Zusammenkunft: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Zusammenkunft: Roman' von Natasha Brown
3.45
3.5 von 5 (9 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Zusammenkunft: Roman"

Nach oben kommen. Das war immer der Plan. Seit Jahrhunderten. Dafür hat sie, dafür haben alle vor ihr gekämpft. Und als Schwarze Frau stand ihr letztlich nur ein Weg offen: Völlige Verausgabung, Oxbridge, Londoner Hochfinanz, ein Freund mit Geld so alt und dreckig wie das Empire. Doch als sie endlich eingeladen wird, Mitglied einer Familie, Angehörige einer Klasse, Teil eines Landes zu werden, muss sie am eigenen Körper erfahren, dass die erlittenen Ungerechtigkeiten tiefere Wurzeln geschlagen haben. Wie kann sie sich retten? Wie mit dem Erbe der Geschichte leben?

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:113
EAN:9783518430460
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Rezensionen zu "Zusammenkunft: Roman"

  1. 3 Sterne

    Klappentext:

    „Nach oben kommen. Das war immer der Plan. Seit Jahrhunderten. Dafür hat sie, dafür haben alle vor ihr gekämpft. Und als Schwarze Frau stand ihr letztlich nur ein Weg offen: Völlige Verausgabung, Oxbridge, Londoner Hochfinanz, ein Freund mit Geld so alt und dreckig wie das Empire. Doch als sie endlich eingeladen wird, Mitglied einer Familie, Angehörige einer Klasse, Teil eines Landes zu werden, muss sie am eigenen Körper erfahren, dass die erlittenen Ungerechtigkeiten tiefere Wurzeln geschlagen haben. Wie kann sie sich retten? Wie mit dem Erbe der Geschichte leben?“

    Autorin Natasha Brown hat mit „Zusammenkunft“ einen speziellen Roman verfasst. Ich konnte mich von Beginn an nicht richtig mit ihm anfreunden aber aufgeben mit lesen war ebenfalls keine Option. Ihre Geschichte rund um die namenlose Erzählerin hat ein gewisses Flair, eine gewisse Distanz, man weiß als Leser nicht so recht was man von der Protagonistin halten soll, wie man sie einschätzen soll. Wie schon gesagt, speziell eben. Brown spricht in ihrem kurzen Roman viele Themen an die die Menschen alle zusammen bewegen. Es geht um Werte, Rassismus uvm. aber ganz eindringlich eben auch um die Einstellung zu sich selbst. Sie verwebt viele Parts gekonnt aber dennoch bleiben sie am Leser nicht richtig haften. Vieles scheint als Klischee, aber ist es doch in der Realität normal. Jeder von uns hat schonmal etwas erlebt was auch unsere Protagonistin erlebt hat. Egal ob man Weiß oder Schwarz ist. Diese Geschichte bietet mit ihrem besonderen Schreibstil viel Denkpotential. Jeder Leser wird hier seine eigene Sicht haben und sich eine eigene Meinung bilden. In diesem Fall ist der Titel „Zusammenkunft“ treffend gewählt. Wir alle haben die gleichen Probleme…oder doch nicht?! Jeder macht daraus genau das was er daraus machen will. Diese Geschichte ist eine Art Zusammenkunft aber so richtig konnte ich mich nicht integrieren. Die Geschichte ist weder Fisch noch Fleisch für mich. Sie ist nicht schlecht aber auch nicht herausragend oder gar eine literarische Sensation wie überall angepriesen. Ich vergebe gute 3 von 5 Sterne aber mehr ist beim besten Willen nicht drin.

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  1. Starkes, sehr eindringliches Debüt

    Es macht einen Unterschied mit welchem Geschlecht, mit welcher Hautfarbe, ob man arm oder reich geboren wird - die Chancengleichheit besteht nur auf dem Papier.

    Natasha Browns Debüt „Zusammenkunft“ spiegelt die seelische Notlage der namenlosen britischen Protagonistin, die sich in einem Zustand großer Erschöpfung befindet. Als Schwarze Frau verdankt sie ihre Karriere im Finanzsektor vor allem harter Arbeit. Schon immer musste sie besser als ihre Weißen Kolleg:innen sein; ihre erst kürzlich verkündete Beförderung sehen viele dennoch nicht als individuelle Leistung. Sie sehen eine „Quoten-Schwarze“, schließlich hat sich die Firma „Diversität“ auf die Fahnen geschrieben und kann damit auch in der Öffentlichkeit punkten. Die Protagonistin dient als Aushängeschild einer erfolgreichen „Integrationspolitik“, einer offenen, liberalen Gesellschaft. „Hier geboren, Eltern hier geboren, immer hier gelebt - trotzdem, nie von hier.“ (S. 61). Der Pass weist sie als Britin aus; im Alltag wird sie jedoch immer als Bindestrich-Britin gedacht. Was solche Zuschreibungen mit einem Menschen machen, zeigt Brown sehr eindringlich. Die Diagnose, schwer erkrankt zu sein, stellt die Protagonistin vor schwerwiegende Entscheidungen und verursacht einen regelrechten Gedankenstrom. Wie bereits ihre Eltern und ihre Großeltern hat sie für ein besseres Leben gekämpft - sie spürt das Gewicht dieser seit Generationen bestehenden Erwartungshaltung in jeder Faser ihres Körpers. Aufgeben war nie eine Option. „Zusammenkunft“ erzählt keine Geschichte, verfügt nicht über einen linearen Handlungsstrang; stattdessen reihen sich einzelne Episoden, Sequenzen, Bilder und Gedanken aneinander. Sie alle zeugen von den Anstrengungen des bisherigen Lebens, den permanent präsenten Sexismen, Rassismen und Mikroagressionen, den Erwartungshaltungen an sich selbst, der Angst nicht gut genug zu sein, den Schuldgefühlen und dem Erstaunen darüber mit welcher Leichtigkeit und Ignoranz ihre Weißen Freund:innen durchs Leben gehen. Hautfarbe spielt in der Klassengesellschaft des postkolonialen Großbritanniens noch immer eine Rolle und beeinflusst das Zusammenleben, die gegenseitige Wahrnehmung, aber auch die Selbstwahrnehmung aller Beteiligten mal offen, mal subtil. Wie schön wäre es, wenn Bücher dieser Art nicht mehr notwendig wären, weil „White Privilege“ weltweit der Vergangenheit angehörte.

    Brown jongliert in ihrem experimentellen, kaum mehr als 100 Seiten langen Roman, gekonnt mit Worten. Jeder Satz trifft, schmerzt und lädt zum Nachdenken ein. Das Ende ist offen, die letzten fünf Doppelseiten leer; sie laden dazu ein, Geschichte neu zu schreiben.

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  1. 3
    07. Apr 2022 

    Wichtige Denkanstöße in experimenteller Darstellung...

    Nach oben kommen. Das war immer der Plan. Seit Jahrhunderten. Dafür hat sie, dafür haben alle vor ihr gekämpft. Und als Schwarze Frau stand ihr letztlich nur ein Weg offen: Völlige Verausgabung, Oxbridge, Londoner Hochfinanz, ein Freund mit Geld so alt und dreckig wie das Empire. Doch als sie endlich eingeladen wird, Mitglied einer Familie, Angehörige einer Klasse, Teil eines Landes zu werden, muss sie am eigenen Körper erfahren, dass die erlittenen Ungerechtigkeiten tiefere Wurzeln geschlagen haben. Wie kann sie sich retten? Wie mit dem Erbe der Geschichte leben? (Klappentext)

    Die bis zum Schluss namenlose Ich-Erzählerin, eine junge schwarze Frau, hat es zu einem gut bezahlten Job in einer Bank, einer Eigentumswohnung in einem kernsanierten Townhouse und einem weißen Freund aus einer konservativen und wohlhabenden Familie gebracht. Dennoch gehört sie nie wirklich dazu. Die titelgebende "Zusammenkunft", eine Familienfeier auf dem Landsitz der Eltern ihres Freundes, zeigt dies zuletzt sehr deutlich.

    Hart gearbeitet hat die Protagonistin, um ihre Karriere bei der Bank erfolgreich zu gestalten. Sie muss sich nicht nur als Frau gegenüber einer Männderdomäne behaupten, sondern auch als Schwarze in einer nach wie vor von Weißen geprägten Welt. Dabei erfährt sie ständig - zumindest subtil - Ausgrenzungen, Anfeindungen oder Demütigungen, obwohl sie es geschafft hat, die Grenzen der ihr zugedachten Lebensumstände zu überwinden.

    Definiert wird die Protagonistin, über die nicht viele Details verraten werden außer weiblich, schwarz, erfolgreich, im Grunde über Einschränkungen durch andere. Der Chef, der sie wie eine Marionette dirigiert, wie es ihm beliebt. Die Kollegen, die ihr deutlich machen, dass sie durch die Aufmerksamkeit des Chefs als (ungerechtfertigt) bevorzugt gilt und dass ihr Erfolg nicht mit ihrem Talent sondern dem Wunsch der Vorgesetzten nach Diversität zusammenhängt. Die Mutter ihres Freundes, die ihr zu verstehen gibt, dass sie allenfalls ein Intermezzo darstellt, keinesfalls eine auf Zukunft ausgerichtete Partnerin für ihren Sohn. Und nun auch noch eine ernsthafte Erkrankung, der die Protagonistin nichts entgegenzusetzen beabsichtigt.

    Die Ich-Erzählerin arbeitet hart, nimmt alles klaglos hin, beobachtet genau, reagiert jedoch nicht aktiv auf negative Aktionen durch andere. Die auf wenige Szenen konzentrierte, reduzierte Schreibweise ist gewöhnungsbedürftig, bietet flashlightmäßige Einblicke in das Leben und die Umstände der Ich-Erzählerin. Ich empfand die Darstellung als sehr nüchtern ("es ist eben so") und wenig emotional. Die szenische Erzählweise pointiert allerdings die "Anklagepunkte" der Autorin. "Und wenn es vielleicht auch nicht immer gelingt, Empathie zu erzeugen, so schafft das Schreiben und das Lesen doch eine Gelegenheit, Verständnis zu erzeugen und Standpunkte zu teilen." Das äußerte die Autorin in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Und ja, so in etwa erging es mir hier. Die Aussagen sind klar, ein Mitfühlen lässt die Ich-Erzählerin kaum zu. Höchstens ein Wütendsein an ihrer statt...

    Der Roman endet nahezu willkürlich. Er lässt mich ratlos und unbehaglich zurück, weil die Dinge nicht gelöst sind - nicht der berufliche Werdegang, nicht der Umgang mit der Krankheit der Protagonistin, nicht die Zukunft der Beziehung mit ihrem Freund.

    Eine experimentelle Art der Auseinandersetzung mit wichtigen Themen wie Rassismus, Klassismus, Sexismus oder auch Kolonialismus hat Natsha Brown hier gewählt. Eine Protagonistin, die dem Leser gegenüber sehr auf Distanz bleibt, die aber auch sehr deutlich macht, wie sehr nach wie vor althergebrachte Denkmuster dominieren und sie damit klein halten. Ein Buch, das speziell die verkrusteten Strukturen Großbritanniens anprangert, das aber auch weit darüber hinaus und viel allgemeingültiger auf gesellschaftliche Missstände hinweist.

    Ich persönlich finde all diese Aussagen wichtig und richtig. Ich hätte mir nur eine zugänglichere Protagonistin gewünscht und einen weniger zerfaserten Roman.

    © Parden

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  1. 3
    05. Apr 2022 

    Mikroaggressionen und Alltagsrassismus

    Nach außen hin hat die namenlose Protagonistin alles, was erstrebenswert ist: Erfolg im Job, finanzielle Absicherung und einen Partner aus der Upper Class. Doch hinter all dem versteckt sich Erschöpfung, denn als Schwarze Frau sieht sie sich zahlreichen Hindernissen gegenüber – von Mikroaggressionen bis hin zum alltäglichen Rassismus. Die Beförderung bekommt sie angeblich nur ihrer „Diversität“ wegen, von ihren Kollegen wird sie entweder offen beneidet und beleidigt oder sexuell angegriffen und die Eltern ihres Freundes hoffen, sie möge nur eine weitere Frau auf dem Weg zur „richtigen“ Schwiegertochter sein.

    In „Zusammenkunft“ erzählt Natasha Brown von dem Wunsch ihrer Hauptfigur, erfolgreich zu sein und welche Kosten damit – vor allem für eine Schwarze Frau – verbunden sind. Dabei ist die Struktur des Romans nicht immer sofort klar, denn die Autorin springt zwischen unterschiedlichen Themen, verrät nicht immer den Kontext ihrer Szenen und verzichtet außerdem auf die Kennzeichnung der wörtlichen Rede. Ihr Sprachstil ist klar, nüchtern, beinahe kalt und ihre Sätze sind kurz und wirken oft gehetzt.

    Es ist nicht einfach, zu lesen, wie die Protagonistin in ihrer aktuellen Lebenssituation leidet und zu allem Überfluss kommen neben den beruflichen und privaten Schwierigkeiten auch noch gesundheitliche hinzu. Nun muss sie sich entscheiden, was sie weiterhin mit ihrer Zukunft anfangen will. Und so eindrucksvoll ich die Beschreibung der Umstände auch finde, denen sie täglich ausgesetzt ist, so wenig kann ich einen Bezug zu ihr aufbauen. Denn mir fehlt sowohl eine Charakterisierung der Figuren als auch eine Handlung mit klarem Anfang und Ende.

    Vermutlich ist die schablonenhafte Zeichnung der Hauptfigur so gewollt, um gerade herauszustellen, dass viele Schwarze Frauen dasselbe Schicksal teilen, dennoch hätte ich diese namenlose Frau gerne besser kennengelernt. Wie war ihre Kindheit? Was bereitet ihr Freude? Was wünscht sie sich für ihr Leben? So werden wir als Leser*innen an einem bestimmten Punkt in die Geschichte geworfen, streben auf eine gewisse Szene hin und werden anschließend wieder allein zurückgelassen.

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  1. Starke Momente ohne Abfolge

    Schwarze Frauen, die erfolgreich sind ist momentan ein aktuelles Thema in der Buchwelt. Manifesto von Bernardine Evaristo und Misfits von Michaela Coel sind ebenfalls wie dieses Buch kürzlich erschienen. Im Gegensatz zu den erwähnten Büchern, die eher im kulturellen Bereich angesiedelt sind, geht es hier um die Karriere einer schwarzen Frau in der Finanzwelt. Um so erstaunlicher, dass gerade dieses Cover sehr künstlerisch gestaltet ist und auch wohl eine Aussage dahinter steht.
    Natasha Brown hat in diesem Buch, wie auch die beiden anderen hier erwähnten Autorinnen sehr viel autobiographisches einfliessen lassen.
    Ein wenig Vorurteil hatte ich leider im ersten Augenblick. Ist das ein Zufall, dass schwarze Frauen mehr oder weniger zeitgleich ein Thema veröffentlichen, weil es gerade sich gut verkauft? Leider, für die Bewertung dieses Buches, habe ich Misfits und Manifesto vor Zusammenkunft gelesen. Ein wenig überfrachtet daher das Thema für mich.
    Dennoch finde ich die Sprache von Natasha Brown sehr gelungen und prägend. Wie sie zum Beispiel ausführlich die desolate Lage in Krankenhäusern ihrer Erinnerung ausführlich beschreibt und die jetzige Möglichkeiten für Sie im Krankheitsfall auf Schnittblumen, Einzelzimmer und Espresso reduziert. Sehr eindringlich.
    Was mich sehr stört ist, dass kein Lesefluss entsteht. Die einzelnen Abschnitte haben eine grosse Intensität, aber keinen erkennbaren Zusammenhang. Das gehört natürlich zu diesem Buch, erschwert aber das Lesen sehr.

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  1. Der Weg nach oben

    Es geht um eine Frau, die nicht weiß sondern schwarz ist und ihr Weg nach oben. Sie arbeitet im Finanzsektor und ihre oberste Devise ist nicht aufzufallen und effizient zu arbeiten. Sie muss besser sein als der Durchschnitt um voran zu kommen. Es wird sehr plastisch dieses verbissene Durchhalten mit Wörten und Sätzen beschrieben, die für mich einen Sog entwickelt haben. Für mich war das Buch in manchen Passagen eher wie Musik und das Lautwerden von Gedanken (Train of Thoughts).

    Im Endeffekt geht es um versteckten Rassismus, Sexismus, über die Macht des weißen Mannes und der Kolonismus in Groß Britanien.

    Ihre Beziehung zu ihrem Freund sowie ihre Beziehung zu ihrem Körper empfand ich als sehr befremdlich und sehr funktionell. Für mich wurden diese Themen sehr oberflächlich angerissen und die in dem Roman dargestellte "Lösung" hat mich etwas unbefriedigt zurückgelassen.

    Doch alles in allem gefiel mir sehr der experimentielle Teil der Sprache, das Subtile zwischen den Zeilen präsente Sexismus/ Rassismus und dieser innere Drang aufzusteigen, koste was es wolle, hat mir sehr gut gefallen.

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  1. "Nichts" zu tun ist nicht immer die beste Entscheidung

    Manchmal will man ein Buch mögen, kann sich aber einfach nicht damit anfreunden. So ging es mir bei "Zusammenkunft".

    Im Zentrum des Romans stehen eine junge Frau und Themen wie Rassismus und Sexismus. Wir begleiten die namenlose, afro-britische Protagonistin, die im Londoner Finanzsektor arbeitet und mit aller Kraft nach oben strebt. Die Handlung beschränkt sich auf einen Ausschnitt von etwa 24 Stunden, in denen sie sich auf die Gartenparty der Eltern ihres (reichen, weißen) Freundes vorbereitet und die ersten paar Stunden dort verbringt.
    Das ist selbst für ein solch kurzes Buch sehr wenig Handlung, und so liegt der Fokus mehr auf ihrer Wahrnehmung der britischen Klassengesellschaft, von der sie ihrer Herkunft wegen noch immer ausgegrenzt wird.

    Das klingt so weit alles ganz spannend, für mich hat dieses Buch aber leider einfach nicht funktioniert. Das liegt insbesondere an der Tatsache, dass die Protagonistin im Laufe der Geschichte immer wieder darauf hinweist, was sich alles ändern muss, immer wieder anspricht, dass sie so viel mehr Möglichkeiten hat als all ihre Vorfahren - dann am Ende des Buches aber kurz und knapp gesagt einfach gar nichts tut. Sie leidet, sie klagt an. Aber die Möglichkeit, zu kämpfen und etwas zu ändern (und die Möglichkeit hat sie mit ihrer Position in meinen Augen durchaus), ergreift sie nicht. Stattdessen lässt sie sich am Ende kleinhalten, versteckt sich (wortwörtlich und metaphorisch) auf einer Party voller Weißer in einer abgelegenen Ecke und wartet einfach ab. Sie selbst sagt mehrmals, dass "Nichts" auch eine Entscheidung ist, und ja, vielelicht ist es das, aber eine besonders gute ist es dann nicht. Sie sagt, dass sie all die Chancen nutzen nöchte, die ihre Vorfahren nicht hatten, entscheidet sich dann aber bewusst gegen den Versuch, etwas zu verändern, und zieht sich unauffällig aus der Affäre.

    Und das ist es, was mich so sehr an diesem kurzen Roman gestört hat. Er ist zweifellos gut geschrieben. Ich habe kein Proble mit der Handlungsarmut. Ich mag den Aufbau und finde die zentralen Themen spannend und wichtig. Aber der mangelnde Handlungswille der Protagonistin bleibt mir unverständlich.

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  1. 3
    16. Jan 2022 

    Sehr intelligent - zu experimentell. 3,5*

    "Arbeite doppelt so hart. Sei doppelt so gut. Und immer, pass dich an." Das fasst den Aufstiegskampf nicht nur weiblicher sondern auch nicht-weißer Personen in Großbritannien wie auch anderen Kolonialismus-Nutznießer-Staaten zusammen. Die Ich-Erzählerin dieses Romans ist (scheinbar) sehr nah an der Autorin Natasha Brown selbst angelegt. Die eine wie auch die andere hat beste Zeugnisse der besten Universitäten vorgelegt und arbeitet im britischen Finanzsektor. Dort macht die Protagonistin trotz hervorragender Leistungen weiterhin rassistische und sexistische Erfahrungen, auch wenn diese für Nicht-Betroffene kaum begreifbar sind. Sie muss sich erniedrigen lassen und dient ihrem Weißen Partner aus der Oberschicht mehr als Maskottchen als wahre Gefährtin. Der Plot bewegt sich (sofern man dies so nennen kann) auf ein Familientreffen auf dem Landsitz der Schwiegereltern zu.

    Nun ist der eigentliche "Plot" dieses Buches eher Nebensache, denn die Autorin springt zwischen ihren Erlebnissen und essayistischen Passagen hin und her. Bricht prosaische Konventionen auf und wirft ihre Textpassagen den Leser*innen vor die Füße. Inhaltlich gibt es dabei Passagen, die so dermaßen prägnant zusammenfassen, wie es vielen Aufstiegswilligen dunkler Hautfarbe in Großbritannien geht, dass man sich der Drastik kaum entziehen kann. Sehr intelligent erschafft die Autorin hier fast ein Manifest. Leider ist mir persönlich das Werk letztlich aber zu experimentell zu zersplittert angelegt und auch einfach etwas zu knapp, um mich umhauen zu können. Das hat Bernardine Evaristo mit ihrem "Mädchen, Frau etc." vor kurzem erst viel besser geschafft. Tatsächlich beschrieb sie in einem ihrer dort dargestellten Lebenseinblicken eine sehr ähnliche Konstellation, wie sie in diesem Buch von Brown vorliegt. So überrascht es kaum, dass Worte des Lobes von Evaristo auf der Rückseite des vorliegenden Buches abgedruckt sind. Nur schaffte es meines Erachtens Evaristo mit einer viel größeren Wucht, die sozialen Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten den Leser*innen nahe zu bringen. So verblasst "Zusammenkunft" neben diesem beispielhaft herausgegriffenen Kapitel aus "Mädchen, Frau etc."

    Keine Frage: Die Veröffentlichung von "Zusammenkunft" ist wichtig und ähnliche Veröffentlichungen werden auch in Zukunft noch weiterhin sehr wichtig bleiben, um ein Verständnis für die Lebenswirklichkeiten unzähliger Menschen zu schaffen. "Klassische Suhrkamp-Leser*innen" wird auch sicherlich nicht das Experimentelle dieses Textes stören. Für mich stellt es ein gutes bis sehr gutes Buch dar, was mich aber unverhältnismäßig wenig im Vergleich zu anderen Texten zum Thema berühren und nachhaltig packen konnte. Somit gibt es durchaus eine Leseempfehlung für dieses Werk meinerseits, jedoch mit dem oben genannten "Warnhinweis" zur experimentellen Textform.

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Vier Frauen und eine SMS: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Vier Frauen und eine SMS: Roman' von Sissi Flegel

Inhaltsangabe zu "Vier Frauen und eine SMS: Roman"

Autor:
Format:Kindle Ausgabe
Seiten:131
EAN:
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Wolkenschloss: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Wolkenschloss: Roman' von Kerstin Gier
4
4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Wolkenschloss: Roman"

Ein magischer Ort in den Wolken. Eine Heldin, die ein bisschen zu neugierig ist. Und das Abenteuer ihres Lebens. Der neue Roman von Bestsellerautorin Kerstin Gier.

Hoch oben in den Schweizer Bergen liegt das Wolkenschloss, ein altehrwürdiges Grandhotel, das seine Glanzzeiten längst hinter sich hat. Aber wenn zum Jahreswechsel der berühmte Silvesterball stattfindet und Gäste aus aller Welt anreisen, knistert es unter den prächtigen Kronleuchtern und in den weitläufigen Fluren nur so vor Aufregung. Die siebzehnjährige Fanny hat wie der Rest des Personals alle Hände voll zu tun, den Gästen einen luxuriösen Aufenthalt zu bereiten, aber es entgeht ihr nicht, dass viele hier nicht das sind, was sie vorgeben zu sein. Welche geheimen Pläne werden hinter bestickten Samtvorhängen geschmiedet? Ist die russische Oligarchengattin wirklich im Besitz des legendären Nadjeschda-Diamanten? Und warum klettert der gutaussehende Tristan lieber die Fassade hoch, als die Treppe zu nehmen? Schon bald steckt Fanny mittendrin in einem lebensgefährlichen Abenteuer, bei dem sie nicht nur ihren Job zu verlieren droht, sondern auch ihr Herz.

Autor:
Format:Taschenbuch
Seiten:464
EAN:9783596701285
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Rezensionen zu "Wolkenschloss: Roman"

  1. Fanny Funke undercover im Winter Wonder Land...

    Kerstin Gier hat mich bisher nicht nur mit ihren Frauenromanen wie der "Müttermafia" begeistern können, sondern auch mit ihren Jugendbuchtrilogien und so freute ich mich, endlich wieder ein spritziges Einzelwerk in den Händen zu halten.

    Dieses Werk ist perfekt für kalte Wintertage, um es sich mit einer dicken Decke und einer Tasse Tee gemütlich zu machen und so die im Buch beschriebene winterliche Landschaft in den Bergen erst richtig vorstellen und genießen zu können.

    Fanny ist ein typischer Kerstin Gier Charakter, denn sie ist jemand mit Ecken und Kanten und somit alles andere als perfekt, aber gerade das macht sie immens sympathisch.

    Fanny hat die Schule abgebrochen, will ihr Abi nicht fertig machen und landet so im Grandhotel Wolkenschloss als Praktikantin, was im Grunde nichts anderes bedeutet als das Mädchen für alles zu sein. Doch schnell merkt Fanny, dass nicht alle Gäste sind, was sie vorgeben zu sein. Wird sie ihr waches Auge in Schwierigkeiten bringen?

    Die Hotelgäste im Wolkenschloss sind wirklich sehr speziell. Von der erfolgreichen Sportlerin bis hin zum Krimiautoren ist alles vertreten. Auch bringen die Promis ihre verwöhnten Kinder mit. Doch warum trägt der eine Gast eine Waffe und was für eine Geschichte erzählt der Autor immer wieder? Ist diese echt oder entspringt sie nur seiner Fantasie?

    Frau Gier lässt sich Zeit die agierenden Personen und das Haus ausführlich zu beschreiben, was mir gut gefallen hat, denn so kann man sich alles besser vorstellen. Liebenswert kommen dabei vor allem die Beschäftigten des Hotels weg. Und cool fand ich zudem, dass auch Tiere besondere Rollen in der Geschichte einnehmen.

    So richtig spannend im Buch wird es erst im letzten Drittel, aber mich hat das nicht gestört, da meine Erwartungen an die Geschichte ganz andere waren als das was letztendlich passiert ist. Klar fand ich die überraschenden Wendungen zum Schluss sehr besonders, aber sie sind nur ein Teil dieser tollen Geschichte.

    Für die Romantiker unter uns ist auch ein Wenig Liebe mit im Spiel.

    Der Autorin gelingt es wieder einmal mit ihrer frischen Schreibweise den zumeist weiblichen Leser zu begeistern. Gerade die Besonderheiten wie schweizer Mundart oder aber die röhrende, tote Leitung machen den Roman zu einem einzigen Erlebnis.

    Fazit: Mich hat Frau Gier wieder gut unterhalten können und ich finde es schön in diesem Fall mal wieder einen abgeschlossenen Roman lesen zu dürfen. Erfrischend und unterhaltsam, ganz Kerstin Gier.

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Die Wahrheiten meiner Mutter: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Die Wahrheiten meiner Mutter: Roman' von Vigdis Hjorth
4.65
4.7 von 5 (6 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Die Wahrheiten meiner Mutter: Roman"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:400
Verlag: S. FISCHER
EAN:9783103975123
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Rezensionen zu "Die Wahrheiten meiner Mutter: Roman"

  1. Kind und Mutter

    Vigdis Hjorth, geboren 1959 in Oslo, gehört zu den wichtigsten Gegenwartsautorinnen Norwegens, vielfach ausgezeichnet und übersetzt. Ihr 2016 erschienener Roman "Arv og miljø", deutsch "Bergljots Familie" (2019), veranlasste ihre Schwester zu einem „Gegenroman“ und wurde in Norwegen ebenso bejubelt wie kontrovers diskutiert. Der literarisch aufbereitete Einblick in die eigene Familie mit dem Vorwurf väterlichen Missbrauchs löste bei mir gleichermaßen Sog und Unbehagen über diese Art der „Virkelighetslitteratur“ aus und beschäftigt mich noch immer.

    Obwohl das neue Buch "Die Wahrheiten meiner Mutter" mit dem deutlich drastischeren Originaltitel "Er mor død" (ohne Fragezeichen), wieder hervorragend übersetzt von Gabriele Haefs, nicht autofiktional ist, weist es doch Parallelen auf. Erneut geht es um Uneinigkeit über die gemeinsame Familiengeschichte und die Gründe für einen Bruch. Zugleich greift die Autorin Aspekte der Debatte um Arv og miljø auf: Dürfen private Erfahrungen und Familieninterna in Kunstwerken verhandelt werden und haben alle Kunstwerke einen autobiografischen Kern?

    "Das Verhältnis eines Werkes zur Wirklichkeit ist uninteressant, das Verhältnis eines Werkes zur Wahrheit ist entscheidend, der Wahrheitswert eines Werkes liegt nicht in seinem Verhältnis zur Wirklichkeit, sondern in seiner Wirkung auf die, die es betrachten." (S. 312)

    Flucht
    Die bildende Künstlerin Johanna Hauk verteidigt die Kunstfreiheit im Roman vehement. Sie hat vor 30 Jahren ihren Mann, ihre Eltern, ihre Schwester Ruth und ihr Jurastudium zurückgelassen und ist dem Kunstlehrer Mark, ihrem zweiten Ehemann, nach Utah gefolgt. Inzwischen stellt sie überall auf der Welt erfolgreich ihre Bilder aus. Ihre Eltern wollten Mark und den Enkel John nie kennenlernen. Als Johanna nicht zur Beerdigung des Vaters kam, dann aber bei einer Ausstellung in Oslo ihre Triptychen „Kind und Mutter" gezeigt wurden, die die Familie als Provokation auffasste, brach der spärliche Kontakt völlig ab.

    Rückkehr
    Nun ist sie, inzwischen verwitwet, erstmals zur Vorbereitung einer Retrospektive in ihre Heimatstadt zurückgekehrt und hofft auf ein Gespräch mit ihrer betagten Mutter. Doch die hebt das Telefon nicht ab, antwortet nicht auf Textnachrichten. Verhindert die Schwester, wie Johanna sich einzureden versucht, die Kontaktaufnahme?

    Je mehr Mutter und Schwester sich verweigern, desto obsessiver werden Johannas Bemühungen. Sie beobachtet die mütterliche Wohnung, schleicht ins Treppenhaus, folgt ihr, wenn sie mit Ruth das Haus verlässt, und filzt ihren Müll.

    Zugleich kehren Kindheitserinnerungen zurück. Wann übernahm die zuvor zugewandte Mutter die spöttisch-ablehnende Haltung des Vaters zum Zeichentalent der Tochter? Immer verzweifelter sucht Johanna nach Beweisen, dass der Schmerz der Mutter lange vor der Flucht der Tochter begann. Hat sie nicht ihre Qualen durch eine immer größere Anpassung an den dominanten Vater kompensiert, die sie auch ihren Töchtern auferlegte? Doch was ist Erinnerung, was Fantasie?

    "Mutters Mysterium ist mein Mysterium und das Rätsel meines Daseins, und ich fühle, dass ich nur in der Annäherung an dieses Mysterium eine Form von existenzieller Erlösung erreichen kann." (S. 360)

    Eine Hütte im Wald wird zu Johannas Flucht- und Ruhepunkt.

    Ein packender Monolog
    In knappen Sequenzen mit manchmal nur einem oder wenigen kurzen Sätzen pro Seite folgen wir der Ich-Erzählerin auf der Suche nach Erlösung. Immer wieder zitiert sie Henrik Ibsen, Søren Kierkegaard, Marguerite Duras oder die Bibel, reflektiert Muttersein und Familiendynamiken. Parallelen zur grandiosen Natur rund um die Hütte drängen sich auf.

    Trotz kleinerer Längen im Mittelteil hat mich dieser 400 Seiten umfassende, präzise formulierte, in einem furiosen Finale mündende innere Monolog begeistert. Zu Recht stand der Roman 2023 auf der Longlist zum International Booker Prize.

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  1. Über das Loch in der Seele

    Ich-Erzählerin Johanna hat Norwegen bereits vor über 30 Jahren verlassen. Damals war sie als Jura-Studentin mit einem aufstrebenden jungen Anwalt verheiratet, der von ihren Eltern sehr geschätzt wurde. Doch Johanna brach aus diesem ungeliebten, vorbestimmten Leben aus: Sie erfüllte sich ihren lang gehegten Jugendtraum, als sie in einem Malkurs Mark kennen und lieben lernte. Mit ihm siedelte sie in die USA über, wo sie sich über die Jahre als prominente Kunstmalerin etablieren konnte – ihr Ruf reicht bis nach Europa. Johanna begann ein komplett neues Leben, heiratete Mark und bekam einen Sohn, der mittlerweile selbst erwachsen und Vater ist. Für diesen Neuanfang in den USA hatten die Eltern damals absolut kein Verständnis, das Verhältnis kühlte merklich ab. Zum völligen Kontaktabbruch kam es vor 14 Jahren, als Johannas Vater starb und die verlorene Tochter der Trauerfeier fernblieb.

    Doch nun in der Gegenwart ist Johanna wieder in der Stadt ihrer Kindheit angekommen, um eine Kunstausstellung ihrer Werke zu begleiten. Das Wiedersehen der Heimat löst eigenartige Gefühle in ihr aus. Sie beginnt, sich nach ihrer Herkunftsfamilie zu sehnen, insbesondere nach einer Aussprache mit ihrer mittlerweile hochbetagten Mutter. Johanna fühlt sich zu Unrecht verstoßen und aus dem Familienstammbaum herausgestrichen. Sie möchte Ihre Version der Geschichte erzählen und dem zerrütteten Verhältnis auf den Grund gehen. Sie möchte auch von ihrem Leben berichten, von ihrem Sohn, von der Trauer um den zu früh verstorbenen Mark. Sie glaubt, heute mehr Verständnis für die Lage ihrer Mutter aufzubringen.

    Da Johanna lange keine Gelegenheit für ein Zwiegespräch bekommt, dürfen wir als Leser an ihren intensiven Gedanken und Emotionen teilhaben. Zentral sind die Erinnerungen an ihre Kindheit, während der die Mutter vom dominanten Vater beherrscht wurde und als Hausfrau kaum eine eigene Meinung haben durfte. Johanna galt immer als die schwierige Tochter, sie bekam kaum Anerkennung und Zuspruch. Stattdessen sollte sie sich stets den Wünschen der Eltern beugen und vor allem ihre künstlerischen Talente verleugnen. Johanna ruft sich viele Szenen in Erinnerung, die ein vermeintlich widersprüchliches Verhalten insbesondere ihrer Mutter zeigen. Sie sucht Beweise, dass ihre Mutter selbst unglücklich war, dass sie Johanna nahe stand, dass sie Verständnis für ihre Sorgen hatte, dass sie sich gegen den Vater aber kaum durchsetzen konnte. Diese Innenschau gerät ungemein bewegend, vielschichtig und auch glaubwürdig. Als Mutter denkt Johanna mittlerweile gereift und differenziert über manches Erlebnis, dennoch muss man sich immer darüber bewusst sein, dass man nur ihre Perspektive kennenlernt.

    Mit Spannung verfolgt man die unterschiedlichen Versuche Johannas, den Kontakt zur Mutter wiederherzustellen. Ihre Fokussierung wird immer stärker, gerät zur Obsession. Johanna beobachtet und verfolgt ihre Mutter, will das Gespräch beinahe erzwingen. Dabei dient ihr ihre jüngere Schwester Ruth, die stets in der Nähe der Mutter wohnte und sich bis heute um sie kümmert, als Sündenbock: „Ich gebe Ruth die Schuld, um Mutter freizusprechen, das ist Einfachste.“ (S.88) Neben ihrem Atelier in der Stadt bezieht Johanna noch ein Haus im Wald. Hier zieht sie sich in die Einsamkeit zurück, spürt eine starke, anrührende Bindung zu Umwelt und Natur, die ihr Kraft gibt.

    Dieser Roman ist eine Nabelschau, er analysiert die Mutter-Tochter-Beziehung in all ihren Facetten. Es geht um familiäre Beziehungen und Verstrickungen, um genetisches und sozialisiertes Erbe, um Weitergabe transgenerationaler Traumata, um den Gehalt von diesbezüglichen Erinnerungen. „Jeder ist dem eigenen Leiden die Nächste. Aber ich habe den Verdacht, dass mein Leiden aufs engste mit ihrem zusammenhängt, das immer so geheim war, ich habe es immer stark gespürt.“(S. 82) Es geht um Suche nach eigener Identität, um Enttäuschungen, Schuld, Vergebung, um die Rolle von Eltern und Kindern, um die Suche nach der (objektiven) Wahrheit. Es geht aber auch um Kunst und ihre Grenzen.

    Der Text ist wahnsinnig kraftvoll, klar und präzise formuliert. Man findet viele poetische Passagen, die Johannas Nöte und Reflexionen spiegeln. Manche Seiten enthalten dementsprechend nur einen einzigen Satz oder Absatz, den man auf sich wirken lassen muss, so wie z.B. diesen: „Wenn man wüsste, wenn man in jungen Jahren verstünde, wie entscheidend die Kindheit ist, würde man niemals wagen, selbst Kinder zu bekommen.“ (S. 238) Obwohl man überwiegend dem inneren Monolog der Ich-Erzählerin folgt, es nur wenige Dialoge gibt, entwickelt der Text einen enormen Sog. Manchmal scheint die Handlung dabei auf der Stelle zu treten, weil sich die Gedanken der Protagonistin im Kreis drehen oder sie keine Entscheidung fällen kann. Das ist gewiss bewusst so konzipiert, erfordert aber etwas Geduld beim Leser. Zum Ende hin zieht die Dynamik deutlich an, die Geschichte wird zu einem glaubwürdigen, nachvollziehbaren Ende geführt.

    Vigdis Hjorth kann wunderbar schreiben, sie ist nicht umsonst eine der berühmtesten Autorinnen Norwegens. Gabriele Haefs ist es gelungen, den Text in seiner ganzen Strahlkraft ins Deutsche zu übertragen. Der Roman wurde für den International Booker Prize 2023 nominiert. Er wird von einer latenten Melancholie durchzogen, ist dabei aber prall gefüllt mit klugen Gedanken, die zum Nachdenken anregen. Ein Roman für Leser, die sich gern in die Psyche anderer Menschen mit ihren Konflikten hineindenken, die sich für familiäre Beziehungen interessieren und für all jene, die einfach gute Literatur schätzen.

    Große Lese-Empfehlung!

    4,5/5 Sterne

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  1. "Ich bin ein verletztes Kind."

    Mein Hör-Eindruck:

    Johanna ist 60 Jahre alt, sie ist eine erfolgreiche Künstlerin und lebt in den USA. Zu ihrer Familie hat sie keinen Kontakt mehr. Als nun ihr zu Ehren in ihrer norwegischen Heimatstadt eine Retrospektive ihrer Werke eingerichtet wird, kehrt sie zurück in der Hoffnung, sich der Mutter wieder annähern zu können. Die Mutter aber verweigert jeden Kontakt.

    Die Gedanken der Tochter kreisen unablässig und in sich wiederholenden, auch den Leser quälenden Schleifen um die Mutter. Wie sieht sie aus? Wie lebt sie? Hat sie ihre roten Haare noch? Wie verlebt sie den Tag? Johanna imaginiert ihre Mutter: „Ich erdichte dich mit Wörtern, um ein Bild von dir zu haben.“

    In den Gedankenschleifen erfährt der Leser auch in kleinen Splittern die Gründe für den Kontaktabbruch, dessen Ursachen in der Kindheit liegen. Es war nicht nur der dominante Vater, der für Johannas Begabungen und ihr Wesen nur Spott übrighatte, sondern auch die Mutter, die sich dem Vater unterwarf und seinen Erwartungsdruck an Johanna weiterleitete. Beide fordern angepasstes Verhalten von ihr ein und begegnen ihr, ihren Lebensvorstellungen und auch ihren Wahrnehmungen mit Abwertung und Verachtung. Bis es zum Skandal kommt, der die Eltern mit der Tochter endgültig brechen lässt.

    Johanna erinnert sich zunehmend deutlicher an einzelne Situationen ihrer Kindheit und bringt ihre unklaren Erinnerungen in einen Zusammenhang. Dadurch erkennt sie den Lebensschmerz ihrer Mutter, aber zweifelt nach wie vor an ihren Wahrnehmungen. Sie braucht die Bestätigung durch die Mutter, um ihr vergeben zu können. So wird ihr Wunsch nach einem Gespräch zur Obsession, Meter um Meter nähert sie sich ihrer Mutter. Sie erkennt, wie instabil ihre Mutter und daher auf das Beachten von Regeln und Konventionen angewiesen war. Und sie erkennt die Wahrheiten ihrer Mutter: dass nämlich unbehagliche Wahrheiten nicht akzeptiert, sondern als Wahrnehmungsstörung der anderen eingeordnet werden.

    Die Autorin erzählt ausgesprochen raffiniert. Der Leser hört sich Johannas Monolog zunächst mit Mitleid, aber auch mit kritischer Distanz an, und er fragt sich, inwieweit Johanna eine zuverlässige Beobachterin ist. Damit wird der Leser äußerst subtil in die Position der Eltern gedrängt. Erst im Lauf des Monologs erkennt er Johannas Wahrheit und stellt sich schließlich auf ihre Seite. Dieses Spiel mit der Position des Lesers hat mit sehr gut gefallen.

    Der Roman wird perfekt eingelesen von Frauke Poolmann. Ihre Stimmfärbung passt zum Inhalt, und mit Tempo-Variationen verstärkt sie die quälenden Gedankenschleifen der Erzählerin.

    Fazit: Ein raffiniert erzählter Roman um Unterwerfung und Erlösung.

    4,5/5*

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  1. 4
    22. Sep 2023 

    Intensiver und z.T. schmerzhafter Roman

    Vigdis Hjorth zählt zu den wichtigsten Autorinnen der norwegischen Gegenwartsliteratur. Dieser schon 2020 , im Original unter dem Titel „ Er mor dod“ - „ Ist Mutter tot“, erschienene Roman war nominiert für den International Booker Prize“.
    Die Ich- Erzählerin Johanna kehrt als erfolgreiche Malerin nach dreißig Jahren in ihre Heimat Norwegen zurück, um eine Ausstellung ihrer Werke mitzugestalten. Ihr amerikanischer Ehemann, für den sie damals ihren Mann und ihre Familie verlassen hat, ist gestorben. Der erwachsene Sohn ist selbst schon Vater und lebt in Dänemark.
    Für ihre Eltern war ihre Flucht damals ein Schock und als Johanna nicht einmal zur Beerdigung ihres Vaters nach Hause kam, hat die Familie endgültig mit ihr gebrochen.
    Nun versucht sie Kontakt zu ihrer Mutter aufzunehmen. Sie wünscht sich eine Aussprache und vielleicht sogar eine Aussöhnung. Doch die Mutter geht nicht ans Telefon, reagiert auch nicht auf ihre Mail- Anfragen. Auch ihre jüngere Schwester, die sich ständig um die betagte Mutter kümmert, will nichts von ihr wissen.
    Johanna zieht sich in die Einsamkeit einer Hütte am Fjord zurück, um Klarheit zu finden.
    Ihre Gedanken führen sie in die Vergangenheit . Schon vor ihrem Weggang war das Verhältnis getrübt. Johanna fühlte sich unverstanden, nicht angenommen. Der Vater hatte für die ersten künstlerischen Versuche seiner Tochter nur Spott übrig und die Mutter, die zuvor noch stolz war auf die Bilder, schließt sich der Meinung des Vaters an. Das für sie vorgesehene bürgerliche Leben als Juristin und Ehefrau war nicht das, was sich Johanna vorgestellt hat. Johanna musste gehen, um ihren eigenen Weg zu finden. Doch das hat ihre Familie nicht verstanden. Die beiden von Johanna geschaffenen Gemälde über eine Mutter mit Kind empfanden sie als persönlichen Angriff, als Beleidigung, nicht als künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema Mutterschaft.
    Neben den Erinnerungen kreisen Johannas Gedanken um ihre Mutter. Wie war sie damals, war sie glücklich? Und was ist sie heute für eine Frau? Da sie so lange keinen Kontakt zu ihr hatte, ist sie „ zu einem fremden Land geworden“. Sie muss sie neu für sich erfinden. „ Mutter, ich erdichte dich mit Wörtern, um ein Bild von dir zu haben.“
    Johannas Wunsch einer Begegnung mit der Mutter wird immer obsessiver. Sie wartet stundenlang im Auto vor deren Wohnung, geht ihr hinterher, schreckt aber vor einem persönlichen Kontakt zurück. Sie erfindet sich den Alltag der Mutter, imaginiert ein Wiedersehen mit ihr.
    Das ist zum Teil beklemmend zu lesen, manches ermüdend, weil sich die Gedanken und Handlungen, die wir detailliert miterleben, im Kreis drehen. Allerdings ist genau dieses gleichzeitig sehr glaubhaft und psychologisch stimmig.
    Der Roman ist voll mit grundsätzlichen Überlegungen zu Mutterschaft und familiären Beziehungen. „ Wenn man wüsste, wenn man in jungen Jahren verstünde, wie entscheidend die Kindheit ist, würde man niemals wagen, selbst Kinder zu bekommen.“ heißt es im Text.
    Auch Bezüge zur Literatur ( Ibsen ) und zur Bibel ( Heimkehr des verlorenen Sohnes ) lassen sich finden. Und Fragen nach dem Recht des Künstlers auf seine freie Gestaltung, ohne Rücksicht auf familiäre Bindungen, werden angesprochen. Diese Reflexionen geben dem Roman zusätzliche Tiefe.
    Die Sprache ist klar und präzise, poetisch wird der Text, wenn die Autorin die Natur rund um Johannas Rückzugsort beschreibt. Hier finden sich Bilder, die Johannas Seelenleben spiegeln.
    „ Die Wahrheiten meiner Mutter“ ist ein intensiver und z.T. schmerzhafter Roman über eine komplizierte Mutter- Tochter- Beziehung, über Familienstrukturen und seelische Verletzungen. Keine angenehme Lektüre, aber eine gewinnbringende.

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  1. 4
    11. Sep 2023 

    Psychologisch dicht mit Längen

    Die erfolgreiche Malerin Johanna ist im Alter von 60 Jahren in ihre Heimat Norwegen zurückgekehrt, um eine Retrospektive ihrer Werke zu begleiten. Ihre Herkunftsfamilie hat sie seit 30 Jahren nicht gesehen, seit sie aus ihrer jungen Ehe und der vorgezeichneten Karriere als Juristin ausbrach, um ihrer Liebe in die USA zu folgen und Malerin zu werden. Ihr Mann ist mittlerweile gestorben, ihr Sohn erwachsen und selbst Vater. Johannas Vater starb schon vor langer Zeit; Mutter und Schwester haben den Kontakt abgebrochen, als Johanna nicht zur Beerdigung kam.

    Mit ihrer Herkunftsfamilie meint Johanna abgeschlossen zu haben, aber in der Heimat kommen die Erinnerungen zurück – und der Schmerz. Sie fürchtet, dass sie ihre Gefühlslast womöglich an ihren Sohn weitergegeben hat, so wie ihre Mutter die ihre an ihre Töchter. Ihr ist klar: Sie muss mit ihrer Mutter sprechen, um sich von der Last der Vergangenheit zu befreien. Das aber ist schwierig: Weder Mutter noch Schwester reagieren auf Briefe, Anrufe, SMS. Was tun?

    Johanna nähert sich zunächst gedanklich und versucht, Gründe für das Verhalten von Mutter und Schwester zu finden. Sie fragt sich, was Eltern ihren Kindern schulden und umgekehrt und kommt zu dem Schluss: „…wenn man in jungen Jahren verstünde, wie entscheidend die Kindheit ist, würde man niemals wagen, selbst Kinder zu bekommen.“ Ihr lebenslanges Thema der emotionalen Entfremdung hat auch Eingang in ihre Kunst gefunden. War es falsch, ihren Zyklus „Mutter und Kind“ in der Heimatstadt auszustellen? Wie frei ist die künstlerische Freiheit? Manche Erkenntnis mutet auch ein wenig trivial an: „… ich begreife, dass auch Mutter eine Kindheit hatte.“ Johanna stellt die eigene Wahrnehmung infrage und hadert mit ihrem Bedürfnis nach Klärung: „Sie hat mich als Kind herausgefordert und besiegt, als Erwachsene habe ich sie herausgefordert und besiegt, und jetzt kann ich aus Trotz oder Verbissenheit das Schlachtfeld nicht verlassen?“ Diese Zerrissenheit Johannas, ihren mentalen Annäherungsprozess an Mutter und Schwester bekommen wir quasi in Echtzeit vermittelt. Die mittleren 100 Seiten hatten für mich deutliche Längen und hätten gern halb so lang sein dürfen.

    Nach diesem Durchhänger wird der Roman im letzten Drittel vom Nordic Noir zum Thriller. Die Reise in die Erinnerung hat ein verstörendes Bild wieder hochgeholt – Johanna weiß, dass sie das nicht auf sich beruhen lassen kann. Ihr Verhalten wird immer obsessiver - sie beobachtet die Mutter und ihr Kommen und Gehen, sie folgt ihr unbemerkt bei ihren Besorgungen. Die Natur um eine Hütte in den Bergen bringt ihre innere Ruhe zurück; ein Elch mit schwerem Geweih wird zur Metapher der emotionalen Last. Diese Natursymbolik war für meinen Geschmack ein wenig zu dick aufgetragen. Alles spitzt sich auf die Frage zu: Wann wird Johanna endlich den persönlichen Kontakt wagen?

    Fazit: Die Intensität von „Bergljots Familie“ erreicht Hjorths neuer Roman nicht. Aber dennoch ist „Die Wahrheit meiner Mutter“ trotz Schwächen im Mittelteil ein sehr fesselnder, psychologisch dichter Roman um Mütter, Töchter, Lebenslügen und die Weitergabe unverarbeiteter Verletzungen an die nächste Generation.

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  1. "Mutter - der Stein im Schuh"

    Weil sie nicht daran teilhaben durfte, erschafft sich die Protagonistin das Leben ihrer Mutter im Geiste. Man hat sie aus der Familie ausgeschlossen, aber sie versteht nicht warum.
    Diese Frage muss sie ergründen. Verzweifeltes Bemühen um Erklärung, das ihre Gedanken beherrscht und ihr den Schlaf raubt.
    In ihrem Buch hat die Autorin alle Fragen, die es geben kann in einem zerrütteten Verhältnis zwischen Mutter und Tochter gestellt und beantwortet. Alle Aspekte aus allen Richtungen betrachtet, alle Möglichkeiten erwogen und gewogen, alles schon im Voraus gedacht, bedacht und gefühlt, alle Schmerzen durchlitten und ertragen.
    In ihrem eigenen Leben musste sie Vater und Mutter vergessen, wenn sie glücklich sein wollte.
    Sie ist nicht den Weg der Mutter gegangen, sie wollte nur das leben, was in ihr war. Ist es möglich, dass sich eine Mutter so radikal und herzlos von ihrem Kind trennen kann?
    Sie muss die Antwort finden, um weiterleben zu können.

    Ein Buch, dass manche bis in ihre Grundfesten erschüttern könnte.
    Ein Buch, dass einen so schnell nicht mehr loslässt.

    Die Umschlaggestaltung von Leif Nyland imaginiert perfekt die Stimmung Norwegens und die Stimmung des Buches.

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Die Ladenhüterin: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Die Ladenhüterin: Roman' von Sayaka Murata
4.65
4.7 von 5 (3 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Die Ladenhüterin: Roman"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:145
Verlag: Aufbau
EAN:9783351037031
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Rezensionen zu "Die Ladenhüterin: Roman"

  1. Der Konbini als Zufluchtsort

    Die Ich-Erzählerin Keiko Furukaro hat autistische Züge. Ihr fällt es schwer, die Gefühle ihrer Mitmenschen, aber auch ihre eigenen wahrzunehmen und zu deuten. Bereits in der Kindheit führt dies zu Irritationen und Zwischenfällen, da Keiko sich ganz anders als von ihr erwartet verhält. Als Keiko merkt, dass sie nicht in die Gesellschaft passt, zieht sie sich zurück und vermeidet dadurch unangenehme Situationen. Während ihrer Studienzeit beginnt sie in einem Konbini, einem 24 Stunden lang geöffneten japanischen Lebensmittelmarkt, als Aushilfe zu arbeiten. Alle neuen Angestellten erhalten eine Schulung. Erstmals erhält sie klare Anweisungen für ihr Verhalten gegenüber Kunden sowie für alle anfallenden Tätigkeiten. „Zum ersten Mal wurde mir ein normaler Gesichtsausdruck und eine normale Art zu sprechen beigebracht“ (S. 18). Rückblickend setzt Keiko ihren ersten Arbeitstag im Konbini mit ihrem ersten Geburtstag gleich: ihrem ersten Tag als normales Mitglied der Gesellschaft. Die klaren Regeln geben ihr Sicherheit, sie hat endlich einen Platz gefunden, arbeitet 18 Jahre gewissenhaft dort und imitiert immer wieder Ausdrucksweisen, Tonfall und Kleidungsstil ihrer Kolleginnen, um als normal zu gelten. Anfänglich reagiert Keikos Umfeld erfreut auf ihre Tätigkeit, die ein Stück weit Normalität bedeutet. Mit zunehmendem Alter stellt sich für Keiko aber erneut ein großes Problem: Als japanische Frau sollte sie längst verheiratet und auch nicht mehr in einem Aushilfsjob tätig sein. Als ein anderer Außenseiter in ihr Leben tritt, keimt der Gedanke einer Zweckehe auf, um endlich den gesellschaftlichen Normen zu entsprechen und wieder in Ruhe leben zu können. Was dann passiert ist an Skurrilität kaum zu überbieten und öffnet den Blick auch für die in Japan geltenden Konventionen des gesellschaftlichen Zusammenlebens und die Rollenerwartungen an Frauen und Männern in unterschiedlichen Lebensabschnitten.
    Die Autorin schreibt nüchtern, klar und emotionslos. Dadurch fällt es schwer, eine Bindung zu den Figuren aufzubauen. Der Schreibstil passt aber sehr gut zu Keiko, die selbst nicht in der Lage ist, emotionale Beziehungen zu ihren Mitmenschen zu knüpfen. Äußerst glaubwürdig und präzise beschreibt Sayaka Murata den Konbini als einzigen Ort, an dem Keiko ihren Platz gefunden hat. Ich lese das Buch auch als Satire auf die japanische Gesellschaft, in der soziale Angepasstheit ein hohes Gut ist.
    Die Ladenhüterin ist eine besondere, subtile, gesellschaftskritische, stellenweise äußerst bizarre Erzählung, bei der ich innerlich häufig nur noch die Hände über dem Kopf zusammenschlagen konnte. Dafür und dass mir Keiko und ihr Konbini bestimmt lange im Gedächtnis bleiben werden, vergebe ich gerne fünf Sterne.

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  1. Reichlich Stoff zum Nachdenken

    Die Mittdreißigerin Keiko Furukura arbeitet seit 18 Jahren als Aushilfe in einem 24-Stunden-Supermarkt. Schon als Kind fühlte sie sich als Außenseiterin, da sie nicht dasselbe empathische Empfinden wie ihre Mitschülerinnen an den Tag legen konnte. Um nicht aufzufallen, verhält sich Keiko sehr ruhig, knüpft keine Freundschaften, hat keine Beziehungen und nimmt auch nicht am gesellschaftlichen Leben teil. Sicher fühlt sie sich nur auf ihrem Arbeitsplatz mit seinen vorgegebenen Phrasen und Verhaltensweisen.
    Ihr neuer Kollege Shiraha bringt Keiko auf die Idee, ihrem Leben doch noch eine andere Richtung zu geben.

    Geschichten von Außenseitern fesseln mich so gut wie immer, und so hat mich auch dieser Roman von Anfang an in seinen Bann gezogen. Wie sich eine junge Frau den Erwartungen der Gesellschaft (und sicher nicht nur der japanischen) entzieht, hat mir außerordentlich gut gefallen.
    Keiko ist eine sehr sympathische Protagonistin, der es lediglich am Mut fehlt, ihren Aushilfsjob aufzugeben. Wie dieses Berufsleben beschrieben wird, hat mich fasziniert und erinnert auch ein wenig an eine große westliche Handelskette. Sicher ist es in Japan noch extremer, wo die Angestellten zum Morgenappell antreten und die Kunden begrüßen müssen, als wären sie gern gesehene Verwandte. Dennoch hat mich der Roman immer wieder sehr stark auch an uns bekannte Gesellschaftsstrukturen erinnert. Wer kennt nicht die Fragen besorgter Familienmitglieder, warum die Heirat oder der Kindersegen ausbleibe. In Japan dürfte dieser Druck noch wesentlich höher sein, gilt man doch nur dann als nützliches Mitglied der Gesellschaft, wenn man einen guten Job hat oder verheiratet ist, am besten beides.
    Keiko kann sich diesem Druck sehr lange entziehen, sie lebt für ihren Job, schläft und isst ausreichend, um nicht krank zu werden und ihren Dienst stets ordnungsgemäß versehen zu können.
    Auch der Eintritt Shirahas in ihr Leben verläuft anders, als man es üblicherweise gewohnt ist. Wie sich die beiden begegnen ist ebenso überraschend wie Keikos Vorschlag ihrem neuen Kollegen gegenüber.
    Die Sprecherin Bettina Storm hat wirklich großartig gelesen. Sehr einfühlsam den innersten Gedanken Keikos nachspürend, konnte sie deren antrainiertes Auftreten im Supermarkt ebenfalls überzeugend vermitteln.
    Das Ende hat mir ebenfalls sehr gut gefallen, für mich eine in sich stimmige, abgerundete Geschichte, die viel Stoff zum Nachdenken bereithält.

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  1. 4
    04. Mär 2020 

    Die wahre Bestimmung

    Schon als Kind war Keiko anders, sie nahm es schon damals allzu wörtlich. Fand sie einen toten Vogel, dachte sie, er könne zum Verzehr geeignet sein, während ihre Schwester das Tierchen ehrenvoll bestatten wollte. Und so zieht es sich durch ihre Kindheit und Jugend. Ihr Studium schafft Keiko zwar mit Ach und Krach, aber einer richtigen Anstellung fühlt sie sich nicht gewachsen. Ihr Aushilfsjob in einem Convenience Store einem sogenannten Konbini ist wie eine Offenbarung. Endlich hat sie ein Vorbild im Verhalten ihrer Kollegen und ein Handbuch, endlich fällt sie nicht mehr auf.

    Doch in diesem berührenden kleinen Roman bleibt es nicht lange bei dem angenehmen Leben im Konbini. Mit Mitte dreißig hat Keiko ihre Aushilfsstellung immer noch inne und wieder fällt sie auf. Normale junge Frauen haben in dem Alter eine ordentliche Arbeit, Hobbys, eine Familie. Keiko beginnt zu überlegen, wie sie ihre Situation verbessern könnte. Vielleicht bietet der neue Mitarbeiter, der ihr irgendwie ähnlich zu sein scheint, die Rettung.

    In diesem kurzen Hörbuch/Büchlein steckt eine ganze Menge. Wie engstirnig ist die Gesellschaft - und das ist hier sicherlich nicht viel anders als in Japan - wenn sie eine junge Frau wie Keiko nicht einfach so sein lassen kann wie sie ist. Augenscheinlich hat Keiko eine Art autistische Störung, die sie zwar ganz gut funktionieren lässt, sie aber doch von denen unterscheidet, die sich als normal bezeichnen. Gut kann man Keikos Erleichterung nachempfinden als sie endlich im Konbini angekommen ist und ihre Bestimmung gefunden zu haben scheint. Warum verlangt ihre Familie von ihr, normal zu werden. Warum lassen ihr die Kollegen nicht einfach ihren Job? Wie traurig, dass sie darüber nachdenken muss, etwas an ihrem Leben zu ändern, um nicht mehr aufzufallen. Und mit ihrem männlichen Gegenpart findet sie tatsächlich einen, neben dem sie wie ein Ausbund an Normalität wirkt. Am Ende befreit sich Keiko von allen Konventionen und geht mit Freude und Erleichterung ihrer waren Bestimmung nach.

    Ein gefühlvoller kleiner Roman, der einem vor Augen hält, dass Menschen grundsätzlich so genommen werden sollten wie sie sind.

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Mein Name ist Leon

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Die Lügen der Frauen

Buchseite und Rezensionen zu 'Die Lügen der Frauen' von  Ljudmila Ulitzkaja

Inhaltsangabe zu "Die Lügen der Frauen"

Format:Taschenbuch
Seiten:168
Verlag: Dtv
EAN:9783423133722
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Zwischen Himmel und Erde

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Rezensionen zu "Zwischen Himmel und Erde"

  1. Anspruchsvoll in Stil und Thematik - nicht immer gelungen

    Die beiden jungen Frauen Melissa und Catarina lernen sich 2016 in einer Londoner WG kennen. Zufällig beide mit brasilianischen Wurzeln. Schnell haben sie dadurch gemeinsame Gesprächsthemen und einen guten Draht zueinander. In einer unruhigen politischen Zeit in London (Brexit) sowie in der Heimat Brasilien (zu hinterfragende Amtsenthebung der Präsidentin Dilma Rousseff) setzen sich die beiden Frauen politisch und auch gesellschaftlich aktiv für eine bessere, tolerantere Welt ein. In Erzählungen aus der Vergangenheit erfahren wir einiges über Melissa und Catarina, noch intensiver jedoch ist der Blick auf die revolutionäre Familie von Catarina gerichtet.

    Dieser Roman ist politisch und gesellschaftlich sehr ambitioniert und gut recherchiert (siehe auch die interessanten Anmerkungen der Autorin zum Schluss). Viele Themen der heutigen Zeit greift die britisch-brasilianische Autorin auf. Ihr liegt (nicht nur politische) Aufklärung und Toleranz sehr am Herzen. Und das spüre ich als Leserin durchaus. Der Roman ist nahezu in allen Bereichen ein Fest der Diversität. Insbesondere sprachlich tobt sich die Autorin aus - verschiedenste Stilmittel wechseln sich ab. Es gibt Prosa-Abschnitte, die wunderbar erzählt werden. Es gibt lyrische Teile (portugiesisch und nicht immer übersetzt). Es gibt dann diese Abschnitte ohne ein einziges Satzzeichen, oder mit vielen Wortwiederholungen, oder mit nur einem Satz pro Seite. Und noch vieles mehr.

    Ich persönlich habe mich irgendwann nicht mehr gut zurecht gefunden. Anfangs bin ich noch fasziniert von den Themen und der sprachlichen Kreativität gewesen. Aufgrund des Hin - und Herspringens in den Erzählperspektiven und Stilistiken leidet aber meiner Meinung nach der Spannungsbogen ganz enorm und die eigentliche Handlung (Melissa und Catarina) zerfällt, Distanziertheit gegenüber den Protagonistinnen entsteht. Einige dieser Stilmittel haben mich mit der Zeit auch genervt, muss ich zugeben. Zumal ich nicht immer einen Sinn erkannt habe. Möglicherweise ist dieser Roman ZU anspruchsvoll für mich ;) Möglicherweise ist die Autorin hier aber auch ein bisschen übers Ziel hinaus geschossen.

    Fazit: Tolle und spannende Themen, teilweise superinteressant und in einiger Hinsicht wirklich ein schöner Roman. Dennoch mit dem faden Beigeschmack, dass die Romankomposition m.M.n. nicht sehr gut gelungen ist und dadurch streckenweise anstrengend, unverständlich und insgesamt nicht "rund". Ich liebe das wunderschöne Cover!!! Der Roman aber hat es nicht zu meinen Lieblingen geschafft.

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  1. Ein außergewöhnliches Buch! Absolut lesenswert!

    Klappentext:

    „Ein fulminanter Roman über eine tiefe Freundschaft, über Familie, Liebe, Revolution und das politische Erwachen in einer Zeit der radikalen globalen Umbrüche.

    Es ist das schicksalhafte Jahr 2016, in dem Prince und George Michael sterben, die Menschen in Großbritannien mehrheitlich für den Brexit stimmen und, auf der anderen Seite der Welt, in Brasilien, ebenfalls Tausende auf die Straßen gehen, weil sie die Regierung in Frage stellen. In diesem Jahr zieht Catarina, frisch aus Brasilien eingetroffen, in Melissas Londoner Wohngemeinschaft. So unterschiedlich die beiden jungen Frauen in der Gegenwart sind, so verbunden sind sie in ihren Vergangenheiten. Mit Catarinas Einzug beginnen sich zwei Leben zu einer weltumspannenden Geschichte zu verflechten, die von Freundschaft, Liebe, Identität, Mut und dem Willen erzählt, die Welt zu einem besseren Ort zu machen.“

    „Zwischen Himmel und Erde“ - ist einerseits der Titel dieses Buches aber auch ein Spruch, der sowohl religiöse Inhalte zeigen kann, aber auch spirituelle oder gar utopische Gedanken hervorrufen kann. Hier wird jeder seine eigene Sichtweise entwickeln und genau so ist es auch mit diesem Buch. Ich habe es beendet und das erste was mir in den Sinn kam war, wie unterschiedlich es wohl von der Leserschaft betrachtet werden könnte. Schaut man sich die aktuellen Rezensionen dazu an, scheine ich genau richtig damit zu liegen. Die Geschichte von Catarina und Melissa ist einerseits sehr dynamisch und voller Energie aber andererseits anders als andere Geschichten die man so (vermeintlich) aus diesem Genre meint zu kennen.

    Wie habe ich also dieses Buch erlebt? Ich muss klar sagen, es hat mir unheimlich gut gefallen. Allein die Atmosphäre und auch der Schreibstil nahmen mich regelrecht ein. Yara Rodrigues Fowler versucht viele Parts in die Geschichte einzuweben, viel anzusprechen und dann dennoch nicht den Leser überfordern zu wollen (es gelingt ihr zumeist!). Wir erleben nicht nur die Lebens- und Herkunftsgeschichte der beiden Damen sondern auch die Zeit damals anhand von Musik und Liedern, eine Art Zeitenrückblende nimmt uns in das Jahr 2016 mit und lässt auch uns Leser das Jahr nochmals neu erleben (das Gedankenkarussell nimmt automatisch Fahrt auf!). Die Geschichte der beiden scheint unterschiedlich und ja, wie eben zwischen Himmel und Erde, aber sie haben gleiche Wurzeln! In Brasilien liegt das Herz der beiden Damen und somit ist die Verbundenheit sofort da! Allein wie Yara Rodrigues Fowler hier auch sprachliche Einflüsse gekonnt mit eingewoben hat, war großartig! Das Buch hat enormes Flair und fesselte mich komplett! Melissa und Catarina entwickeln sich in dieser ganzen Zeit in der wir sie begleiten dürfen. Sie sammeln Lebenserfahrung, ihre politische Meinung reift heran und natürlich prägt sie die Zeit ebenso, die um sie herum ihren Lauf nimmt. Der Roman ist äußerst sphärisch, gar kunstvoll philosophisch und hat einen eigenen Takt. Es ist als Leser nicht einfach den Zeiten- und Ortswechsel immer reibungslos zu folgen, hier muss man konzentriert lesen, auch dass es keine Übersetzung der portugiesischen Zeilen gibt, ist vielleicht nicht für jeden optimal, aber ich mochte das! Was ich nicht weiß, schlage ich nach und somit musste ich mich intensiver als vielleicht nötig mit dem Buch und der Geschichte von Catarina und Melissa befassen.

    Wer offen durch die Welt geht (politische Interessen und eben auch die Beobachtung zur Entwicklung unserer Zeit sind hier schon von Vorteil) und Freude an außergewöhnlichen Schreibstilen hat, wird hier wunderbares erlesen können. Ich vergebe sehr gern 4 von 5 Sterne und bin gespannt was wir von Yara Rodrigues Fowler noch lesen dürfen!

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  1. 3
    29. Mai 2023 

    Unklar

    Das Buch dreht sich um Melissa und Catarina und ihre Familiengeschichte. Als Catarina aus Brasilien nach London zieht, trifft sie dort auf ihre neue Mitbewohnerin Melissa, die ebenso wie Catarina Wurzeln in Brasilien hat. Zuerst sehen wir, wie die beiden sich immer besser kennenlernen und den Konflikt um die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff von London aus erleben. Dann tauchen wir jedoch auch tiefer in ihre Familiengeschichten ab, die tief mit der Geschichte Brasiliens verwoben sind.

    Es fällt mir etwas schwer, das Buch zu beurteilen. Zum einen hat es Szenen und Sätze, die mir Tränen in die Augen getrieben haben. Es behandelt die brasilianische Geschichte sehr nachvollziehbar, weil man durch die Geschichte der zwei Familien auf sie schauen kann. Auch wie sie letztendlich miteinander verwoben sind, hat mich sehr beeindruckt.
    Es dreht sich um Antirassismus und Feminismus, sowie queere Rechte, was alles wichtige und interessante Themen sind.
    Zum anderen haben wir aber auch einen sehr irritierenden Schreibstil. Es ist geschrieben, als würde es jemand einfach so, wie es der Person in das Bewusstsein kommt, auf ein Blatt bringen. Ich finde es gut, wenn Bücher ihren Lesern auch zutrauen, bestimmte Zusammenhänge zu sehen und die Leser nicht übermäßig an die Hand nehmen, aber in diesem Buch waren manche Dinge vollkommen unverständlich, weil einfach der Kontext für bestimmte Sachen vollständig gefehlt hat.

    Das Buch war durchaus interessant, aber auch sehr kompliziert. Wen das nicht abschreckt, dem kann ich das Buch empfehlen. Allen anderen würde ich eher von dem Buch abraten.

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  1. 3
    13. Mai 2023 

    Schwestern

    In London will Catarina ihr Geschichtsstudium beenden. Die junge Brasilianerin hat ein Stipendium erhalten. In Melissas Wohngemeinschaft findet sie ein Zimmer. Obwohl Catarina glaubt, in Melissa eine Brasilianerin zu erkennen, reagiert diese sehr zurückhaltend und erklärt, sie sei in London geboren. Dennoch freunden die jungen Frauen sich an. Bei Demonstrationen für Toleranz können sie ihr ein gemeinsames Anliegen ausdrücken. Und irgendwann ist es soweit, dass sie sich gegenseitig öffnen und von ihren Familien erzählen. Noch so jung haben Catarina und Melissa doch schon einiges erlebt und tragen ihre Geschichten mit sich rum.

    Sie haben viele Schwestern, so hat Melissa drei Großmütter und Catarinas Mutter drei Schwestern. In ihrer WG leben sie ebenfalls zu dritt. Trotz einiger Ähnlichkeiten sind die Beiden sehr unterschiedlich. Die eher zurückhaltende ist Melissa, während Catarina offener durch die Welt geht. Sie hat schon angefangen, ihre Erfahrungen aus dem Studium zu nutzen, um selbst Einführungskurse zu geben. Ihr großer Wunsch ist es, in England bleiben zu können. Welche Pläne hat Melissa? Sie hat einen auskömmlichen Job und scheint keine großen Ambitionen zu haben. Doch ihre geheimen Gedanken verrät sie auch nicht jedem. In ihrer Vergangenheit liegen sie verborgen.

    Die unterschiedlichen Stilmittel, wie Zitate, einige Verse, die ein oder andere Wiederholung und eine ansprechende Prosa machen diesen Roman zu etwas Besonderem. Und das Cover ist richtig schön gestaltet und die leuchtenden Farben ziehen den Blick an. Allerdings fällt es schwer, eine Verbindung zu den handelnden Personen herzustellen. Vielleicht weiß diese Leserin über die Geschichte Brasiliens einfach nicht genug, um sich in die Story hineinversetzen zu können. Die klug aufgebaute Storyline und die ansprechende Wortwahl leiten einen dennoch durch den Roman. Die Lektüre beschließt man mit dem guten Gefühl, etwas gelernt zu haben und zudem ein echtes Schmuckstück ins Regal stellen zu können.

    3,5 Sterne

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Wo du mich findest: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Wo du mich findest: Roman' von Anne Barns
4.5
4.5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Wo du mich findest: Roman"

Autor:
Format:Broschiert
Seiten:192
EAN:9783365002667
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Rezensionen zu "Wo du mich findest: Roman"

  1. anders als erwartet, aber irgendwie trotzdem gut

    Das Cover hat mich überhaupt nicht angesprochen, wenn ich von Anne Barns nicht schon sehr viel gelesen hätte, hätte ich es komplett links liegen lassen.

    Auch der Klappentext auf der Rückseite hat mich nicht direkt angesprochen, die Entscheidung es zu lesen war nur aufgrund der Bücher, die ich bisher von der Autorin kannte. Es las sich für mich vom Schreibstil her komplett anders als von Anne Barns gewohnt, schlichter, und irgendwie anstrengender.

    Sophie hat erst ihren geliebten Vater und dann auch noch ihre beste Freundin Tessa verloren. Ihr Noch-Ehemann verlässt sie für eine Jüngere, und dann hat sie auch noch eine Blockade beim Übersetzen der Bücher, was sie eigentlich beruflich macht. Aus einer flüchtigen Begegnung wird in ihren Träumen mehr, und sie versucht den Mann aus ihren Träumen zu finden.

    Mich hat das ganze Buch eher daran erinnert, als ob die Erzählerin jemandem einen Brief schreibt und teilweise auch einfach ihre Gedanken notiert. Weniger ein unterhaltsamer Roman, als eine trotz allem schön geschriebene Erzählung. Insgesamt hat es mir trotzdem recht gut gefallen.

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  1. 5
    02. Aug 2023 

    Leise, feinfühlig und emotional

    Sophie befindet sich bereits in einer Krise, als sie flüchtig einem unbekannten Mann begegnet, der sie in ihren Träumen nicht mehr loslässt. Als das Leben unaufhörlich weiter seinen Lauf nimmt, beschließt sie, sich auf die Suche nach ihm zu machen.
    Die Geschichte um Sophie und den Fremden in einem Rügener Café war auf jeden Fall eine außergewöhnliche, die einen emotional mit auf eine Reise nimmt, bei der man nicht von vorneherein weiß, wohin sie geht. Mich hat sie völlig gepackt und ich konnte das Buch erst wieder aus der Hand legen, als ich damit durch war.
    Sophie ist mit ihrer erfrischend ehrlichen Art eine ungeheuer sympathische und nahbare Protagonistin. Als Leser erlebt man einige ungemütliche Zeiten mit ihr mit, aber ihre Art sorgt dafür, dass es zwar immer wieder melancholisch, aber nie düster wird.
    Auch sprachlich konnte mich das Buch sehr begeistern. Sophies Beruf als Übersetzerin und ihre damit verbundene Sprachgewandtheit kamen sozusagen zwischen den Zeilen nochmals zum Tragen, und das hat mir richtig gut gefallen.
    Alles in allem war „Wo du mich findest“ für mich ein wunderschönes kleines Lesehighlight, dem ich – obwohl ich so schnell durch war – sicherlich noch eine ganze Weile nachhängen werde.

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Wald: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Wald: Roman' von Doris Knecht

Inhaltsangabe zu "Wald: Roman"

Autor:
Format:Taschenbuch
Seiten:272
EAN:9783499267871
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