Unsereins

Buchseite und Rezensionen zu 'Unsereins' von Inger-Maria Mahlke
3.9
3.9 von 5 (8 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Unsereins"

Eine Lübecker Familie, protestantisch, konservativ, kaisertreu: die Lindhorsts. 1890 kommt Marthe in dem weitläufigen Patrizierhaus in der Königstraße zur Welt. Um sie eine Schar älterer Brüder, deren Freiheiten nicht ihre sein werden. Und doch ist es ein Leben mit glänzenden Aussichten. Bis ein Bestsellerroman, verfasst vom Sohn eines verstorbenen Bekannten, den respektablen Lindhorsts klarmacht, dass sie für ihr Umfeld auch nach zwei Generationen noch immer «die Jüdischen» sind. Unsereins ist der Roman einer Stadt und ihrer Gesellschaft, ihrer Bürger und Lohndiener, der Handwerker und, vor allem, ihrer Frauen. Ob Dienstmädchen, Hausfrau, Weißnäherin oder Schriftstellerin, ob manisch-depressiv wie Marthes Mutter, durchlässig wie Marthe selbst, die mit eigenen und fremden Erwartungen ringt. Inger-Maria Mahlke erzählt von Identität und Zugehörigkeit, von Geschlecht und Klasse, von Macht- und Liebesverhältnissen – von allem, was nicht nur den vormals «kleinsten Staat des deutschen Reichs» formte und zusammenhielt.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:496
EAN:9783498001810
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Rezensionen zu "Unsereins"

  1. Komplexes Gesellschaftsbild um 1900 in Lübeck

    REZENSION – Schon ihrem mit dem Deutschen Buchpreis 2018 ausgezeichneten Roman „Archipel“, der Geschichte mehrerer Familien über fünf Generationen hinweg auf Teneriffa, wurde damals eine Nähe zu Thomas Manns „Buddenbrooks“ nachgesagt. Einen direkten, diesmal von Inger-Maria Mahlke (46) sogar gewollten Bezug erkennt man nun in ihrem im November beim Rowohlt Verlag erschienenen Roman „Unsereins“. Darin beschreibt die in Lübeck aufgewachsene Schriftstellerin nicht nur das gesellschaftliche Leben des hanseatischen Großbürgertums sowie deren Hauspersonals, der Lohndiener und Handwerker in den Jahren zwischen 1890 und 1906 in Lübeck, dem „kleinsten Staat“ des deutschen Kaiserreichs. Ganz konkret erscheint in ihrem Roman sogar der junge Thomas Mann als Autor eines damals in der Lübecker Gesellschaft Aufsehen erregenden Familienromans. Dennoch sollte man „Unsereins“ völlig losgelöst und frei von dieser literarischen Bürde lesen – als eine Familiengeschichte, die mir in ihrem modernen Stil sowie in ihrer historischen Authenzität und Komplexität der Handlung ebenfalls preiswürdig erscheint.
    Im Vordergrund dieses inhaltlich üppigen Gesellschaftsromans steht vor allem das Leben der kinderreichen Familie von Friedrich Lindhorst - „protestantisch, konservativ, kaisertreu“ - und dessen Ehefrau Marie, Tochter des „berühmtesten Dichters aller Zeiten“, deren jüngste Tochter Marthe als deren achtes Kind im Jahr 1890 im großen Patrizierhaus in der Königstraße geboren wird. Schon Friedrich Lindhorst ist als Rechtsanwalt in gewisser Weise ein Außenseiter seiner Kaufmannsfamilie, folgten doch seine Brüder, der Senator Achim und der Konsul Heinrich Lindhorst, noch der beruflichen Familientradition. Doch der gesellschaftliche Umbruch jener Zeit wird weitere Veränderungen bringen.
    Der Patrizierfamilie gegenüber stellt Mahlke die Handwerker und Lohndiener wie Charlie Helms oder Ratsdiener Isenhagen und das Hauspersonal der Lindhorst-Familie, allen voran deren Dienstmädchen Ida. Wir begleiten Ida von ihrem Dienstbeginn im Hause Lindhorst, erleben mit ihr die schrittweisen Veränderungen jener Jahre, die auch an der Familie Lindhorst ihre deutlichen Spuren hinterlassen bis hin zum Tod des an Syphilis erkrankten Sohnes Cord und der manischen Depression seiner Mutter Marie. Es braucht Jahre bis sich Ida aus ihrem Dienstmädchen-Leben zu befreien versucht, heimlich Steno und Schreibmaschine lernt, um ein selbstbestimmtes Leben führen und als Büroschreibkraft arbeiten zu können. „Ich werde nicht in Diensten sterben“, hämmert sie immer wieder in Großbuchstaben als Mahnung an sich selbst in die Maschine.
    Mahlke beschreibt in „Unsereins“ ein beeindruckend komplexes Gesellschaftsbild um die Wende ins 20. Jahrhundert, die auch vor der konservativen Hansestadt nicht Halt macht. Wir erfahren, wie festgefügte Rollen und damit verbundene konservative Erwartungen an Politik und gesellschaftlichen Stand aufbrechen und Hoffnungen auf Veränderung zu keimen beginnen.
    Zwar zwingt die Vielzahl von Mahlkes Protagonisten anfangs mehrmals zum Zurückblättern auf die im Vorspann zum Glück eingefügte Liste handelnder Personen, zumal verschiedene Handlungsstränge sich erst später zum komplexen Gesellschaftsbild fügen, doch bald gewinnt man dann doch den Überblick, kann die Figuren jeweils zuordnen und vollends in die Geschichte und ihre Zeit eintauchen. Man lebt mit Mahlkes Figuren und bedauert schließlich das Ende der Geschichte, die sich auch gut verfilmen ließe. „Aber vielleicht ist dies nicht das Ende, sondern nur der Anfang“, lautet Mahlkes letzter Satz im Buch. Damit kann das weitere Leben ihrer Protagonisten gemeint sein. Der Satz kann aber auch Mahlkes doppeldeutiger Hinweis auf eine Fortsetzung ihres Romans „Unsereins“ sein.

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  1. Der Versuch einer Neuauflage von „Buddenbrooks“ ist gescheitert.

    Kurzmeinung: BruchstückTechnik: zu oberflächlich für mich.

    Auf fast 500 Seiten entwickelt die Autorin die Familiengeschichte der Lindhorsts, die so viele Kinder produzieren, dass Marie, die Mutter meint, es seien zu viele, um alle so zu lieben, wie es sich gehöre. Man schnappt nach Luft. Marie hat nämlich nichts zu tun und zwar so rein gar nichts. Es wäre nicht zu viel verlangt gewesen, die Kinderschar angemessen zu betreuen. Aber die feine Gesellschaft hat sich noch in dem Zeitraum der Romanhandlung, circa 1890 bis 1906, kaum um die Nachkommenschaft gekümmert. Das haben andere getan, Dienstboten. Selber trank man Tee, rümpfte die Nase über andere, verreiste, wobei andere die Koffer packten, machte Musik und die Männer konkurrierten um Rang und Ansehen und gingen fremd. Ja, sorry, so wars. Diese Schiene der feinen Lübecker Gesellschaft hat Inger-Maria Mahlke vortrefflich zu Papier gebracht. In ihrer Erzählung reitet sie freilich xmal zu oft auf dem Begriff des kleinsten Staats des deutschen Reiches herum und nervt damit.

    Der Kommentar:
    Die Erzählung mäandert umher: der die Leser anfangs in Beschlag nehmende Junge Georg, der vom Großvater abgeschoben in ein Jungsinternat unter der unkreativen „Anstalt“ leidet, bekommt erst am Ende, nun als Erwachsener, einen weiteren Auftritt, wobei er resümiert, was aus ihnen allen, nämlich seinen Altersgenossen und den übrigen Zöglingen der Anstalt geworden ist. Einer wurde Schriftsteller und veröffentlichte ein berühmt-berüchtigtes Buch über seine Heimatstadt „Die Buddenbrooks“.
    Die Passagen, wie sich die Bürger Lübecks über „Die Buddenbrooks“ aufregen und skandalträchtig sich gegenseitig im Beschriebenen wiederzufinden suchen, sind allerdings nur mäßig interessant. Viel mehr hätte interessiert, was aus Isenhagen, dem Ratsdiener, mit seiner unglücklichen Liebe zu einer mit einem Schwulen verheirateten jungen Frau geworden sein mag und wie Ida, die Dienstmagd mit ihren mannigfaltigen Versuchen eines sozialen Aufstiegs und ihrem Scheitern fertig geworden ist. Warum ist sie keine Sozialdemokratin geworden zum Beispiel?
    Und warum hat die Autorin, Georg so völlig links liegen lassen, nachdem sie so viel Zeit darauf verwendet hat, ihn uns ans Herz zu legen, unsere Sympathie zu wecken, denn Georg ist so ziemlich die einzige Figur, mit der man sich hätte solidarisieren können. Zuerst trösten wir uns mit ihm jede Woche eine halbe Stunde lang im warmen Bad in einer öffentlichen Badestube, wo er seine Striemen behandelt, dann lässt ihn die Autorin fallen wie eine heiße Kartoffel. Leider ist das nicht die einzige Figur, die uns die Autorin nahe bringt und dann fallen lässt. Sie strickt und strickt und es könnte ein hübsches Muster entstehen, aber dann lässt sie absichtlich die Maschen fallen. Man kann diese Technik "Kunst" nennen, oder auch "Loch im Strumpf". Ich bevorzuge neue Strümpfe ohne Löcher.
    Allenfalls bei der Verfolgung der Familie Lindhorst lässt die Autorin so etwas Ähnliches wie einen roten Faden erkennen. Freilich ist die Problematik Judentum vollkommen ausgespart. Dass es sich um eine jüdische Familie handelt, ist im Roman kaum erkennbar, sie leben kein jüdisches Leben. Und sie reden auch nicht darüber, dass sie Juden sind. Oder gewesen sind. Die Männer reden sowie so wenig, wenn sie nicht in fremden Betten turnen, kommandieren sie herum. Der ekligen Schilderung der Syphilis wird dann wieder reichlich Raum gegeben.

    Die Autorin kann schreiben und vorzüglich mit Sprache umgehen, keine Frage. Was indes fehlt ist Zusammenhang, zu viel bleibt liegen, zu viel Gewicht liegt auf den „gnädigen Herrschaften“ und auf den sexuellen Praktiken der jungen Herren. Statt das Problem der Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung vertiefend zu behandeln, verliert sich die Autorin in der Ausfeilung völlig unwichtiger Details. Details können Atmosphäre schaffen, aber in „Unsereins“ verschleppen sie den Roman; Innenansichten fehlen vollständig, man schaut drauf und fühlt: nichts.

    Anmerkung zum Hörbuch: Normalerweise liest ein Hörbuch einen Roman nach oben. Trotz der wunderbar eingelesenen Interpretation von Julia Nachtmann ist es diesem Roman dennoch nicht gelungen, mir mehr Sterne abzuringen: dies spricht für sich. Dem Hörbuch fehlt zudem das Verlesen des Personenverzeichnisses, was bei einem so sprunghaften Roman aber nicht unwichtig gewesen wäre. Was wirklich positiv zu Buche schlägt, ist die Hörbuchsprecherin selbst. Sie macht alles richtig.

    Fazit: Dasselbe hat man schon oft gelesen. Auch wenn der Roman mit schönen Formulierungen glänzt und mit dem Erscheinen des Romans „Buddenbrooks“ von Thomas Mann jongliert, reicht dieser Spielzug meiner Meinung nicht aus, um literarische Bedeutung zu kreieren.

    Kategorie: Anspruchsvolle Literatur
    Verlag: Für das Hörbuch: Argon, 2023
    Sonst: Rowohlt, 2023

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  1. Ein Gesellschaftsroman aus der Perspektive einer Drohne

    Mein Hör-Eindruck:

    „Und wäre dies das Ende eines Films, so würde die letzte Einstellung aus der Perspektive einer Drohne gedreht“, heißt es am Ende des Romans. Und genau so beginnt auch der Roman: mit der Perspektive einer Drohne. Da wird der Weg eines Regentropfens verfolgt, der sich von oben her dem „kleinsten Staat des Deutschen Kaiserreichs“ nähert und seinen Weg sucht und findet, nämlich das Haus des Rechtsanwaltes Lindhorst und seiner Familie. Und auch wie von oben werden weitere Figuren anvisiert und dann herangezoomt, die in einer Verbindung zu dieser Familie stehen. Mit diesen Nebenfiguren – sind es wirklich Nebenfiguren? – entfaltet die Autorin die sozialen, gesellschaftlichen und politischen Problemfelder der Zeit um die Jahrhundertwende: Sozialdemokratie, Antisemitismus, Homosexualität, Pauperismus, merkantile Krisen, Nationalismus, gesellschaftliche Umbrüche.

    Zugleich zoomt sie sich bis in das Innerste der Figuren hinein.

    Da ist z. B. Georg, Sohn eines Bankrotteurs, von den Klassenkameraden verachtet und isoliert. Hier erfährt der Leser etwas über die gesellschaftliche Rangordnung der Zeit: oben stehen die ostelbischen Großgrundbesitzer, dann das Patriziat der Hansestadt, und hinter jedem Schülernamen wird die Position des Vaters aufgeführt: Senator, Konsul oder doch zum mindesten Bürgerschaftsmitglied. Da ist für einen Jungen wie Georg kein Platz vorgesehen.

    Oder Ida, eine der weiblichen Figuren. Sie will ihrem Schicksal des Dienstmädchens entfliehen und zum Bürofräulein aufsteigen. In vielen Abendstunden lernt sie mühsam das Stenografieren, um dann zu erkennen, dass sie auch die Schreibmaschine beherrschen muss. Und als sie sich diese Kenntnisse angeeignet hat, wird sie ausgebremst durch ihre arthritischen Hände. Sie bleibt gefangen in ihrer Schicht, jeder Aus- und Aufstieg bleibt ihr verwehrt.

    Die Parallelen zu den „Buddenbrooks“ sind unübersehbar. Die Autorin ahmt den Ton sehr geschickt nach, und sie spielt mit dem bekannten Personal, das sie ausweitet auf die unteren Schichten. Sie spielt auch mit dem Roman „Buddenbrooks“ selber, der als eine Art gesellschaftliches Ratespiel in der Lübecker Bürgerschaft mit Häme und Schadenfreude entschlüsselt wird. Und hier macht die Autorin eine einfach überzeugende und sehr witzige Volte: denn genau dieses Entschlüsselungsspiel spielt auch der Leser mit ihrem Roman.

    Das Hörbuch wurde eingelesen von Julia Nachtmann. Von einer verwirrend falschen Betonung abgesehen ( Monàco statt Mònaco): eine rundum angenehme Stimme, ihr interpretierendes Vorlesen ist gut durchdacht.

    5/5*

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  1. Der intime Blick auf eine deutsche Stadt

    Dieser fast 500 Seiten starke Roman spielt während der vorigen Jahrhundertwende im "kleinsten Staat des Deutschen Kaiserreichs", in Lübeck. Auch wenn die Stadt nie bei ihrem Namen genannt wird. Zu dieser Zeit wirkt ein großer Schriftsteller in Lübeck: Thomas Mann. In seinen Romanfiguren bei den Buddenbrooks, meint sich die bürgerliche Familie Lindhorst wiederzuerkennen und fühlt sich schließlich einen latenten Antisemitismus ausgesetzt.

    Die Sprache von Inger - Maria Mahlke ist einfach phantastisch detailgetreu, verliert sich aber nicht. Die verschiedenen Figuren breiten ihr Innenleben vor einen aus, ohne das sie viel sagen müssen. Das Buch ist im Präsens geschrieben, was einen das Geschehen sehr intensiv erleben lässt. Sehr gut finde ich, dass am Anfang eine Auflistung der handelnden Figuren erfolgt, so kann man hier immer mal wieder nachschlagen.

    Das einzige Manko für mich war, dass ich die Buddenbrooks nicht gelesen habe und mir wahrscheinlich so einige kluge Verbindungen entgangen sind.

    Aber auch ohne dem Wissen konnte ich in die bürgerliche Welt um 1900 eintauchen, die sich wie ein Panorama vor einen entfaltet.

    Das Buch ist keine einfache Lektüre, aber wenn man sich ganz darauf einlässt, kann es ein richtiges Lesevergnügen werden.

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  1. Eine besondere Geschichte!

    Klappentext:

    „Eine Lübecker Familie, protestantisch, konservativ, kaisertreu: die Lindhorsts. 1890 kommt Marthe in dem weitläufigen Patrizierhaus in der Königstraße zur Welt. Um sie eine Schar älterer Brüder, deren Freiheiten nicht ihre sein werden. Und doch ist es ein Leben mit glänzenden Aussichten. Bis ein Bestsellerroman, verfasst vom Sohn eines verstorbenen Bekannten, den respektablen Lindhorsts klarmacht, dass sie für ihr Umfeld auch nach zwei Generationen noch immer «die Jüdischen» sind.“

    Inger-Maria Mahlke hat ihrem aktuellen Roman den Titel „Unsereins“ gegeben - ein Titel der eigentlich bereits alles sagt! Gehört man dazu oder ist man doch ausgegrenzt? Alles Ansichtssache! Drehort der Geschichte Lindhorst ist die wunderschöne Stadt Lübeck. Wir erlesen die Familiengeschichte mit all ihren positiven und negativen Lichtern. Aber wir erlesen auch die Menschen die um diese Familie herum sind und die die Stadt ausmachen. Die vielen tiefgründigen Beschreibungen über die all die vielen Menschen überfordert hier und da den Leser, ja, aber es ergibt sich dadurch ein äußerst stimmiges Gesamtbild, welches sich wunderbar analysieren lässt! Jeder trägt seine Geschichte mit sich herum, jeder hat seine Meinung nur sind wir alle dadurch eine Art Gemeinschaft? Auch die Lindhorst‘s erleben dies am eigenen Leib und genau da will Mahlke mit uns Lesern hin: Wo kommen wir her? Wo gehören wir hin? Wer sind wir auf Grund einer bestimmten Religion?

    Mahlkes Schreibstil ist trotz der Vielzahl an Personen verständlich und sehr eindringlich. Ihre Wortwahl ist bewusst gewählt und fängt den Leser immer und immer wieder ein und dieser darf dann selbst seine Gedanken zu dem erlesenen walten lassen. Hier geht es explizit um Vorurteile und wie damit umgehen. Die Autorin wählt immer wieder zur Situation den passenden Ausdruck und dadurch bleibt die Geschichte lebendig und als Leser bleibt man aufmerksam am Ball. Einerseits erleben wir Leser die Stadt Lübeck zu einer besonderen Zeit aber auch ein Sittenbild dieser. Vieles steckt auch hier wieder zwischen den Zeilen und es darf gern der Kern im Detail gesucht und gefunden werden - es lohnt sich definitiv! In vielen Dialogen oder auch nur einfachen Sätzen der Figuren ist es dann immer wieder zu entdecken - der Buchtitel zeigt seine Wirkung und es gibt dabei Situationen des Erschreckens, des Zuckens, des Fremdschämens. Ist das negativ für das Buch? Keineswegs! Im Gegenteil! Mahlke zeigt nur die damalige Zeit gekonnt auf bohrt in vielen kleinen und großen Wunden unserer Gesellschaft. Diese Geschichte hier wird oft mit denen der Buddenbrooks von Thomas Mann verglichen. Ist das korrekt? Einerseits ja aber es ist eine Geschichte von Inger-Maria Mahlke mit recht ähnlichen Parts aber dennoch einem anderen Stil.

    4 sehr gute Sterne hierfür!

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  1. Schön erzählt

    Das Cover ist grau in grau gehalten, fast alles symmetrisch angeordnet. Das einzige "aufständische" ist die fehlende Symmetrie beim Porzellan.
    Sofort denkt man an das Klischee des Bürgerlichen. Dazu passt auch der Titel. Man kann sofort im Kopf den Satz vervollständigen, das macht unsereins nicht.
    Diese Gesellschaftsschicht fühlt sich sicher in ihren Vorschriften, Zwängen und ungeschriebenen Gesetzen. Wenn man die Regeln befolgt, gehört man dazu und es kann einem nichts passieren.
    Voran steht eine Art Register der handelnden Personen. Etwas gewöhnungsbedürftig sind Zusätze wie kein Bäckermeister oder eine Bulldogge wird namentlich erwähnt.
    Vorne und hinten befindet sich eine Karte, aus jeweils unterschiedlichen Zeiten. Leider grau in grau und nicht so gut strukturiert, dass man sie während des Lesens leicht nutzen kann.
    Das Buch ist nicht leicht zu lesen. Ein durchgehender Lesefluss stellte sich bei mir nicht ein. Es wird zwar ganz die Atmosphäre und die Zeit dargestellt, aber es ist schon sehr gewöhnungsbedürftig und mühsam bis sich man in die einzelnen Personen und Orte eingelesen hat.

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  1. 3
    19. Nov 2023 

    Porträt einer längst vergangenen Epoche

    Inger-Maria Mahlkes neuer Roman “Unsereins“ spielt überwiegend in Lübeck in der wilhelminischen Zeit von 1890-1906. Im Mittelpunkt steht Rechtsanwalt Lindhorst mit seiner Frau Marie und den sechs Söhnen und zwei Töchtern. Anfangs geht es der Mittelschichtfamilie mit jüdischen Wurzeln finanziell gut, später müssen sie immer mehr zurückstecken, zumal sich Lindhorsts Pläne, in der Politik Karriere zu machen, nicht verwirklichen lassen. Es geht aber auch um viele andere Familien und ihr Personal und Figuren wie Ratsdiener Isenhagen, den schwulen Lohndiener Charlie Helms oder Lindhorsts Dienstmädchen Ida, deren Schicksal zeigt, wie rechtlos und schlecht bezahlt die unteren Schichten in einer hierarchisch geordneten Gesellschaft ihr Leben fristen mussten. Um die Chancen von Frauen, ein selbst bestimmtes Leben zu führen, stand es generell schlecht. Da waren auch die von acht Geburten überforderte manisch-depressive Marie Lindhorst und ihre Töchter Alma und Marthe keine Ausnahme. So muss auch Alma Lindhorst schon mal die Aufgaben eines Dienstmädchens übernehmen. Bei Eheschließungen ging es sowohl bei Söhnen als auch bei Töchtern nicht um Liebe, sondern um finanziell lohnende Verbindungen mit Vorteilen in Bezug auf das gesellschaftliche Ansehen.
    Die in epischer Breite ungeheuer detailreich erzählte, dennoch relativ handlungsarme Geschichte enthält zahlreiche Anspielungen auf real existierende und fiktive Personen, z.B. auf Thomas Mann und Figuren aus seinen Romanen. Da brauchte man zum Verständnis eigentlich umfangreiche Vorkenntnisse. Die ungeheure Personenvielfalt macht die Lektüre nicht leichter. Ich musste immer wieder im längst nicht vollständigen Personenverzeichnis zu Beginn des Romans nachschauen und war dennoch oft ratlos, um wen es sich nun eigentlich handelte und wie die erwähnten Figuren zu einander standen. So richtig warm geworden bin ich mit der Geschichte und ihren Figuren nicht. Schade.

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  1. 4
    15. Nov 2023 

    Anspruchsvolle Lektüre

    Ein Roman, der in Lübeck Ende des 19. Jahrhunderts spielt, lässt unwillkürlich an „ Die Buddenbrooks“ denken. Mit dieser Assoziation liegt man nicht falsch, hat Inger- Maria Mahlke doch eine Art Gegenentwurf zu Thomas Manns weltberühmten Roman geschrieben.
    Allerdings beschränkt sich die in Lübeck aufgewachsene Autorin nicht nur auf das gehobene Bürgertum der Stadt, sondern nimmt auch die Bediensteten in ihren Blick.
    Die Erzählung setzt ein im Jahr 1890 und führt bis ins Jahr 1906. Im Zentrum steht die wohlhabende Familie Lindhorst, kinderreich, konservativ und kaisertreu. Friedrich Lindhorst ist Rechtsanwalt; mit seiner Frau Marie hat er sechs Söhne und zwei Töchter. Als Anwalt hat Lindhorst nicht den Stand, den ein reicher Kaufmann einnimmt und ein Hindernis für eine politische Karriere ist auch seine jüdische Herkunft . Diese Tatsache steht aber nicht so im Vordergrund, wie der Klappentext vermuten ließe, sondern wird von Inger- Maria Mahlke nur ganz subtil angedeutet. Marie Lindhorst ist von ihrer Aufgabe als Haushaltsvorstand und Mutter ( „ Irgendwann waren es zu viele, um alle zu lieben, wie man soll.“) überfordert; monatelang ist sie wegen psychischer Probleme in Sanatorien. Auch die Kinder weichen zum Teil vom vorgezeichneten Lebensweg ab, dabei fehlt es nicht an Tragik .
    Die Autorin blickt mit einem leicht spöttischen Blick auf die Lübecker Gesellschaft. So ist Marie Lindhorst die „ Tochter des berühmtesten Dichters aller Zeiten“. Das Denkmal von ihm ragt hoch über den nach ihm benannten Platz in der Stadt. Stolz ist man hier auf den berühmten Sohn, auch wenn man sich außerhalb Lübecks über ihn nur lustig machen sollte. „ Millionen mit Keitels Worten bestickte Geschirrhandtücher können nicht irren.“ Tatsächlich ist dieser Dichter, im Roman heißt er Keitel, bei Thomas Mann Hoffstede, Emmanuel Geibel, den man heute lediglich als Verfasser des Liedes „ Der Mai ist gekommen“ kennt.
    Noch weitere Familien und deren Lebenswege verfolgt die Autorin in ihrem Buch. Dabei zeigt sich das enge gesellschaftliche Korsett, in das letztendlich alle gezwängt sind. Frauen betrifft das allerdings in größerem Maße, auch das zeigt die Autorin . Vereinzelt gelingen Ausbruchsversuche, so z.B. einer jungen Frau, die nach dem Tod ihres Vaters über ein Erbe verfügt, das sie unabhängig sein lässt. Sie veröffentlicht kleine Geschichten aus dem Alltag einer Kurstadt, allerdings unter männlichen Pseudonym.
    Der Roman erzählt auch von den wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen. So vom Bau des Kaiser - Wilhelm - Kanals, der die Nordsee und die Ostsee miteinander verbindet, was anfangs zu Widerstand in Lübecks Senat führt. Bekommt doch dadurch Hamburg einen direkten Zugang zur Ostsee. Auch wird die Einführung von Wasserclosetts in den Haushalten kontrovers diskutiert. Wenn, dann sollte nur die gehobene Bürgerschicht in den Genuss kommen, die Bedürfnisse der Arbeiterschaft kümmern die Herren Senatoren nicht.
    Die aber haben ihre Fürsprecher in der aufkommenden Sozialdemokratie. Im Buch ist deren Vertreter ein ehemaliger Metallarbeiter, „ Unser aller Unheil“, wie Lindhorst seinem Sohn erklärt.
    Inger - Maria Mahlke gibt dieser gesellschaftlichen Gruppe den gebührenden Raum. Hier treten Bedienstete nicht nur als Nebenfiguren auf. Das Dienstmädchen Ida im Hause Lindhorst begleitet uns die ganze Zeit. Ausführlich wird deren tägliche mühselige Arbeit beschrieben, Tag und Nacht muss sie bereit stehen für ihre Herrschaft. Verständlich, dass sie davon träumt, diesen Verhältnissen zu entkommen. Im Arbeiterbildungsverein lernt sie heimlich Tippen und Stenografie und hofft auf eine Anstellung als Tippmamsell.
    Oder der Lohndiener Charlie Helms, der mit seiner Liste der für den gesellschaftlichen Verkehr in Frage kommenden Familien eine wichtige Rolle spielt. Doch er stürzt über seine homosexuellen Neigungen.
    Auch der Ratsdiener Isenhagen bekommt neben seiner Arbeit ein aufregendes Privatleben bei Inger- Maria Mahlke.
    Thomas Mann darf im Roman natürlich nicht fehlen. Als eitler und arroganter Schüler , Pfau“ genannt, hat er seinen Auftritt; im Schlepptau immer einen Mitschüler, seinen „Schatten“. Jahre später kehrt er als erfolgreicher Jungschriftsteller in seine Heimatstadt zurück und liest aus seinem Werk. Der Roman „ Die Buddenbrooks“ sorgt für Unruhe in Lübeck, da einige sich darin wiedererkennen. „ Es ist das Spiel der Saison. Bei jedem Dinner werden nach dem Dessert Papier und Stifte ausgeteilt. Wer- ist- wer im Roman.“ In Buchhandlungen gibt es sogar „ sogenannte Lektürehilfen“ zu kaufen.
    Die Erzählweise ist allerdings etwas gewöhnungsbedürftig. Sprachlich orientiert sich die Autorin an dem Stil von Thomas Mann, auch an dessen Ironie, unterbricht dabei immer wieder den altertümlichen Duktus mit modernen Wendungen. Die Vielstimmigkeit vermittelt zwar ein breites Panorama, erschwert es dem Leser aber, den Überblick zu behalten.
    Hat Inger- Maria Mahlke in ihrem 2018 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichneten Roman „ Archipel“ eine ungewöhnliche Struktur gewählt, die Geschichte wurde rückwärts aufgerollt, so folgt sie hier ganz traditionell der Chronologie. Dabei gibt es immer wieder Sprünge innerhalb des Erzählten.
    Von einer intensiven Recherche zeugt der Detailreichtums des Romans. So entsteht ein plastisches Bild jener Zeit und von den verschiedenen Gesellschaftsschichten.
    Dem Roman vorangestellt ist ein ausführliches Personenverzeichnis, auf das man während der Lektüre immer wieder zurückgreifen muss.
    Zu loben ist der Verlag für die Buchgestaltung. Das Vorsatzpapier zeigt zwei alte Stadtpläne von Lübeck.
    Trotz kleiner Kritikpunkte ist der Autorin mit „ Unsereins“ ein umfassendes Porträt der Lübecker Gesellschaft zur Kaiserzeit gelungen , eine anspruchsvolle Lektüre, die einen aufmerksamen Leser erfordert.

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Vatermal

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Rezensionen zu "Vatermal"

  1. 3
    13. Nov 2023 

    Suche nach dem verlorenen Vater

    Ich bin auf diesen Roman durch die Leseprobe anläßlich der Longlist zum diesjährigen Deutschen Buchpreis aufmerksam geworden. Die Leseprobe hat mir gefallen. Die anschließende Lektüre des ganzen Romans hat mich dann enttäuscht.

    Geschildert wird das Schicksal des jungen Arda. Er und seine Schwester wachsen mit ihrer Mutter in einer Stadt im Ruhrgebiet auf. Seinen Vater lernt Arda nie kennen, denn er hat die Familie verlassen und ist allein in sein Heimatland, die Türkei, zurückgekehrt. Arda wächst in prekären Verhältnissen auf. Die Mutter ist überfordert, die Schwester haut ab und wächst bei Pflegeeltern auf, mit seinen Freunden lungert Arda bekifft und ziellos auf dem Bahnhofsvorplatz herum. Arda schafft es, aus diesem Milieu auszubrechen und studiert Literatur um Schriftsteller zu werden, landet schließlich wegen einer Autoimmunerkrankung auf der Intensivstation des örtlichen Krankenhauses. Von hieraus reflektiert er sein Leben und schreibt einen Brief an seinen unbekannten Vater.

    Der Leser erfährt u.a. wie die Mutter anfangs nach einem verheerenden Erdbeben in der Türkei nach Deutschland kam, und nach und nach die gesamte Familiengeschichte. Die Zeitsprünge von der der direkten brieflichen Ansprache des imaginären, unbekannten Vaters zur Vergangenheit Ardas, zur Vergangenheit seiner Familie und dann wieder zur Gegenwart auf der Intensivstation, fand ich verwirrend. Genauso verwirrend waren die die Verwandschafts- und Bekanntschaftsverhältnisse, die einzelnen Charaktere nicht immer leicht auseinanderzuhalten.

    Dennoch liest sich der Roman flüssig, kommt aber m. E. nicht recht in Fahrt. Er mäandert quasi von Fragen an den Vater, warum dieser nun die Familie verlassen hat, zu Schilderungen des Schicksals der Mutter, zurück zu den Freunden, die am Bahnhof abhängen, dann wieder zur Schwester, die es nicht mehr bei der verlassenen Mutter aushält und abhaut. Mich hat das gelangweilt, umso mehr, als mich die Schicksale der Protagonisten nicht berühren konnten. Dabei ist das, was Arda, seine Familie und seine Freunde erlebt haben, zweifellos hart, man wünscht derartige Erfahrungen niemandem. Ich konnte die Geschichte jedoch nicht wirklich nachempfinden, merkwürdig emotionslos erschienen mir die Figuren. M. E. kratzt der Autor nur an der Oberfläche, ohne die Erlebnisse tiefgründig auszuleuchten.

    Ich vergebe 3 Sterne.

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  1. 3
    13. Nov 2023 

    Suche nach dem verlorenen Vater

    Ich bin auf diesen Roman durch die Leseprobe anläßlich der Longlist zum diesjährigen Deutschen Buchpreis aufmerksam geworden. Die Leseprobe hat mir gefallen. Die anschließende Lektüre des ganzen Romans hat mich dann enttäuscht.

    Geschildert wird das Schicksal des jungen Arda. Er und seine Schwester wachsen mit ihrer Mutter in einer Stadt im Ruhrgebiet auf. Seinen Vater lernt Arda nie kennen, denn er hat die Familie verlassen und ist allein in sein Heimatland, die Türkei, zurückgekehrt. Arda wächst in prekären Verhältnissen auf. Die Mutter ist überfordert, die Schwester haut ab und wächst bei Pflegeeltern auf, mit seinen Freunden lungert Arda bekifft und ziellos auf dem Bahnhofsvorplatz herum. Arda schafft es, aus diesem Milieu auszubrechen und studiert Literatur um Schriftsteller zu werden, landet schließlich wegen einer Autoimmunerkrankung auf der Intensivstation des örtlichen Krankenhauses. Von hieraus reflektiert er sein Leben und schreibt einen Brief an seinen unbekannten Vater.

    Der Leser erfährt u.a. wie die Mutter anfangs nach einem verheerenden Erdbeben in der Türkei nach Deutschland kam, und nach und nach die gesamte Familiengeschichte. Die Zeitsprünge von der der direkten brieflichen Ansprache des imaginären, unbekannten Vaters zur Vergangenheit Ardas, zur Vergangenheit seiner Familie und dann wieder zur Gegenwart auf der Intensivstation, fand ich verwirrend. Genauso verwirrend waren die die Verwandschafts- und Bekanntschaftsverhältnisse, die einzelnen Charaktere nicht immer leicht auseinanderzuhalten.

    Dennoch liest sich der Roman flüssig, kommt aber m. E. nicht recht in Fahrt. Er mäandert quasi von Fragen an den Vater, warum dieser nun die Familie verlassen hat, zu Schilderungen des Schicksals der Mutter, zurück zu den Freunden, die am Bahnhof abhängen, dann wieder zur Schwester, die es nicht mehr bei der verlassenen Mutter aushält und abhaut. Mich hat das gelangweilt, umso mehr, als mich die Schicksale der Protagonisten nicht berühren konnten. Dabei ist das, was Arda, seine Familie und seine Freunde erlebt haben, zweifellos hart, man wünscht derartige Erfahrungen niemandem. Ich konnte die Geschichte jedoch nicht wirklich nachempfinden, merkwürdig emotionslos erschienen mir die Figuren. M. E. kratzt der Autor nur an der Oberfläche, ohne die Erlebnisse tiefgründig auszuleuchten.

    Ich vergebe 3 Sterne.

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  1. 5
    14. Okt 2023 

    Grandioses Debüt...

    "Ich möchte dir für immer die Möglichkeit nehmen, nicht zu wissen, wer ich war. Du sollst erfahren, wie es deiner Familie in Deutschland ging, wie der letzte Sommer meiner Jugend war, bevor fast alle meine Freunde verschwunden sind. Du sollst wissen, wie es war, als deine alten Freunde mir auf die Schulter klopften und sagten, ich würde irgendwann werden wie du: Held einer gescheiterten Revolution. Ich werde diese Geschichten aufschreiben."

    Der Student Arda liegt im Krankenhaus, die Lage ist ernst. Wenn die Therapie nicht anschlägt, wird er sterben, niemand weiß, wie lange ihm noch bleibt. In dieser Phase der Ungewissheit denkt Arda nach über sein Leben, seine Geschichte, die Geschichte seiner Familie und seiner Freunde. Und über seinen Vater, den er nie kennengelernt hat, weil dieser vor seiner Geburt zurückging in die Türkei. Arda wächst bei seiner Mutter und seiner älteren Schwester im Ruhrgebiet auf, passlos bis zu seinem 18. Lebensjahr. Arda beschließt, im Krankenhaus einen Brief an seinen Vater zu schreiben, nicht wissend, ob dieser ihn jemals lesen wird, aber notwendig, um mit sich ins Reine zu kommen.

    Der Ich-Erzähler Arda beleuchtet viele Aspekte - sein eigenes Aufwachsen im grauen Ruhrgebiet, sein enges Verhältnis zu seiner Schwester, die jedoch, als der Streit mit ihrer Mutter eskalierte, eines Tages einfach ging und nicht wiederkehrte. Die Geschichte seiner Großeltern, seiner Eltern, seiner Freunde. Die Zeit als Jugendlicher, wo sowieso alles unsicher ist, wo vielleicht die Freunde den Halt bieten, den man braucht, Gewalterfahrungen, verstörende Erlebnisse, Vorurteile, Verluste, fehlende Perspektiven. Arda reiht Erinnerungen aneinander - die eigenen ebenso wie die Versatzstücke, die ihm seine Mutter und seine Schwester erzählen, die ihn nun regelmäßig im Krankenhaus besuchen.

    "Aber wenn es eine Sache gibt, die ich (...) begriffen habe, dann, dass wir alle auf dieser Welt nur beschissene Gastarbeiter sind. Und das Einzige, was du tun kannst, ist aufstehen und das Leben suchen, solange du noch kannst."

    Die Aneinanderreihung von Erinnerungen wirkt dabei nicht konstruiert oder störend, sondern stimmig, auch wenn es immer wieder Themensprünge gibt und wechselnde Perspektiven. Ein Roman, der deutschtürkische Realitäten abbildet, ohne dass sie das zentrale Thema wären, vermeintlich leicht in der Sprache, dabei meist eher nüchtern und distanziert und trotzdem gefühlvoll und ja, auch berührend, dann wieder urkomisch.

    Eray von Egilmez liest die ungekürzte Hörbuchfassung (6 Stunden und 24 Minuten) dem Schreibstil entsprechend unaufgeregt und lässt dem Erzählfluss den notwendigen Raum. Mich hat die Lesung überzeugt.

    Ein Roman über Fremdsein und Identitätssuche, über die Geschichte einer Familie, über Ereignisse und Entscheidungen, die generationenübergreifende Folgen nach sich ziehen, über Sinnsuche und Freundschaft, über Männlichkeit und Rollenerwartungen. Am Ende - ein offenes Ende, alles andere wäre unpassend - dann das Gefühl, dass Arda mit sich selbst im Reinen ist. Komme, was da wolle...

    Ob der Roman den diesjährigen Deutschen Buchpreis gewinnt? Vermutlich nicht, er lässt sich zu gefällig lesen, ist wohl nicht überspannt genug. Aber die Herzen der Leser:innen kann er offenbar erobern. Meines auf jeden Fall...

    © Parden

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  1. Herumlungern auf dem Bahnhofsvorplatz

    Kurzmeinung: Langweilig.

    Vier Freunde wachsen gemeinsam auf, Arda, der Erzähler, Savaş, Danny und Bojan. Jeder hat auf seine Weise mit einem verkümmerten Vaterbild zu tun. Ardas Vater, Metin, ist nicht vorhanden. Arda hat bis zum 18. Lebensjahr zwar eine Aufenthaltserlaubnis, aber keine Staatsangehörigkeit; sein Vater hat seine Mutter kurz nach seiner Geburt verlassen und ist in die Türkei zurückgekehrt, wo er eine Zweitfamilie gründete. Savaş Vater ist von Haus aus Ingenieur, seine Zeugnisse, in Deutschland nicht anerkannt, hängen in der Dönerbude, die er betreibt. Dass er keine Chance hatte, ein seiner Ausblidung angemessenes Leben zu führen, hat ihn hart werden lassen. Savaş Vater ist für Arda zwar wie ein Onkel, er hat ein Herz für die heranwachsenden Jungs, schlägt aber seinen Sohn wegen schlechter Schulnoten grün und blau und misshandelt seine Frau. Danny nennt sich Danielo und ist auch vaterlos, genau so wie Bojan, der sieben Pässe hat, aber keine Identität und ausserdem immer wieder epileptische Anfälle hat.

    Der Kommentar:
    Nachdem ich nun mehrere Romane über Migrantenschicksale gelesen habe, zähle ich den Roman “Vatermal” zu den schwächeren unter ihnen. Beinahe möchte ich sagen, er hat sein selbst gesetztes Thema verfehlt. Vater, wo bist du, könnte man den Roman von Necati Öziri ebenso gut betiteln, weil Arda, an einer schweren Immunkrankheit leidend dem abwesenden Vater aus dem Krankenhaus heraus, einen Brief schreibt, nämlich den vorliegenden Roman. In diesem Brief geht es freilich kaum um den Vater, vielmehr nimmt das Leben von Mutter Ümran den meisten Raum ein.
    Der Roman schwenkt seinen Scheinwerfer zuckelnd abwechselnd auf die Mutter Ümram, auf die Schwester Aylin – dann wieder zurück auf die auf einem öffentlichen Platz herumlungernden Jungs. Nur einer von ihnen schafft es, sich von diesem Mileu zu lösen und das ist unser Arda. Er studiert Literatur und schreibt unser Buch.
    Sicher, der Roman erzählt von Fremdheit und von fehlenden Vorbildern und von einer verfehlten Jugend, aber eigentlich ist es nur ein coming-of-age Roman mit Migrationshintergrund. Eine Sinnsuche, eine Vatersuche kommt nicht vor. Gefühle sucht man vergeblich. Ja, der erzählende Arda schreibt, eigentlich sei er doch viel besser dran, ohne Metin. Das mag sein, aber warum haben wir dann einen Roman vor uns namens "Vatermal"?
    Was ich von dem Roman erwartet habe, entweder eine intensive, gerne auch innere, Vatersuche oder eine Auseinandersetzung mit dem Patriarchat oder eine Schilderung von Zerrissenheit zwischen den Kulturen, all das, erwartete ich vergebens.
    Nun ist die Schilderung der herumlungendern Jungs auf der Bahnhofsvorbank gar nicht schlecht geschrieben, aber etwas Neues ist das ganz und gar nicht, im Gegenteil, es ist so alltäglich, dass mir vor Langeweile der Kopf auf die Tischplatte knallt, denn das ist die stärkste Emotion, die der Roman bei mir auslöst: bohrende Langeweile.
    Und das darf Literatur nicht, sie darf aufregen und zornig machen, sie darf fremd sein und unverständlich, provokativ und offen anklagend, aber eines darf sie nicht, mich langweilen. Mit viel good will gibt es noch drei Sterne – aber der dritte Stern ist ein geschenkter, dem Umstand geschuldet, dass der Roman, aus welchem Grund auch immer, auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2023 steht. Vielleicht ist es tatsächlich ein Roman für junge Leute, die sich mit herumlungernden Jungs und nagellackigen Mädels identifizieren können.

    Kategorie: Migrationsliteratur. Coming of Age
    Verlag: Claassen, 2023

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  1. Intensiv und beeindruckend

    „Ich dokumentiere mein Verschwinden, und wenn ich mir abends die bunten Graphen anschaue, weil ich vor Angst nicht schlafen kann, bilde ich mir ein, zu verstehen, worauf es hinausläuft.“ (Zitat Pos. 175)

    Inhalt
    Arda Kaya studiert in Berlin. Doch dann, nach einem Zusammenbruch, die Diagnose lautet Organversagen. Er fährt noch nach Hause, in seine Heimatstadt irgendwo im Ruhrgebiet, damit ihn seine Mutter Ümran und seine Schwester Aylin im Krankenhaus besuchen können. Sein Vater Metin hat die Familie verlassen, bevor er geboren wurde. In den langen Stunden im Krankenzimmer schreibt Arda die Geschichte seines bisherigen Leben auf, als Brief an seinen unbekannten Vater. „Ich werde diese Geschichte aufschreiben, dir und meinen beiden Halbbrüdern. Damit sie wissen, dass sie noch einen Bruder und eine Schwester hatten, damit sie erfahren, wem ihr Vater wie ein Vater war, damit sie schätzen lernen, wie viel Zeit und Liebe sie von dir bekommen.“ (Zitat Pos. 208)

    Thema und Genre
    In diesem Roman geht es um die Geschichte einer deutsch-türkischen Familie, die Mutter Ümran ist als kleines Kind nach Deutschland gekommen, ihre Kinder Arda und seine ältere Schwester Aylin sind in Deutschland geboren. Es geht um Söhne, die aus unterschiedlichen Gründen ohne Väter als Vorbild aufwachsen und die als Heranwachsende versuchen, die Rolle der abwesenden Väter einzunehmen, weil es von ihnen erwartet wird. Doch auch die Beziehung zwischen Müttern und Töchtern ist ein Thema. Weitere Themen sind Freundschaft, Identität, die Suche nach Zugehörigkeit und den Platz im eigenen Leben.

    Charaktere
    Wie Arda aussieht, wissen wir aus seiner eigenen Beschreibung, sein Leben, seine Gedanken, Erfahrungen und Zweifel erfahren wir, als er seine Geschichte niederschreibt. Doch er erzählt nicht nur seine eigene Geschichte, sondern auch die seiner Mutter Ümran, die nie wirklich gefragt worden war, was sie selbst wollte, die dennoch versucht, ihr Leben irgendwie zu meistern und die Geschichte seiner Schwester Aylin, die sich immer um den kleinen Bruder kümmert, bis sie ihren eigenen Weg gehen muss.

    Erzählform und Sprache
    Arda ist der Ich-Erzähler seiner Geschichte. Chronologisch, jedoch mit Zeitsprüngen, schildert er sein Leben und das seiner Schwester Aylin. Dort, wo Ümran und später auch Aylin ihm jene Ereignisse und Erlebnisse erzählen, die er nicht wissen kann, wird die Erzählform personal. Diese Abwechslung macht die Erzählform interessant, packend und lebhaft. Sie zieht uns als Leser mitten in die Ereignisse, in eine Welt am Rande einer Stadt im Ruhegebiet, deren ehrliche Schilderung durch ihre zornige, manchmal humorvolle Direktheit überzeugt. Auch die Sprache passt sich in den entsprechenden Episoden der Welt der Heranwachsenden an.

    Fazit
    „Erzählen ist wie Wasser, Metin, einmal unterwegs, findet es seinen Weg von selbst.“ (Zitat Pos. 784) Dieser eindrückliche Roman mit dem ganzen Spektrum menschlicher Gefühle, Hoffnungen und Schicksale hat den Weg zu uns Lesern gefunden.

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  1. 5
    17. Aug 2023 

    Über Deutschwerden, Rassismus und Mannsein

    Arda, Mitte Zwanzig, leidet unter einer tödlichen Autoimmunerkrankung und wartet im Krankenhaus auf das Ergebnis des ultimativ letzten Behandlungsversuchs. Währenddessen schreibt er einen fiktiven Brief an seinen Vater, der die Familie vor langer Zeit verlassen und in der Türkei eine neue Familie gegründet hat. Arda erzählt vom Aufwachsen in einer Sozialsiedlung im Ruhrgebiet, von Armut, Ausgrenzung, Rassismus und Ausgeliefertsein. Und davon, dass Vaterlosigkeit auch befreiend sein kann.

    "Ich hab mich nicht nur glücklich geschätzt, sondern ich war sogar stolz darauf, ausschließlich von Frauen großgezogen worden zu sein.“ Denn: "Wäre ich bei dir aufgewachsen, hätte ich genau zwei Möglichkeiten gehabt", schreibt er an seinen Vater, "Nachahmung oder Abgrenzung. Du wärst der Maßstab gewesen, an dem ich und alle anderen mich gemessen hätten, und vermutlich wäre ich dann nie ich geworden, sondern würde jetzt irgendeine Ingenieursscheiße studieren, würde in Fußballtrikot und Sonnenbrille in tiefergelegten Autos flexen".

    Auch die alkoholkranke Mutter Ümran und die große Schwester bekommen eine Stimme. Die Sicht der Frauen nimmt großen Raum ein in diesem Roman, der qua Titel den Vater zum Thema hat. Klar wird, dass Ümran nicht etwa unglücklich ist, weil ihr Mann sie verlassen hat, sondern weil absolut jedes Glücksversprechen in ihrem Leben unerfüllt blieb, seitdem sie aus ihrem vom Erdbeben zerstörten Heimatdorf nach Deutschland ging.

    Ardas Briefe an den Vater sind nicht nur Abrechnung mit einem türkischen Macho, sondern entstehen auch aus der Hoffnung, ihm verzeihen zu können. Metin, „Held einer gescheiterten Revolution“, von Beruf Architekt und als politischer Flüchtling nach Deutschland gekommen, konnte sein Leben als Gastarbeiter und den erniedrigenden Job im Schlachthof nicht mehr ertragen.

    Halt geben Arda seine Freunde, aus migrantischen Familien wie er, nachdem auch seine Schwester abgehauen und er mit seiner innerlich abwesenden Mutter allein zurückgeblieben ist. Gemeinsam ist der allgegenwärtige Rassismus besser zu ertragen. "In der Schule nennen sie mich Asylanten-Arda und Savaş nennen sie einfach nur Sucuk. Sie rufen, dass wir stinken und behaupten, wir wohnen im Müll. Sie fragen, warum wir hässlich sind, obwohl Döner schöner macht. Sie erzählen, wir hätten Läuse und weigern sich uns zu berühren. Das einzige Gute an unseren Mitschülern ist, dass sie Savaş und mich zwingen, immer ein Team zu sein.“

    Auch über die Ohnmacht gegenüber den Behörden schreibt er, die seinen Aufenthaltsstatus immer wieder bestätigen müssen, obwohl Arda in Deutschland geboren wurde; die Familie verbringt absurd viele Tage wartend in Amtsfluren. Als Arda volljährig ist und die Einbürgerung beantragen kann, macht er sich Luft ausgerechnet in dem Text, den er zum Beweis seiner Deutschkenntnisse liefern muss:

    „Ich werde eure Töchter vögeln, bis sie arabisch sprechen. Ich klaue euren Söhnen den Praktikumsplatz, mach sie drogenabhängig und verkaufe ihre Organe auf dem Basar. Ich breche nachts den Stern von eurem Benz und trage ihn an meiner Halbmondkette. Ich will kein Arzt oder Anwalt werden, ich werde Superstar oder arbeitslos.“

    Aber auch nach Erhalt eines deutschen Passes gehört Arda nicht wirklich dazu: „Aber dann fallen mir … [die] Worte [meines Sachbearbeiters] wieder ein. Dass, wer eingebürgert wurde, auch wieder ausgebürgert werden kann. Scheiß drauf, denke ich. Das ist doch genau, was die wollen. Dass man sich nie zu sicher fühlt.“

    Öziri ist jederzeit ganz nah dran an seinem Figuren. Seine Sprache hat einen ganz eigenen Sound und vollbringt das Kunststück, völlig hinter dem Gefühl zurückzutreten, das sie vermittelt – und das ist vor allem der Schmerz, der daraus entsteht, nirgendwo dazu zu gehören. Der Gedanke drängt sich auf, dass Ardas Erkrankung aus somatisiertem Schmerz entstanden ist.

    Ein sehr lesbarer, vielschichtiger und intensiver Roman

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Was auf das Ende folgt: Roman

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Rezensionen zu "Was auf das Ende folgt: Roman"

  1. Äußerlich schräge Figuren auf der Suche nach innerer Wahrheit

    Chris Whitakers Entschluss, nach zehnjähriger Tätigkeit als Finanztrader Romanautor zu werden, mutet ebenso abenteuerlich an, wie die Lebensentwürfe seiner Charaktere. "Was auf das Ende folgt", im Original "Tall Oaks" nach der gleichnamigen Kleinstadt in dem Buch, ist sein gelungenes Debüt, auch wenn sich sein großer internationaler Erfolg erst mit dem 2. Roman "Von hier bis zum Anfang" einstellt.
    Die Rahmenhandlung von "Was auf das Ende folgt" beschäftigt sich mit dem Verschwinden des dreijährigen Harry Monroe aus dem Haus der frisch von ihrem Ehemann Michael verlassenen Mutter Jessica, die fortan alle Hebel in Bewegung setzt, den Entführer zu entlarven und den Sohn wiederzufinden. Dabei bestraft sie sich für ihr Versagen mit Alkohol und flüchtigen Affären. An ihrer Seite kämpft der Polizist Jim um die Aufklärung dieses furchtbaren Verbrechens. Er begeht den schweren Fehler, mehr für Jessica zu empfinden, als das reine Interesse eines Ermittlers. Nach und nach werden weitere skurrile Figuren von Tall Oaks, einem Mikrokosmos gesellschaftlicher Absurditäten, eingeführt. Das Ehepaar Hen und Roger, das um den Tod ihres Jungen Thomas trauert und das dabei feststellt, dass sie nicht zusammengehören, auch weil Roger homosexuell ist und Hen sich eine eheähnliche Bindung nicht mehr vorstellen kann. Der frühreife und altkluge Manny, der am liebsten ein Gangsterboss alter Schule wäre, und durch sein Gehabe von allen gleichermaßen geliebt als auch belächelt wird - nicht nur von seiner kleinen Schwester, sondern auch von dem Nachbarmädchen Furat, die mit ihrer Familie aus dem Irak stammt und sich allerlei Vorurteile gefallen lassen muss. Mannys alleinerziehende Mutter Elena hat Bindungsängste, aber starke Gefühle zu dem viel jüngeren Jared, der psychische Probleme hat, weil er schwer an einer Schuld trägt, die ihm die Liebe seiner Eltern gekostet haben soll. Der stark übergewichtige Jerry arbeitet in einem kleinen Fotostudio. Sein Boss Max behandelt ihn herabwürdigend, was Jerry hinnimmt, wie viele andere Demütigungen auch. Nicht zuletzt schikaniert ihn die eigene Mutter, die körperlich so hinfällig ist, dass sie auf Jerrys Hilfe angewiesen ist. Erst sukzessive ergänzen sich diese Schicksale zu einem Gesamtgemälde, das viel Licht und Schatten offenbart. Die größte Bürde aller Bewohner ist und bleibt jedoch das ungeklärte Geheimnis, wohin der kleine Harry Monroe verschwunden ist.
    Der Roman wird geschickt entwickelt und am Ende werden sämtliche Wunden, Fragen und Hoffnungen in irgendeiner Weise behandelt. Jeder Figur wird ein zufriedenstellendes Schicksal zuteil, auch wenn das Ergebnis mitunter grausam ist. Dies ist für sich eine großartige Leistung des Autors. Die Aufklärung von Harrys Verschwinden erzeugt einen Spannungsbogen, der bis auf die letzten Seiten trägt. Einige falsche Fährten sind geschickt eingebaut und sorgen zwischendurch für Überraschungen. Das Coming-of-Age von Manny, seinem Mitläufer Abe und der Freundin Furat führen zu vielen tollen und lustigen Szenen. Die oft verkorksten Lebenssituationen der diversen Bewohner von Tall Oaks wecken immer wieder das Interesse des Lesers, wie es weiter geht.
    Das einzige Manko ist aus meiner Sicht, dass sich das Genre des Romans nicht festlegen lässt. Er ist ein bisschen ein Thriller, ein bisschen Gesellschaftsroman mit Romance-Anleihen und ein bisschen Komödie - so, als konnte sich Whitaker bei seinem Debüt nicht entscheiden, für was für eine Art von Buch sein Herz schlägt. Ich bin froh, dass sich der Autor weiterhin für dieses Handwerk entschieden hat und mit seinem zweiten Buch ein noch besseres Werk abgeliefert hat. Dennoch ist auch "Was auf das Ende folgt" bzw. "Tall Oaks" eine lesenswerte Lektüre.

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  1. 4
    09. Okt 2023 

    Eine tolle Nachbarschaft

    Alle suchen den kleinen Harry. Der Dreijährige ist schon etliche Wochen verschwunden und so langsam ist er nicht mehr in den Schlagzeilen. Seine Mutter Jess lässt aber nicht locker, unermüdlich sucht sie, hängt Suchplakate auf, geht auch den unmöglichen Spuren nach. Der Polizist Jim ist ebenfalls unermüdlich dabei, das Schicksal des kleinen Jungen aufzuklären. Doch bei Max und Jerry im Fotoladen, dem kurz vor dem Schulabschluss stehenden Manny und seinem Freund Abe, bei Henrietta und Roger und einigen anderen kehrt langsam Normalität ein. Doch nicht alles an dieser Normalität ist ganz so normal.

    Was geschieht, nachdem eine Suche beinahe schon aufgegeben ist? Was macht es mit einem Ort, wenn ein kleines Kind verschwunden bleibt? Bleibt der Junge in den Gedanken der Bewohner? Weiß vielleicht doch jemand etwas? Wieso schweigt der Vater? Jim ist aus Boston heimgekehrt, doch seine Heimatstadt hat sich während seiner Abwesenheit verändert. Doch Jim geht alle nochmals durch, findet kleine Widerhaken, Möglichkeiten, Ansätze, die vielleicht nicht genau genug erforscht wurden. Bei seinen Nachforschungen kommen ihm seine Gefühle für Jess meist in die Quere, manchmal beflügeln sie ihn auch. Und Manny, der einen auf Gangster machen möchte, hat es schwer, seine Gegenüber soweit zu bringen, dass sie ihm Schutzgeld zahlen.

    Eine Nachbarschaft voller Originale, kann das sein? Wahrscheinlich hat der Autor hier einiges verdichtet. Dennoch ist das Gedankenexperiment um das Verschwinden eines kleinen Jungen und was das mit den ihn umgebenden Personen macht sehr gelungen. Die Menschen haben mit Problemen zu kämpfen, was sie für den Lesenden schnell verdächtig macht. Jess schien schon fast übermäßig vorsichtig, sogar eine Kamera hatte sie im Kinderzimmer. Und trotzdem hat es nichts genutzt. Man ist ganz auf ihrer Seite, obwohl man ihr Verhalten nicht immer versteht. Man mag sich nicht vorstellen, wie es ist ein Kind zu verlieren. Und nicht nur das, auch ihre Ehe ist am scheitern. Die ganze dramatische Geschichte schildert der Autor in seinem Debüt mit nach und nach steigender Spannung. Und fast alle Dorfbewohner haben etwas in ihrem Leben, was sie gerne verborgen halten möchten. Wie langsam alles ans Licht kommt fesselt ungemein.

    Ein gelungenes Debüt, das mit einer ungewöhnlichen Erzählung der Verzweiflung aufwartet.

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Die Magd des Medicus

Buchseite und Rezensionen zu 'Die Magd des Medicus' von Astrid Fritz
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Die Magd des Medicus"

Ausgerechnet in den Dienst des buckligen Stadtarztes von Basel soll Barbara gehen. Als Tochter eines als unehrenhaft geltenden Abdeckers bleibt ihr keine andere Wahl. Mit ihrer patenten und pragmatischen Art ist die junge Frau das Gegenteil ihres neuen Herrn Paracelsus. Sein Zuhause ist die Wissenschaft, die Medizin, die Lehre. Wegen seiner unkonventionellen Methoden und der aufbrausenden Art wird er jedoch immer wieder angefeindet. So sind sie beide Außenseiter. Bald lernt die Magd den Arzt zu schätzen und ist fasziniert von den Geheimnissen des menschlichen Körpers. Doch dann muss Barbara sich entscheiden, ob sie weiter zu ihm halten kann – und was ihr eigenes Ziel im Leben ist.

Autor:
Format:Taschenbuch
Seiten:560
EAN:9783499010620
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Rezensionen zu "Die Magd des Medicus"

  1. Faszinierende historische Geschichte

    Als Tochter eines Abdeckers hat Barbara keine Chance einen ehrbaren Beruf auszuüben, doch ausgerechnet bei dem buckligen und verschrobenen Stadtarzt Theophrastus Bombastus von Hohenheim soll sie sich als Magd verdingen.
    Astrid Fritz hat mit den beiden Hauptprotagonisten zwei sehr interessante Charaktere geschaffen. Die Magd Barbara ist eine starke wissbegierige Frau, die ihr Herz am rechten Fleck hat. Sie ist eine große Stütze für den hochintelligenten jedoch chaotischen und kauzigen Medicus. Er ist mit seinem Wissen seiner Zeit weit voraus, aber durch seine cholerische und hitzköpfige Art eckt er bei anderen Gelehrten und der Obrigkeit an und wird immer wieder abgewiesen. Sogar sämtlich Freunde, die es gut mit ihm meinen, stößt er vor den Kopf.
    Durch den lebendigen Schreibstil war ich gleich von der ersten Seite an gefesselt. Die Geschichte ist sehr gut recherchiert und durch die Darstellung der damaligen Lebensweise und den Beschreibungen der Landschaften und Menschen fühlte ich mich regelrecht in die Handlungen hineingesogen.
    Für ein besseres Verständnis der hier oft verwendeten historischen Mundart, befindet sich am Ende des Buches ein ausführliches Glossar, in dem ich immer wieder hilfreiche Erläuterungen fand. Dieser spannende historische Roman über den heute weltberühmten Arzt Paracelsus ist wirklich empfehlenswert.

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Das Grand Hotel - Die der Brandung trotzen

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Rezensionen zu "Das Grand Hotel - Die der Brandung trotzen"

  1. Eine fesselnde Familiengeschichte

    Bernadette von Plesow hat schon einige Schicksalsschläge hinnehmen müssen. Nun aber sorgt sie sich um ihren Sohn Constantin, der wegen Mordes, den er nicht begangen hat, im Gefängnis sitzt und dem die Todesstrafe drohen könnte. Constantin hat sich in Berlin mit den falschen Leuten angelegt. Natürlich versucht Bernadette alles Menschenmögliche, um ihren Sohn zu retten. Dabei geht sie ein großes Risiko ein.
    Ich begleite die Familie Plesow vom Grand Hotel in Binz von Anfang an und musste natürlich wissen, wie es weitergeht. Der Schreibstil ist lebendig und angenehm flüssig zu lesen. Durch unterschiedliche Perspektiven erhält man einen umfassenden Einblick und ist nah an den Personen. Auch die Handlungsorte sind bildhaft beschrieben, dass ich sie mir genau vorstellen konnte.
    Bernadette von Plesow wusste immer genau, was sie wollte. Sie ist eine starke und kämpferische Frau. Wenn das Schicksal es nicht immer gut mit ihr meinte, so ließ sie sich doch nicht unterkriegen und kämpfe für ihre Familie und für das Hotel. In Berlin versucht sie nun gemeinsam mit Marie und Gerd Nolte, der Constantins rechte Hand ist, einen Freispruch zu erreichen. Ihre Tochter Josephine hat sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt und führt nun die Geschäfte.
    Die Geschichte ist spannend, denn immer wieder gibt es neue Wendungen. Es werden Intrigen gesponnen, die das Leben der von Plesows kompliziert machen. Doch mit eisernem Willen versucht Bernadette immer wieder die Geschicke der Familie in geordnete Bahnen zu lenken.
    Auch dieser finale Band der dramatischen und spannenden Familiengeschichte hat mich wieder gefesselt.

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Töchter des Nordmeeres – Livs Weg

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Rezensionen zu "Töchter des Nordmeeres – Livs Weg"

  1. 4
    01. Feb 2024 

    Spannende Reise in den Norden ...

    Im ausgehenden 19. Jahrhundert begebe ich mich dank der Autorin Ines Thorn in den hohen Norden. Genauer gesagt auf die Insel Smøla, die nördlich von Kristiansund zu finden ist und als ein Ort bezeichnet wird, an dem das Meer und der Himmel ebenso zusammentreffen wie die Natur und der Mensch. Man sagt den Bewohnern nach, ein ganz spezielles Völkchen zu sein, nicht gerade gut gelitten von den Norwegern des Festlands. So wundern sich die Insulaner auch, als eines Nachts zwei kleine Bündel auf unterschiedlichen Türschwellen im kleinen Dorf abgelegt werden. Wer sie dorthin gelegt hat, kann nicht ermittelt werden, aber nichtsdestotrotz sind die beiden Säuglingsmädchen ihren jeweiligen Zufallsfamilien bald ans Herz gewachsen. Wenn auch in verschiedenen Familien wachsen sie dennoch wie Schwestern auf und sind einander sehr zugetan. Doch je älter sie werden umso unterschiedlich entwickeln sie sich. Während Lucia sich ein Leben als Ehefrau und Mutter wünscht, will die wissbegierige Liv sich den Traum eines Studiums in der Hauptstadt erfüllen. Beide Wünsche werden auf Umwegen erfüllt, aber zu welchem Preis? Und sind sie mit ihrer Auswahl glücklich?

    Sehr gefühlvoll eingelesen von der Hörbuchsprecherin Verena Wolfien konnte ich von Anfang an eintauchen in die Geschichte zweier Frauen, die so gleich und doch so unterschiedlich sind. Beide sind tief verwurzelt mit der Insel und kämpfen für ihre ganz eigenen Träume. Der Zusammenhalt der Insulaner und die lebhaften Beschreibungen der Natur und der Menschen haben mich fasziniert und mal wieder mein Fernweh geweckt. Dieser erste Band um die beiden Schwestern hat Liv in den Vordergrund gestellt, mich jedoch neugierig genug auf weitere Einblicke in Lucias Leben zu erfahren, dass ich mich schon sehr auch Band zwei freue. Erstmal jedoch vergebe ich sehr gerne solide vier von fünf Sternen, denn die Reise in den Norden hat sich mehr als gelohnt.

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  1. Kein leichter Weg

    Norwegen, 1893: Auf Veiholmen, im Norden der Inselgruppe Smøla, werden zwei Säuglinge vor unterschiedlichen Türen abgelegt. Das eine Kind liegt vor Frias Gästehaus und das andere vor der Tür von Pfarrer Fenris und seiner Frau Runi. Alle im Ort gehen davon aus, dass es Zwillinge sein müssen, denn es ist ja unwahrscheinlich, dass zwei Mütter ihre Kinder gleichzeitig weggeben. Außerdem deuten die Fußspuren zum Strand darauf hin, dass es ein Paar war.
    Mir diesem Roman hat mich die Autorin Ines Thorn wieder packen können. Der Schreibstil ist angenehm und sehr flüssig zu lesen. Die Handlungsorte sind sehr bildhaft beschrieben, so dass ich mir alles gut vorstellen konnte.
    Auch die Charaktere sind lebendig und authentisch dargestellt. Liv und Lucia sind zwei starke und sympathische junge Frauen. Die naturliebende, wissbegierige und ehrgeizige Liv ist mir dabei aber näher gewesen als ihr Schwester Lucia, die sich nach einer Familie sehnt. Toll fand ich es auch, wie Fria sich um ihre Ziehtochter kümmert. Sie unterstützt Liv, auch wenn sie manchmal Bedenken hat. Aber auch der geheimnisvolle Same, der in Frias Gästehaus die Küche führt, kümmert sich rührend um Liv. Lucia muss die Liebe ihrer Zieheltern mit ihren Brüdern teilen und hat es daher nicht so leicht wie Liv. Als Liv sich entschließt das Examen zu machen und bei Fridtjof Nansen zu studieren, kann sie sich auf die Hilfe von vielen – wie den Bürgermeister Bjarni, den Lehrer Arni, Fischer Chrisander und natürlich ihrer Schwester – verlassen. Dennoch wird es nicht leicht für sie, denn sie muss gegen viele Widerstände kämpfen. Aber sie lernt sich durchzusetzen. Auch Lucia muss Enttäuschungen wegstecken, zum Glück aber kann sie auf Livs Unterstützung bauen.
    Die Männer jener Zeit tun sich schwer mit Frauen, die mehr wollen als nur Hausfrau und Mutter sein. Auch Liv sehnt sich nach einer Beziehung, aber sie will auch ihren Weg gehen und forschen. Ob es ihr gelingt, ihr Leben nach ihren Vorstellungen zu gestalten?
    Mir hat dieser interessante und spannende historische Roman sehr gut gefallen und ich bin gespannt, wie es weitergeht auf Smøla.

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Der Halbbruder: Roman

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Salz und Schokolade

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Rezensionen zu "Salz und Schokolade"

  1. Besser als Band 1! 4 Sterne!

    Klappentext:

    „Halle an der Saale, 1905. Der Besitzer der Schokoladenfabrik, Ernst David, hat es nicht leicht. Das Traditionsunternehmen steht am Wendepunkt: Schafft es den Wandel zu einer Schokoladenmanufaktur, oder bleibt es eine kleine Handwerksstube? Zudem interessieren sich seine zwei Töchter immer für die falschen Männer. Die Ältere der beiden, Cäcilie, soll eine Verbindung mit dem Chocolatier Julius eingehen, dem Sohn des mächtigen Kakaoimporteurs Leopold Mendel. Doch Julius hat nur Augen für Ida, Tochter einer alteingesessenen Hallorenfamilie. Er trifft sich heimlich mit der schönen Salzwirkertochter, wohlwissend, dass ihre Liebe keine Zukunft hat ...“

    Die Halloren-Saga geht mit diesem Band also in die zweite Runde. Nachdem Band 1 in meinen Augen ganz ok war, kam Band 2 definitiv sehr gut in Fahrt! Der Fokus liegt hier auf Ernst Davids beiden Töchtern Cäcilie und Ida. Die Autorin Amelia Martin entspinnt ein feines Netz aus machbaren Möglichkeiten aber auch aus unwägbaren Situationen. Ihr Schreibstil ist dabei immer flüssig und man fliegt regelrecht durch die Seiten. Der Duft von Salz und Schokolade schwebt dabei immer wieder mit und man fühlt sich sehr gut in die Geschichte hinein. Schnell ist klar: Julius und seine Hingabe zu Ida - kann einfach nicht gut gehen! Oder doch? Die Heimlichkeiten, die zwischen den beiden entstehen, lassen einen äußerst gut austarierten Spannungsbogen aufweisen und man liest gespannt Seite um Seite wie es wohl mit den Beiden weiter geht. Es gibt dennoch so einige Stellen die bei mir Fragezeichen hinterlassen haben und ja, es gab auch Kitsch und Klischee in der Story. Selbstredend haben beide Frauen ihren Kopf, ihren Willen aber die Zeiten damals waren alles andere als für selbstbestimmte Frauen gemacht. Themen wie Vernunftehe und Co. sind hier an der Tagesordnung und ja, man kann es als Leser nur schwer verstehen. Schlussendlich ist es mal wieder die versagte Liebe die hier im Vordergrund steht und der keimende Kampf und Zwist zwischen zwei Schwestern, die unterschiedlicher nicht sein könnten. 4 von 5 Sterne hierfür!

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  1. Gute Geschichte mit kleinen Schwächen

    Klappentext:

    „Die Tochter eines Schokoladenfabrikanten und ein junger Salzwirker zwischen Aufbruch und Hoffnung

    Halle an der Saale, 1950: Als Tochter des Schokoladenfabrikanten Friedrich Mendel wuchs Irene mit dem Duft von Schokolade auf und es gab für sie nichts Schöneres, als ihren Vater zu beobachten, wie er Pralinen anfertigt. Doch seit dem Krieg ist alles anders. Irenes Bruder ist in russischer Kriegsgefangenschaft und ihre Mutter hat sich in ihre eigene Welt zurückgezogen.

    Salz und Schokolade: Gibt es ein verführerisches Zusammenspiel?

    Irene verliebt sich in den jungen Salzwirker Paul, einen waschechten Halloren. Doch ihre Eltern sehen die Verbindung kritisch und tun alles, um die jungen Leute auseinanderzubringen. Mit der Machtübernahme der SED gerät das Familienunternehmen in Gefahr und Irene wird vor eine unmögliche Wahl gestellt: Schokolade oder Liebe?

    Die mitreißende und dramatische Geschichte der ältesten Schokoladenfabrik Deutschlands“

    Autorin Amelia Martin lässt in ihrem aktuellen Buch „Salz und Schokolade“ die Nachkriegszeit in Halle an der Saale wieder aufleben. Die Autorin verflechtet gekonnt die Geschichte rund um die Herstellung Halloren-Kugeln und der politischen Zeit von damals. Ihre Hauptprotagonistin ist Irene die uns Leser einerseits in die Welt der Pralinenherstellung führt, uns ihre zarte Liebe zu Paul aufzeigt und eben auch zeigt, dass das politische Tun und Handeln selbst die Liebe ins wanken bringen kann wenn nicht alles so ist wie sich das die SED so vorstellt. Die Geschichte hat einen angenehmen Verlauf aber springt zwischen den Zeiten hin und her das es nur so kracht. Hier muss der Leser wahrlich aufmerksam lesen um eben nicht aus dem Konzept zu kommen oder den duftenden, schokoladenbraunen Faden zu verlieren. Liebe und Drama wurden hier wirklich bestens dosiert und miteinander verknüpft ohne zu sehr in den Kitsch und Klischees zu verfallen. Aber ist des öfteren nunmal da - das lässt sich nicht leugnen! Genau deshalb vergebe ich auch meine 3 Sterne. Die Wortwahl und der Ausdruck lassen die Zeit damals wieder aufleben und als Leser darf man hier sogar etwas abtauchen und einfach nur Seite um Seite schön erlesen. Selbstredend bleibt es bis zum Schluss in gewisser Weise spannend und man ist gespannt auf einen weiteren Teil dieser Reihe!

    Fazit: Die Geschichte ist gut, keine Frage! Sie ist unterhaltsam und die politisch-geschichtlichen Bezüge sind sehr gut getroffen aber diese Zeitenwechsel und so manche Situation mit dem Liebespaar war oft etwas hölzern oder nicht so ganz logisch dargestellt.

    Versüßen wir uns die Wartezeit auf den nächsten Band mit dem Genuss von Halloren-Kugeln, denn die gibt es heute noch und lassen uns ein wenig Geschichte schmecken

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Perlenbach

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Rezensionen zu "Perlenbach"

  1. Sehr gut!

    Klappentext:

    „Monschau, Ende des 19. Jahrhunderts: In der Tuchmacherstadt kreuzen sich die Wege von Wilhelm, Jacob und Luise, die schon als Kinder der gemeinsame Wunsch verbindet, den strengen Normen und Regeln ihrer Zeit zu entfliehen. Luise will Ärztin werden, Jacob träumt von einem ungebundenen Leben fernab der Fabrik seines Vaters, und der Bauernsohn Wilhelm will der Enge und Armut seines Heimatdorfes Wollseifen entfliehen. Zunächst scheint alles möglich, doch im ausgehenden Jahrhundert ist nur wenig Raum für individuelle Lebensentwürfe, vor allem wenn Liebe im Spiel ist. Auf einmal ist die Freundschaft der drei in Gefahr, und nicht nur Wilhelms Weg nimmt eine völlig andere Richtung als gewünscht …“

    Da mir der Roman „Ginsterhöhe“ sehr gut in Erinnerung geblieben ist, war ich neugierig auf den neuen Roman von Autorin Anna-Maria Caspari. Schauplatz ist wieder die Eifel und als Leser von eben „Ginsterhöhe“ kommen mir eben Schauplatz und so einigen Namen doch recht bekannt vor! Ist dieser Roman auch separat lesbar? Absolut! Caspari nimmt uns gekonnt an die Hand und stellt uns ihre Hauptprotagonisten vor. Mit Luise, Wilhelm und Jacob haben wir ein stürmische Trio. Alle drei haben sie ihren Lebenstraum, stellt sich nur die Frage ob dieser auch umsetzbar ist. Ihre Freundschaft erlebt viel Positives aber auch Negatives und so ist es oft nicht leicht bei den Drein. Als Leser empfand ich dennoch hier und da Distanz und kam mir unerwünscht vor. Die Drei machen ihr Ding bzw. versuchen es und lassen kaum jemanden an sich heran. Neben all den Personen und ihren Träumen beschreibt Caspari aber auch sehr gut die damalige Zeit mit all ihrer Technik und ihrer Wirtschaft. Als Leser kann man so Zusammenhänge besser verstehen und ist irgendwie doch mittendrin. Wie so oft im Leben ist es aber eben fraglich wie lange so eine Freundschaft, die bereits seit Kindertagen besteht, auch hält und vor allem was sie alles aushalten muss, darf und kann. Neugierig? Lesen Sie selbst und machen sich ihr ganz eigenes Bild aus der Zeit von damals! Anna-Maria Caspari weiß jedenfalls wie sie dem Leser angenehme und kurzweilige Lesestunden bereiten kann! 4 Sterne!

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Der Regen, bevor er fällt: Roman

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Rezensionen zu "Der Regen, bevor er fällt: Roman"

  1. 3
    28. Sep 2014 

    Eine Geschichte auf vier Kassetten

    Als Gill Rosamunds Haushalt auflöst findet sie vier Kassetten, die Rosamund kurz vor ihrem Ableben besprochen hat. Eigentlich sind die Aufzeichnungen für Imogen bestimmt, die Enkelin von Rosamunds ehemaliger besten Freundin Beatrix. Doch da Gill nicht herausfinden kann, wo Imogen sich aufhält, hört sie sich die Kassetten gemeinsam mit ihren beiden Töchtern an. Vor ihnen öffnet sich eine Rosamund, die sie nie gekannt haben. Eine Familiengeschichte, die auch Gill am Rande betrifft.

    Wie tragisch kann ein Leben verlaufen, schwer nur zu begreifen, wie Eltern handeln, wie Kinder leiden, wenn sie damit leben müssen, nicht wirklich gewollt zu sein. Die alte Rosamund erzählt von ihrer Jugend, der Verschickung im Krieg, wo Beatrix zu ihrer besten Freundin wurde. Rosamund, die schon immer anders war, empfindet eine Art Heldenverehrung für Beatrix, die von ihrer Mutter mit so viel Gleichgültigkeit und Unwillen behandelt wird, dass es eigentlich kaum auszuhalten ist. Was kann eine Kinderseele ertragen, ohne Schaden zu nehmen. Oder welches Kind nimmt bei ähnlichem Umfeld mehr Schaden als ein anderes. Beatrix jedenfalls bleibt für ihr Leben gezeichnet, da hilft auch Rosamunds Freundschaft nicht, die schnell missverstanden werden kann. Wie kann es Beatrix möglich sein eine funktionierende Familie zu gründen. Hilflos muss Rosamund mit ansehen, dass auch Beatrix Tochter zu leiden hat. Und deren Tochter Imogen bleibt verschwunden.

    Emotional und mitreißend geschrieben ist dieser Roman sicher eine Perle seines Genres. Das dramatische Schicksal einer Familie über drei Generationen rührt an. Ein zwingendes Schicksal, vor dem es kein Entrinnen gab. Meiner Meinung nach allerdings hat der Autor hier mir als Leserin etwas zu viel zugemutet. Nach der Lektüre, die zwar packend und aufwühlend war, fühlte ich mich runter gezogen und ich brauchte einige Zeit, um etwas Positives zu entdecken. Andere Leser werden sich hier bestimmt eine eigene Meinung bilden und es möglicherweise auch anders empfinden.

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