere Buch des Autors gelesen hat, fühlt sich dieses hier ein bisschen an wie Nachhausekommen. Man klappt es auf und ist direkt wieder drin. Da ist er wieder, dieser unnachahmliche Erzählton und auch diese Welt, in die man schon einmal hineinblicken durfte, die zufällig das ereignisreiche Leben des Autors und somit speziell und sehr persönlich ist.

    Diesmal wird es sogar erschütternd persönlich. Joachim Meyerhoff erzählt, wie er mit 51 Jahren einen Schlaganfall bekam, ihn er- und überlebte. - Es kann noch nicht sehr lange her sein. Alles Gute!

    Das ist eine einschneidende Erfahrung, plötzlich, ohne Vorwarnung, wird man mitten aus dem Leben gerissen und ist eigentlich zu jung und zu gesund, um je diese Möglichkeit in Betracht gezogen zu haben. So eine Situation bringt einen zum Nachdenken und jemand wie Herr Meyerhoff macht das gründlich. Neben dem tragikomischen Bericht über seine Zeit im Krankenhaus, erinnert er sich an viele Episoden aus seinem Leben, teils um sein angeschlagenes Gehirn zu trainieren, teils aber auch um sich zu besinnen, was wirklich wichtig ist. Er erzählt liebevoll von seiner Familie und schließt nebenher auch ein klein wenig diese entsetzliche Lücke von etwa 30 Jahren seines Lebens, die wir verpasst haben.

    Offen, schonungslos ehrlich, mit einer gewaltigen Portion köstlichstem Galgenhumor und sagenhafter Eloquenz bewältigt der Autor eine dramatische Lebenskrise und lässt uns daran teilhaben. Ich bin berührt und beeindruckt.

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Die Jagd nach dem Blau: Roman (Edition Blau)

Buchseite und Rezensionen zu 'Die Jagd nach dem Blau: Roman (Edition Blau)' von  Romain Gary
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Die Jagd nach dem Blau: Roman (Edition Blau)"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:376
EAN:9783858698285
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Rezensionen zu "Die Jagd nach dem Blau: Roman (Edition Blau)"

  1. 5
    27. Aug 2020 

    Brillant!!!

    Der Bauernjunge mit dem brillanten Gedächtnis und die „Drama-Queen“ aus adeligem Hause.

    Es geht in diesem wunderbaren Roman um Liebe, Freundschaft, Solidarität, Loyalität, Rivalität, Menschlichkeit und Unmenschlichkeit vor dem Hintergrund unterschiedlicher Lebensrealitäten zur Zeit der deutschen Besatzung in der Normandie während des zweiten Weltkrieges.

    Zu Beginn dieses 376-seitigen Romans, der erstmals 1980 erschien, berichtet uns der Ich-Erzähler Ludo von dem nur spärlich besuchten Museum in Cléry, einem abgelegenen Dorf in der Normandie, das seinem bereits verstorbenen Onkel Ambroise Fleury und dessen Papierdrachen gewidmet ist, die alle einen liebevoll ausgewählten Namen tragen, oft Personen aus der französischen Geschichte darstellen und einst dem Blau des Himmels hinterher jagten.

    Ambroise Fleury war ein warmherziger, friedliebender und heiterer Landbriefträger, der in seiner Freizeit mit Leidenschaft diese unterschiedlichsten und originellen Flugobjekte baute und der von Einheimischen und Besuchern sowohl augenzwinkernd als auch mit einer Mischung aus Ernst, Spott und Gehässigkeit, als „leicht durchgeknallt“ (S. 8) bezeichnet wurde.

    Bei ihm wuchs der Ich-Erzähler Ludo auf, nachdem sein Vater im ersten Weltkrieg gefallen und seine Mutter kurz danach gestorben war.

    Wie alle Fleurys ist Ludo mit einem erstaunlichen, bewunderns- und beneidenswerten Gedächtnis ausgestattet.
    Kaum vernommen oder gelesen, schon sind die Informationen abgespeichert und abrufbar.
    Darüber hinaus hat Ludo ein besonderes Rechentalent.

    Wir begegnen in diesem Roman neben einigen anderen äußerst interessanten Figuren, zwei ungewöhnlichen und aus der Masse durch besondere Begabungen und Beschäftigungen hervorstechenden Sonderlingen, die durch eine gewisse Weltfremdheit glänzen: Ludo und seinem Onkel Ambroise

    Eines Tages im Juni 1932 taucht im Wald bei La Motte, einem Örtchen in der Nähe von Cléry, ein forsches, fesches und hochnäsiges blondes Mädchen mit Strohhut auf und isst wie selbstverständlich die vom fast 10-jährigen Ludo gepflückten Walderdbeeren auf.
    Ludo fängt sofort Feuer für diese rätselhafte Erscheinung, aber nach dieser Begegnung verschwindet sie spurlos und er verfällt in quälendes Warten.

    Quälend?
    Nach nur einer Begegnung?
    Ja!

    Denn aufgrund seines außerordentlich guten Gedächtnisses kann er nicht vergessen…weder Emotionen noch Inhalte.

    Im weiteren Verlauf erfahren wir, dass Ludo bereits mit 14 Jahren sein Abitur und nebenbei die Buchhaltung für ein benachbartes renommiertes Lokal gemacht hat, dass er herausfindet, dass es sich bei der schönen Unbekannten um die Polin Elisabeth de Bronicki, genannt Lila, handelt, deren adelige und reiche Eltern in der Nähe von La Motte einen Sommersitz in einem beeindruckenden Herrenhaus haben und dass ebendieses Mädchen, das eine lebhafte Fantasie und ein vorlautes Mundwerk hat, vier Jahre später wieder auftaucht und Ludo auf diesen noblen Sommersitz ihrer außergewöhnlichen Familie einlädt.

    Ludo kommt in einem denkbar unpassenden und dramatischen Moment an und wird von den Eltern des Mädchens desinteressiert und herablassend empfangen.
    Von Bruno, dem klavierspielenden und in anderen Sphären schwebenden 16-jährigen Adoptivbruder wird er ignoriert und von ihrem ebenfalls 16-jährigen leiblichen Bruder Tad wird Ludo freundlich begrüßt und ... gewarnt.
    Er solle lieber das Weite suchen.
    Ludo ist verwirrt, aufgewühlt, emotional hin- und hergerissen und ratlos...

    Lila verdreht Ludo den Kopf und der naive Ludo, der blind vor Liebe zu ihr und oft nicht weit entfernt vom Liebeswahn ist, nimmt sich vor, über sich hinauszuwachsen, um sie zu erobern.

    Eines Tages wird Ludo unerwartet und aus unerklärlichen Gründen von einem ihm unbekannten Jungen mit langen blonden Haaren angegriffen.

    Im weiteren Verlauf tätigt Ludo, der Junge aus einfachen Verhältnissen, den Schritt in die elegante und schillernde Welt der Bronickis.
    „Der Neffe des berühmten Ambroise Fleury“ (S.56) bewegt sich nun regelmäßig in der feinen Gesellschaft, in der er sich nachvollziehbarer Weise nicht so ganz zu Hause fühlt.

    Bei einem seiner Besuche auf dem luxuriösen Anwesen der Familie seiner theatralischen Freundin Lila, „die am liebsten von sich selbst träumt“, stellt sich dann nicht nur heraus, dass der mysteriöse Angreifer ihr förmlicher und arroganter 14-jähriger Cousin Hans ist, der ihr ebenfalls verfallen ist, sondern wird Ludo gedrängt, seine Fähigkeiten als „mathematisches Wunderkind“ (S. 64) vor Publikum unter Beweis zu stellen.

    Diese gelungene Aufführung des Rechengenies beeindruckt Lilas Vater Stas Bronicki, Finanzgenie, Spekulant und Spieler, zutiefst und er bietet an, Ludo und seine Zukunft (aus nicht ganz uneigennützigen Gründen) zu fördern.

    Die Geschichte nimmt ihren Lauf, wird immer intensiver und spannender.
    Wir lesen von Ludos Besuch auf dem Schloss der Bronickis in Polen, von einem dritten Verehrer Lilas, vom Vorabend und Beginn des zweiten Weltkriegs, davon, wie Ludo mit der hellsichtigen und gewieften jüdischen „Puffmutter“ Madame Julie ins Geschäft kommt, wie sich die Résistance formiert und wie Ludo und Lila getrennt werden.
    Für immer?
    Das und alles andere werde ich natürlich nicht verraten…

    Über der Geschichte, die rückblickend aus der Sicht Ludos erzählt wird, liegt v. a. zu Beginn ein Touch von märchenhafter Erzählweise und bezaubernder Sprache.
    Durchgehend überraschen uns poetische Formulierungen sowie eine ausgefeilter Sprache.
    Im Verlauf verliert sich das Märchenhafte.
    Die Sprache wird dem Zeitgeschehen angemessen nüchterner, klarer und realistischer.

    Bezüglich des sprachlichen Ausdrucks von Romain Gary kam mir immer wieder der englische Begriff „sophisticated“ in den Sinn, für dessen Bedeutung mir jedoch leider kein wirklich treffender und passender deutscher Begriff einfällt. Es geht in Richtung „anspruchsvoll“ und „raffiniert“, hat aber auch etwas von „gestelzt“...

    Immer wieder wird der Leser mit wunderschönen poetischen Phrasen überrascht, wie z. B.
    „Ich wollte irgendetwas sagen, denn man muss immer Zuflucht in Worten suchen, um das Schweigen daran zu hindern, allzu laut zu werden...“ (S. 115)

    „Mein Gedächtnis erfasste jeden Augenblick, legte ihn beiseite; bei uns nennt man das „Sparstrumpf“, und was da drin war, reichte für mein ganzes Leben.“ (S. 148)

    „Niemand hatte jemals drei Männer gesehen, die stummer über Dinge schwiegen, die sie sich zu sagen hatten.“ (S. 191)

    Dass die Drachen und deren „Jagd nach dem Blau“ immer wieder in ihrer Symbolik aufgegriffen werden oder Assoziationen hervorrufen, gefällt mir: Höhenflüge machen, Träume haben, sich im Zaum halten, auf dem Boden bleiben, die Leine locker lassen, etwas hinterher jagen oder die Zügel straffen...

    Scharfzüngige, sarkastische und witzige Formulierungen, die einem auf der Zunge zergehen, machen das Werk zu einem Lesevergnügen.

    Die Personen werden in ihrer Komplexität und Vielschichtigkeit gezeichnet. Uns begegnen völlig unterschiedliche Charaktere, wobei ein jeder für sich in all seiner Komplexität und Vielschichtigkeit gezeichnet wird.

    Die gespannte, ungewisse und bedrohliche Atmosphäre im Vorfeld des Zweiten Weltkrieges und während der Jahre des Schreckens wird wunderbar vermittelt.
    Ebenso die Gefühlswelt von Ludo, das Getriebene und Suchende von Lila, das Resignative und Künstlerische von Bruno, das angestaubt, unzeitgemäß und selbstgefällig Wirkende von Hans, das Scharfsichtige und Kluge von Tad und das Knistern der Rivalität zwischen den drei jungen Männern.

    Man sollte sich meines Erachtens Zeit nehmen und den Roman aufmerksam lesen, damit einem nichts entgeht.
    Weder die schöne Sprache, noch die bildhaften Beschreibungen oder die authentische Atmosphäre.

    Es ist kein Roman, den man en passant oder, müde vom Tag, kurz vor dem Schlafen lesen kann, weil die Sprache gleichermaßen gehaltvoll wie anspruchsvoll und das Buch, das trotz der Schwere seiner Thematik ein Plädoyer für Mut, Zuversicht, Durchhaltevermögen, Loyalität und Solidarität ist, kein ganz einfach und nebenbei zu lesender Unterhaltungsroman ist.

    Das Eintauchen in diese andere Zeit und Welt und das Kennenlernen dieser völlig unterschiedlichen und wunderbar sezierten Charaktere, die sich im Verlauf des Romans verändern und entwickeln, war berührend, bewegend, herzerwärmend und erschütternd und bereitete mir neben Momenten des Nachdenkens und Erschauderns auch viel Vergnügen und Genuss.

    Sehr gelungen und bereichernd fand ich, dass wahre historische Gestalten und Ereignisse, wie z. B. Ilse Koch, das Stauffenberg-Attentat und das Dorf Le Chambon-sur-Lignon, ein Örtchen in den Cevennen, dessen Bewohner mit vereinten Kräften jüdische Menschen gerettet haben, erwähnt wurden und eindrucksvoll war für mich, den zweiten Weltkrieg durch die Brille der französischen Widerstandsbewegung, der Résistance, zu erleben.

    Realität eingebettet in Fiktion.
    Schwere eingebettet in Poesie.
    Dramatik und Tragik neben Hoffnung und Leichtigkeit.

    Sehr Lesenswert!
    Unbedingte Empfehlung!

    https://lieslos.blog/

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Das Leben ist ein wilder Garten: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Das Leben ist ein wilder Garten: Roman' von Roland Buti
3.15
3.2 von 5 (6 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Das Leben ist ein wilder Garten: Roman"

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:176
Verlag:
EAN:9783552059993
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Rezensionen zu "Das Leben ist ein wilder Garten: Roman"

  1. wundervolle Poesie - aber was will sie mitteilen?

    Das Leben des Gärtner Carlos gerät in Aufruhr: Die Frau hat ihn verlassen, die Tochter studiert auswärts. Agon, sein Hilfsgärtner aus dem Kosovo, eine sensible Seele in einem massigen Körper, wird aus heiterem Himmel zusammengeschlagen. Und dann ist plötzlich Carlos demente Mutter verschwunden. Von seiner Frau verlassen und auch die Tochter ist auswärts, unterstützt ihn nur sein Mitarbeiter Agon bei der Suche. Dabei kommt er in einem Grandhotel am Berg der Vergangenheit seiner Mutter während des Zweiten Weltkriegs auf die Spur.

    Fazit:
    Die Geschichte von Gärtner Carlos wird in ausgesprochen poetischen Worten gelesen - da schlägt mein Literaturherz gleich höher. Sehr schön und flüssig zu lesen.
    Inhaltlich konnte mich die Geschichte nicht ganz überzeugen.
    Es wird sehr viel erzählt - man hat das Gefühl, der rote Faden geht verloren, und das was der Autor eigentlich erzählen möchte, kommt beim Leser nicht an.
    Das Leben des Gärtner Carlos gerät in Aufruhr: Die Frau hat ihn verlassen, die Tochter studiert auswärts. Agon, sein Hilfsgärtner aus dem Kosovo, eine sensible Seele in einem massigen Körper, wird aus heiterem Himmel zusammengeschlagen. Und dann ist plötzlich Carlos demente Mutter verschwunden. Von seiner Frau verlassen und auch die Tochter ist auswärts, unterstützt ihn nur sein Mitarbeiter Agon bei der Suche. Dabei kommt er in einem Grandhotel am Berg der Vergangenheit seiner Mutter während des Zweiten Weltkriegs auf die Spur.

    Fazit:
    Die Geschichte von Gärtner Carlos wird in ausgesprochen poetischen Worten gelesen - da schlägt mein Literaturherz gleich höher. Sehr schön und flüssig zu lesen.
    Inhaltlich konnte mich die Geschichte nicht ganz überzeugen.
    Es wird sehr viel erzählt - man hat das Gefühl, der rote Faden geht verloren, und das was der Autor eigentlich erzählen möchte, kommt beim Leser nicht an.

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  1. 3
    24. Aug 2020 

    Ein wenig Aufregung in einem wenig bewegten Leben

    Carlo, ein Landschaftsgärtner in der Schweiz, führt ein wenig bewegtes Leben. Aufregung scheint ihm fremd – bis eines Tages seine Mutter verschwindet und er sich auf die Suche nach ihr macht.
    Ich bin sehr gerne Carlos Gedankengängen gefolgt und fand seine Sichtweise auf seine Umgebung und die Menschen in seiner Nähe oft sehr erfrischend und auch nie langweilig. Die Rückblicke auf die Beziehung zu seiner Frau stimmten meist traurig und auch insgesamt vermitteln seine Gedanken doch eher eine melancholische Stimmung. Obwohl er eigentlich fest im Leben steht, hatte ich manchmal den Eindruck, dass er sich etwas verloren durch die Welt bewegt.
    Die Geschichte um seine Mutter – ihre ihm bisher unbekannte Vergangenheit – fand ich von der Grundidee spannend, aber mir fehlte da doch etwas mehr Substanz. Ich hätte gerne mehr darüber erfahren und fand es etwas schade, dass seine Mutter und ihre Geschichte nicht etwas mehr Platz eingenommen haben. Interessanter war dann eigentlich doch seine – ungläubige – Reaktion darauf.
    Gefühlt mehr Platz hat dann die Geschichte um seinen Mitarbeiter, Agon, eingenommen. Da dieser ein sehr besonderer Charakter und außerdem auch sehr präsent ist, war das auch passend. Als die Sprache auf dessen Vergangenheit kommt, wird diese jedoch auch sehr kurz abgehandelt, was ich wiederum schade fand.
    Möglicherweise ist das „Nicht-tiefer-Gehen“ ja gewollt, aber mir hat doch etwas gefehlt. Insgesamt habe ich das Buch gerne gelesen, aber die Geschichte um Carlo hatte leider für mich nicht das Potenzial, mir länger im Gedächtnis zu bleiben.

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  1. Vom Verschwinden des Gärtners

    Der Landschaftsgärtner Carlo Weiss ist Mitte 40, seine Frau Ana hat ihn vor geraumer Zeit verlassen, seine Tochter Mina studiert im Ausland, sein Angestellter Agon landet nach einem tätlichen Angriff im Krankenhaus. Dann bekommt Carlo einen Anruf aus dem Pflegeheim, in dem seine Mutter Pia untergebracht ist. Die demente Frau ist verschwunden. Carlo spürt sie auf im Hotel Grand National, einem Luxushotel bei Montreux, mit dem Pia durch nostalgische Erinnerungen ihrer Jungend verbunden ist.
    „Das Leben ist ein wilder Garten“ des französisch Schweizer Schriftstellers Roland Buti ist ein sehr wehmütiger Roman über die Brüchigkeit irdischer Existenz. Es sind schöne Bilder, die Buti mit seiner Sprache formt.
    Carlo verbringt seinen Alltag mit Arbeit, die ihn zu erfüllen scheint. Er ist einsam, die Lücken, die entstanden sind, als seine Tochter und kurz darauf auch seine Frau Ana aus der Wohnung auszogen, kann er jedoch nicht füllen. Carlo ist lethargisch und farblos. Die Gespräche mit seiner Mutter scheinen ihm peinlich und langweilig zu sein. Bei den wenigen Begegnungen mit Ana lebt die sexuelle Komponente ihrer früheren Beziehung wieder auf, die trotz der körperlichen Nähe immer auf Distanz bleibt.
    Carlos Hilfsgärtner Agon ist Exilkosovare und ist für mich eindeutig der interessantere Charakter. Vor dem Bürgerkrieg war Agon Französischlehrer. Er ist in der französischen Literatur belesen, liebt seinen Schrebergarten. In dem „Schrank von einem Kerl“ steckt ein zuweilen kindliches Gemüt, glaubt an die Legenden seiner Heimat und steckt voller Überraschungen.
    „Gärten sind sozialistisch, die Natur ist kapitalistisch.“
    In der geschützten Welt des Gartens bleibt nichts dem Zufall überlassen, während die Natur der Unordnung und dem Triumph des Stärksten Vorschub leistet.
    „Ein Garten überlebt das Verschwinden des Gärtners nicht.“
    Carlos Mutter Pia zieht sich in die Erinnerungen ihrer Jugend zurück, entrückt in eine Abwesenheit von der Welt, nimmt „Urlaub von sich selbst“.
    Im Grand National offenbart sich für Carlo einen Lebensabschnitt seiner Mutter, von dem er nichts ahnte.
    „Mama hatte eine Existenz vor mir gehabt, und nachher lebte sie ihr Leben ohne mich weiter. Diese beiden Realitäten blieben für mich im Dunklen.“
    Letztlich muss sich Carlo die Frage stellen, wie genau er seine Mutter konnte, ob sie jemals glücklich war.
    Butis „wilder Garten“ ist mehr ein langsamer Fluss, der träge von einem Handlungsstrang zum nächsten mäandert. Zu gewollt sind die Bilder, die sich zur Natur aufdrängen, zu maniriert die geschliffene Sprache. Zu lose fügen sich Gedanken zur Natur, zur Einsamkeit, zur Selbstbestimmtheit aneinander. Zu viele Türen werden geöffnet.
    „Man muss die Tür hinter sich zumachen können.“ sagt Agon. Dieses Buch kann ich ganz getrost zumachen.

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  1. Ruhiger, wundervoll erzählter Roman

    MEINE MEINUNG
    In seinem jüngsten Roman „Das Leben ist ein wilder Garten“ erzählt der mehrfach preisgekrönte Schweizer Autor Roland Buti eine berührende, nachdenklich stimmende Geschichte über das Leben in all seinen schillernden Facetten. Es ist ein zarter, einfühlsam erzählter Roman der sich mit Einsamkeit, Entfremdung, Liebe, Trauer, Verlusten und den verpassten Gelegenheiten im Leben beschäftigt, aber auch mit Heimatgefühl und Naturverbundenheit.
    Schon bald hat mich der wundervoll ruhige und einfühlsame Erzählstil des Autors mit seinen bildmächtigen, sehr atmosphärischen Schilderungen gefangen genommen. Buti kommt in seiner beschaulichen, etwas melancholischen Geschichte oft ohne viele Worte aus, so dass vieles der Fantasie des Lesers überlassen bleibt. Dennoch versteht er es hervorragend, uns auch mit überraschenden Wendungen, humorvollen Passagen und feiner Ironie zu unterhalten.
    Nach und nach tauchen wir ein in das auf den ersten Blick recht ruhige Leben des Protagonisten und Ich-Erzählers Carlo Weiss - einem Landschaftsgärtner, der in der Arbeit in seinen Gärten völlig aufgeht und den die Natur auf wundersame Weise zu erden scheint. Nach dem Scheitern seiner Ehe lebt er allein und kämpft gegen seine innere Leere und Einsamkeit an. Seine Freizeit verbringt er meist mit dem angestellten Hilfsgärtner Agon, einem hünenhaften, sanftmütigen, aus dem Kosovo stammenden Flüchtling mit einem Hang für Philosophie und französische Klassiker. Doch als Carlo`s hochbetagte, demente Mutter Pia spurlos aus ihrem Seniorenheim verschwindet und Agon von zwei brutalen Landsleuten krankenhausreif geprügelt wird, gerät Carlo`s kleine, geordnete Welt unversehens ins Wanken – umso mehr als Carlo seine Mutter im luxuriösen Hotel Grand National in den Bergen nahe der Schweizer Grenze aufspürt, die dort in ihrer einstigen Heimat ihre letzten Tage verbringen möchte.
    Fesselnd ist es mitzuerleben, wie Carlo sich nach und nach seiner oft verwirrten Mutter annähert und dabei viele gut gehütete Geheimnisse aus ihrer Vergangenheit und Jugend während des Zweiten Weltkriegs enthüllt werden, die mit dem Grand National zusammenhängen. Ganz neue Seiten entdeckt Carlo an seiner Mutter und erfährt schließlich verblüffende Details aus ihrem damaligen Leben – von ihren außergewöhnlichen Talenten, ihren Träumen, ihrer großen Liebe, aber auch ihrem schmerzvollen Verlust. Ganz nebenbei erkennt er, wie wenig er über das Leben seiner Mutter weiß. So muss er sich eingestehen, dass er vieles von dem, was um ihn herum geschehen ist, nur oberflächlich wahrgenommen und nicht verstanden hat, ja, dass die Menschen, die ihm am nächsten sind, ihm stets rätselhaft und fremd geblieben sind und er mehr oder weniger blind und unsensibel durch sein Leben geht.
    Buti hat in seinem Roman wundervolle, ausgefallene Charaktere geschaffen, die einen mit ihren Eigenarten faszinieren und die man nur ungern gehen lässt. Er versteht es hervorragend, die Emotionen und Gesten seiner liebenswerten Figuren glaubhaft und treffend zu skizzieren. Vor allem mit seinem Hilfsgärtner Agon, seiner dunklen, beklemmenden Vergangenheit im Kosovo aber auch mit seinen pragmatischen Lebensweisheiten ist Buti eine überaus tiefgründige, authentische Figur gelungen, die mich sehr beeindruckt und für einige Schmunzelmomente gesorgt hat.
    Langsam entfaltet sich die Vielschichtigkeit der Geschichte mit ihren wiederkehrenden Motiven, die zunehmend an Tiefgang gewinnt und zum Nachdenken anregt. Geschickt sind die verschiedenen, eher beiläufig erzählten Handlungsstränge miteinander verwoben, werden zum Ende hin zusammengeführt und doch bleibt einiges vage in der Luft hängen.
    Schade, dass dieser Roman so schnell zu Ende ging, denn ich hätte gerne noch einige Hintergründe erfahren – es fühlte sich fast ein bisschen so an, als hätte sich der Autor unbemerkt durch die Seitentür hinausgeschlichen…

    FAZIT
    Ein ruhiger, wundervoll erzählter Roman mit einer melancholischen, vielschichtigen und nachdenklich stimmenden Geschichte über das Leben und außergewöhnlichen Charakteren!

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  1. Schön erzählt

    Das Leben ist ein wilder Garten – was für ein schöner Titel und was für ein einnehmender Klappentext.

    Das nicht sehr umfangreiche Buch ist Carlos Sicht erzählt. Seine Frau Ana hat ihn verlassen, was er auch nach Jahren bedauert und nicht recht versteht, die Tochter studiert in London, ist ihm längst entfremdet. Seine Mutter lebt im Altersheim.
    Er ist Gartenarchitekt und seine Firma läuft wohl gut. Einer seiner Angestellten ist Agon, ein Schrank von Mann mit einem sensiblen Charakter und so wie es scheint, sein einziger Vertrauter.

    Eines Tages verschwindet die schon leicht demente Mutter aus dem Heim und Carlo findet sie im Heimatdorf in den Bergen, in einem Luxushotel. Den Bezug erfährt er ganz allmählich und erkennt, dass seine Mutter ein Leben vor Ehe und Mutterschaft hatte, sogar ein amouröses Verhältnis mit einem Hotelgast.

    So mäandert das Geschichte durch die Seiten. Es passiert nicht viel, aber das auf eine schöne Weise. Buti hat einen sehr rhythmischen Sprachstil, das macht das Lesen wirklich angenehm. Aber trotzdem: mir fehlte was. Gedanken und Szenen werden angerissen und verlieren sich dann. Warum, zum Beispiel, wurde Agon angegriffen? Ein roter Faden, der die Geschichte vielleicht gestützt hätte, fehlt völlig, aber so plätscherte die Geschichte angenehm vor sich hin.

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  1. Wie das leben so spielt

    Roland Buti ist sprachlich versiert. Er schafft wunderbare Bilder, kann atmosphärisch Orte und Landschaften so gekonnt beschreiben, dass man sie vor sich sieht, die Charaktere und ihre Gefühlslagen haben Hand und Fuß. „Das Leben ist ein wilder Garten“, heißt Butis neues Buch und dieser Titel scheint mir Programm zu sein, denn so richtig stringent und zusammenhängend stellt sich die erzählte Geschichte nicht dar.

    Im Mittelpunkt steht Ich-Erzähler Carlo Weiss, der als Landschaftsgärtner selbständig ist und interessanterweise exquisite Gärten für betagte, wohlhabende Menschen anlegt. Sein Mitarbeiter Agon stammt aus dem Kosovo, ist ein Hüne von Mann und gleichzeitig eine Seele von Mensch. Er hat sich eine kleine Schrebergarten-Idylle angelegt, die jedoch von den Stadtvätern bedroht wird. Eine Umsiedlung der Kleingartenanlage ist vorgesehen. Als sei das nicht genug, erleidet Agon auch noch einen mysteriösen Überfall.

    Carlo selbst hat eine erwachsene, studierende Tochter. Er leidet darunter, dass nicht nur sie die gemeinsame Wohnung verlassen hat, sondern auch seine Frau, die Krankenschwester Ana, gleich mit. Er fühlt sich einsam und empfindet die Lücken in seiner Küche sehr plastisch:
    „Sie hatte einiges mitgenommen, was ich nicht ersetzt hatte. (…) Die Proportionen der Küche hatten sich unter dem Einfluss eines sonderbaren Phänomens verändert. Sämtliche Geräusche darin kamen mir deutlich lauter vor. Zwischen den Gegenständen war ein ungewohnter Abstand eingezogen, als hätte sich der Ort, an dem wir sechzehn Jahre lang zweimal am Tag zusammen gegessen hatten, mit der Zeit ausgeleiert.“ (S. 11)

    Aufgeschreckt wird Carlo von der Nachricht, dass seine Mutter aus dem Altersheim verschwunden ist. Zum Glück findet er sie schnell, sie ist in einem ehemaligen Luxushotel abgestiegen, das schon bessere Zeiten gesehen hat. Offensichtlich hatte sie schon als junge Frau engen Kontakt zu diesem Haus, dort trifft sie einen alten Freund wieder und darf fortan im Hotel wohnen.

    Die alte Dame verliert an Kraft und flüchtet sich zusehends in die Vergangenheit. Dabei lernt der Sohn nicht nur seine Mutter von einer neuen Seite kennen, sondern er erfährt auch viel über deren Leben als junge Frau. Der Umgang mit der demenzkranken Mutter fällt ihm nicht leicht, auch weil er den Wahrheitsgehalt ihrer Erzählungen nicht einschätzen kann. Eine Hilfe im Umgang mit der Mutter wird ihm Noch-Ehefrau Ana. Die Beziehung zu ihr ist nicht spannungsfrei und von ihrer Seite aus höchst ambivalent, was dem Protagonisten sehr zu schaffen macht:
    „Meine Sehnsucht schmerzte. Es fühlte sich an wie Heimweh. Die Arme dieser Frau waren mein eigentliches Zuhause, und ich wusste, dass ich mich überall sonst fremd fühlen würde.“ (S.95)

    Buti lässt die einzelnen Handlungsstränge für sich wirken. Alle haben sie einen Bezug zur Natur, zu Gärten und zu Vögeln. Jeden einzelnen gestaltet er bildreich und zuweilen poetisch aus, die Figuren haben klare Konturen und Handlungsorten wird Leben eingehaucht. Das ist große schriftstellerische Kunst.

    Trotzdem hat mir etwas an dem kleinen Roman gefehlt. Ich hätte mir einen stärkeren Zusammenhang unter den verschiedenen Geschichten und mehr Spannung gewünscht. Mir war klar, dass es sich hier um eine ruhig erzählte Familien- und Freundschaftsgeschichte handelt. Ein bisschen mehr Schwung hätte ihr jedoch gut getan. Alles plätschert (von wunderbaren Formulierungen getragen) vor sich hin, ohne große Überraschungen und ohne komplette Auflösung am Ende. Manche Fragen bleiben offen – wie im richtigen Leben auch. Der Titel des Buches ist offensichtlich Programm: Das Leben ist ein wilder Garten – nicht alles lässt sich in eine gerade Bahn und Struktur bringen. Jedes Leben hat seinen eigenen Kreislauf. Der Klappentext wirkt im Gegensatz dazu reißerisch und weckt andere Erwartungen: eine „ungeahnt glamouöse Vergangenheit“ wird man bei Carlos Mutter vergeblich suchen. Auch biedert sich das Cover sehr den derzeit inflationär im Buchhandel ausliegenden historischen Frauenromanen an.

    Ein lesenswertes, ruhiges, fein geschliffenes Buch ohne nennenswerte Spannungskurve. Brillant formuliert mit kurzen philosophischen Ausflügen. Wer so etwas gerne liest, wird das Buch zufrieden zuklappen. Mir hat der Roman mittelgut gefallen, er lässt sich interessant und flüssig lesen. Langeweile kommt ebenso wenig auf wie ein kräftiger Lesesog. An Butis letzten Roman „Das Flirren am Horizont“, für den der Autor mit dem Schweizer Literaturpreis ausgezeichnet wurde, kommt dieser neue meines Erachtens nicht heran.

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