Weil du meine Tochter bist: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Weil du meine Tochter bist: Roman' von Julia Kelly
4
4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Weil du meine Tochter bist: Roman"

Diskussionen zu "Weil du meine Tochter bist: Roman"

Autor:
Format:Taschenbuch
Seiten:512
Verlag: Lübbe
EAN:9783404192724
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Rezensionen zu "Weil du meine Tochter bist: Roman"

  1. Kinder die im Krieg evakuiert werden

    "Wenn sie ihre Tochter nicht sehen konnte, würde sie diesen Krieg nicht überleben." (Buchauszug)
    Liverpool 1935:
    Beim Tanzen lernt die junge Viv Byrne, den Musiker Joshua Levinson kennen. Schnell kommen sich die beiden näher und als Viv bemerkt, dass sie schwanger ist, heiraten sie. Doch Vivs streng katholischem Elternhaus ist die Beziehung ein Dorn im Auge. Besonders ihre kaltherzige Mutter sorgt dafür, dass Joshua nach der Hochzeit verschwindet. Allein zurückgeblieben muss Viv nach der Geburt ihrer Tochter Maggie noch immer bei den Eltern leben. Als 1940 erlassen wird, dass Eltern ihre Kinder aus der Stadt in die Dörfer evakuieren sollen, fällt dies Viv sehr schwer. Soll sie wirklich zustimmen, ihre geliebte kleine Maggie wildfremden Menschen anzuvertrauen? Mit der festen Überzeugung, dass der Krieg schnell vorbei ist, gibt sie ihre Tochter zu Familie Thompson in Obhut. Der Schock kommt, als sie erfährt, dass von Maggie nach einem Bombenangriff jede Spur fehlt. Doch kann das sein, dass ihre geliebte Maggie nicht mehr lebt?

    Meine Meinung:
    Unsere Geschichte beginnt mit der Hochzeit von Viv und Joshua und der Feststellung, das er sie zwar heiraten wird, ihm jedoch seine Karriere als Musiker wichtiger ist als Familie und Kind. Wer dabei jedoch nicht unschuldig ist, das ist Vivs kaltherzige Mutter. Denn der passt eine Ehe mit einem Juden ganz und gar nicht. Mit viel Geld bestechen sie Joshua, damit dieser seinen Traum in Amerika ausleben kann. Zum Entsetzen Vivs und seiner Eltern nimmt er das Geld und verschwindet. Für mich war dieses Erlebnis nichts Neues, besonders in strenggläubigen katholischen Familien sind zu dieser Zeit Mischehen eine Sünde. Doch das man deshalb sogar den Schwiegersohn besticht, fand ich dann wirklich dreist und schockierend. Ich hätte nicht gedacht, dass selbst die Juden in England solche Schwierigkeiten haben. Ebenso überrascht bin ich von der Evakuierung der Kinder aus den Städten, die man extra aufs Land geschickt hat. Dies ist für eine Mutter sicher eine extrem schwierige Entscheidung, sich von der 4-jährigen Tochter zu trennen. Besonders wenn man nicht weiß, wie lange sie dortbleiben muss und ob sie ihr Kind zwischenzeitlich sehen darf. Hier zeigt die Autorin sehr gut, in welchem Zwiespalt sich die damaligen Mütter befanden. Es wird ein Kampf zwischen Liebe und Vernunft, wobei die Vernunft dann doch siegt, weil sie Angst um ihr Kind hat. Ebenso gut zeigt sie uns die Probleme zwischen den einzelnen Religionen, die selbst vor England nicht haltmachen. Zwar ist es nicht so schlimm wie im Nazideutschland, doch Konflikte gibt es auch dort. Joshuas Eltern dagegen sind das krasse Gegenteil, sie nehmen Viv an wie eine Tochter und unterstützen sie, wo sie können. Besonders nachdem Maggie weg ist und Viv Hilfe benötigt, weil sie von zu Hause auszieht. In wechselnden Handlungssträngen bekomme ich Einblick in das Leben von Viv, Maggie, so wie von Joshua in Amerika und als britischer Soldat bei der Royal Air Force. Ich erlebe eine emotionale Achterbahn zwischen Liebe, Ängsten, Zwiespalt, Trauer und Hoffnung und dazu interessante Charaktere. Was so ausführlich, gut und emotional beginnt, flacht zusehends gegen Ende viel zu schnell und extrem ab. Mitunter kommt mir besonders die 4-jährige Maggie zu verständnisvoll und erwachsen vor. Doch gerade das letzte Drittel, welches der Autorin so wichtig scheint und ihr am Herzen liegt, wird hier viel zu kurz abgehandelt. Verschwunden sind die Emotionen, ich erlebe nichts vom Zwiespalt der Kinder. Kein Trennungsschmerz, wenn sie ihre Pflegeeltern wieder verlassen müssen. Zwar wird dies alles im Nachwort beschrieben, doch in der Geschichte selbst bekommt es kaum mehr einen Raum. Meiner Ansicht nach hätte die Autorin lieber bei anderen Szenen abkürzen sollen. So jedoch kann ich dem Buch nur 4 von 5 Sterne geben.

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Hope's End

Buchseite und Rezensionen zu 'Hope's End' von Riley Sager
5
5 von 5 (2 Bewertungen)

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Diskussionen zu "Weil du meine Tochter bist: Roman"

Autor:
Format:Taschenbuch
Seiten:480
EAN:9783423218917
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GUY'S GIRL: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'GUY'S GIRL: Roman' von Emma Noyes
4.5
4.5 von 5 (2 Bewertungen)

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Diskussionen zu "Weil du meine Tochter bist: Roman"

Autor:
Format:Broschiert
Seiten:400
EAN:9783423263658
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Wie Spuren am See - Die Erbin: Bodensee-Saga

Buchseite und Rezensionen zu 'Wie Spuren am See - Die Erbin: Bodensee-Saga' von Sibylle Baillon
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Wie Spuren am See - Die Erbin: Bodensee-Saga"

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Format:Kindle Ausgabe
Seiten:340
Verlag: GMEINER
EAN:
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Rezensionen zu "Wie Spuren am See - Die Erbin: Bodensee-Saga"

  1. Bestwertung für Plot und Schreibstil.

    Erster Eindruck

    Obwohl ich Kriminalromane lieber lese und schreibe als Liebesromane, hat mich Sibylle Baillons „Wie Spuren am See – Die Erbin“ vom ersten Kapitel an magisch angezogen. Ein sympathisch blumiger Schreibstil offenbart die Gefühle der Protagonistin Isabella, in der sich Leserin und Leser sofort wiederfinden können. So beflügeln ihre Gedanken und die Dialoge die Fantasie, die unweigerlich der Handlung vorauseilt. Gelegentliche Widersprüche zwischen einer aus Gewohnheit vorbestimmten Absicht und der spontan entgegengesetzt getroffenen Entscheidung verführen durch sanfte Ironie zum Schmunzeln.

    Inhalt ohne Spoiler

    Als Isabella von einer überraschenden Erbschaft erfährt, denkt sie zuerst an einen Scherz. Ada, die ihr eine Villa bei Lindau vermacht hat, ist ihr gänzlich unbekannt. Ihr Mann Bernd drängt sie, das Anwesen ungesehen zu verkaufen, da es seiner Ansicht nach eine Belastung darstellt. Obwohl Isabella zustimmt, fasst sie spontan den gegenteiligen Entschluss, bricht unvermittelt auf und findet sich 400 km weiter in einem Setting wieder, das an die 20er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts erinnert. Sofort beginnt sie mit der Suche nach Anhaltspunkten, die Adas Schicksal beleuchten. Nach kurzer Zeit nimmt die Suche detektivische Züge an und führt zu einem so nicht erwarteten dramatischen Höhepunkt. Besondere Hilfe verspricht sie sich von ihrem Nachbarn Chris, dessen burschikose Art so gänzlich anders ist als Bernds nüchterner, manchmal pedantischer Charakter …

    Schreibstil

    Dass in dem Roman drei Künstler aufeinander treffen, spürt der Leser, sobald die Figuren auftreten: Isabella, Hauptfigur und Fotografin, der Schriftsteller Chris, und – in Rückblenden – Ada, zu Lebzeiten eine begnadete Schauspielerin und Malerin. Lebendig, gewürzt mit vielen Dialogen, die häufig vor Ironie sprühen oder philosophische Aspekte ausbreiten … Gedanken, Fantasien und Gewissensbisse der Protagonistin reihen sich aneinander und werden zu einem literarischen Feuerwerk aus farbenfrohen Bildern. Bunt, aber nie grell, eher pastellfarben und gegen Ende mit dramatisch dunklen Grautönen. Baillon versteht es, die Gefühlswelt Isabellas vor den Lesern so auszubreiten, dass denen die eigenen unterdrückten Träume, die Selbstzweifel und deren Überwindung ins Bewusstsein drängen. Unweigerlich identifiziert man sich mit Isabella. Was mir auffiel, ist das stetige Vorwärtsstreben in der Handlung. Auch ruhige Passagen sind auf eine Art und Weise geschrieben, die – zum Gemütszustand Isabellas passend – nur wenig Entspannung erlauben. Handlung und Schreibstil lassen den Leser nie verharren, auch bei einer im Grunde ruhigen Beschreibung von Adas Villa und ihren Gemälden richtet sich der Blick nach vorn und sucht nach den Auflösungen der Rätsel um Adas Schicksal und um Isabellas Bestimmung. Der Gebrauch unvollständiger Sätze, der Wechsel zwischen Normal- und Kursivschrift untermalen bestens die zur Sucht werdende Neugierde und die innere Zerrissenheit der Hauptfigur. Dazu kommt eine sich langsam aufbauende Dramatik. Und wie könnte man das treffender zum Ausdruck bringen als durch eine Erzählung aus der Ich-Perspektive?

    Fazit

    Für Liebhaber des Genres und auch für mich, der ich durch mein eigenes Scheiben nicht anders kann als analytisch zu lesen, ist manches vorhersehbar, was im Buch erst später offengelegt wird. Der Lesefreude tut dies indes keinen Abbruch, vielmehr fiebert man gerade deshalb mit den Figuren mit. Einerseits, weil sie einem ans Herz gewachsen sind, andererseits, um die eigenen Prognosen bestätigt zu wissen. Auf diese Weise fesselt „Wie Spuren am See“ sowohl Fantasie als auch Neugier – vom Mitfühlen mit den Sympathieträgern ganz zu schweigen. Sibylle Baillons Buch empfehle ich nicht nur Genrefans, sondern allen, die sich durch das Eintauchen in literarisch wiedergegebene fröhliche Bilder in Pastelltönen entspannen und die erleben wollen, wie sich die Dramatik letztendlich zum Guten wendet. Der Liebesroman hat die Bestnote redlich verdient.

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Der Tag, an dem mein Vater die Zeit anhielt: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Der Tag, an dem mein Vater die Zeit anhielt: Roman' von Erika Swyler
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

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Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:448
Verlag: Limes Verlag
EAN:9783809027089
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Rezensionen zu "Der Tag, an dem mein Vater die Zeit anhielt: Roman"

  1. Sympathischer Rückblick auf eine hausgemachte Naturkatastrophe

    Erster Eindruck.

    Nach den Tagen der Marslandung durch einen Roboter der NASA gewinnt der futuristische Blick auf die Besiedlung neuer Planeten wieder an Bedeutung. In der US-amerikanischen Originalversion war der Roman „Light from other Stars“ auch dem Genre Science Fiction zugeordnet. Dazu kam ein Hauch Fantasy. Als Autor eines eigenen Fantasyromans und mancher SF-Kurzgeschichte interessierte mich brennend, was Erika Swyler als Autorin und Astrid Finke als Übersetzerin aus dieser Mischung gemacht hatten. Mein Eindruck vom Buch war ein ganz anderer, als ich ihn von der Leseprobe her erwartet hatte. Aber wie erwartet war er gut.

    Inhalt ohne Spoiler.

    Nedda Papas ist als Mitglied einer vierköpfigen Raumschiff-Crew unterwegs zu einem fernen Planeten. Ihre Aufgabe ist die Aufzucht von Pflanzen und Saatgut, um den nachfolgenden Siedlern brauchbare Lebensverhältnisse zu schaffen. Vergesst kleine grüne Männchen! In den zahlreichen wochenlangen Schlafphasen während der mehrjährigen Reise lässt Nedda uns an ihren Träumen teilhaben, in denen ihre Erinnerung sie zurückführt nach Florida. Nahe Cape Canaveral führte sie in den 1980er Jahren in ihrer Familie das klischeehafte Leben der Durchschnittsamerikaner auf dem Lande. Als Elfjährige sieht sie in einer Liveübertragung die Explosion der Apollo-Rakete, die ihre und die Gedanken ihrer Schulkameraden, ihrer Familie und anderer Zeitgenossen prägt. Dennoch stehen nach wie vor für ihre Mutter Betheen der hausfrauliche Erfolg einer neuen Kuchenkreation und für ihren Vater Theo, einen Ingenieur, seine Erfindung im Vordergrund. Ein paradoxes Naturphänomen bringt dieses Leben gehörig durcheinander. Anders als für den Leser erhellt sich für die Romanfiguren der Zusammenhang zwischen der Anomalie und Theos Erfindung erst nach und nach.

    Stil.

    Science Fiction: nüchterne Sprache, Fachausdrücke, actionreiche Ereignisse, Pannen, die dramatisch hochgespielt werden? Mit nichts davon quält uns Erika Swyler. „Der Tag, an dem mein Vater die Zeit anhielt“ ist trotz der raumfahrerischen Zukunftsvision und der buchstäblich umwälzenden Erfindung von Neddas Vater über das erste Drittel des Buches eine recht ruhige Milieustudie über die ländliche Mittelschicht Amerikas, als die Raumfahrt der NASA ihre beste Zeit hatte. Der Raumflug bildet die Rahmenhandlung und lockert durch kapitelweise eingestreute Szenen die seitenmäßig längere und handlungsmäßig wichtigere Rückblende auf. Doch auch in diesen kurzen Schilderungen vom Einsatz der erwachsenen Nedda als Crewmitglied spiegeln sich ihre kindliche Empfindsamkeit, eine gewisse Naivität und jugendlicher Forscherdrang in einer einfühlsamen Sprache wider. Die Dialoge sind eine Abwechslung zwischen Gefühlsausdrücken und Fachgesprächen. Hier gerät sogar die Auseinandersetzung mit einem lebensbedrohenden Defekt anfangs zur sprachlichen Trivialität. Der Schwerpunkt von Inhalt wie vom Stil liegt eindeutig auf Neddas Kindheitserinnerung. In einer lebhaften, authentischen Sprache, die ihrer kindlichen Entdeckerfreude entspricht. Mit sprachlichen Bildern und Vergleichen, die zugleich unerwartet und äußerst treffend sind, begleitet Swyler die Elfjährige durch ein Jahr, in dem die Natur verrückt spielt. Mein Blick auf ihre schriftstellerische Liebe zum Detail lässt mich neidisch werden. Mit der Dramatik hält sich die Autorin bis zum Ende des ersten Drittels zurück. So baut sich das Unheil langsam auf und hält die Neugierde des Lesers am Leben. Dann gewinnt die Geschichte rasant an Fahrt.

    Fazit.

    Der Originaltitel „Light from other Stars“ lenkt die Erwartungen des Lesers mehr als die deutsche Übersetzung auf den Kindheitstraum vom Raumflug, die Hindernisse und seine Erfüllung. Demgegenüber zielt „Der Tag, an dem mein Vater die Zeit anhielt“ mehr auf die Vater-Tochter-Beziehung ab. Wer aus dem Anhalten der Zeit Typisches für die Genres Science Fiction oder Fantasy ableitet, wird lange lesen müssen. Wer aber sich an nostalgischen Erinnerungen, an liebevollen Formulierungen, und an Beobachtungen auch winziger Details erfreuen kann, dem beschert der Roman von der ersten Seite an das Eintauchen in die farbenfrohe Welt eines Kindes, die diesmal nicht durch das Erwachsenwerden, sondern durch den Eingriff in die Naturgesetze zerbricht. Im ersten Drittel präsentiert sich Swylers Werk wie Johanna Spyris „Heidi“ für Erwachsene, aber auch Tom Sawyer und Huckleberry Finn lassen grüßen. Danach mausert sich der Roman zum Thriller über eine energetische Anomalie, deren Überwindungsversuch packend geschrieben ist. Swylers Detailverliebtheit macht das Buch sympathisch und einzigartig.

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Ab heute heiße ich Margo: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Ab heute heiße ich Margo: Roman' von Cora Stephan
5
5 von 5 (2 Bewertungen)

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Diskussionen zu "Weil du meine Tochter bist: Roman"

Autor:
Format:Taschenbuch
Seiten:640
EAN:9783462050646
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Rezensionen zu "Ab heute heiße ich Margo: Roman"

  1. Ein beeindruckender historischer Roman

    Inhalt
    Im Mittelpunkt dieses zeitgeschichtlichen Romans stehen zwei Frauen: Margarete und Helene.

    Margo, wie sich nennt, weiß, was sie will: bei Photo Werner lernen. Aus eigenem Antrieb hat sie sich diese Lehrstelle als Bürokraft organisiert.
    Wir schreiben das Jahr 1936 in Stendal.
    Margo Hegewald ist glücklich in ihrer Ausbildung und lernt den Diplomaten Alard von Sedlitz auf einer Soiree der mondänen Familie Seliger kennen. Sie verliebt sich in den Adligen, dessen Vater ein Gut in Schlesien besitzt. Doch Alards Herz schlägt für Helene, eine junge Fotografin, die er gemeinsam mit seinem englischen Diplomatenfreund Liam im spanischen Bürgerkrieg vor den Rotarmisten gerettet hat. Ebenso wie seine Dogge Adalante. Auch Liam liebt die junge Frau und Alard glaubt, Helene habe ebenfalls ihr Herz an den Engländer verloren - eine Fehleinschätzung, wie sich herausstellt.
    Alard organisiert Helene eine Anstellung bei Photo-Werner in Stendal und so freunden sich Margo und Helene, die Spionage betreibt, wovon Margo nur eine Ahnung hat, an. Inzwischen bricht der 2.Weltkrieg aus und am Beispiel von Margo kann man verfolgen, wie wenig die Propaganda des NS-Regimes hinterfragt wurde - bis Helene von der Gestapo abgeführt wird. Unklar bleibt, ob es ihre jüdische Abstammung oder ihre Spionagetätigkeit ist, die ihr zum Verhängnis wird. In ihrer Naivität verrät Margo Helenes Defätismus, wofür sich Helene später rächen wird..

    Während Helene ins KZ Ravensbrück gebracht wird und dort Furchtbares durchleiden muss, verliebt sich Margo in Henry Seliger und heiratet ihn. Er bringt sie nach der Hochzeit nach Schlesien, weil er glaubt, dort sei es sicher - ebenfalls eine Fehleinschätzung. Helene und Margo treffen dort am Ende des Krieges wieder aufeinander - im Hause Alards und als die Rote Armee sie überfällt, verlieren sie sich aus den Augen. Margo wird schwer misshandelt und nachdem sie wieder bei Sinnen ist, ist Helene verschwunden, ebenso ihr kleines Mädchen Emma - die Folge einer gemeinsam verbrachten Nacht mit Alard.

    Während Margo in einer Elektronikfirma im Westen Karriere macht und sich mit Henry und dem gemeinsamen Kind Leonore eine Existenz im Nachkriegsdeutschland aufbaut, bleibt Helene im Osten und wird zur Botschafterin des Friedens. Sie knüpft somit an ihre Geheimdiensttätigkeit an, wird aber nie eine linientreue Sozialistin - im Gegensatz zu ihrer Tochter Clara.
    Nach vielen Jahren treffen Helene und Margo wieder aufeinander, alte Wunden werden aufgerissen und Verrat und Schuld belasten ihre einstige Freundschaft. Viel mehr möchte ich an dieser Stelle gar nicht verraten, das Ende ist jedoch ein versöhnliches und schließt elegant den gespannten Erzählbogen.

    Bewertung
    Der Roman erstreckt sich von der Zeit unmittelbar vor dem 2.Weltkrieg bis zu einem Jahrzehnt nach der Wiedervereinigung Deutschlands.
    Dabei liefert er am Beispiel Margos zunächst einen Einblick in die Naivität, die der Propaganda Hitlers erliegt und nichts wissen will, was mit den deportierten Menschen geschieht. Trotzdem bleibt sie aufgrund ihrer Durchsetzungsfähigkeit, ihrem Arbeitswillen und auch mit ihren dunklen Momenten eine Sympathieträgerin des Romans. Lediglich das Verhalten gegenüber ihrer Tochter wirft einen Schatten auf diese starke Frau, die aufgrund der eingestreuten Tagebuchaufzeichnungen im Mittelpunkt des Romans steht.
    Helene, dagegen, erlebt die Willkür und Grausamkeit des Nazi-Regimes mit ihrer Gefangennahme und Inhaftierung und auch nach dem Krieg findet sie sich in einem totalitären Regime wieder, mit dem sie zunächst kooperiert. Doch zunehmend distanziert sie sich von den Ideen des Sozialismus. Obwohl sie die Unnahbarere von beiden ist, gewinnt auch sie die Sympathien der Zuhörer/innen, was auch der Sprecherin Tanja Fornaro zu verdanken ist, die zusätzlich dafür sorgt, dass man den Handlungen der Protagonistinnen Verständnis entgegenbringt.

    Der Roman bietet einen Gang durch die Geschichte, ganz konkret am Alltagsleben dargestellt:
    Der Wiederaufbau, das Wirtschaftswunder wird zusammen mit Margo erlebbar. Die Ideologie im Osten, die Spionagetätigkeit und das perfide System des Ministeriums für Staatssicherheit, das auch vor Kindern, die als Spitzel angeworben werden, nicht Halt macht, erscheinen durch die Augen Helenes.
    Es ist ein Roman, der anhand menschlicher Schicksale die deutsche Geschichte erfahrbar macht, nicht die große Politik steht im Vordergrund, sondern die Ängste und Sorgen der beiden Frauen. Auch die folgenden Generationen kommen zu Wort und schildern aus ihrer Perspektive die Gefühle einer neuen Generation.
    Trotz der ein oder anderen sentimentalen Szene, die ganz bewusst die emotionale Ebene bedient, ist es ein wunderbarer, historischer Roman mit starken Figuren, der trotz der Länge des Hörbuches immer interessant und spannend bleibt.

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  1. 5
    12. Jun 2016 

    Leise Töne, große Geschichte...

    Immer schon habe ich Autoren bewundert, denen es gelingt, über viele Seiten hinweg den Bogen einer Geschichte zu spannen ohne dass es zu unwiderbringlichen Brüchen kommt und wo am Ende letztlich wirklich alles erzählt ist. Cora Stephan legt mit diesem Roman ein solches Werk vor, und trotz der stolzen 640 Seiten ließ die Faszination der Geschichte bei mir zu keinem Moment nach.

    Zwei starke Frauen stehen im Mittelpunkt des Geschehens, das zum einen ihr individuelles Schicksal beleuchtet, das die beiden unwiderruflich miteinander verbindet, das zum anderen aber auch eingebettet ist in ein gehöriges Maß Zeitgeschichte, das hier von 1936 bis ins Jahr 2000 reicht.

    In Stendal begegnen sich die beiden Frauen in den 30er Jahren das erste Mal. Margarete Hegewald ist gerade dem Backfischalter entsprungen, als sie beschließt, nicht länger zur Schule zu gehen. Sie schneidet sich die Zöpfe ab, nennt sich künftig Margo und bietet auch ihrem tyrannischen Vater zunehmend die Stirn. Zielstrebig tritt sie ihre Lehrstelle bei Photo-Werner an und ist in dem kleinen Büro des Unternehmens bald unentbehrlich - sie verwaltet die Rechnungen und Bilanzen des Geschäfts. Dort lernt sie die stille Fotografin Helene Pinkus kennen, etwas älter als Margo und eher ein Einzelgänger. Doch allmählich entsteht ein etwas vertrauteres Verhältnis zwischen den beiden, und Margo erfährt, dass Helene als Kriegsfotografin die Geschehnisse im Spanischen Bürgerkrieg dokumentiert hat - und dabei traumatischen Erlebnissen ausgesetzt war. Eine wirkliche Freundschaft entsteht nicht zwischen den beiden Frauen - zu unterschiedlich sind sie, und der zunehmende Druck durch den Nationalsozialismus verschärft diese Unterschiede noch. Die Liebe zu dem Adligen Alard von Sedlitz ist etwas, was die beiden teilen, doch der hat im Grunde nur Augen für Helene. Die Kriegswirren lassen jedoch keine Liebe zu. Helene landet im KZ Buchenholz, Alard und Margo verbringen eine einzige gemeinsame Nacht - als Trost für unerfüllte Liebe, Wärme in Zeiten der Kälte, und doch nicht folgenlos. Emma heißt das kleine Mädchen, von dem Alard nichts erfahren wird, und das Margo schließlich auf der Flucht verliert. Lange Jahre erfährt sie nichts über das Schicksal ihrer kleinen Tochter, und doch hört sie nie auf, an sie zu denken.

    Nach dem Krieg geht das Leben weiter, jeder trägt schwer an den Folgen der Kriegsjahre, tief gezeichnete Spuren. Margo folgt ihrem Jugendfreund und nun Ehemann Henri nach dessen Kriegsgefangenschaft in den Westen, ihre Mutter und Schwester bleiben in Stendal - warten auf den Vater, über dessen Verbleib nichts bekannt ist. Helene lebt fortan im Osten des geteilten Deutschlands, wird von der Stasi angeheuert, schließlich auf Margo angesetzt, die bei einer Firma arbeitet, an deren Daten die Stasi großes Interesse zeigt. So kommt es zu einer erneuten Begegnung zwischen den beiden Frauen, und was einmal Freundschaft hätte werden können, ist nun überlagert von Misstrauen und Verrat. Auch die Jahre nach dem Mauerfall 1989, die hier ebenfalls noch Gegenstand des Geschehens sind, wird keine Wiederannäherung bringen - und doch sind die Schicksale Margos und Helenes unwiderruflich miteinander verbunden und durch ein gemeinsames Geheimnis geprägt.

    "Der Moment ist das Einzige, was am Ende eines Lebens bleibt, und man darf ihn nicht vergeuden mit der Klage darüber, was war und was hätte sein können." (S. 579)

    Ich und dicke Bücher, das ist so ein Kapitel für sich. Wenn ich mich an ein solches heranwage, kämpfe ich jedesmal zunächst gegen einen inneren Widerstand an, und das, was sonst so mühelos gelingt: das Verschlingen der Romane, das dauert bei einem solchen Buch eine gefühlte Ewigkeit. Auch hier erging es mir so - fast zwei Wochen dauerte die Lektüre. Doch ehrlich gesagt: ich habe die Zeit genossen, denn immer mehr lebte ich so an der Seite der Figuren.

    Dabei empfand ich gar nicht immer so etwas wie Sympathie für die Charaktere, denn manche ihrer Haltungen, Handlungen und Entscheidungen waren zumindest fragwürdig - dabei jedoch zutiefst menschlich. Durch das Einbetten des Geschehens in die Zeitgeschichte Deutschlands bekommt der Leser einen Einblick darin, wie es war, einer Doktrin folgen zu müssen, wo selbständiges oder gar kritisches Denken nicht nur verpönt sondern unter Umständen lebensgefährlich war, und das nicht nur unter dem Naziregime, sondern eben auch später in der ehemaligen DDR. Was macht ein solcher Druck mit den Menschen - begeistertes Anhängertum oder zumindest Mitläufertum? Doch auch die Geschichte des Westens ist hier lebendig vertreten: das Wirtschaftswunder der Nachkriegsjahre, die wachsende Gleichberechtigung der Frau - Margo kämpfte darum schon zu einer Zeit, als dies alles andere als selbstverständlich war, Sex and Drugs and Rock and Roll in den 60ern und 70ern, und das alles in einer generationenübergreifenden Erzählung. Gerade die Unterschiede der beiden deutschen Staaten werden hier eklatant deutlich, auch im Hinblick auf die Entwicklung der dort lebenden Menschen.

    Erzählt wird der Roman chronologisch aus wechselnden Perspektiven. Neben Margo und Helene kommen auch andere Figuren zu Wort, wenn es für das Geschehen wichtig ist. Kaleidoskopartig setzen sich so die Bilder zu einer Gesamtkomposition zusammen, und nie geschieht dies losgelöst vom Kontext des Zeitgeschehens. Dabei wird die Geschichte jedoch nicht mit Historie überfrachtet, sondern wie nebenher fließen geschichtliche Zusammenhänge in die Erzählung ein, die mit ihren eher leisen Tönen im übrigen nicht in Klischees verfällt, was mir gut gefallen hat. Die Figuren geraten so authentisch und lebendig, und selbst das etwas pathetisch geratene Ende stört diesen überaus postitiven Gesamteindruck für mich nicht wirklich.

    Ein überaus angenehm zu lesender Roman über zwei starke Frauen, aber auch über ein Stück deutscher Zeitgeschichte, die von vielen Unruhen geprägt war. Sehr interessant und wirklich empfehlenswert!

    © Parden

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Die erstaunliche Entdeckungsreise der Maureen Fry

Buchseite und Rezensionen zu 'Die erstaunliche Entdeckungsreise der Maureen Fry' von Rachel Joyce
4
4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Die erstaunliche Entdeckungsreise der Maureen Fry"

Diskussionen zu "Weil du meine Tochter bist: Roman"

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:192
EAN:9783810500632
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Rezensionen zu "Die erstaunliche Entdeckungsreise der Maureen Fry"

  1. Ich bin ein Gast der Welt

    Maureen und Herold Frey haben bereits vor einigen Jahren ihren Sohn verloren. Während Harold vor zehn Jahren eine große Reise zu Fuß angetreten ist und dadurch wieder seinen inneren Frieden gefunden hat, hadert Maureen nach wie vor mit sich und der Welt.
    Vor allem die Gedanken an Queenies Garten, in dem die verstorbene Kollegin ihres Mannes eine Skulptur stellvertretend für ihren verstorbenen Sohn David platziert haben soll, treibt sie um.
    Daher fährt Maureen eines Tages mit dem Auto an die Küste um sich den „Reliquiengarten“, wie er auch genannt wird, selbst anzusehen. Was sie jedoch vorfindet, macht sie nur noch wütender. Bei ihrem anschließenden Wutausbruch verletzt sich Maureen so sehr, dass sie nicht mehr in der Lage ist selbst mit dem Auto die Rückreise anzutreten. So muss sie wohl oder übel die Unterstützung einer, in der Nähe lebenden, Bekannten annehmen und in deren Truck auf Heilung warten. Maureen sind sowohl die Umstände als auch die Gegebenheiten zuwider. Doch bald erkennt sie, dass dieser Aufenthalt auch eine Chance sein kann. Ein Chance nicht nur körperlich wieder gesund zu werden.

    Die Geschichte um Maureen Fry ist nun der dritte Band der Harold-Frey-Trilogie. Wie der Titel schon verrät, begleiten die Leser hier Harolds Frau, Maureen auf ihrer Reise.
    Das Buch ist mit seinen 192 Seiten die kürzeste Geschichte. Hier geht meinem Empfinden nach alles etwas schneller. Maureen Fährt innerhalb eines Tages mit dem Auto an ihr Ziel und hält sich einige Zeit bei der Bekannten auf. Danach geht’s „zack, zack“ wieder zurück.
    Rachel Joyce benötigt nicht viele Worte um das Wesentliche zu beschreiben oder um die Dinge auf den Punkt zu bringen. Da reichen dann auch ein paar Sätze, die mich wirklich sehr gerührt haben und ausgereicht haben mich zum Weinen zu bringen.
    Allerdings gab es auch Stellen, an denen es mir ein bisschen zu hektisch wurde. Im übertragenen Sinn hätte ich mir hier die Landschaft gerne etwas länger und genauer angesehen, da ging es schon mit Vollgas an der Ausfahrt vorbei.

    Fazit:
    Ein inniger Roman über das Loslassen, der in Kürze erzählt auf was es ankommt.

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Wellness: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Wellness: Roman' von Nathan Hill

Inhaltsangabe zu "Wellness: Roman"

Als Jack and Elizabeth 1993 ein Paar werden, spricht alles gegen sie. Doch der junge Fotograf mit den bäuerlichen Wurzeln und die Psychologiestudentin aus gutem Hause heiraten – und erleben in der vibrierenden Kunstszene Chicagos aufregende erste Jahre. Doch nicht alles läuft glatt. Inmitten von Achtsamkeitsseminaren, polyamourösen Bekanntschaften und schrillen Immobilienträumen droht ihre Ehe zu scheitern. Und schließlich müssen sich diese nicht mehr ganz so jungen Träumer den Dämonen ihrer Vergangenheit stellen, wenn sie nicht das Wertvollste verlieren wollen: einander. Von den Absurditäten moderner Technologie bis zur perfekten Kindererziehung legt Nathan Hill unser Leben bloß und stößt auf tiefe Wahrheiten über Liebe, Intimität und Nähe.

Diskussionen zu "Weil du meine Tochter bist: Roman"

Autor:
Format:Kindle Ausgabe
Seiten:760
Verlag: Piper ebooks
EAN:
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Die trotzige Schönheit der Welt

Buchseite und Rezensionen zu 'Die trotzige Schönheit der Welt' von Linda Grant
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Die trotzige Schönheit der Welt"

Diskussionen zu "Weil du meine Tochter bist: Roman"

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:368
EAN:9783737101899
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Rezensionen zu "Die trotzige Schönheit der Welt"

  1. Heimat in der Fremde

    Als Mina 14 ist, lernt sie eine Truppe junger Bolschewiken bei einem zufälligen Treffen kennen - eine Begegnung, die ihr Leben prägen wird. Denn ihre jüdische Familie befürchtet Schlimmes. Um den moralischen und sonstigen Absturz der Tochter zu verhindern, schickt man Mina von Lettland aus in die USA - das Schiff allerdings, das sie nach New York bringen soll, muss Mina gemeinsam mit ihrem Bruder in Liverpool verlassen: Ihr Geld reicht nicht für die gesamte Passage. Das ist der Auftakt für eine sehr besondere Familiengeschichte jüdischer Emigranten. Die Autorin schreibt originell und ungewöhnlich unterhaltsam über das Schicksal ihrer eigenen Vorfahren. Ein Buch wie eine Wundertüte, farbenprächtig, bunt, abwechslungsreich und voller Überraschungen. Die Charaktere der Story werden so lebendig, das man sie fast nach ihnen greifen kann. Mina und die Ihren brauchten ein bisschen, um mein Herz zu erobern - doch sie haben es geschafft. Ein Lesehighlight!

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Das Land der Anderen: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Das Land der Anderen: Roman' von Leïla Slimani
4.5
4.5 von 5 (2 Bewertungen)

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Diskussionen zu "Weil du meine Tochter bist: Roman"

Format:Taschenbuch
Seiten:384
Verlag: btb Verlag
EAN:9783442772612
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Rezensionen zu "Das Land der Anderen: Roman"

  1. Ein Leben in der Fremde

    Leïla Slimani ist eine französisch-marokkanische Schriftstellerin und Journalistin. Bereits mit ihrem ersten Roman „Dans le jardin de l'ogre“ errang sie 2014 in Marokko den Prix de la Mamounia. Der Thriller „Chanson douce“ (dt. Dann schlaf auch du), der zwei Jahre später erschien, wurde zum internationalen Bestseller und mit dem renommierten Prix Goncourt ausgezeichnet.
    „Das Land der Anderen“ ist der erste Teil einer autobiografisch angehauchten Familientrilogie. Das Buch erzählt die Geschichte der jungen Elsässerin Mathilde und des Marokkaners Amine, der während des Zweiten Weltkriegs für die französische Armee kämpfte. Sie verlieben sich, heiraten und ziehen 1947 nach Marokko, wo Amine ein Stück Land geerbt hat. Marokko ist französisches Protektorat, die Unabhängigkeit wird erst 1956 nach heftigen Kämpfen und blutigen Auseinandersetzungen erreicht. Bis dahin sind die Marokkaner Untergebene in ihrem eigenen Land, dürfen sich nicht uneingeschränkt bewegen und sind täglichem Rassismus ausgesetzt. Mathilde und Amine sind durch ihre abgelegene Farm nicht direkt im Kreuzfeuer, aber das gemischt-ethnische Ehepaar ist beiden Seiten ein Dorn im Auge. Auch die kleine Tochter Aïcha , die in der nächstgelegenen Stadt auf eine katholische Mädchenschule geht, ist Opfer dieser Ausgrenzungen.
    Das Buch hat keine fortlaufende Handlung im klassischen Sinn. Es erzählt vielmehr chronologisch vom Leben der Familie, den harten Bedingungen, der Geldknappheit, aber auch den kulturellen Unterschieden der Ehepartner und den daraus folgenden Auseinandersetzungen, die durchaus mit Brutalität geführt werden. Gewalt gegenüber Frauen war eine Selbstverständlichkeit und selbst für westlich denkende und aufgeklärte moderne Marokkaner war es völlig normal, die eigene Ehefrau zu verprügeln und im Haus einzusperren.
    Das Buch hat mir gut gefallen, auch wenn es kein 5 Sterne-Highlight war, dazu war mir der Erzählfluss nicht stringent genug. Aber es war interessant, etwas über das Leben in Marokko zu der damaligen Zeit zu erfahren, besonders im Hinblick auf das Leben der Frauen und ihre Unterdrückung und den Aufständen der Nationalisten, die die Unabhängigkeit von Frankreich forderten, weswegen ich auch eine uneingeschränkte Leseempfehlung geben kann.

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  1. Die Früchte des Zitrangenbaums

    Beim Gastlandauftritt Frankreichs auf der Frankfurter Buchmesse 2017 war die französisch-marokkanische Autorin Leїla Slimani mit ihrem Buch "Nun schlaf auch du", für das sie 2016 den Prix Goncourt erhielt, eine bereichernde Entdeckung. Ihr dritter Roman, "Das Land der Anderen", ist der erste Band einer Trilogie nach Motiven ihrer eigenen Familiengeschichte.

    Leїla Slimani wurde 1981 in Marokko geboren, dem Land, in das ihre Großmutter, genau wie die Romanfigur Mathilde, einwanderte. Mathilde folgt ihrem Mann Amine Belhaj, einem marokkanischen Offizier der französischen Armee, den sie bei Kriegsende in ihrem elsässischen Heimatdorf kennenlernte und aus Liebe, Abenteuerlust und Sehnsucht nach Veränderung überstürzt heiratete. Bei der Landung in Rabat am 1. März 1946 dominiert Beklommenheit:

    "Trotz des hoffnungslos blauen Himmels, trotz der Freude, ihren Mann wiederzusehen, und des Stolzes, ihrem Schicksal entronnen zu sein, war ihr plötzlich mulmig geworden. […] Ihr Mann, dem die Blicke der anderen Passagiere nicht entgingen, küsste sie auf die Wangen. Er packte ihren rechten Arm in einer zugleich sinnlichen wie drohenden Geste. Es schien, als wolle er sie im Zaum halten." (S. 15/16)

    Geplatzte Träume
    Amine ist in Marokko ein anderer. Zwar liebt er Mathilde und billigt ihr eine andere Stellung als seiner Mutter Mouilala zu, einer streng-traditionellen Muslimin, doch duldet er keinerlei Kritik an heimischen Traditionen und Bräuchen:

    "„So ist das hier.“
    Diesen Satz würde sie noch oft hören. Und genau in dem Moment begriff sie, dass sie eine Fremde war, eine Frau, eine Ehefrau, ein Mensch, der der Gnade der anderen ausgeliefert war.“ (S. 19)

    Auch als sie 1949 ein ererbtes Stück Land beziehen und Amine wie ein Besessener – und zu Beginn mit wenig Erfolg – auf seiner Farm arbeitet, bleibt das Verhältnis zwischen den beiden kulturell grundverschiedenen Partnern angespannt. Die 1947 geborene Tochter Aїcha und der jüngere Sohn Selim wachsen im Dauerstreit der Eltern auf und erleben Gewalt des Vaters gegenüber der Mutter und seiner jüngeren Schwester Selma.

    Niemand fühlt sich zuhause
    Nicht nur die französischen Siedler, jeder scheint in diesem Roman im fremden Land zu leben: Mathilde gehört weder zu Marokko, noch zu den Kolonialisten. Bei einem Heimatbesuch 1954 ist sie auch dort eine Fremde. Amine wird für seine Kriegsteilnahme von den eigenen Nationalisten verachtet. Besonders aber leidet Aїcha mit dem blonden Wuschelkopf unter Spott und Quälereien im französisch-katholischen Pensionat:

    "Denn Aїcha war weder wirklich eine Einheimische noch eine dieser Europäerinnen […]. Sie wusste nicht, was sie war, also blieb sie allein […]." (S. 84)

    Symbolhaft ist der Orangenbaum, in den Amine einst einen Zitronenzweig setzte:

    "„Wir“, sagte er, „sind wie dein Baum, halb Zitrone, halb Orange. Wir gehören zu keiner Seite. […] Während er leise auf den Flur trat und die Tür schloss, dachte er, dass die Früchte des Zitrangenbaums ungenießbar waren." (S. 370/71)

    Eine Welt im Untergang
    Aus vielerlei Grünen habe ich den Roman überaus gern gelesen und freue mich auf die Fortsetzung. Zum einen sind es die nüchterne, wertfreie Erzählweise, das Einfühlungsvermögen Leїla Slimanis in unterschiedlichste Figuren und die immer wieder wechselnde Perspektive, mit der sie allen gerecht wird. Die Themen Fremdheit und Einsamkeit, männliche Unterdrückung, Gewalt, Emanzipation, Liebe,unerfüllte Träume, Trennendes und Verbindendes, Scham, Hilflosigkeit, Rassismus und koloniale Überheblichkeit lösten abwechselnd Mitgefühl und Wut in mir aus. Die Verbindung aus Einzelschicksalen und dem marokkanischen Unabhängigkeitskampf, der 1956 zur Loslösung von Frankreich führte, ist ausgezeichnet gelungen.

    Der Roman endet 1955, als Aїcha ungerührt dem Untergang einer Welt zusieht.

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