Die karierten Mädchen: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Die karierten Mädchen: Roman' von Alexa Hennig von Lange
4.2
4.2 von 5 (5 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Die karierten Mädchen: Roman"

Blind und mit über neunzig Jahren beginnt Klara, ihre Erinnerungen auf Kassette aufzunehmen. Auf der Suche nach dem Menschen, der sie einmal war, vertraut sie den Bändern ein Geheimnis an, von dem nicht einmal ihre Kinder etwas wissen. Ist ihre Familie bereit für die wahre Geschichte ihres Lebens? Siebzig Jahre zuvor: Die junge Klara ist überglücklich. Mitten in der Weltwirtschaftskrise 1929 bekommt sie eine Stelle als Lehrerin in einem Kinderheim in Oranienbaum. Als dort eines Tages Tolla, ein einjähriges Mädchen, abgegeben wird, fühlt sich Klara ihm auf Anhieb stark verbunden. Doch bald spitzt sich die wirtschaftliche Lage des Heims zu. Klara, die das Haus inzwischen leitet, sucht die Nähe der neuen nationalsozialistischen Machthaber in der Hoffnung auf Rettung. Zu spät erkennt sie, mit wem sie sich eingelassen hat. Die Nationalsozialisten wollen aus dem Heim eine Ausbildungsstätte für junge Frauen machen, in der Klara ihren Schülerinnen die Liebe zu Volk und Kind vermitteln soll, statt sie zu eigenständig denkenden Menschen zu erziehen. Gleichzeitig ist sie unter der Hakenkreuzflagge und den ständigen Besuchen der Nazi-Funktionäre plötzlich selbst in Gefahr: denn Tolla, das Waisenmädchen, das inzwischen wie eine Tochter an Klaras Seite lebt, ist jüdischer Herkunft.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:368
EAN:9783832181680
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Rezensionen zu "Die karierten Mädchen: Roman"

  1. Erinnerungen

    Die blinde, über neunzigjährige Klara findet, dass es an der Zeit ist, ihre Geschichte zu erzählen. Dafür nutzt sie Tonbandkassetten, denen sie ihre Geheimnisse anvertraut. Wie wird es die Familie aufnehmen, wenn sie erfährt, was Klara in der Vergangenheit gemacht hat?
    Zur Zeit der Weltwirtschaftskrise ist Klara froh, dass sie eine Stelle in dem Kinderheim in Oranienbaum bekommt. Dann soll die einjährige Tolla für kurze Zeit aufgenommen werden. Klara kümmert sich um das Mädchen, das aber nicht mehr abgeholt wird. Die wirtschaftliche Situation macht natürlich auch vor dem Kinderheim nicht halt und Klara, die inzwischen die Leitung hat, versucht alles, um das Heim zu retten. Dafür setzt sie auf die neuen Machthaber und erkennt zu spät, auf wen sie sich das eingelassen hat. Damit gerät auch Tolla in Gefahr, da sie jüdisch ist. Klara versucht Tolla als ihr Kind auszugeben.
    Dies ist der erste Band der Trilogie, in der die Autorin Alexa Hennig von Lange die Erinnerungen ihrer Großmutter verarbeitet. Es ist eine berührende Geschichte, die auf zwei Zeitebenen spielt. Das Buch liest sich gut und flüssig, hat mich aber nicht ganz überzeugt.
    Mit Klara konnte ich mich nicht wirklich identifizieren. Sie wirkt auf mich oft etwas naiv. Die Zeiten sind schwierig und sie versucht zu helfen. Dabei weiß sie, dass sie sich auf ein gefährliches Terrain begibt, verdrängt das aber trotz ihrer Ängste. Sie versucht zwar, das jüdische Mädchen zu retten, aber das doch eher aus Zuneigung als aus Widerstand gegen das Regime. Für mich ist sie eine Mitläuferin, wie es damals so viele gegeben hat. Damit will ich sie nicht verurteilen, weil ich nicht weiß, wie ich selbst mich verhalten hätte.
    Auch wenn sich meine Begeisterung in Grenzen hält, so würde ich doch gerne wissen, wie es weitergeht.

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  1. Bewegender Roman mit Erinnerungen an die Vergangenheit

    Die karierten Mädchen ist der erste Band einer Triologie von Alexa Henning.

    Im Buch wird die Geschichte aus der Sicht von Klara erzählt, die im Alter von 92 beschließt ihre Erinnerungen aus ihrer Vergangenheit auf Tonbandkassetten aufzunehmen.
    Beginnend im Jahre 1929 nimmt Klara eine Arbeitsstelle als Hauswirtschaftslehrerin in einer Kinder-Lungenheilanstalt auf.
    Als die Leiterin der Heilanstalt verstirbt und dem Haus die Schließung droht übernimmt Klara deren Job und versucht alles um das Heim aufrecht erhalten zu können.
    Die damals an die Macht kommenden Nationalsoziallisten bieten Klara finanzielle Unterstützung an wenn sie das Heim als Bildungsstätte für junge Frauen unter der nationalsozialistischen Ideologie führt - jedoch befindet sich im Heim ein jüdisches Mädchen.

    Die Autorin wurde von ihrer eigenen Großmutter und deren Erlebnisse und Erinnerungen inspiriert diesen Roman zu schreiben.
    Besonders gut gefallen hat mir, dass Frau Hennig darauf eingeht in welch schwierigen Lage sich die Menschen nach der Machtübernahme der NSDAP befunden haben, wenn sie dieser Ideologie nicht folgen wollten. Das Buch zeigt auf wie schnell man sich selbst in Gefahr gebracht hat um andere zu schützen.
    Die Protagonistin steht in ihrer Position ständig in einem inneren Konflikt zwischen Moral, Gewissen und aber der Notwendigkeit selbst zu überleben.

    Ich bin gespannt auf die weiteren 2 Bände, die ich auf jeden Fall lesen möchte.

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  1. 5
    10. Aug 2022 

    Absolut interessant

    Die Nachricht ihrer Tochter Inge, dass die Enkelin Isabell ein Baby erwartet und dieses vermutlich allein großziehen wird, wecken Erinnerungen in Klara. Erinnerungen sind das, was Klara am Leben erhält. Über neunzig Jahre ist sie alt und kann eigentlich nichts mehr sehen. Aber ihre Erinnerungen sind dafür umso klarer. So sieht sie die kleine Isabell mit ihren roten Haaren damals vor sich, als sie noch ein kleines Kind war. Und die Gedanken schweifen weiter zu Tolla, die damals als Klara jung war, genauso aussah. Viele dachten, Tolla wäre ihre Tochter gewesen. Je mehr sie über Tolla nachdenkt, umso schneller holen sie die Erinnerungen ein.

    Klara beschließt ihre Erinnerungen auf Kassetten zu sprechen. Ihre Erinnerungen beginnen 1929 als sie eine neue Stelle als Hauswirtschaftslehrerin in Oranienbaum beginnt. Schnell kommt sie mit den Kolleginnen und auch den Kindern klar. Aber die Zeiten sind hart. Als es die Anfrage gibt, ein kleines jüdisches Mädchen, ohne Kenntnis der Ämter vorrübergehend aufzunehmen, zögert sie nicht lange. Aber Tolla kann sich nicht eingewöhnen, nur bei Klara ist sie ruhig, ist und schläft gut. Als nach kurzer Zeit klar wird, dass Tollas Mutter sie nicht mehr abholen wird, beschließt Klara sie bei sich zu behalten. Viele wissen mittlerweile gar nicht mehr, wo Tolla herkam und denken aufgrund der Ähnlichkeit das Klara ihre Mutter ist. Und Klara fühlt sich auch so.

    Doch wie geht es mit Tolla weiter. Die Zeiten verschlechtern sich. Klara muss eine Entscheidung treffen und denkt noch viele Jahre später darüber nach.

    Mir hat Klara als Protagonistin sehr gut gefallen. Der Autorin gelingt es ihre Hauptfigur mit allen Facetten sehr klar darzustellen. Klara verkörpert damit das typisch deutsche Mädchen, die sich im Laufe der Geschichte immer weiterentwickelt und der es gelingt ihren eigenen Weg zu finden.

    Am Ende wird relativ schnell klar, dass noch nicht alles erzählt ist. Ich bin jetzt schon gespannt, wie es weitergeht und empfehle das Buch sehr gerne weiter. Von mir gibt es dafür verdiente fünf Lesesterne.

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  1. 3 Sterne

    Klappentext:
    „Blind und mit über neunzig Jahren beginnt Klara, ihre Erinnerungen auf Kassette aufzunehmen. Auf der Suche nach dem Menschen, der sie einmal war, vertraut sie den Bändern ein Geheimnis an, von dem nicht einmal ihre Kinder etwas wissen. Ist ihre Familie bereit für die wahre Geschichte ihres Lebens?
Siebzig Jahre zuvor: Die junge Klara ist überglücklich. Mitten in der Weltwirtschaftskrise 1929 bekommt sie eine Stelle als Lehrerin in einem Kinderheim in Oranienbaum. Als dort eines Tages Tolla, ein einjähriges Mädchen, abgegeben wird, fühlt sich Klara ihm auf Anhieb stark verbunden. Doch bald spitzt sich die wirtschaftliche Lage des Heims zu. Klara, die das Haus inzwischen leitet, sucht die Nähe der neuen nationalsozialistischen Machthaber in der Hoffnung auf Rettung. Zu spät erkennt sie, mit wem sie sich eingelassen hat. Die Nationalsozialisten wollen aus dem Heim eine Ausbildungsstätte für junge Frauen machen, in der Klara ihren Schülerinnen die Liebe zu Volk und Kind vermitteln soll, statt sie zu eigenständig denkenden Menschen zu erziehen. Gleichzeitig ist sie unter der Hakenkreuzflagge und den ständigen Besuchen der Nazi-Funktionäre plötzlich selbst in Gefahr: denn Tolla, das Waisenmädchen, das inzwischen wie eine Tochter an Klaras Seite lebt, ist jüdischer Herkunft.“

    Alexa Hennig von Lange packt Themen immer etwas fester an. Nach ihrem Roman „Kampfsterne“ und „Die Wahnsinnige“ ist dies mein drittes Buch von ihr. Schlussendlich fällt sie mit diesem Roman in das momentan sehr angesagte Genre ein: Großmutter erzählt kurz vor dem Ableben nochmal ihr Leben inkl. Geheimnisse und die Kinder sollen dann damit etwas anfangen. Diesen Plot finden wir momentan mehr als häufig in der Literaturwelt. Die Geschichte rund um Klara ist dennoch interessant aufgebaut und bringt dem Leser ein recht genaues Bild der Dame näher. Ihre Geschichte klingt unheimlich bewegend und dennoch ist sie eine unter vielen von damals gemischt aus Realität und Fiktion. Der braune Sumpf macht auch vor Klara nicht Halt und wir Leser erleben hier eine wahre Achterbahnfahrt inkl. Geisterstation in der das Grauen sich ganz plötzlich zeigt - für Klara etwas unverhofft, für uns Leser war es glasklar. Die Autorin benutzt klare Worte für ihre Geschichte, der Ausdruck ist fließend, aber dennoch gibt es manchmal Parts die man nicht akzeptieren kann, gerade wenn Familienmitglieder ihre Geschichte erzählen (wir erlesen hier zwei Zeitebenen) als wäre es ihre eigene - es ist aber Klaras Geschichte! Klara macht den Leser manches Mal etwas Kopfzerbrechen. Ihr Desinteresse an der Politik wirkt nicht gerade glaubhaft oder ist es eher der Vogelstrauß in ihr? Hier kommt man wieder mal an den Punkt: Das muss man doch alles mitbekommen haben! Keiner kann doch wirklich glauben, dass man dieses „Ich wusste von nichts“ glaubt? So auch hier. Hier und da wird es zudem etwas unrund vom Verlauf und eben von der Glaubwürdigkeit der Protagonistin. Wie andere kritische Stimmen auch bereits schon schreiben: alles wirkt etwas „oberflächlich“ und dem kann ich nur zustimmen. 3 von 5 Sterne für eine gute Geschichte aber eben nicht wirklich herausragend.

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  1. Überzeugender Reihenauftakt

    Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich um den ersten Teil einer Trilogie, der enorm Lust auf mehr gemacht hat, weil er leider mit einem offenen Ende daherkommt.

    Die Hauptakteurin Klara ist 90 Jahre alt, blind und hält ihre Erinnerungen mittels Kassetten fest, um ihre Nachfahren an ihrem Leben teilhaben zu lassen, was ich als enorm spannende Idee ansehe und mir Gänsehaut verursacht, wenn ich mir vorstelle, dass meine Großeltern das getan hätten, denn so könnte ich noch ihre Stimmen anhören, obwohl sie schon lange nicht mehr leben.

    Als Leser hat man so die Möglichkeit ihr Leben ab 1929, der Zeit der Wirtschaftskrise, zu erleben.

    Die Thematik Nationalsozialismus wird realistisch dargestellt und die Autorin beschönigt nichts. Ich hatte sogar Verständnis für das Handeln von Klara, auch wenn viele das aus heutiger Sicht verurteilen würden, aber viele Möglichkeiten hatte die arme Frau eben auch nicht. Speziell finde ich nur, dass die Sympathieträger offenbar alle gegen das System waren, was sich etwa so liest als käme die Ansicht aus der heutigen Zeit und nicht von damals, aber mich hat das nicht gestört, da ich mich so besser mit den Figuren identifizieren konnte.

    Der Schreibstil der Autorin ist sehr angenehm. Ich konnte problemlos in die Handlung abtauchen und habe das Geschilderte sehr genossen. Und vor allem lernt man auch wieder mal etwas dazu.

    Fazit: Sehr lesenswert, das solltet ihr euch in jedem Fall gönnen!

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Hiob

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Rezensionen zu "Hiob"

  1. Ein Klassiker

    Klappentext:

    „Das Leben beschert dem Tora-Lehrer Mendel Singer in seinem Schtetl harte Schicksalsschläge. Auch nachdem er mit seiner Familie nach New York emigriert ist, begleiten ihn unerträgliches Leid und Verlust. Mendel verliert jede Hoffnung und seinen Glauben an Gott. Nur ein Wunder kann ihm noch helfen….“

    Autor Joseph Roth hat diese Geschichte im Jahr 1930 veröffentlicht und sie beweist auch heute noch, wie aktuell und treffend sie ist, auch noch nach über 90 Jahren.

    Hauptprotagonist Mendel Singer hat seinen festen Glauben und ist mit Leib und Seele diesem verschrieben. Seine Arbeit als Tora-Lehrer ist Passion und Geschenk zugleich für ihn. Genau wie Hiob, eine biblische Person. Nur kann der Glaube einen vor allem schützen? Ist immer die schützende Hand über einem? Nein. Mendel erleidet hier schwere und tiefgreifende Schicksalsschläge und der Zweifel an seinen Glauben ist die Folge. Joseph Roth legte in diesen Roman sehr viele persönliche Gedanken und verarbeitete selber eine Menge Geschehnisse. Seine Figur wird zum Sinnbild für die große Frage aller Fragen: „Warum ich, obwohl ich dir doch immer treu gedient habe! Warum legst du mir diese Bürde auf, warum strafst du mich damit?“ Man muss nicht gläubig sein um diese Gedanken auch selbst zu denken aber hier geht es um das Judentum und ihre Gedanken dazu und die vernichtenden Folgen durch kriegerische Handlungen. Roth ist bei seiner Wortwahl immer treffend und stilsicher geblieben. Er hat nicht um den heißen Brei geredet, sondern alles punktgenau fallen gelassen. Dem Leser begegnet hier eine klassische und so zeitlose Geschichte voller Kraft und Sinnsuche, ohne dabei wertend zu sein. Oder doch? Seine Geschichte rund um Mendel und seine Heimat in den Schtetls in Osteuropa.

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Und habt ihr denn etwa keine Träume: Erzählungen

Buchseite und Rezensionen zu 'Und habt ihr denn etwa keine Träume: Erzählungen' von Anna Seghers

Inhaltsangabe zu "Und habt ihr denn etwa keine Träume: Erzählungen"

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:336
Verlag: Aufbau
EAN:9783351039509
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Und habt ihr denn etwa keine Träume: Erzählungen

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Chuzpe

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Rezensionen zu "Chuzpe"

  1. 4
    24. Jun 2022 

    Klops braucht der Mensch!

    Ruth kann nicht begreifen, daß ihr Vater Edek, vor wenigen Wochen erst von Melbourne zu ihr nach New York gezogen, weit davon entfernt ist, einen ruhigen Lebensabend zu verbringen. Und dass Lebensabend überhaupt der falsche Begriff ist für den munteren Siebenundachtzigjährigen, der sich erst in Ruths Korrespondenzbüro nützlich zu machen versucht und wenig später ein Verhältnis beginnt mit der (viel zu jungen, wie Ruth findet) Polin Zofia (69). Als Edek zusammen mit Zofia und deren Freundin Valentina auch noch ein Restaurant an der Lower Eastside eröffnen will, das auf polnische Fleischbällchen spezialisiert ist, bangt Ruth gleichermaßen ums Erbe und um ihre Nerven. (Klappentext)

    Ruth ist eine Frau in den mittleren Jahren, die drei Kinder sind bereits aus dem Haus, und ihr Mann hält sich derzeit beruflich für ein halbes Jahr in Australien auf. Langeweile kennt Ruth jedoch nicht. Sie führt erfolgreich ein Schreibbüro und verfasst Grußkarten und Briefe für wohlhabende Leute. Mit ihrem 87jährigen Vater Edek, der vor kurzem von Melbourne nach New York gezogen ist, um Ruth näher zu sein, ist jedoch noch eine besondere Aufgabe in ihr Leben getreten. Wie bremst man einen überaus agilen Mann, der sich gerne um alles kümmert und dabei aber oft am Ziel vorbeischießt?

    Zunächst gründet er die "Vorwärtsabteilung" in ihrer Firma und bestellt nach eigenem Gutdünken Dinge für das Schreibbüro, die am realen Bedarf eindeutig vorbei gehen. Ruth lässt ihren Vater etwas fassungslos aber tapfer agieren, hat er so doch eine Aufgabe gefunden und lässt sie selbst in Ruhe ihrer Arbeit nachgehen. Dass sie hier nicht die Notbremse zieht, zeigt zum einen, wie gut es ihr finanziell geht und weist zum anderen auf die etwas verzwickte Vater-Tochter-Beziehung hin.

    Edek und Ruth sind nicht nur jüdischen Glaubens, sondern Edek hat zudem seinerzeit das Ghetto von Lodz überlebt und verdient in Ruths Augen für den Rest seines Lebens einen tiefen Respekt. Seit Ruths Mutter gestorben ist, ist sie nun diejenige, die als Tochter eine Fürsorgepflicht zu erfüllen hat und alles daran setzt, dass es ihrem Vater gut geht. Sie finanziert ihm eine Wohnung in New York und freut sich, dass Edek allmählich wieder aufblüht.

    Ruth selbst hat jedoch schon Jahre der Therapie hinter sich, denn das Aufwachsen als Kind von Überlebenden des Holocaust hat durchaus Spuren hinterlassen. Sie hat und pflegt ihre kleinen Eigenheiten und Neurosen, ist zudem geplagt von ständiger Sorge. Ruth achtet sehr auf sich und ihren Körper, isst wenig und nur gesund, treibt Sport und pflegt einen sehr strukturierten Tagesablauf. Durch das Eintreffen ihres Vaters gerät all das Geregelte allmählich ins Wanken, und als Edek nach der Bekanntschaft mit zwei älteren polnischstämmigen Frauen wie aus heiterem Himmel beschließt, einfach ein Restaurant zu eröffnen, steht Ruths Welt plötzlich Kopf.

    "Klops braucht der Mensch" soll das Restaurant an der Lower Eastside heißen, und mit Feuereifer machen sich Edek, Zofia und Valentina an die Umsetzung ihres Plans, und nichts und niemand scheint sie dabei aufhalten zu können. Gerade einmal 30.000 Dollar stehen ihnen dafür zur Verfügung, eine lächerlich kleine Summe nach Meinung aller von Ruth zu Rate gezogenen Experten. Und die 30.000 Dollar stammen zudem auch noch von Ruth, die aber weniger den Verlust des Geldes befürchtet als die Auswirkungen einer sicher zu erwartenden Enttäuschung auf ihren Vater. Wenn solch ein letztes Lebensziel platzt - was dann?!

    “Ruthy, Ruthy, reg dich runter!”

    Herrlich absurd und gleichzeitig voller Wärme kommt diese schräge, herzerfrischende, jüdische New Yorker Komödie daher. Ich mochte die liebenswerte Schlitzohrigkeit Edeks, dessen sprühende Lebensfreude (trotz allem) und seine Bereitschaft, so absolut im Hier und Jetzt zu leben und es verdammt noch mal (Verzeihung) auch zu genießen, auch wenn es manchmal anstrengend ist. Und ich mochte es, wie die Ereignisse und die stoische Unbeirrbarkeit Edeks schließlich auch Auswirkungen auf Ruths Leben und ihre Neurosen zeigten. Und wie sich Vater und Tochter letztlich doch auch emotional ganz allmählich annäherten.

    Der Schreibstil erscheint im Allgemeinen flüssig, jedoch manchmal etwas einfallslos, was aber u.U. auch an der Übersetzung liegen könnte. Marion Martienzen als Sprecherin der ungekürzten Hörbuchausgabe (5 Stunden und 33 Minuten) hatte für mein Empfinden leider doch etwas Mühe, in die Erzählung hinein zu finden. Vor allem die Vertonung von Ruths Vater Edek geriet anfangs eher in Richtung geistig unterbemittelt denn einfach in Richtung polnisch-jüdischer Akzent, das war zumindest der Eindruck der sich mir unangenehm und unpassend aufdrängte. Doch entweder konnte sich die Sprecherin im Verlauf besser auf die Rolle Edeks einstellen oder aber ich habe mich einfach an ihre Art des Vortrags gewöhnt und versucht, über diese Nuancen hinweg zu hören.

    Hintergründige Unterhaltung, die trotz der leisen Melancholie zutiefst lebensbejahend ist. Empfehlenswert!

    © Parden

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Nicht ohne meine Schwester

Buchseite und Rezensionen zu 'Nicht ohne meine Schwester' von Marion Kummerow
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Nicht ohne meine Schwester"

Format:Taschenbuch
Seiten:296
Verlag: Bookouture
EAN:9781803142890
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Rezensionen zu "Nicht ohne meine Schwester"

  1. Der Kampf ums Überleben und die Hoffnung auf ein Wiedersehen

    "Du brauchst keine Angst zu haben, solange ich hier bin. Weil ich dich beschützen werde." (Buchauszug)
    Hessen 1944:
    Familie Epstein ist bisher der Deportation entgangen, was sicher an dem abgelegenen Bauernhof in einem kleinen Dorf liegt. Zwar mussten sie diesen als Juden abgeben, doch sie konnten weiter dort arbeiten und leben. Eines Tages allerdings werden ihre Eltern abgeholt. Während die Brüder fliehen, werden Rachel und Mindel von der Gestapo gefasst und ins KZ nach Bergen-Belsen deportiert. Für die vierjährige Mindel ist ihre Schwester Rachel nun der einzige Halt, den sie noch hat. Doch bei der Ankunft verlieren sie sich aus den Augen. Jetzt muss jeder selbst um sein Überleben kämpfen. Während Rachel zur anstrengenden Zwangsarbeit eingeteilt wird, harrt Mindel einsam im Sternenlager, dass sie ihre Schwester wiedersieht. Einziger Lichtblick ist ihre Puppe Paula und ihr kleiner Freud Laszlo, mit dem sie sich anfreundet. Währenddessen versucht Rachel alles, um ihre kleine Schwester zu finden. Doch gibt es Hoffnung für die beiden?

    Meine Meinung:
    Ein kleines trauriges Mädchen am Stacheldrahtzaun passt sehr gut zum Inhalt. Erschütterndes Setting und beeindruckende Charaktere in einem unterhaltsamen, emotionalen Buch. Ausgang ist ein einsamer Bauernhof, bei dem eine jüdische Familie mit vier Kindern unbescholten lebt. Doch dann verstirbt der Besitzer, an den sie ihren Hof damals abtreten mussten und alles verändert sich. Was mit den Eltern und den beiden Brüdern geschieht, erfahren wir erst am Ende des Buches. Hier geht es allein um die beiden Schwestern, die zwar im selben Lager, jedoch durch Zäune voneinander getrennt sind, sodass sie sich nicht begegnen. Die Beschreibung der Begebenheiten des KZ Bergen-Belsen gibt mir eine Vorstellung, wie es dort aussah und was die Betroffenen alles erleben und mitmachen mussten. Neu für mich war, dass dort so viele Kinder untergebracht waren. Ich dachte immer, die Mehrzahl der Kinder wurde sofort bei der Ankunft getötet. Ebenso neu ist für mich der Kannibalismus unter den Insassen und dass es wohl vereinzelte Züge in die Schweiz gab, bei dem einige Insassen mitfahren und überlebt haben. Wie muss es für ein vierjähriges Mädchen gewesen sein, ganz allein unter diesen Zuständen zu überleben! Ich bin echt erstaunt, wie mutig und wie viel Kraft die kleine Mindel hat. Mitunter kam sie mir ebenso wie der siebenjährige Laszlo etwas zu übertrieben und reif für ihr Alter vor. Ich dachte, dass gerade so kleine Kinder doch eher mit bestimmten Situationen überfordert sind. Klar wächst der Mensch mit seinen Aufgaben und Ansprüchen allerdings, ob das für so kleine Kinder zutrifft? Gut fand ich es, diese Perspektive einmal durch kindliche Augen mitzuerleben. Einige der Kapitel haben mich dabei emotional extrem berührt, besonders wenn Kinder den Tod so brutal und real begreifen müssen. Erschüttert hat mich, dass selbst Kinder zu langen Appellen anstehen mussten. Berührt hat mich auch Rachels Handlung, besonders als sie in den Fabriken arbeiten musste, wo sie dann zudem noch gesundheitliche Probleme bekam. Sehr stark betont die Autorin, wie schnell bei jedem Einzelnen die Kräfte zehren und nachlassen. Erschüttert war ich vor allem über die Härte der Aufseher gegenüber den Kindern. Trotzdem das Buch fiktiv ist, ist es für mich eine bemerkenswerte Geschichte, die mich schwer erschüttert hat. Allerdings zeigt sich hier, wie stark Hoffnung und Kampf das Überleben bestimmen kann. Deshalb von mir eine Leseempfehlung und 5 von 5 Sterne.

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Here I Am (English Edition)

Buchseite und Rezensionen zu 'Here I Am (English Edition)' von Jonathan Safran Foer

Inhaltsangabe zu "Here I Am (English Edition)"

Format:Kindle Ausgabe
Seiten:571
Verlag:
EAN:
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Viktor: roman

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Rezensionen zu "Viktor: roman"

  1. Ansichten einer neuen Generation

    !ein Lesehighlight 2021!

    Klappentext:
    „Wien, 1914. Der junge Viktor entwickelt sich zielstrebig zum schwarzen Schaf seiner wohlhabenden jüdischen Familie.
    Nimwegen, 1994. Die Studentin Geertje hat es satt, dass sich ihre Familie noch immer für ihr Judentum schämt. Auf der Suche nach ihrer eigenen Identität will sie die Mauer des Schweigens endlich durchbrechen. Denn das Schicksal ihrer Familie ist allgegenwärtig – auch das von Viktor.“

    Ich muss gestehen, ich war mir zu Beginn nicht ganz sicher, was ich von diesem Roman halten sollte, aber von Seite auf Seite nahm er mich mehr gefangen und löste ein besonderes Lesegefühl aus. Autorin Judith Fanto hat mit „Viktor“ einen sehr persönlichen Roman geschrieben und zeigt uns damit, einen tiefen Einblick in ihre Familiengeschichte. Viktor Rosenbaum war der Rebell der Familie und der Bruder von Geertjes Großvater. Über ihn sprechen? Um Himmels Willen! Aber warum wird so über ihn geschwiegen? Zart und einfühlsam erzählt uns Fanto die Geschichte von Viktor und eröffnet uns somit ihre jüdischen Familiengeschichte. Gene vererben sich in einem gewissen Rhytmus und Geertje scheint einen großen Schwung von Viktor abbekommen zu haben, denn auch sie ist eine Rebellin, die nicht versteht, warum das jüdische Familienleben so unter den Teppich gekehrt wird. Wenn sie doch Juden sind, sollen sie doch auch so leben! Doch die Zeit ist eine andere. Der Holocaust sitzt noch zu tief in den Alten und die Gefahr, sich öffentlich als Jude zu „outen“ ist immer noch eine undefinierbare. Geertje geht einen besonderen Weg und bricht aus diesem Schweigen auf besondere Art und Weise aus. Hier wird Fanto dementsprechend laut und es wird aufwühlend. Muss es aber auch, denn Geertje ist in einer neuen Zeit angekommen und die ist nunmal eben lauter und kräftiger als damals. Der größte Schrei ist ihr Namenswechsel in „Judith“. Was sie damit auslöst, ist ihr nicht ganz bewusst, aber es wird eine Reise in die Vergangenheit aber auch die Findung eines neuen „Ich‘s“. Die Zeitenwechsel sind Fanto mit ganz großem Bravour gelungen und auch die Wortwahl und der Ausdruck sind der Zeit jeweils angepasst. Es tauchen immer mehr Fragen auf und man grübelt immer mehr als Leser mit. Fragt sich, ob Judith den richtigen Weg einschlägt, was sie damit auslöst und vor allem, was es für ihre Familie wohl bedeutet. Muss man den Namen ändern um anerkannt zu werden? Versteckt sie sich denn damit nicht auch? Viele Fragen werden ganz gekonnt von Judith Fanto beantwortet, aber einige bleiben im Geheimen. Sie merken schon anhand vom Vornamen der Protagonistin und der Autorin, das es sich hier wohl um ein und die selbe Person handeln könnte...lassen Sie sich verzaubern! Das schafft ein neues Bild und das Kopfkino beginnt seine Bahnen zu ziehen.
    Ich bin wirklich begeistert von dieser Geschichte und hätte nie gedacht, das hier so eine Kraft darin steckt. Es ist ein Kampf von Generationen den Judith hier führt, aber wie gesagt, die Zeit ist eine andere und vielleicht ist sie reif, das endlich über Viktor gesprochen wird und über so viele andere Dinge, die Familie Rosenbaum gern „verdrängt“ und umschreibt. Fantos Schreibstil ist keine reine Biografie, aber der aufmerksame Leser kann erkennen was die Autorin hier loswerden will. Shoa - ein Wort das dieser Geschichte den roten Faden verleiht und eine zarte Bande zwischen den geschichtlichen Ereignissen knüpft.
    Für dieses Lesehighlight vergebe ich 5 von 5 Sterne!

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Alef

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Rezensionen zu "Alef"

  1. Alef

    Es wird hier die Liebesgeschichte eines Israelis und einer Deutschen beschrieben. Wie sie sich in Indien kennengelernt haben. Dass sie sich sofort ineinander verliebt haben. Doch Eitan möchte, dass Maja Jüdin wird. Er möchte nämlich mit ihr Kinder haben und der jüdische Glauben wird von der Mutter an die Kinder weiter gegeben. Deshalb ist in der jüdischen Religion der Status der Mutter sehr wichtig. Maja möchte es für Eitan auch. Da es ihre große Liebe ist und sie nicht ohne ihn sein kann, was auf Gegenseitigkeit beruht. Doch der Weg zum gemeinsamen Leben und das Leben als Jüdin ist steinig. Immer wieder kommen beide an ihre Grenzen und die Frage stellt sich, wieviel kann eine Liebe und ihre Gegensätzlichkeit des Einzelnen aushalten.

    Darüber hinaus werden ihre unterschiedlichen Wurzeln der Protagonisten beschrieben. Woher ihre Großeltern stammten. Die wichtigsten Meilensteine in Geschichte der DDR und von Israel wurden beschrieben. In meinen Augen sehr gut und pointiert. Und auch wie diese Begleitumstände einen Einfluß auf die einzelne Familie haben und deren Verhaltensweisen.

    Diese ganze Vorgeschichte dauert sehr lange; über die Hälfte des Buches. Manchmal dehnt es sich und manchmal fand ich es außergewöhnlich gut geschrieben. Doch als die Protagonisten sich endlich treffen, da schließt sich der Kreis.

    Für mich war dieses Buch sehr berührend, da sie viele Dinge behandeln, die mich auch beschäftigen. Ich fand es sehr berührend und hat mich zu Tränen gerührt.

    Fazit: Wenn man sich für das Thema interessiert, dann sollte man es unbedingt lesen!!

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Das Meeresblau von Tel Aviv: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Das Meeresblau von Tel Aviv: Roman' von Sarit Yishai-Levi
4
4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Das Meeresblau von Tel Aviv: Roman"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:555
Verlag:
EAN:9783351038229
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Rezensionen zu "Das Meeresblau von Tel Aviv: Roman"

  1. Bewegende Geschichte

    Klappentext:
    „Elija aus Tel Aviv ist glücklich, ihren Mann, einen umschwärmten Schriftsteller, in Paris zu besuchen, nur um zu erfahren, dass er sie für eine andere sitzen lässt. Untröstlich kehrt sie nach Israel zurück und lässt sich von den Eltern in ihrem alten Kinderzimmer in Tel Aviv umsorgen. Ihre Mutter Lily kann nur wenig Nähe zulassen, und Elija findet heraus, dass ihre Mutter so kalt ist, weil sie als Baby ausgesetzt wurde und ohne Mutter aufwachsen musste. Elija beschließt, die Geschichte ihrer Familie zu erforschen und ihre Großmutter Rachel zu suchen.“

    Den Hauptort Tel Aviv habe ich bislang in meinen Büchern nicht oft gefunden und da war die Neugier auf „Das Meeresblau von Tel Aviv“ von Sarit Yishai-Levi ganz besonders groß.
    Die Geschichte um Elija ist schon eine besondere, vor allem eine gefühlvolle und emotionale. Da reist die Gute nach Paris um ihren Mann zu besuchen und was findet sie vor? Der Gatte betrügt sie....na Danke auch. Und genau dann erleben wir eine Elija wie sie in uns allen steckt, sie flüchtet und rettet sich in das schützende Nest der Eltern. Das aber dieses Nest nicht unbedingt die größte Nestwärme bietet, merkt Elija dann auch wieder und geht der Sache auf den Grund. Ihre Mutter ist eh und je unterkühlt...aber warum? Wo sitzt bei ihr der Schmerz? Die Autorin hat hier wirklich tiefsinnig eine Schiene getroffen, die wir Leser wohl alle kennen, wenn wir verletzt wurden. Die Flucht zurück in genau das Zuhause was einem alles bedeutet....nicht jeder lässt es zu, einige trauen sich nicht, andere finden es kindisch oder gar bescheuert. Elija konnte nicht anders und ich konnte sie verstehen. Als dann aber auch die Geschichte ihrer Mutter ins Spiel kommt, dreht sich ein wenig das Bild. Die aufkeimende Geschichte die dann um ihre Mutter entsteht, nimmt der Story zwar die Luft raus, fügt aber eine andere hinzu. Dieser Spagat war spannend zu lesen und machte neugierig auf die wahre Familiengeschichte. Wenn man Seite um Seite sich neu erliest, erfährt der Leser Dinge, die man selten gelesen hat.
    Als Leser erfahren wir aber noch so viel mehr: das Leben in Israel, bildhafte Beschreibungen aber dafür fein akzentuiert und einen wunderbaren, runden Schreibstil, der fesselt und eine gute Spannung inne hat.
    Ich vergebe 4 von 5 meeresblaue Sterne.

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