Inhaltsangabe zu "Jeder stirbt für sich allein"
»Das beste Buch, das je über den deutschen Widerstand gegen den Nationalsozialismus geschrieben wurde.«
Primo Levi
»Ein literarisches Großereignis.«
The New York Times
Ein einzigartiges Panorama des Berliner Lebens in der Nazizeit: Hans Falladas eindrückliche und berührende Darstellung des Widerstands der kleinen Leute avanciert rund sechzig Jahre nach der Entstehung zum internationalen Publikumserfolg. Jetzt erscheint erstmals die ungekürzte Fassung nach dem bislang unveröffentlichten Originalmanuskript.
Ein Berliner Ehepaar wagte einen aussichtslosen Widerstand gegen die Nazis und wurde 1943 hingerichtet. Von ihrem Schicksal erfuhr Hans Fallada aus einer Gestapo-Akte, die ihm durch den Dichter und späteren Kulturminister Johannes R. Becher in die Hände kam. Fieberhaft schrieb Fallada daraufhin im Herbst 1946 in weniger als vier Wochen seinen letzten Roman nieder und schuf ein Panorama des Lebens der „normalen“ Leute im Berlin der Nazizeit: Nachdem ihr Sohn in Hitlers Krieg gefallen ist, wollen Anna und Otto Quangel Zeichen des Widerstands setzen. Sie schreiben Botschaften auf Karten und verteilen sie in der Stadt. Die stillen, nüchternen Eheleute träumen von einem weitreichenden Erfolg und ahnen nicht, dass Kommissar Escherich ihnen längst auf der Spur ist. – Diese Neuausgabe präsentiert Falladas letzten Roman erstmals in der ungekürzten Originalfassung und zeigt ihn rauer, intensiver, authentischer. Ergänzt wird der Text durch ein Nachwort, Glossar und Dokumente zum zeithistorischen Kontext.
»Der Erfolg von ›Jeder stirbt für sich allein‹ zeigt, dass das Schwarzweißbild der Hitlerjahre endlich einer nuancierten Wahrnehmung weicht.« F. A. Z.
Eine berührende Geschichte um fünf Kinder
Prolog - das Ende (1934)
Vier Kinder warten auf Manja - Karl, Franz, Heini und Harry. Sie sitzen auf einer Mauer, ihrem geheimen Treffpunkt und warten auf ihre Freundin, die sie alle verbindet und die den Kern ihrer seltsamen Gemeinschaft bildet. Ohne Manja ist ihre Freundschaft zerbrechlich und wird die schwierige Zeit nicht überdauern.
Inhalt
Im ersten Teil wird zunächst erzählt, unter welchen Umständen die fünf Kinder gezeugt werden - alle in der gleichen Nacht im Jahre 1922 - und wer ihre Eltern sind.
Heini Heidemanns Vater Ernst Heidemann ist ein Kriegsheimkehrer und Arzt, der auf dem Schlachtfeld einen Lungenschuss erlitten hat. Fast möchte er aufgrund seiner angeschlagenen Gesundheit seine Geliebte Hanna Heidemann verlassen, die darüber tief unglücklich ist. Doch auf dem Weg zum Bahnhof kehrt er um, und die beiden feiern eine glückliche Vereinigung. Ihre liebevolle Zuneigung überdauert die Zeit und Heini wächst in einem humanistischen Elternhaus auf, sich der Liebe der Eltern gewiss. Als Ernst im Krankenhaus aufgrund seiner gesundheitlichen Verfassung einen Zusammenbruch erleidet, bittet Hanna den reichen Bankier Hartung um Geld für den Aufenthalt in einem Luftkurort. Hartung gerührt von solch einer Liebe gewährt ihr eine großzügige Summe. Im Gegenzug verlangt er allerdings, dass Hanna nach der Genesung ihres Mannes Heini zu seinem Sohn Harry mitbringt, so lernen sich die beiden Jungen kennen.
Harry Hartung ist ein zartes Kind, dessen Mutter Hilde ihrer Aufgabe nur unzureichend nachkommen kann. Sie liebt ihren geschäftstüchtigen Ehemann, den Kommerzienrat Max Hartung nicht, hat regelrecht Angst vor ihm, genau wie Harry, der keine Beziehung zu seinem strengen Vater aufbauen kann. Hartung ist ein assimilierter Jude, der im Namen der nationalen Sache illegal mit Waffen handelt und gut dabei verdient . So gut, dass er das Anwesen Bucheneck des mittellosen Adligen Adrian erwirbt, in den sich wiederum seine Frau verliebt. Hartungs Portier in der Bank ist der faschistische Meißner, mit dessen Sohn Franz sich Harry anfreundet.
Franz Meißners Zeugung offenbart das ganze Elend einer unglücklichen, in ärmlichen Verhältnissen lebenden Familie, in der Frieda Meißner ebenfalls Angst vor ihrem zornigen Ehemann Anton hat. So hält sie in dieser einen Nacht still und wehrt die Annäherungsversuche ihres Mannes nicht ab, obwohl sie es gerne würde. Meißner, der seine vorherige Stellung verloren hat, hasst seine Portierstätigkeit beim reichen "Juden" und verachtet die Roten. Nichtsdestotrotz freundet sich sein Sohn mit dem Klassenkameraden Karl an, dessen Vater ein Kommunist ist.
Karl Müller stammt genau wie Franz aus ärmlichen Verhältnissen, aufgrund seiner kommunistischen Einstellung ist sein Vater Eduard ständig arbeitslos und seine Mutter verdingt sich als Wäscherin. Doch im Gegensatz zu den Meißners herrscht ein liebevoller Umgang in der Familie. Anna Müller ist im Gegensatz zu Frieda eine zupackende, warmherzige Frau, die ihrem Mann zur Seite steht und sich im Krankenhaus der kleinen Manja annimmt, da deren Mutter zu wenig Milch hat.
Manja wird gezeugt von zwei Menschen, die sich in einer verzweifelten Nacht aneinander klammern. Doch während die Ostjüdin Lea, Manjas Mutter, am Leben bleibt, erschießt sich Manjas Vater, da er den Bildern des Krieges nicht entkommen kann. In ihrer Verzweiflung heiratet Manjas Mutter den polnischen und jüdischen Kaufmann Leo Meirowitz, der schon lange um ihre Hand anhält. Gemeinsam ziehen sie nach Berlin. Als Leo, der ahnt, dass Manja nicht seine Tochter ist, Gewissheit erhält, verlässt er Lea mit ihren drei Kindern, die daraufhin in das gleiche Haus zieht, in dem auch die Müllers leben. Aber Lea hat nichts von Annas zupackender Art, so muss Manja mit für ihre Mutter und ihre Geschwister sorgen.
Manja lernt Karl beim Einzug kennen und über ihn auch die anderen drei Jungen. Fortan treffen sie sich immer mittwochs und samstags an der Mauer und verbringen gemeinsam unbeschwerte Stunden der Kindheit. Nur an diesem Ort können sie unabhängig von ihrem sozialen und politischen Umfeld, Freunde sein, füreinander da sein und ihre Träume ausleben.
Doch ihre gemeinsame Zeit erfährt eine Bedrohung durch den aufkommenden Nationalsozialismus, der die Lebensbedingungen der Kinder und deren Familien grundlegend verändert. Während Kommerzienrat Hartung sich Anfeindungen und Schikanen nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten ausgesetzt sieht, ist diese für den Faschisten Anton Meißner das Sprungbrett für den Aufstieg aus seinem bisherigen sozialen Milieu. Nun kann er sich ein Dienstmädchen leisten und eifrig sammelt er Material gegen Hartung und Heidemann, der ihm mit seiner humanistischen Haltung ein Dorn im Auge ist. Karls Vater hingegen wird als Kommunist verhaftet, während Manja als Ostjüdin ebenfalls den Schmähungen ausgesetzt ist. Die Freundschaft der Kinder wird auf eine harte Probe gestellt. Plötzlich stehen sie auf verschiedenen Seiten, Franz, der im Jungvolk ist, der Viertel-Jude Harry, Karl und Heini, die Manja beide heiraten möchten, sie alle werden noch von ihr zusammen gehalten. Aber wie lange können die Kinder die sozialen und politischen Umstände ausblenden?
Die Lage eskaliert, als ein Schulkamerad von Franz und Karl, Martin mit zum geheimen Treffpunkt der Freunde will. Er ist von Manja angetan, doch sie weist ihn zurück. Etwas, dass Martin nicht ertragen kann und so startet er einen erneuten Anlauf und passt Manja eines Abends ab - mit fatalen Folgen für das junge Mädchen und die Freundschaft der Kinder.
Bewertung
Obwohl es so viele Romane gegen das Vergessen gibt, auch aus der Anfangszeit des Nationalsozialismus, bietet dieser einen tiefen Einblick in das Alltagsleben ganz unterschiedlicher Familien, die den Kommunismus und den Faschismus, aber auch eine humanistische, pazifistische Einstellung repräsentieren. Obwohl die Familien und deren einzelnen Mitglieder so verschieden sind: arm und reich, gebildet und sozial benachteiligt, naiv und weltgewandt, überwinden die fünf Kinder in ihrer Unschuld all diese Gegensätze und knüpfen unbeeindruckt von den Erwachsenen ihr Band der Freundschaft. Bis diese Unschuld angegriffen wird und auch sie in dieser unmenschlichen Zeit kapitulieren muss.
Anja Gmeyner gelingt ein sensibel gezeichnetes Bild der Kinder, ihrer Familien und der tiefgreifenden Veränderungen, die sich aufgrund der politischen Verhältnisse und des staatliche verordneten Antisemitismus ergeben.
Dabei bedient sie sich einer bilderreichen, fast schon poetischen Sprache, die vor allem die Zwischentöne in den vielen Gesprächen innerhalb des Romans beleuchtet. Ihr Affinität zum Bildbereich der Musik ist dabei unüberhörbar. Getragen wird das Hörbuch von der wunderbaren Vorleserin Iris Berben, die die Ungeheuerlichkeiten der Ereignisse mit ihrer Stimme unterstreicht.
Ein wichtiger Roman, der glücklicherweise wieder entdeckt worden ist, und hoffentlich noch viele Leser/innen oder Zuhörer/innen erreichen kann.