Die Inklusionsfalle

Buchseite und Rezensionen zu 'Die Inklusionsfalle' von Michael Felten
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Die Inklusionsfalle"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:176
EAN:9783579086729
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Rezensionen zu "Die Inklusionsfalle"

  1. 5
    21. Apr 2017 

    Endlich einmal kritische Töne!

    Eine weithin unterschätzte Entwicklung vollzieht sich gegenwärtig. Unter dem hehren Banner der Inklusion werden viele Schulen derzeit umgekrempelt. Immer öfter werden normal oder hoch begabte Kinder zusammen mit leicht oder auch schwer behinderten in einer Klasse unterrichtet, ohne dass die dafür nötigen Ressourcen und Kompetenzen vorhanden wären und ohne dass der Sinn dieser Maßnahme grundsätzlich erwiesen wäre.

    Dieses Buch spricht die Probleme der derzeitigen Inklusionsentwicklung offen an: die Unterfinanzierung, die fehlenden Qualifikationen sowie die Irrtümer und Grenzen des Konzepts Gemeinsames Lernen. Es gibt einen Überblick über Praxiserfahrungen und Forschungsbefunde, die in der Inklusionsdebatte bisher in nicht genügender Weise wahrgenommen wurden. Und es skizziert die Maxime, nach der wir den schulischen Umgang mit Behinderung für alle Beteiligten gestalten sollten: 'So viel hochqualitative Integration wie sinnvoll und möglich - anspruchsvoller getrennter Unterricht überall da, wo nötig!'

    "Selbst Befürworter der Inklusion merken anscheinend immer deutlicher, dass nicht nur auf ihrem Rücken, sondern auch durch ihr Mitwirken eine Art Menschenversuch stattfindet, der prinzipiell fragwürdig und darüber hinaus unzureichend ausgestattet ist." (S. 33)

    Inklusion mit der Brechstange - das ist der Eindruck, den die Schulpolitik der letzten Jahre v.a. in NRW hinterlässt. Ob nun aus ideologischen Gründen oder aufgrund einer Sparstrumpf-Maxime: Förderschulen sollen flächendeckend geschlossen und alle Kinder möglichst nur noch in Regelschulen beschult werden - ob die Bedingungen dafür nun gegeben sind oder nicht. Wer sich gegen die radikalen Inklusionsbestrebungen ausspricht, gerät rasch in die Ecke desjenigen, der sich auf Veränderungen nicht gut einlassen kann oder, schlimmer noch, mit der These vom 'unwerten Leben' zu sympathisieren.

    Doch wodurch ist überhaupt die seit nunmehr etlichen Jahren zunehmende Inklusionsentwicklung angestoßen worden? Ursache ist die UN-Behindertenrechtskonvention von 2008, die sich mit den Themen Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung befasst. U.a. soll dadurch das Recht behinderter Menschen auf Bildung verbindlich gesichert werden. Allerdings ist es einem Missverständnis durch einen Übersetzungsfehler zu verdanken, dass das Bildungssystem in Deutschland - und allen voran in NRW - derart revolutioniert wurde.

    "Die Verabsolutierung des Inklusionsprinzips durch den Bundestag wurde dadurch mögich, dass der englische Terminus 'general education system' fälschlicherweise mit dem deutschen Begriff der 'allgemeinen Schulen' (im Unterschied zu den Förderschulen) gleichgesetzt wurde. 'General education system' entspricht aber eindeutig dem, was wir als 'allgemeinbildendes Schulsystem' (im Unterschied zu berufsbildenden Schulen) verstehen, und zu diesem gehören nach deutschem Verständnis eindeutig auch die Förderschulen." (S. 64)

    Michael Felten, der selbst seit 35 Jahren als Gymnasiallehrer arbeitet, geht auf dieses umstrittene Thema nicht polemisch ein, sondern lässt Fakten für sich sprechen. Langzeitbeobachtungen, einzelne Beispiele aus der Praxis, gesammelte Klagelisten von Lehrern bei den Personalräten, Stimmen aus Fachgruppen und Verbänden, kritische Stimmen in bundesdeutschen Leitmedien, veränderte und unzureichende Ausbildungsinhalte sowohl bei Lehrern als auch bei Sonderpädagogen - eine beeindruckende Sammlung negativer Aspekte der radikalen Inklusion präsentiert der Autor hier und zeigt damit auf, wie bedrohlich die Lage in der Bildungspolitik bereits ist.

    Jeder, der Kinder hat, kann nachvollziehen, was in Eltern vorgeht, deren Kind in ihrer Entwicklung beeinträchtigt oder gefährdt ist. Zufriedenheit, ein selbständiges und auskömmliches Leben mit einem vernünftigen Beruf - das wünschen sich Eltern doch für ihr Kind. Die Möglichkeit der Inklusion beinhaltet für Eltern auch ein Versprechen und damit eine ungeheure Verlockung. Der Makel des 'Nichtnormalen' veschwindet, der beruflichen und sozialen Zukunft des Kindes scheint nichts mehr im Wege zu stehen, die Stigmatisierung durch den Besuch einer Förderschule bleibt aus. Doch die Praxis an den Schulen holt Eltern wie Schüler rasch ein.

    "Verhaltensauffällige Schüler (ES) verteilt man möglichst flächendeckend, um die Problemquote an den Regelschulen möglichst gering zu halten. Im Gegenzug erhält der einzelne Problemschüler aber jetzt kaum sonderpädagogische Betreuung, denn Doppelbesetzung gibt es nur wenige Stunden pro Woche, die Regellehrer sind entsprechend chronisch überfordert." (S. 70)

    Der Blick über den Tellerrand - also in die Inklusionspolitik anderer Länder - zeigt auf, dass überall dort, wo die Ressourcen, die finanziellen, fachlichen und räumlichen Bedingungen nicht gegeben sind, Inklusion nur auf dem Papier existiert und mit 'Behindertenfreundlichkeit' wenig zu tun hat. Dort, wo die Bedingungen besser sind, läuft die Inklusion jedoch auch nicht immer reibungslos - so gibt es seit der PISA-Studie beispielsweise in nordischen Ländern eine zunehmende Leistungsorientierung und Privatisierung im Schulischen, d.h. leistungsorientierte Kinder finanzstarker Eltern besuchen immer häufiger auch Privatschulen (ohne Inklusion).

    Dabei spricht sich Felten durchaus grundsätzlich für alle Bemühungen aus, die behinderten Kindern bessere Entwicklungs- und Bildungschancen verschaffen wollen. Die konkrete Umsetzung und Ausgestaltung muss jedoch ALLEN Kindern zugute kommen - weder für Förderkinder noch für Regelkinder düfen inklusionsbezogene Entscheidungen zu unangemessenen Belastungen führen. Das Wohl des Kindes muss im Vordergrund stehen - und besondere Maßnahmen, die zur Beschleunigung oder Herbeiführung der tatsächlichen Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderungen erforderlich sind, gelten nicht als Diskriminierung. Förderschulen können dabei zu den 'besonderen Maßnahmen' gezählt werden.

    "Zum Wohl des Kindes bedarf es weiterhin unterschiedlicher Settings." (S. 86)

    Michael Felten spricht sich letztlich dafür aus, das Schulsystem nicht zu revolutionieren, sondern zu optimieren. Dazu gehören für ihn u.a. (verkürzt dargestellt):

    eine erhöhte Durchlässigkeit zwischen allen Schulformen
    eine kontinuierliche Weiterbildung der Regellehrer
    eine flächendeckende und hochqualitative Sicherung der Möglichkeiten zu Gemeinsamem Unterricht in allen Schulformen
    die Sicherung eines breiten Angebots an hochspezialisierten Sonderpädagogen

    Eine übertriebene und unterfinanzierte Inklusion führt nicht nur zu Bildungschaos für alle Schüler, sondern auch zu einer massiven Überlastung der Lehrer, zu ständigem und unnötigem Frust und zu erhöhten Erkrankungsraten. Felten schließt sich hinsichtlich einer sinnvollen Ausgestaltung der Inklusion in deutschen Klassen dem Forderungskatalog des Verbandes lehrerNRW vom 24.2.2016 an. Und er plädiert dringend für den Erhalt der Förderschulen, damit das Wahlrecht der Eltern nicht beschnitten wird und v.a. damit für jedes Kind der tatsächlich geeignete Förderort gefunden werden kann - gemäß der Maxime: 'So viel hochqualitative Integration wie mögich, sinnvoll unterstützende Separation überall da wo nötig!'.

    Endlich einmal kritische Töne zum Thema Inklusion - in der Argumentation differenziert und ausgewogen, bezieht Felten eindeutig Position. Er zeigt jedoch nicht nur Hintergründe und Fehlentwicklungen auf, sondern bietet auch Ausblicke und Möglichkeiten von Eltern, Lehrern und Bürgern, den Schülern von heute und morgen zu ihrem Recht zu verhelfen und damit das Wohl der Kinder wieder in den Mittelpunkt zu rücken.

    Ein wichtiges Buch!

    © Parden

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Pokémon go home

Buchseite und Rezensionen zu 'Pokémon go home' von Dorit David
4
4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Pokémon go home"

Eine humorvolle Kurzgeschichte mit Pokémon
Überall in der Stadt trifft man auf sie: Rudel kopfhängender Teens. Daumenwischend stolpern sie durch ihre erweiterte Realität, vorzugsweise dorthin, wo es in der Stadt die begehrten Pokéstops oder Arenen gibt, an denen sie ihre gefangenen Monster kämpfen lassen. Ist das nun komisch oder tragisch? Als ob die Polizeibeamte Monika Pryzigoda nicht genug zu tun hätte! Nun soll sie auch noch gegen eine "Spielplatzbesetzung" vorgehen. Eine von Halbwüchigen okkupierte Rutsche befreien. Der Fall der verschwundenen Lilli drängt sich dabei in den Hintergrund, aber dann …

Über booksnacks
Kennst du das auch? Die Straßenbahn kommt mal wieder nicht, du stehst gerade an oder sitzt im Wartezimmer und langweilst dich? Wie toll wäre es, da etwas Kurzweiliges lesen zu können. booksnacks liefert dir die Lösung: Knackige Kurzgeschichten für unterwegs und zuhause.
booksnacks – Jede Woche eine neue Story!

Autor:
Format:Kindle Edition
Seiten:16
Verlag: booksnacks.de
EAN:
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Rezensionen zu "Pokémon go home"

  1. Pokémon Fieber in der Stadt und die Suche nach Lilli

    Die Polizeibeamtin Monika Pryzigoda und ihre Kollegen haben eigentlich genug zu tun, den es wird, die kleine Lilli vermisst. Lilli 5 Jahre, sollte eigentlich mit ihrem Freund Leon gehen, aber der hatte das schon wieder vergessen, seither ist sie spurlos verschwunden. Die Mutter macht sich Sorgen, weil sie Epileptikerin ist. Zur Zeit herrscht aber noch ein ganz anderer Hyphe in der Stadt, das Pokémon Fieber. Überall sind jugendliche Jäger in der Stadt, auf der Suche nach den kleinen Monstern. Sie machen der Polizei noch zusätzliche Arbeit, jedoch sie sind schlussendlich auch die Lösung für Lilli.

    Meine Meinung:
    Schrecklich diese japanischen Monster, ich konnte sie schon damals, als meine Kinder noch klein waren nicht ausstehen. Aber das dieses Spiel dann auch noch unseren Polizisten zusätzliche Arbeit macht, kann nicht sein. Trotzdem habe ich mich streckenweise sehr gut amüsiert über diese Geschichte. Zeigt es doch was unser virtueller Alltag und ein Spiel Pokémon go alles auslösen kann. Eine schöne, kurzweilige Geschichte für die Mittagspause, Bahnfahrt oder das Wartezimmer. Mir hat der Schreibstil der Autorin sehr gut gefallen und ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Von mir 4 von 5 Sterne.

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Das Fest: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Das Fest: Roman' von John Grisham

Inhaltsangabe zu "Das Fest: Roman"

Weihnachten ist mörderisch, vor allem in den USA. Hier liebt man den gnadenlosen Thrill der überfüllten Shopping Malls, den bis aufs Messer ausgefochtenen Kampf ums letzte Truthahnstück, Neid und Eifersucht beim Geschenke-Auspacken unterm gallegrünen Weihnachtsbaum. Da würde sicher gerne mancher Amok laufen. Aber gemordet, wirklich gemordet wird am Fest der Liebe, das ja schließlich einer Geburt gedenkt, eigentlich nirgendwo. Außer im Film vielleicht, wie in Tödliche Weihnachten mit Samuel L. Jackson oder Gina Davis oder in Wild Christmas von John Frankenheimer.

Was also treibt einen ausgemachten Thriller-Spezialisten wie den US-amerikanischen Bestseller-Autor John Grisham dazu, sich ausgerechnet dem schneeweißlich überzuckerten Familienidyll zu verschreiben? Ganz offensichtlich wohl der Umstand, dass dieses fragile Idyll, nicht nur in Amerika, jederzeit in wenn schon nicht tödliche, so doch zumindest grausame Zwistigkeiten ausarten kann. In Das Fest erfährt das die Familie Krank, deren Oberhaupt nach der Eröffnung von Tochter Blair, dieses Jahr in der Fremde zu weilen, ihre Chance gekommen sieht, den überaus hohen Ausgaben für Geschenke sowie für Häuserschmückung und -beleuchtung (!) von über 6.000 Dollar zu entgehen und stattdessen mit seiner Frau eine Reise in karibische Gefilde zu unternehmen. Aber die Flucht vor dem Fest (Skipping Christmas lautet der treffende Originaltitel) gestaltet sich schwieriger als erwartet: Tatsächlich hat man die Rechnung ohne die lieben Nachbarn gemacht, die den Preis für die am festlichsten geschmückte Straße gewinnen wollen. Und dann meldet sich zu allem Überfluss auch noch überraschend Blair zurück.

Bei der Titelübersetzung des neuen Grisham hat sich der Heyne-Verlag, wohl aus marktstrategischen Erwägungen, bewusst an spannenden Verkaufserfolgen wie Die Farm oder Die Jury gehalten: Auf diese Weise sollen Fans offenbar zu einem Kaufrausch animiert werden, den der Inhalt dieses Romans gerade kritisiert. Aber damit werden falsche Erwartungen geweckt, die nur enttäuscht werden können. Denn Das Fest ist kein packender Thriller, sondern ein teils überaus vergnüglich (und immer leicht) zu lesendes Buch nicht zuletzt über die psychologischen Zwänge einer Gemeinschaft zur Weihnachtszeit. Allein deshalb ist es typisch für Grisham. --Thomas Köster

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:208
Verlag: Heyne Verlag
EAN:9783453412866
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Begleitmaterial

Buchseite und Rezensionen zu 'Begleitmaterial' von Martin Euringer

Inhaltsangabe zu "Begleitmaterial"

Format:Taschenbuch
Seiten:56
EAN:9783867607544
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Tagebuch

Buchseite und Rezensionen zu 'Tagebuch' von Anne Frank
4
4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Tagebuch"

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Autor:
Format:Taschenbuch
Seiten:368
Verlag: Fischer
EAN:9783596152773
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Rezensionen zu "Tagebuch"

  1. Schreiben als Überlebensnotwendigkeit

    Das Tagebuch der Anne Frank zählt zur Weltliteratur und wird als eines der eindringlichsten Dokumente über die Judenverfolgung während des 2. Weltkrieges beschrieben. Alleine durch diese Beschreibung wollte ich zu dem Buch greifen und mir selbst ein Bild von den Gedanken eines jungen jüdischen Mädchens über ihr Leben im Amsterdamer Hinterhaus-Versteck machen. Gelesen habe ich das Buch schlussendlich mit zwei Bloggerinnen in einer gemeinsamen Leserunde, denn dass es zu der Thematik viel zu besprechen gibt, davon war auszugehen ...

    ~ Es ist für jemanden wie mich ein eigenartiges Gefühl, Tagebuch zu schreiben. Nicht nur, dass ich noch nie geschrieben habe, sondern ich denke auch, dass sich später keiner, weder ich noch ein anderer, für die Herzensergüsse eines dreizehnjährigen Schulmädchens interessieren wird. ~
    (S. 18)

    Als ich dieses Zitat gelesen habe, habe ich mir gedacht: Anne, wenn du damals nur gewusst hättest, dass dein Tagebuch eines Tages millionenfach verkauft und gelesen wird ...
    Das Schicksal der Anne Frank dürfte vielen wahrscheinlich schon bekannt sein: Sie starb im Frühjahr 1945 im KZ Bergen-Belsen, nachdem das Versteck, in dem sie und die anderen sieben Untergetauchten lebten, im Jahr davor von einem Lagerarbeiter an die Nazis verraten wurde. Diese Tatsache, die mir während dem Lesen natürlich ständig bewusst war, macht es schwer zu lesen, dass sich Anne Gedanken über die Zeit nach dem Krieg macht, Hoffnung hat und versucht, das beste aus der Situation im Hinterhaus zu machen. Wenn man weiß, dass sie nicht überleben wird, hinterlässt das einen trüben und traurigen Beigeschmack ...

    ~ Der Krieg stört sich nicht an unseren Streitereien, an unserer Sehnsucht nach Freiheit und Luft, und darum müssen wir versuchen, das Beste aus unserem Aufenthalt hier zu machen. ~
    (S. 169)

    Jedoch muss man sagen, dass derartige Gedanken nicht vorherrschend sind. Anne schreibt zwar hin und wieder in ihr Tagebuch, dass sie alle Angst haben und besorgt sind wegen dem, was draußen vor sich geht, aber die grundsätzlichen Themen sind eher die alltäglichen Probleme eines 13 bis 15-jährigen Mädchens mit ihrer Mutter, ihrer Schwester Margot oder den anderen im Hinterhaus lebenden Menschen. Anne verwendet auch viel Raum, um den ewig ähnlichen Tagesablauf zu beschreiben, über ihre Helfer zu sprechen, oder dass sie oft still sein mussten, wenig abwechslungsreiches Essen zur Verfügung hatten und dergleichen. Das habe ich so nicht ganz erwartet und fand ich manchmal etwas trocken zu lesen. Generell hätte es mich mehr interessiert, wenn Anne mehr über die derzeitige politische Lage, die derzeitige Kriegssituation bzw. das, was das in ihr ausgelöst hat, geschrieben hätte.

    ~ Aber das Lachen haben wir fast verlernt. Manchmal habe ich Angst, dass ich vor lauter Ernst ein starres Gesicht und Falten um den Mund bekommen werde. ~
    (S. 137)

    Anne ist ein charakterstarkes, lebensmutiges Mädchen mit ausgedehnter Energie. Sie kann ihren Willen durchsetzen und ist unbeeinflussbar, weswegen sie im Hinterhaus auch immer wieder angeeckt hat. Und da genau das das war, was sie am meisten beschäftigt hat, wurde es auch lang und breit thematisiert.
    In meiner Taschenbuchausgabe kam durch die vielen Fotos, die immer wieder zwischendrin abgebildet waren, aber glücklicherweise etwas Abwechslung zustande. Und dann gab es von Zeit zu Zeit auch mal Situationen, in denen es für Anne und ihre Familie brenzlig wurde, weil sie beispielsweise unvorsichtig im Hinblick auf die Lautstärke waren - also, es war auch Spannung und Aufregung beim Lesen vorhanden, keine Frage!

    ~ Dieses Gerede höre ich den ganzen Tag. Invasion vorne, Invasion hinten. Dispute über Hungern, Sterben, Bomben, Feuerspritzen, Schlafsäcke, Judenausweise, Giftgase und so weiter. Alles nicht erheiternd. ~
    (S. 179)

    Es ist am Ende des Buches erschreckend, dass die Tagebucheinträge so plötzlich aufhören, ohne Vorwarnung. Man weiß zwar, dass die acht Hinterhäusler nun gefasst wurden, aber es lässt einen doch irgendwie fassungslos zurück, weil es von Anne ja nun keine Einträge mehr gibt und von ihr nicht mehr erfährt, wie es ihr weiterhin ergangen ist, was sie persönlich noch alles bis zu ihrem Tod durchstehen musste ... Ich war aber trotzdem sehr dankbar für das Nachwort in dieser Ausgabe, das zwei Seiten umfasst und die Schicksale von den acht Untergetauchten thematisiert - die wirklich alles andere als rosig sind! Besonders lesenswert empfand ich im Anschluss darauf dann noch Mirjam Presslers Text über Anne Franks Leben und die Geschichte der Familie von Anne Frank, der insgesamt etwa 24 Seiten lang war. Ein äußerst interessanter Abschluss, wie ich finde!

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Tagebuch

Buchseite und Rezensionen zu 'Tagebuch' von Anne Frank
4
4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Tagebuch"

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Autor:
Format:Taschenbuch
Seiten:368
Verlag: Fischer
EAN:9783596152773
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Rezensionen zu "Tagebuch"

  1. Schreiben als Überlebensnotwendigkeit

    Das Tagebuch der Anne Frank zählt zur Weltliteratur und wird als eines der eindringlichsten Dokumente über die Judenverfolgung während des 2. Weltkrieges beschrieben. Alleine durch diese Beschreibung wollte ich zu dem Buch greifen und mir selbst ein Bild von den Gedanken eines jungen jüdischen Mädchens über ihr Leben im Amsterdamer Hinterhaus-Versteck machen. Gelesen habe ich das Buch schlussendlich mit zwei Bloggerinnen in einer gemeinsamen Leserunde, denn dass es zu der Thematik viel zu besprechen gibt, davon war auszugehen ...

    ~ Es ist für jemanden wie mich ein eigenartiges Gefühl, Tagebuch zu schreiben. Nicht nur, dass ich noch nie geschrieben habe, sondern ich denke auch, dass sich später keiner, weder ich noch ein anderer, für die Herzensergüsse eines dreizehnjährigen Schulmädchens interessieren wird. ~
    (S. 18)

    Als ich dieses Zitat gelesen habe, habe ich mir gedacht: Anne, wenn du damals nur gewusst hättest, dass dein Tagebuch eines Tages millionenfach verkauft und gelesen wird ...
    Das Schicksal der Anne Frank dürfte vielen wahrscheinlich schon bekannt sein: Sie starb im Frühjahr 1945 im KZ Bergen-Belsen, nachdem das Versteck, in dem sie und die anderen sieben Untergetauchten lebten, im Jahr davor von einem Lagerarbeiter an die Nazis verraten wurde. Diese Tatsache, die mir während dem Lesen natürlich ständig bewusst war, macht es schwer zu lesen, dass sich Anne Gedanken über die Zeit nach dem Krieg macht, Hoffnung hat und versucht, das beste aus der Situation im Hinterhaus zu machen. Wenn man weiß, dass sie nicht überleben wird, hinterlässt das einen trüben und traurigen Beigeschmack ...

    ~ Der Krieg stört sich nicht an unseren Streitereien, an unserer Sehnsucht nach Freiheit und Luft, und darum müssen wir versuchen, das Beste aus unserem Aufenthalt hier zu machen. ~
    (S. 169)

    Jedoch muss man sagen, dass derartige Gedanken nicht vorherrschend sind. Anne schreibt zwar hin und wieder in ihr Tagebuch, dass sie alle Angst haben und besorgt sind wegen dem, was draußen vor sich geht, aber die grundsätzlichen Themen sind eher die alltäglichen Probleme eines 13 bis 15-jährigen Mädchens mit ihrer Mutter, ihrer Schwester Margot oder den anderen im Hinterhaus lebenden Menschen. Anne verwendet auch viel Raum, um den ewig ähnlichen Tagesablauf zu beschreiben, über ihre Helfer zu sprechen, oder dass sie oft still sein mussten, wenig abwechslungsreiches Essen zur Verfügung hatten und dergleichen. Das habe ich so nicht ganz erwartet und fand ich manchmal etwas trocken zu lesen. Generell hätte es mich mehr interessiert, wenn Anne mehr über die derzeitige politische Lage, die derzeitige Kriegssituation bzw. das, was das in ihr ausgelöst hat, geschrieben hätte.

    ~ Aber das Lachen haben wir fast verlernt. Manchmal habe ich Angst, dass ich vor lauter Ernst ein starres Gesicht und Falten um den Mund bekommen werde. ~
    (S. 137)

    Anne ist ein charakterstarkes, lebensmutiges Mädchen mit ausgedehnter Energie. Sie kann ihren Willen durchsetzen und ist unbeeinflussbar, weswegen sie im Hinterhaus auch immer wieder angeeckt hat. Und da genau das das war, was sie am meisten beschäftigt hat, wurde es auch lang und breit thematisiert.
    In meiner Taschenbuchausgabe kam durch die vielen Fotos, die immer wieder zwischendrin abgebildet waren, aber glücklicherweise etwas Abwechslung zustande. Und dann gab es von Zeit zu Zeit auch mal Situationen, in denen es für Anne und ihre Familie brenzlig wurde, weil sie beispielsweise unvorsichtig im Hinblick auf die Lautstärke waren - also, es war auch Spannung und Aufregung beim Lesen vorhanden, keine Frage!

    ~ Dieses Gerede höre ich den ganzen Tag. Invasion vorne, Invasion hinten. Dispute über Hungern, Sterben, Bomben, Feuerspritzen, Schlafsäcke, Judenausweise, Giftgase und so weiter. Alles nicht erheiternd. ~
    (S. 179)

    Es ist am Ende des Buches erschreckend, dass die Tagebucheinträge so plötzlich aufhören, ohne Vorwarnung. Man weiß zwar, dass die acht Hinterhäusler nun gefasst wurden, aber es lässt einen doch irgendwie fassungslos zurück, weil es von Anne ja nun keine Einträge mehr gibt und von ihr nicht mehr erfährt, wie es ihr weiterhin ergangen ist, was sie persönlich noch alles bis zu ihrem Tod durchstehen musste ... Ich war aber trotzdem sehr dankbar für das Nachwort in dieser Ausgabe, das zwei Seiten umfasst und die Schicksale von den acht Untergetauchten thematisiert - die wirklich alles andere als rosig sind! Besonders lesenswert empfand ich im Anschluss darauf dann noch Mirjam Presslers Text über Anne Franks Leben und die Geschichte der Familie von Anne Frank, der insgesamt etwa 24 Seiten lang war. Ein äußerst interessanter Abschluss, wie ich finde!

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Stefan Zweigs brennendes Geheimnis

Buchseite und Rezensionen zu 'Stefan Zweigs brennendes Geheimnis' von Ulrich Weinzierl

Inhaltsangabe zu "Stefan Zweigs brennendes Geheimnis"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:288
EAN:9783552057425
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Der Junge, der Anne Frank liebte: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Der Junge, der Anne Frank liebte: Roman' von Ellen Feldman

Inhaltsangabe zu "Der Junge, der Anne Frank liebte: Roman"

Der Junge, der Anne Frank liebte

Format:Taschenbuch
Seiten:320
EAN:9783423209861
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Das Marcel Proust Lexikon (suhrkamp taschenbuch)

Buchseite und Rezensionen zu 'Das Marcel Proust Lexikon (suhrkamp taschenbuch)' von Philippe Michel-Thiriet

Inhaltsangabe zu "Das Marcel Proust Lexikon (suhrkamp taschenbuch)"

Das Buch ist in Ordnung.

Format:Taschenbuch
Seiten:514
EAN:9783518395493
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Kindheiten

Buchseite und Rezensionen zu 'Kindheiten' von Michaela Schonhöft
4
4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Kindheiten"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:384
Verlag: Pattloch
EAN:9783629130372
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Rezensionen zu "Kindheiten"

  1. 4
    13. Jul 2015 

    Mama, wo wohnt das Glück?

    Afrikanische Babys schreien viel weniger als deutsche; in japanischen Kitas fühlen sich die Kleinen viel wohler als in unseren; in Finnland leistet die Schul-Ambulanz erste Hilfe bei mangelndem Lernerfolg - es gibt noch viel mehr Beispiele gelingender Kindererziehung auf dieser Welt! Michaela Schonhöft war in Südostasien und Südamerika, in Skandinavien und Frankreich und anderswo und hat mit Eltern rund um den Globus gesprochen. Können es die anderen besser?

    Mama, wo wohnt das Glück?

    Diese Frage der zweieinhalbjärhigen Tochter der Autorin stellt schon den Dreh- und Angelpunkt dieses Buches heraus. Denn Glück als das wesentliche Erziehungsziel - darauf können Eltern sich weltweit über alle Sprachen, Kontinente und Kulturen verständigen. Doch wie das Glück zu definieren und zu erreichen ist, darüber haben sie alle sehr unterschiedliche Ansichten.

    Ein interessantes und gut recherchiertes Buch bietet Michaela Schonhöft hier, das Einblicke in die Kindheiten quer über den Globus vermittelt. Teilweise beruhen die Erkenntnisse auf eigenen Beobachtungen der Autorin durch Reisen in die verschiedensten Länder der Welt, teilweise beruft sie sich in ihren Ausfürungen aber auch auf Sekundärquellen wie Studien, Ratgeber und auch Medien.

    Angefangen bei der Schwangerschaft bis hin ins Erwachsenenalter präsentiert die Autorin die landestypischen Unterschiede. In China beispielsweise schicken viele Eltern ihre Kinder gleich in zwei Kindergärten - morgens in den 'normalen', nachmittags in den englischsprachigen. In den Niederlanden sind Überstunden nahezu verpönt - die arbeitsfreie Zeit gehört der Familie und damit den Kindern. Und in Deutschland ist es wichtig, dass Kinder sich von klein auf an Regeln und Grenzen halten.
    Aber auch das Heranwachsen der Jugendlichen ist erstaunlich unterschiedlich. Klar, die Kindheit endet nicht plötzlich - aber wie verschieden der Umgang mit der Pubertät sein kann, ist schon verblüffend. Dabei kristallisieren sich bei allen Unterschieden jedoch auch Gemeinsamkeiten heraus. So liegt beispielsweise dem oftmals nicht nachvollziehbaren Verhalten der Jugendlichen das dringende Bedürfnis zugrunde, sich zu bewähren. Statt von der Gesellschaft Mutproben gestellt zu bekommen (wie das Erlegen eines wilden Tieres) denken sich hierzulande die Jugendlichen eigene Bewährungsmöglichkeiten aus (wie der Diebstahl im Kaufhaus). In jedem Fall ein interessanter Gedankengang.

    Kindern geht es dort am besten, wo Erziehung als gemeinschaftliche Aufgabe betrachtet wird.

    Manches gerät hier in der Darstellung etwas wissenschaftlich-trocken, das meiste jedoch ist gut verständlich präsentiert und verschafft dem Leser einen wirklich guten Überblick über die kulturellen Unterschiede in der Kindererziehung. Damit ist das Buch in jedem Fall geeignet, um eigene und gesellschaftliche Werte gelegentlich doch einmal zu überdenken...

    Vielleicht kommen wir so ja dem Glück ein Stück näher?

    © Parden

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