Saubere Zeiten: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Saubere Zeiten: Roman' von Andreas Wunn
3.75
3.8 von 5 (4 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Saubere Zeiten: Roman"

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:381
Verlag: Aufbau
EAN:9783351038908
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Rezensionen zu "Saubere Zeiten: Roman"

  1. Saubere Erzählung ohne Ecken und Kanten

    "Saubere Zeiten" ist als Roman eine typische Familiengeschichte. Andreas Wunn hat sich durch seine eigenen Großeltern inspirieren lassen und erzählt hier nun die Geschichte des Vaters und Großvaters des Ich-Erzählers. Im Roman heißt die Familie Auber und der Großvater erfindet zur Wirtschaftswunderzeit ein neuartiges Waschmittel, durch das die Familie reich wird. Die Leser:innen erfahren, wie der Großvater dazu kam Waschmittel zu machen, wie er erfolgreich wurde und wie sein Erfolg endete. All das erzählt der Sohn, dessen Vater, zu dem er nie eine enge Beziehung hatte, ins Krankenhaus kommt und im Koma liegt.
    Wunn hat einen schönen Roman geschaffen, der die Leser:innen durch eine Reise durch die Jahrzehnte mitnimmt und auch immer die Probleme der Zivilbevölkerung der Zeit erzählt. Der Autor schafft ein Stückchen Alltagsgeschichte, auch wenn genau diese Geschichte nie passiert ist. Wichtige historische Ereignisse werden in den Roman eingebaut und deren Bedeutung für die Familie, die Firma werden besprochen. Als Historikerin gefällt mir dieser Aspekt des Romans sehr gut. Sonst ist es für mich ein durchschnittlicher Roman, den man auch lesen kann, wenn die Aufmerksamkeit nicht allzu hoch ist. Wirklich gefesselt hat er mich nie, aber ich wollte ihn auch nicht frühzeitig beenden und das Ende konnte mich dann doch überraschen (vielleicht aber auch nur, da ich mir keine großen Gedanken über das Ende gemacht habe).

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  1. Ein gutes Buch

    Erst einmal der Blick auf das Cover.
    In eher kühlen, verblasst scheinenden Farben wird eine Vater Sohn Szene dargestellt. Der Vater wirkt wie die Idealfigur des aufstrebenden Mannes, kein Anzugträger, aber auch kein Arbeiter. Der Sohn darf sich noch auf den Stuhl flegeln, aber schaut bewundernd auf den Vater, wird ihm nachstreben. Dabei wird die Distanz zwischen den beiden klar, kein Blickkontakt, keine entdeckbare Gemeinsamkeit.
    Diese Kühle und nichtssagende Stille ist zwischen Vater und Sohn der jeweiligen Generation von Auber Männern weit verbreitet. Erst der Journalist Jakob Auber beschließt dies zu brechen. Mit dem Tod seines Vaters kam er auch an schriftliche und mündliche Zeugnisse der Vorväter, Briefe und Tonaufnahmen. So kommunizieren Vater und Großvater als es schon zu spät ist. Jakob findet nicht nur die unsauberen Machenschaften seiner Familie heraus, die paradoxerweise mal ein Waschmittel erfand, er findet zugleich auch die Möglichkeit und die Notwendigkeit aus den erlernten Vater-Sohn Strukturen auszubrechen und versucht es mit seinem Sohn besser zu machen.

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  1. Der dunkle Fleck auf der weißen Weste...

    !ein Lesehighlight 2023!

    Klappentext:

    „Als Jakob Auber erfährt, dass sein Vater im Sterben liegt, macht er sich auf ins Zuhause seiner Kindheit, an der Mosel. Dort beginnt er, sich mit der Vergangenheit seiner Familie zu beschäftigen. Sein Großvater Theodor Auber war im Wirtschaftswunder-Deutschland eine schillernde Figur. Er erfand ein Waschpulver, mit dem er ein reicher Mann wurde, bis er unter ungeklärten Umständen alles verlor. Seine Spurensuche führt Jakob bis nach Rio de Janeiro. Dort trifft er die Tochter des jüdischen Besitzers der Drogerie, in der die Karriere seines Großvaters einst begann. Jakob erfährt, was hinter Aufstieg und Fall des Familienimperiums steckt. In seinem Roman erzählt Andreas Wunn eine große Geschichte von Vätern und Söhnen, Schuld und Sprachlosigkeit zwischen den Generationen und dem Glück einer Familie, das in den Händen zerrinnt wie Pulver.“

    Man könnte jetzt anhand des Klappentextes meinen, Autor Andreas Wunn hat einfach den typischen und momentan so gängigen Typus Geschichte gewählt „Elternteil liegt im Sterben, Kind kommt in die alte Heimat und große Geschichten tun sich auf“. Ja, so ist es auch aber hier kommt das große ABER: Wunn dreht die Geschichte so gekonnt und so wortgewaltig, dass von einem „gängigen Typus“ keine Rede mehr ist. Seine Wortwahl ist überragend mal ganz treffend und dann mal wieder zweideutig. Alles gepaart mit ein wenig Witz, Trauer, Neugier und eben jenen großen Ereignissen das es nur so kracht! Vater Auber liegt im Sterben und Jakob tritt wohlmöglich seine letzte Reise zu ihm an. Wir erfahren etwas über die Familienverhältnisse aller drei Generationen und schnell stet fest Großvater Auber, Theodor, war wohl der Saubermann der Familie und das im wahrsten Sinne. Er war der Erfinder eines Waschpulvers und somit brachte er der eigenen Familie Glanz und Gloria aber auch seinen Kunden brachte es endlich saubere Zeiten. Nur war alles immer so „sauber“? Der tiefe Fall kam nicht von ungefähr doch wer redet gern darüber? Genau darum geht es hier. Wunn puhlt in alten Wunden die eben weh tun und so sauber alles nach außen hin scheint, ist die Welt der Auber-Männer keineswegs. Es tun sich Abgründe auf und diese lassen selbst unsere Leser sprachlos zurück. Sprachlos sind auch oft die Gespräche zwischen den Männern selbst - es scheint so typisch gewählt bzgl. des Bildes „Mann“ und dennoch folgt man der Geschichte sehr gut ohne Fragezeichen über dem Kopf. Es gibt hier extreme Wendungen die aber glänzend eingewoben worden sind und der Geschichte den perfekten Glanz verleihen. Dennoch bleibt der Ton immer ruhig und nie aufgeregt. Wunn beschreibt bildhaft aber übertreibt es damit nicht, hier ist alles gut dosiert und die Geschichte rollt wie bei 1000 Umdrehungen in der Waschmaschine gekonnt mit ohne das dabei zu viel Waschpulver verwendet wurde und alles überschäumt. Auch die Zeitenwechsel oder Ortswechsel sind äußerst stimmig und nehmen den Leser sehr gut an die Hand.

    Fazit: Hier stimmt alles! Vom Cover bis hin zu den authentischen Figuren und einer wahrlich brillant erzählten Geschichte! 5 Sterne mit Leseempfehlung vergebe ich hier!

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  1. Eine Familie, die schweigt

    Jakob Auber, Sohn einer einst reichen und einflussreichen Familie, erfährt durch einen Anruf, dass sein Vater nach einem Schlaganfall im Koma liegt. Er reist von Berlin in seine Heimat. Sein Vater hat ihm eine letzte Nachricht hinterlassen, die nur aus zwei Worten besteht. Jakob macht sich daran, dieses Rätsel zu entschlüsseln und ausgerechnet in seinem Elternhaus erfährt er mehr über die Geschichte seiner Familie. Und er lernt auch rückblickend sehr viel über seinen Vater. Und ganz nebenbei erfährt er auch sehr viel über sich selbst.

    Ich tue mich mit der Bewertung dieses Buches ein wenig schwer, obwohl es mir insgesamt gut gefallen hat. Es ist angenehm geschrieben, regelrechter "Schmökerstoff" und man kann sich vorstellen, wie der Protagonist sich hinsetzt und seine Geschichte aufschreibt. Eine komplexe und vielschichte Familiengeschichte wird in recht direkter und einfacher Sprache erzählt. Schnörkellos und in kurzen Sätzen lässt Wunn den Leser an dieser Reise in die Vergangenheit teilhaben.
    Jakob stößt bei seinen Nachforschungen auf eine Mauer des Schweigens, auf Verdrehungen und Verleugnungen. Die Auswirkungen dieser "Mauerschichten" reichen bis in die Gegenwart und prägen sogar die Beziehung zwischen Jakob und seinem Vater. Die knappen Dialoge und die häufige Sprachlosigkeit Jakobs spiegeln das zwar gut wider, lassen den Hauptcharakter aber auch gleichzeitig fast schon sehr distanziert auf mich wirken. Die Emotionen kamen bei mir nicht so recht an, das mitfühlen fiel mir bei ihm nicht so leicht. Dagegen finde ich Jakobs Vater unheimlich gelungen und ich konnte mich sehr viel schneller in dessen Gefühlswelt hineinversetzen.

    Das Grundthema ist hochspannend und die zu Grunde liegenden Ereignisse haben sich so und ähnlich millionenfach in Deutschland abgespielt. Da kann man sich direkt auch mal selbst fragen: Wie gut kenne ich meine Familie und meine Familiengeschichte (wirklich)?
    Das Tempo ist recht hoch, was sicherlich dem Umstand geschuldet ist, dass der zu überblickende Zeitraum relativ überschaubar ist. Allerdings wird vieles in den Episoden nur angerissen, so dass die Handlung häufig mittendrin zu anderen Ereignissen springt. Das bremst manchmal den Lesefluss ein wenig aus, weil man bspw. abrupt aus der Vergangenheit gerissen wird um dann über eine ziemlich merkwürdige Eifersuchtsszene aus der Gegenwart zu lesen. Und Jakob Auber war für mich nur eine bedingt sympathische Buchfigur. Trotz der Vorgeschichte verhält und handelt er manchmal einfach nur merkwürdig und ich konnte nicht erkennen, wo in diesem Teil der Fokus liegt. (Und warum sind diese Selbstfindungsphasen bei Männern in solchen Geschichten immer mit Sex verbunden?)

    Und doch, trotz all der Kritikpunkte mochte ich das Buch. Ich habe es innerhalb kurzer Zeit regelrecht verschlungen und konnte nicht aufhören zu lesen. Ich kann das Buch daher weder als "super gut" noch als "total schlecht" einordnen. Ich würde es tatsächlich sogar verschenken und weiter empfehlen, weil ich glaube, dass es als Gesamtpaket viele Menschen ansprechen dürfte.

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Die Unpolitischen

Buchseite und Rezensionen zu 'Die Unpolitischen' von Erich Hackl
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Die Unpolitischen"

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:696
EAN:9783990650837
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Rezensionen zu "Die Unpolitischen"

  1. Zeitlos, interessant, beeindruckend

    „Wenn wir den Kopf in den Sand stecken, weil wir es bequemer finden, nichts zu sehen, nicht zu schauen, erwischt uns die Politik am Ende doch.“ (Zitat Seite 60)

    Inhalt
    Johannes Kramer studiert an der Universität Medizin, beendet sein Studium erfolgreich. Gleichzeitig arbeitet er bereits im Forschungslabor der Universität Wien, denn er sieht seine Zukunft nicht als Arzt, sondern als Wissenschaftler in der Forschung. 1934 ist für ihn klar, dass er nicht in Österreich bleiben kann. Er bemüht sich um eine Forschungsstelle im Ausland. Uruguay bietet ihm diese Chance, doch alles ist völlig anders, als er erwartet hatte. Er kehrt nach Wien zurück, heiratet seine langjährige Freundin Anna. Trotz seiner negativen Erfahrungen mit Uruguay bleibt für ihn, seine Familie und Freunde Südamerika die einzige Hoffnung. Diesmal ist es Bogotá, Kolumbien. Wieder stehen sie alle am Anfang, müssen jede Arbeit annehmen, die man ihnen überhaupt anbietet, während sie die Vorgänge in Deutschland und Österreich verfolgen und darüber nachdenken, ob sie je wieder in ihre alte Heimat zurückkehren werden können.

    Thema und Genre
    In diesem wichtigen Roman der österreichischen Exilliteratur, einem autobiografischen Generationenroman, geht es um Österreich unter dem raschen, erfolgreichen Aufstieg des Nationalsozialismus und, damit verbunden, die Flucht ins Exil als einzigen Ausweg. Themen sind der Verlust der Heimat und der mühsame Neubeginn am anderen Ende der Welt, Hoffnungen und Sorgen. Gleichzeitig lesen wir auch über den Werdegang von Johannes als Schriftsteller, seine intensive Arbeit an seinem ersten Roman, der aus seinen Tagebucheinträgen, zahlreichen Aufzeichnungen und Beobachtungen entstehen soll. „Man kommt nie zur rechten Zeit. Entweder man erlebt etwas, oder man schreibt darüber. Es passt nie richtig zusammen.“ (Zitat Seite 331)

    Charaktere
    Der Arzt und Schriftsteller Paul Engel nennt sich als Schriftsteller Diego Vigas. Für seine autobiografische Hauptfigur wählt er den Namen Johannes Kramer.

    Handlung und Schreibstil
    Die Geschichte wird in vier großen Abschnitten erzählt. Diese sind in Kapitel unterteilt. Johannes, seine Frau Anna und fünf weitere Personen schildern die Ereignisse abwechselnd, jeweils in der ersten Person, Zeitform ist immer das Präsens. Die einzelnen Erzählstimmen wechseln einander ab, immer mit dem jeweiligen Namen als Überschrift eines Kapitels. Mit jedem Wechsel der Erzählstimme beginnt ein neues Kapitel. Natürlich treten in diesem Roman wesentlich mehr Personen auf, deren Erlebnisse in Gespräche der erzählenden Hauptfiguren untereinander einfließen, in die Erinnerungen und vor allem auch in die Gedankenmonologe der Ich-Erzähler. Die geschilderte Gruppe von Menschen kennt einander, als Mitglieder einer Familie, aber auch als Freunde, Kollegen oder über gemeinsame Bekannte. Sie alle verlassen Deutschland, dann Österreich, später auch Europa, manche Schicksale trennen sich, bis sie einander wieder begegnen. „Treffen die Schicksalslinien einander oder geht jeder seinen eigenen Weg ins Unendliche allein, ohne dem anderen zu begegnen?“ (Zitat Seite 204) Diese Erzählform, verbunden mit der Sprache, überzeugt und zieht uns Lesende sofort in den Bann dieses packenden Familien- und Generationenromans. Das Nachwort, verfasst von Erich Hackl, ergänzt mit Fakten aus dem Leben von Paul Engel und seinem Werdegang als Schriftsteller.

    Fazit
    Ursprünglich hatte der Autor den Titel „Die Parallelen schneiden sich“ gewählt, ein Titel, der Bezug auf diesen besonderen, vielschichtigen Aufbau der Geschichte mit ihren einzelnen Schicksalen und Lebenswegen genommen hatte. Doch unabhängig vom Titel ist dieser Roman ein sehr interessantes, zeitloses, beeindruckendes Beispiel der österreichischen Exilliteratur jener Epoche.

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Die Cellistin

Buchseite und Rezensionen zu 'Die Cellistin' von Daniel Silva
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Die Cellistin"

Viktor Orlov, der ehemals reichste Mann Russlands, ist dem Tod schon unzählige Male von der Schippe gesprungen. Vor einigen Jahren hat er sich ins Exil nach London zurückgezogen, wo er nun seinen Kampf gegen die Kleptokraten, die die Kontrolle über den Kreml an sich gerissen haben, weiterführt. Doch eines Abends wird er tot in seiner Wohnung aufgefunden – vor ihm sein Telefonhörer, ein halb leeres Glas Rotwein und ein Stapel Dokumente, kontaminiert mit einem tödlichen Nervengift. Gabriel Allon, der Orlov sein Leben verdankt, glaubt nicht an die Theorien, die das MI6 über den Tathergang aufstellt, und nimmt sich des Falles an: Es beginnt eine rasante Jagd durch Europa auf den Spuren einer russischen Untergrundorganisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Welt unwiderruflich zu spalten ...

Autor:
Format:Broschiert
Seiten:448
EAN:9783365001028
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Rezensionen zu "Die Cellistin"

  1. Geld regiert die Welt

    Dies ist bereits der 21. Thriller aus der Reihe um Gabriel Allon. Ich habe nicht alle Bände gelesen, was auch nicht unbedingt notwendig ist, da sie nach einem bestimmten Schema verlaufen, aber sie machen auch immer wieder Spaß.
    Dieses Mal geht es um den Tod eines Exil-Russen namens Viktor Orlov. Orlov hatte sich dem Kampf gegen die regierenden Kleptokraten im Kreml verschrieben und sich damit Feinde gemacht. Immer wieder hat er überlebt, doch nun wurde er mit einem Nervengift getötet. Der MI6 hat schnell eine Theorie zu den Hintergründen, doch Gabriel Allon und der israelische Geheimdienst sehen das anders. Daher macht sich Gabriel daran, den Mörder seines alten Freundes zu finden und er stößt auf eine Spur, die zu großen politischen Verwerfungen führen könnte.
    Wie gewohnt konnte mich auch dieser Thriller wieder packen. Er lässt sich gut und flüssig lesen und es geht spannend und actionreich zu. Auch dieser Fall führt zu einer rasanten Jagd durch eine Reihe von Ländern. Aktuelle Themen werden ebenfalls nicht ausgespart und es ist interessant, die Spielchen der Geheimdienst zu erleben.
    Gabriel Allon ist ein sympathischer Mensch, der viele Talente besitzt. Auch als Agent zeigt er seine besonderen Fähigkeiten und muss dabei immer wieder einiges einstecken. Neben neuen Figuren tauchen auch alte Bekannte wieder in dieser Geschichte auf. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Cellistin.
    Wie so häufig geht es um Geld, Gier, Macht und Korruption. Ich liebe Agententhriller und bin auch von diesem wieder gefesselt worden. Es geht tempo- und actionreich zu mit vielen Wendungen, so dass die Spannung immer vorhanden ist.
    Mir hat dieser rasante und spannende Thriller wieder Freude bereitet.

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Die karierten Mädchen: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Die karierten Mädchen: Roman' von Alexa Hennig von Lange
4.2
4.2 von 5 (5 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Die karierten Mädchen: Roman"

Blind und mit über neunzig Jahren beginnt Klara, ihre Erinnerungen auf Kassette aufzunehmen. Auf der Suche nach dem Menschen, der sie einmal war, vertraut sie den Bändern ein Geheimnis an, von dem nicht einmal ihre Kinder etwas wissen. Ist ihre Familie bereit für die wahre Geschichte ihres Lebens? Siebzig Jahre zuvor: Die junge Klara ist überglücklich. Mitten in der Weltwirtschaftskrise 1929 bekommt sie eine Stelle als Lehrerin in einem Kinderheim in Oranienbaum. Als dort eines Tages Tolla, ein einjähriges Mädchen, abgegeben wird, fühlt sich Klara ihm auf Anhieb stark verbunden. Doch bald spitzt sich die wirtschaftliche Lage des Heims zu. Klara, die das Haus inzwischen leitet, sucht die Nähe der neuen nationalsozialistischen Machthaber in der Hoffnung auf Rettung. Zu spät erkennt sie, mit wem sie sich eingelassen hat. Die Nationalsozialisten wollen aus dem Heim eine Ausbildungsstätte für junge Frauen machen, in der Klara ihren Schülerinnen die Liebe zu Volk und Kind vermitteln soll, statt sie zu eigenständig denkenden Menschen zu erziehen. Gleichzeitig ist sie unter der Hakenkreuzflagge und den ständigen Besuchen der Nazi-Funktionäre plötzlich selbst in Gefahr: denn Tolla, das Waisenmädchen, das inzwischen wie eine Tochter an Klaras Seite lebt, ist jüdischer Herkunft.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:368
EAN:9783832181680
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Rezensionen zu "Die karierten Mädchen: Roman"

  1. Erinnerungen

    Die blinde, über neunzigjährige Klara findet, dass es an der Zeit ist, ihre Geschichte zu erzählen. Dafür nutzt sie Tonbandkassetten, denen sie ihre Geheimnisse anvertraut. Wie wird es die Familie aufnehmen, wenn sie erfährt, was Klara in der Vergangenheit gemacht hat?
    Zur Zeit der Weltwirtschaftskrise ist Klara froh, dass sie eine Stelle in dem Kinderheim in Oranienbaum bekommt. Dann soll die einjährige Tolla für kurze Zeit aufgenommen werden. Klara kümmert sich um das Mädchen, das aber nicht mehr abgeholt wird. Die wirtschaftliche Situation macht natürlich auch vor dem Kinderheim nicht halt und Klara, die inzwischen die Leitung hat, versucht alles, um das Heim zu retten. Dafür setzt sie auf die neuen Machthaber und erkennt zu spät, auf wen sie sich das eingelassen hat. Damit gerät auch Tolla in Gefahr, da sie jüdisch ist. Klara versucht Tolla als ihr Kind auszugeben.
    Dies ist der erste Band der Trilogie, in der die Autorin Alexa Hennig von Lange die Erinnerungen ihrer Großmutter verarbeitet. Es ist eine berührende Geschichte, die auf zwei Zeitebenen spielt. Das Buch liest sich gut und flüssig, hat mich aber nicht ganz überzeugt.
    Mit Klara konnte ich mich nicht wirklich identifizieren. Sie wirkt auf mich oft etwas naiv. Die Zeiten sind schwierig und sie versucht zu helfen. Dabei weiß sie, dass sie sich auf ein gefährliches Terrain begibt, verdrängt das aber trotz ihrer Ängste. Sie versucht zwar, das jüdische Mädchen zu retten, aber das doch eher aus Zuneigung als aus Widerstand gegen das Regime. Für mich ist sie eine Mitläuferin, wie es damals so viele gegeben hat. Damit will ich sie nicht verurteilen, weil ich nicht weiß, wie ich selbst mich verhalten hätte.
    Auch wenn sich meine Begeisterung in Grenzen hält, so würde ich doch gerne wissen, wie es weitergeht.

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  1. Bewegender Roman mit Erinnerungen an die Vergangenheit

    Die karierten Mädchen ist der erste Band einer Triologie von Alexa Henning.

    Im Buch wird die Geschichte aus der Sicht von Klara erzählt, die im Alter von 92 beschließt ihre Erinnerungen aus ihrer Vergangenheit auf Tonbandkassetten aufzunehmen.
    Beginnend im Jahre 1929 nimmt Klara eine Arbeitsstelle als Hauswirtschaftslehrerin in einer Kinder-Lungenheilanstalt auf.
    Als die Leiterin der Heilanstalt verstirbt und dem Haus die Schließung droht übernimmt Klara deren Job und versucht alles um das Heim aufrecht erhalten zu können.
    Die damals an die Macht kommenden Nationalsoziallisten bieten Klara finanzielle Unterstützung an wenn sie das Heim als Bildungsstätte für junge Frauen unter der nationalsozialistischen Ideologie führt - jedoch befindet sich im Heim ein jüdisches Mädchen.

    Die Autorin wurde von ihrer eigenen Großmutter und deren Erlebnisse und Erinnerungen inspiriert diesen Roman zu schreiben.
    Besonders gut gefallen hat mir, dass Frau Hennig darauf eingeht in welch schwierigen Lage sich die Menschen nach der Machtübernahme der NSDAP befunden haben, wenn sie dieser Ideologie nicht folgen wollten. Das Buch zeigt auf wie schnell man sich selbst in Gefahr gebracht hat um andere zu schützen.
    Die Protagonistin steht in ihrer Position ständig in einem inneren Konflikt zwischen Moral, Gewissen und aber der Notwendigkeit selbst zu überleben.

    Ich bin gespannt auf die weiteren 2 Bände, die ich auf jeden Fall lesen möchte.

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  1. 5
    10. Aug 2022 

    Absolut interessant

    Die Nachricht ihrer Tochter Inge, dass die Enkelin Isabell ein Baby erwartet und dieses vermutlich allein großziehen wird, wecken Erinnerungen in Klara. Erinnerungen sind das, was Klara am Leben erhält. Über neunzig Jahre ist sie alt und kann eigentlich nichts mehr sehen. Aber ihre Erinnerungen sind dafür umso klarer. So sieht sie die kleine Isabell mit ihren roten Haaren damals vor sich, als sie noch ein kleines Kind war. Und die Gedanken schweifen weiter zu Tolla, die damals als Klara jung war, genauso aussah. Viele dachten, Tolla wäre ihre Tochter gewesen. Je mehr sie über Tolla nachdenkt, umso schneller holen sie die Erinnerungen ein.

    Klara beschließt ihre Erinnerungen auf Kassetten zu sprechen. Ihre Erinnerungen beginnen 1929 als sie eine neue Stelle als Hauswirtschaftslehrerin in Oranienbaum beginnt. Schnell kommt sie mit den Kolleginnen und auch den Kindern klar. Aber die Zeiten sind hart. Als es die Anfrage gibt, ein kleines jüdisches Mädchen, ohne Kenntnis der Ämter vorrübergehend aufzunehmen, zögert sie nicht lange. Aber Tolla kann sich nicht eingewöhnen, nur bei Klara ist sie ruhig, ist und schläft gut. Als nach kurzer Zeit klar wird, dass Tollas Mutter sie nicht mehr abholen wird, beschließt Klara sie bei sich zu behalten. Viele wissen mittlerweile gar nicht mehr, wo Tolla herkam und denken aufgrund der Ähnlichkeit das Klara ihre Mutter ist. Und Klara fühlt sich auch so.

    Doch wie geht es mit Tolla weiter. Die Zeiten verschlechtern sich. Klara muss eine Entscheidung treffen und denkt noch viele Jahre später darüber nach.

    Mir hat Klara als Protagonistin sehr gut gefallen. Der Autorin gelingt es ihre Hauptfigur mit allen Facetten sehr klar darzustellen. Klara verkörpert damit das typisch deutsche Mädchen, die sich im Laufe der Geschichte immer weiterentwickelt und der es gelingt ihren eigenen Weg zu finden.

    Am Ende wird relativ schnell klar, dass noch nicht alles erzählt ist. Ich bin jetzt schon gespannt, wie es weitergeht und empfehle das Buch sehr gerne weiter. Von mir gibt es dafür verdiente fünf Lesesterne.

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  1. 3 Sterne

    Klappentext:
    „Blind und mit über neunzig Jahren beginnt Klara, ihre Erinnerungen auf Kassette aufzunehmen. Auf der Suche nach dem Menschen, der sie einmal war, vertraut sie den Bändern ein Geheimnis an, von dem nicht einmal ihre Kinder etwas wissen. Ist ihre Familie bereit für die wahre Geschichte ihres Lebens?
Siebzig Jahre zuvor: Die junge Klara ist überglücklich. Mitten in der Weltwirtschaftskrise 1929 bekommt sie eine Stelle als Lehrerin in einem Kinderheim in Oranienbaum. Als dort eines Tages Tolla, ein einjähriges Mädchen, abgegeben wird, fühlt sich Klara ihm auf Anhieb stark verbunden. Doch bald spitzt sich die wirtschaftliche Lage des Heims zu. Klara, die das Haus inzwischen leitet, sucht die Nähe der neuen nationalsozialistischen Machthaber in der Hoffnung auf Rettung. Zu spät erkennt sie, mit wem sie sich eingelassen hat. Die Nationalsozialisten wollen aus dem Heim eine Ausbildungsstätte für junge Frauen machen, in der Klara ihren Schülerinnen die Liebe zu Volk und Kind vermitteln soll, statt sie zu eigenständig denkenden Menschen zu erziehen. Gleichzeitig ist sie unter der Hakenkreuzflagge und den ständigen Besuchen der Nazi-Funktionäre plötzlich selbst in Gefahr: denn Tolla, das Waisenmädchen, das inzwischen wie eine Tochter an Klaras Seite lebt, ist jüdischer Herkunft.“

    Alexa Hennig von Lange packt Themen immer etwas fester an. Nach ihrem Roman „Kampfsterne“ und „Die Wahnsinnige“ ist dies mein drittes Buch von ihr. Schlussendlich fällt sie mit diesem Roman in das momentan sehr angesagte Genre ein: Großmutter erzählt kurz vor dem Ableben nochmal ihr Leben inkl. Geheimnisse und die Kinder sollen dann damit etwas anfangen. Diesen Plot finden wir momentan mehr als häufig in der Literaturwelt. Die Geschichte rund um Klara ist dennoch interessant aufgebaut und bringt dem Leser ein recht genaues Bild der Dame näher. Ihre Geschichte klingt unheimlich bewegend und dennoch ist sie eine unter vielen von damals gemischt aus Realität und Fiktion. Der braune Sumpf macht auch vor Klara nicht Halt und wir Leser erleben hier eine wahre Achterbahnfahrt inkl. Geisterstation in der das Grauen sich ganz plötzlich zeigt - für Klara etwas unverhofft, für uns Leser war es glasklar. Die Autorin benutzt klare Worte für ihre Geschichte, der Ausdruck ist fließend, aber dennoch gibt es manchmal Parts die man nicht akzeptieren kann, gerade wenn Familienmitglieder ihre Geschichte erzählen (wir erlesen hier zwei Zeitebenen) als wäre es ihre eigene - es ist aber Klaras Geschichte! Klara macht den Leser manches Mal etwas Kopfzerbrechen. Ihr Desinteresse an der Politik wirkt nicht gerade glaubhaft oder ist es eher der Vogelstrauß in ihr? Hier kommt man wieder mal an den Punkt: Das muss man doch alles mitbekommen haben! Keiner kann doch wirklich glauben, dass man dieses „Ich wusste von nichts“ glaubt? So auch hier. Hier und da wird es zudem etwas unrund vom Verlauf und eben von der Glaubwürdigkeit der Protagonistin. Wie andere kritische Stimmen auch bereits schon schreiben: alles wirkt etwas „oberflächlich“ und dem kann ich nur zustimmen. 3 von 5 Sterne für eine gute Geschichte aber eben nicht wirklich herausragend.

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  1. Überzeugender Reihenauftakt

    Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich um den ersten Teil einer Trilogie, der enorm Lust auf mehr gemacht hat, weil er leider mit einem offenen Ende daherkommt.

    Die Hauptakteurin Klara ist 90 Jahre alt, blind und hält ihre Erinnerungen mittels Kassetten fest, um ihre Nachfahren an ihrem Leben teilhaben zu lassen, was ich als enorm spannende Idee ansehe und mir Gänsehaut verursacht, wenn ich mir vorstelle, dass meine Großeltern das getan hätten, denn so könnte ich noch ihre Stimmen anhören, obwohl sie schon lange nicht mehr leben.

    Als Leser hat man so die Möglichkeit ihr Leben ab 1929, der Zeit der Wirtschaftskrise, zu erleben.

    Die Thematik Nationalsozialismus wird realistisch dargestellt und die Autorin beschönigt nichts. Ich hatte sogar Verständnis für das Handeln von Klara, auch wenn viele das aus heutiger Sicht verurteilen würden, aber viele Möglichkeiten hatte die arme Frau eben auch nicht. Speziell finde ich nur, dass die Sympathieträger offenbar alle gegen das System waren, was sich etwa so liest als käme die Ansicht aus der heutigen Zeit und nicht von damals, aber mich hat das nicht gestört, da ich mich so besser mit den Figuren identifizieren konnte.

    Der Schreibstil der Autorin ist sehr angenehm. Ich konnte problemlos in die Handlung abtauchen und habe das Geschilderte sehr genossen. Und vor allem lernt man auch wieder mal etwas dazu.

    Fazit: Sehr lesenswert, das solltet ihr euch in jedem Fall gönnen!

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Hiob

Buchseite und Rezensionen zu 'Hiob' von Joseph Roth
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Hiob"

Autor:
Format:Kindle Ausgabe
Seiten:164
Verlag: e-artnow
EAN:
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Rezensionen zu "Hiob"

  1. Ein Klassiker

    Klappentext:

    „Das Leben beschert dem Tora-Lehrer Mendel Singer in seinem Schtetl harte Schicksalsschläge. Auch nachdem er mit seiner Familie nach New York emigriert ist, begleiten ihn unerträgliches Leid und Verlust. Mendel verliert jede Hoffnung und seinen Glauben an Gott. Nur ein Wunder kann ihm noch helfen….“

    Autor Joseph Roth hat diese Geschichte im Jahr 1930 veröffentlicht und sie beweist auch heute noch, wie aktuell und treffend sie ist, auch noch nach über 90 Jahren.

    Hauptprotagonist Mendel Singer hat seinen festen Glauben und ist mit Leib und Seele diesem verschrieben. Seine Arbeit als Tora-Lehrer ist Passion und Geschenk zugleich für ihn. Genau wie Hiob, eine biblische Person. Nur kann der Glaube einen vor allem schützen? Ist immer die schützende Hand über einem? Nein. Mendel erleidet hier schwere und tiefgreifende Schicksalsschläge und der Zweifel an seinen Glauben ist die Folge. Joseph Roth legte in diesen Roman sehr viele persönliche Gedanken und verarbeitete selber eine Menge Geschehnisse. Seine Figur wird zum Sinnbild für die große Frage aller Fragen: „Warum ich, obwohl ich dir doch immer treu gedient habe! Warum legst du mir diese Bürde auf, warum strafst du mich damit?“ Man muss nicht gläubig sein um diese Gedanken auch selbst zu denken aber hier geht es um das Judentum und ihre Gedanken dazu und die vernichtenden Folgen durch kriegerische Handlungen. Roth ist bei seiner Wortwahl immer treffend und stilsicher geblieben. Er hat nicht um den heißen Brei geredet, sondern alles punktgenau fallen gelassen. Dem Leser begegnet hier eine klassische und so zeitlose Geschichte voller Kraft und Sinnsuche, ohne dabei wertend zu sein. Oder doch? Seine Geschichte rund um Mendel und seine Heimat in den Schtetls in Osteuropa.

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Und habt ihr denn etwa keine Träume: Erzählungen

Buchseite und Rezensionen zu 'Und habt ihr denn etwa keine Träume: Erzählungen' von Anna Seghers
NAN
(0 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Und habt ihr denn etwa keine Träume: Erzählungen"

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:336
Verlag: Aufbau
EAN:9783351039509
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Und habt ihr denn etwa keine Träume: Erzählungen

Buchseite und Rezensionen zu 'Und habt ihr denn etwa keine Träume: Erzählungen' von Anna Seghers
NAN
(0 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Und habt ihr denn etwa keine Träume: Erzählungen"

Autor:
Format:Kindle Ausgabe
Seiten:385
EAN:
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Chuzpe

Buchseite und Rezensionen zu 'Chuzpe' von  Lily Brett
4
4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Chuzpe"

Format:Audible Hörbuch
Seiten:0
Verlag: SAGA Egmont
EAN:
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Rezensionen zu "Chuzpe"

  1. 4
    24. Jun 2022 

    Klops braucht der Mensch!

    Ruth kann nicht begreifen, daß ihr Vater Edek, vor wenigen Wochen erst von Melbourne zu ihr nach New York gezogen, weit davon entfernt ist, einen ruhigen Lebensabend zu verbringen. Und dass Lebensabend überhaupt der falsche Begriff ist für den munteren Siebenundachtzigjährigen, der sich erst in Ruths Korrespondenzbüro nützlich zu machen versucht und wenig später ein Verhältnis beginnt mit der (viel zu jungen, wie Ruth findet) Polin Zofia (69). Als Edek zusammen mit Zofia und deren Freundin Valentina auch noch ein Restaurant an der Lower Eastside eröffnen will, das auf polnische Fleischbällchen spezialisiert ist, bangt Ruth gleichermaßen ums Erbe und um ihre Nerven. (Klappentext)

    Ruth ist eine Frau in den mittleren Jahren, die drei Kinder sind bereits aus dem Haus, und ihr Mann hält sich derzeit beruflich für ein halbes Jahr in Australien auf. Langeweile kennt Ruth jedoch nicht. Sie führt erfolgreich ein Schreibbüro und verfasst Grußkarten und Briefe für wohlhabende Leute. Mit ihrem 87jährigen Vater Edek, der vor kurzem von Melbourne nach New York gezogen ist, um Ruth näher zu sein, ist jedoch noch eine besondere Aufgabe in ihr Leben getreten. Wie bremst man einen überaus agilen Mann, der sich gerne um alles kümmert und dabei aber oft am Ziel vorbeischießt?

    Zunächst gründet er die "Vorwärtsabteilung" in ihrer Firma und bestellt nach eigenem Gutdünken Dinge für das Schreibbüro, die am realen Bedarf eindeutig vorbei gehen. Ruth lässt ihren Vater etwas fassungslos aber tapfer agieren, hat er so doch eine Aufgabe gefunden und lässt sie selbst in Ruhe ihrer Arbeit nachgehen. Dass sie hier nicht die Notbremse zieht, zeigt zum einen, wie gut es ihr finanziell geht und weist zum anderen auf die etwas verzwickte Vater-Tochter-Beziehung hin.

    Edek und Ruth sind nicht nur jüdischen Glaubens, sondern Edek hat zudem seinerzeit das Ghetto von Lodz überlebt und verdient in Ruths Augen für den Rest seines Lebens einen tiefen Respekt. Seit Ruths Mutter gestorben ist, ist sie nun diejenige, die als Tochter eine Fürsorgepflicht zu erfüllen hat und alles daran setzt, dass es ihrem Vater gut geht. Sie finanziert ihm eine Wohnung in New York und freut sich, dass Edek allmählich wieder aufblüht.

    Ruth selbst hat jedoch schon Jahre der Therapie hinter sich, denn das Aufwachsen als Kind von Überlebenden des Holocaust hat durchaus Spuren hinterlassen. Sie hat und pflegt ihre kleinen Eigenheiten und Neurosen, ist zudem geplagt von ständiger Sorge. Ruth achtet sehr auf sich und ihren Körper, isst wenig und nur gesund, treibt Sport und pflegt einen sehr strukturierten Tagesablauf. Durch das Eintreffen ihres Vaters gerät all das Geregelte allmählich ins Wanken, und als Edek nach der Bekanntschaft mit zwei älteren polnischstämmigen Frauen wie aus heiterem Himmel beschließt, einfach ein Restaurant zu eröffnen, steht Ruths Welt plötzlich Kopf.

    "Klops braucht der Mensch" soll das Restaurant an der Lower Eastside heißen, und mit Feuereifer machen sich Edek, Zofia und Valentina an die Umsetzung ihres Plans, und nichts und niemand scheint sie dabei aufhalten zu können. Gerade einmal 30.000 Dollar stehen ihnen dafür zur Verfügung, eine lächerlich kleine Summe nach Meinung aller von Ruth zu Rate gezogenen Experten. Und die 30.000 Dollar stammen zudem auch noch von Ruth, die aber weniger den Verlust des Geldes befürchtet als die Auswirkungen einer sicher zu erwartenden Enttäuschung auf ihren Vater. Wenn solch ein letztes Lebensziel platzt - was dann?!

    “Ruthy, Ruthy, reg dich runter!”

    Herrlich absurd und gleichzeitig voller Wärme kommt diese schräge, herzerfrischende, jüdische New Yorker Komödie daher. Ich mochte die liebenswerte Schlitzohrigkeit Edeks, dessen sprühende Lebensfreude (trotz allem) und seine Bereitschaft, so absolut im Hier und Jetzt zu leben und es verdammt noch mal (Verzeihung) auch zu genießen, auch wenn es manchmal anstrengend ist. Und ich mochte es, wie die Ereignisse und die stoische Unbeirrbarkeit Edeks schließlich auch Auswirkungen auf Ruths Leben und ihre Neurosen zeigten. Und wie sich Vater und Tochter letztlich doch auch emotional ganz allmählich annäherten.

    Der Schreibstil erscheint im Allgemeinen flüssig, jedoch manchmal etwas einfallslos, was aber u.U. auch an der Übersetzung liegen könnte. Marion Martienzen als Sprecherin der ungekürzten Hörbuchausgabe (5 Stunden und 33 Minuten) hatte für mein Empfinden leider doch etwas Mühe, in die Erzählung hinein zu finden. Vor allem die Vertonung von Ruths Vater Edek geriet anfangs eher in Richtung geistig unterbemittelt denn einfach in Richtung polnisch-jüdischer Akzent, das war zumindest der Eindruck der sich mir unangenehm und unpassend aufdrängte. Doch entweder konnte sich die Sprecherin im Verlauf besser auf die Rolle Edeks einstellen oder aber ich habe mich einfach an ihre Art des Vortrags gewöhnt und versucht, über diese Nuancen hinweg zu hören.

    Hintergründige Unterhaltung, die trotz der leisen Melancholie zutiefst lebensbejahend ist. Empfehlenswert!

    © Parden

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Nicht ohne meine Schwester

Buchseite und Rezensionen zu 'Nicht ohne meine Schwester' von Marion Kummerow
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Nicht ohne meine Schwester"

Format:Taschenbuch
Seiten:296
Verlag: Bookouture
EAN:9781803142890
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Rezensionen zu "Nicht ohne meine Schwester"

  1. Der Kampf ums Überleben und die Hoffnung auf ein Wiedersehen

    "Du brauchst keine Angst zu haben, solange ich hier bin. Weil ich dich beschützen werde." (Buchauszug)
    Hessen 1944:
    Familie Epstein ist bisher der Deportation entgangen, was sicher an dem abgelegenen Bauernhof in einem kleinen Dorf liegt. Zwar mussten sie diesen als Juden abgeben, doch sie konnten weiter dort arbeiten und leben. Eines Tages allerdings werden ihre Eltern abgeholt. Während die Brüder fliehen, werden Rachel und Mindel von der Gestapo gefasst und ins KZ nach Bergen-Belsen deportiert. Für die vierjährige Mindel ist ihre Schwester Rachel nun der einzige Halt, den sie noch hat. Doch bei der Ankunft verlieren sie sich aus den Augen. Jetzt muss jeder selbst um sein Überleben kämpfen. Während Rachel zur anstrengenden Zwangsarbeit eingeteilt wird, harrt Mindel einsam im Sternenlager, dass sie ihre Schwester wiedersieht. Einziger Lichtblick ist ihre Puppe Paula und ihr kleiner Freud Laszlo, mit dem sie sich anfreundet. Währenddessen versucht Rachel alles, um ihre kleine Schwester zu finden. Doch gibt es Hoffnung für die beiden?

    Meine Meinung:
    Ein kleines trauriges Mädchen am Stacheldrahtzaun passt sehr gut zum Inhalt. Erschütterndes Setting und beeindruckende Charaktere in einem unterhaltsamen, emotionalen Buch. Ausgang ist ein einsamer Bauernhof, bei dem eine jüdische Familie mit vier Kindern unbescholten lebt. Doch dann verstirbt der Besitzer, an den sie ihren Hof damals abtreten mussten und alles verändert sich. Was mit den Eltern und den beiden Brüdern geschieht, erfahren wir erst am Ende des Buches. Hier geht es allein um die beiden Schwestern, die zwar im selben Lager, jedoch durch Zäune voneinander getrennt sind, sodass sie sich nicht begegnen. Die Beschreibung der Begebenheiten des KZ Bergen-Belsen gibt mir eine Vorstellung, wie es dort aussah und was die Betroffenen alles erleben und mitmachen mussten. Neu für mich war, dass dort so viele Kinder untergebracht waren. Ich dachte immer, die Mehrzahl der Kinder wurde sofort bei der Ankunft getötet. Ebenso neu ist für mich der Kannibalismus unter den Insassen und dass es wohl vereinzelte Züge in die Schweiz gab, bei dem einige Insassen mitfahren und überlebt haben. Wie muss es für ein vierjähriges Mädchen gewesen sein, ganz allein unter diesen Zuständen zu überleben! Ich bin echt erstaunt, wie mutig und wie viel Kraft die kleine Mindel hat. Mitunter kam sie mir ebenso wie der siebenjährige Laszlo etwas zu übertrieben und reif für ihr Alter vor. Ich dachte, dass gerade so kleine Kinder doch eher mit bestimmten Situationen überfordert sind. Klar wächst der Mensch mit seinen Aufgaben und Ansprüchen allerdings, ob das für so kleine Kinder zutrifft? Gut fand ich es, diese Perspektive einmal durch kindliche Augen mitzuerleben. Einige der Kapitel haben mich dabei emotional extrem berührt, besonders wenn Kinder den Tod so brutal und real begreifen müssen. Erschüttert hat mich, dass selbst Kinder zu langen Appellen anstehen mussten. Berührt hat mich auch Rachels Handlung, besonders als sie in den Fabriken arbeiten musste, wo sie dann zudem noch gesundheitliche Probleme bekam. Sehr stark betont die Autorin, wie schnell bei jedem Einzelnen die Kräfte zehren und nachlassen. Erschüttert war ich vor allem über die Härte der Aufseher gegenüber den Kindern. Trotzdem das Buch fiktiv ist, ist es für mich eine bemerkenswerte Geschichte, die mich schwer erschüttert hat. Allerdings zeigt sich hier, wie stark Hoffnung und Kampf das Überleben bestimmen kann. Deshalb von mir eine Leseempfehlung und 5 von 5 Sterne.

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