Der Schwimmclub der traurigen Heldinnen

Buchseite und Rezensionen zu 'Der Schwimmclub der traurigen Heldinnen' von Ruth Fitzmaurice
4
4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Der Schwimmclub der traurigen Heldinnen"

Format:Broschiert
Seiten:224
Verlag: Knaur HC
EAN:9783426214398
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Rezensionen zu "Der Schwimmclub der traurigen Heldinnen"

  1. 4
    02. Jan 2019 

    Wieviel Kraft kostet die Akzeptanz eines Todesurteils?

    Ein ergreifende wahre Lebensgeschichte aus Irland: Ruth Fitzmaurice, eine junge Ehefrau und Mutter, meistert mit der Kraft ihrer Liebe ein schweres Schicksal. Ihr geliebter Mann Simon leidet an der unheilbaren Motoneuron-Krankheit, an der auch Stephen Hawking litt. Ein berührendes irisches Familienschicksal!

    Als Ruth Fitzmaurices Mann Simon die Diagnose Motoneuron-Krankheit erhält, bricht für die junge irische Familie eine Welt zusammen. Die Ärzte geben ihm höchstens noch drei Jahre zu leben. Allen Warnungen zum Trotz, lässt Ruth ihren Mann zu Hause pflegen inmitten ihres Haushalts, der aus fünf Kindern unter zehn Jahren, einem alten Hund und bald auch einer Heerschar von Pflegern besteht. Doch Simons Zustand verschlechtert sich zusehends. Schließlich kann er nur noch mit seinen Augen via Computer kommunizieren. Aber er überlebt seine Drei-Jahres-Diagnose getragen von der Liebe seiner Frau und seinen Kindern. Für Ruth ist die Belastung enorm. Doch sie gibt nicht auf und findet ihren Platz zum Auftanken und Loslassen an der Greystone Bay. Dort trifft sich "der Schwimmclub der traurigen Heldinnen" fast täglich, um in die wilden Fluten der irischen See zu springen. Denn beim Schwimmen im eiskalten Wasser vergessen die Freundinnen ihre Trauer und ihre Sorgen und können dem Alltag danach mit neuer Kraft, Humor und Liebe begegnen. Die Geschichte einer bemerkenswert starken Frau, die unter die Haut geht und zum Nachdenken anregt.

    In kurzen Kapiteln lässt Ruth Fitzmaurice uns teilhaben an ihren Gedanken, Gefühlen, Abläufen in ihrem Leben. Seit der Nachricht, dass ihr Mann unheilbar an der Motoneuron-Krankheit leidet und voraussichtlich nur noch drei Jahre zu leben hat, steht die Welt der Familie Kopf. Trauer, Angst und Wut stehen im Widerstreit mit dem festen Willen alles zu tun, damit Simon in Würde leben kann, auch wenn sich sein Zustand zusehends verschlechtert - damit die Familie noch als Familie funktioniert, auch wenn sich Gruppen von Pflegern die Klinke in die Hand geben, damit Ruth selbst der Gegenwart und Zukunft mit Mut und Kraft begegnen kann, auch wenn sie dem Schicksal nicht entrinnen kann.

    Titel, Cover und Klappentext implizieren, dass besagter Schwimmclub der traurigen Heldinnen hier einen besonderen Stellenwert einnimmt. Dies stimmt jedoch nur bedingt. Eindeutig ist sowohl die Gemeinschaft der drei Freundinnen, die alle auf ihre Art traurig sind, als auch das eigentliche Schwimmen im Meer ein Bestandteil im Leben, der Ruth Kraft gibt. Dieses Schwimmen gibt dem Tag eine feste Struktur und sorgt gleichzeitig dafür, dass Ruth für einige Minuten ihre Gedanken loslassen kann und nur sie selbst ist. Doch nehmen die Schilderungen dieser Szenen nur einen kleinen Teil des Buches ein.

    Rasch aufeinanderfolgende Kapitel zeigen auf, wie sehr sich das Leben für Ruth - und für alle anderen in ihrer Familie - verändert hat seit der Diagnose. Das Bemühen, weiterhin positiv zu denken und stark zu sein - für Simon, für die fünf Kinder, für das Leben. Aber auch die grauen Tage, die Mutlosigkeit, die Trauer, der Blick auf das Unvermeidliche. Nicht chronologisch, sondern wild hin und her springend in den Zeiten - Szenen vor der Erkrankung, die allmähliche Verschlechterung von Simons Zustand, die Reaktionen der Kinder und von Simons Mutter, die Entscheidung, trotz fortgeschrittener Erkrankung ein weiteres Kind zu bekommen (es wurden dann Zwillinge), sowieso immer wieder ein: Trotzdem!

    Mit der Bewertung derartiger Bücher tue ich mich immer wieder schwer. Die Art des Springens in den Zeiten sowie häufig auch von einem Gedanken zu einem ganz anderen Thema empfand ich oftmals als verwirrend, kann aber nachvollziehen, dass Erinnerungen, Empfindungen, Gedankenfetzen sprunghaft kommen und die Art der Darstellung insofern wieder passend ist. Der Schreibstil ist eher einfach, und immer wieder schleichen sich Wiederholungen ein - aber kommt es bei einem solchen Erfahrungsbericht wirklich darauf an? In jedem Fall gehört eine gewaltige Portion Mut dazu, sich nicht nur der Krankheit - und hier gibt es kein Happy End - zu stellen, sondern diese und das eigene Leben auch einem Publikum zu präsentieren. Sicher eine Form der Trauerbewältigung für Ruth Fitzmaurice, aber vielleicht auch etwas, das anderen Betroffenen Mut machen kann. Denn Ruth hat überlebt.

    Bei allem Elend vermeidet es die Autorin jedenfalls, auf die Tränendrüse zu drücken. Es geht ihr nicht darum bemitleidet zu werden, es geht ihr darum, Stärke zu demonstrieren, zu zeigen, wozu Liebe in der Lage ist und was Zusammenhalt bedeutet. Natürlich gibt es auch berührende Szenen, vor allem gegen Ende, und es ist zu ahnen, wie schwer ihr allein die Erinnerungen gefallen sein müssen. Aber letztlich ist es wirklich das Buch einer Überlebenden, einer Kämpferin, einer starken Frau. Und dafür zolle ich ihr meine Hochachtung...

    © Parden

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Weihnachten in der wundervollen Buchhandlung

Buchseite und Rezensionen zu 'Weihnachten in der wundervollen Buchhandlung' von Petra Hartlieb
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5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Weihnachten in der wundervollen Buchhandlung"

Gebundenes Buch
"Und am vierundzwanzigsten Dezember sind wir tot ...

... oder beinahe tot", denkt sich die Wiener Buchhändlerin Petra Hartlieb, wenn irgendwann im November der Weihnachtswahnsinn beginnt. Jeder Tisch, jedes Regal, jede noch so kleine Lücke in ihrem Laden ist gefüllt mit den Büchern fürs Weihnachtsgeschäft. Die Kunden kommen in Scharen - und oft genug in Panik. Sie stellen obskure Fragen, spielen lustiges Titelraten mit den Buchhändlerinnen, sind gehetzt, verzweifelt und manchmal auch einfach nur dankbar.

Viele Stammkunden sind mittlerweile zu guten Freunden geworden und bringen dringend benötigte Nahrung, Hilfe in jeder Form sowie gute Laune vorbei. Und so hat die schrecklichste Zeit des Jahres auch schöne Momente. Der allerschönste Tag ist für Petra Hartlieb aber immer noch der eine: der vierundzwanzigste Dezember - denn da gehen spätestens um 13 Uhr die Lichter in der Buchhandlung aus, und alles ist endlich vorbei. Für ein Jahr.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:160
EAN:9783832198879
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Rezensionen zu "Weihnachten in der wundervollen Buchhandlung"

  1. Vorweihnachtszeit in der Buchhandlung und keine Spur von Stille

    „Es ist auch gar nicht so schlimm, Buchhändlerin zu sein. Noch nicht mal im Dezember. Eigentlich hab ich alles richtig gemacht.“ (Zitat Seite 70)

    Inhalt:
    Seit vierzehn Jahren gibt es nun Harbliebs Buchhandlungen in Wien Währing und Wien Alsergrund. Dies sind auch vierzehn Mal Hochbetrieb in der gar nicht stillen Vorweihnachtszeit und vierzehn Mal erschöpftes, aber erleichtertes Aufatmen so gegen 13 Uhr am 24. Dezember. Da sammeln sich viele Geschichten, Gschichterln und Erlebnisse an und davon handelt dieses Buch.

    Personen, Orte und alles Drumherum:
    Hauptprotagonistin ist natürlich die Buchhandlung selbst, die in diesen Wochen aus allen Nähten platzt und dazu kommen alle Beteiligten, die sich beinahe rund um die Uhr bemühen, dass genau das nicht passiert, sondern dass alles funktioniert. Improvisation ist gefragt, vor allem aber die Liebe zu Büchern und genau darum geht in diesem Buch. Von fragmentarischen Kundenwünschen, die dennoch erkannt werden, von einem eingespielten Team und von Freundschaft, darüber erzählen die einzelnen Episoden.
    Der Autorin geht es weniger um eine chronologische Handlung, sondern um die Erlebnisse und Erfahrungen in diesen Jahren, erzählt in einzelnen kurzen Episoden und mit viel Humor. Hier ist jemand, der noch immer den Traum lebt, realistisch, mit allen Höhen und Tiefen, und daher ist es auch keine überzuckerte Romantik, die den Leser hier erwartet.

    Fazit:
    „Ich mag keine Buchhändlerinnen, die ständig jammern“, schreibt die Autorin auf Seite 105, aber genau das findet in den ersten Kapiteln des Buches ziemlich intensiv statt. Dann jedoch gewinnen die Geschichten an Intensität, Humor und damit Leichtigkeit. Andererseits ist es gerade diese Offenheit und ehrliche Realität, die den Leser überzeugt. Hier wird der in unseren lesebegeisterten Köpfen verklärte Beruf der Buchhändlerin entzaubert, ohne jedoch den wirklichen Zauber, nämlich die Liebe zu Büchern und zu Buchhandlungen, zu verlieren.

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Gertrude Pressburger, und Marlene Groihofer

Buchseite und Rezensionen zu 'Gertrude Pressburger, und Marlene Groihofer' von Gertrude Pressburger
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Inhaltsangabe zu "Gertrude Pressburger, und Marlene Groihofer"

Gertrude Pressburger, und Marlene Groihofer

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:208
EAN:9783552058903
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Rezensionen zu "Gertrude Pressburger, und Marlene Groihofer"

  1. Niemals vergessen!

    „Das Niedrigste wird aus den Leuten herausgeholt, nicht das Anständige.“

    Gertrude Pressburger hat 2016 mit knapp 90 Lebensjahren auf sich aufmerksam gemacht, als sie im Wahlkampf um den österreichischen Bundespräsidenten ein Plädoyer gegen rechts gehalten hat. Das Video wurde viral, die alte Dame war in aller Munde. Nun ließ sie ihre Lebensgeschichte von der Radiojournalsitin Marlene Groihofer aufzeichnen.

    Frau Pressburgers Geschichte spricht für sich, sie hat Auschwitz überlebt, ihre Familie nicht. Verfolgung, Flucht, Internierung, menschliche Grausamkeit, Gertrude Pressburger musste als junges Mädchen viel ertragen. Ihre Erinnerungen machen betroffen, bei jedem Wort über ihre Eltern, ihre kleinen Brüder spürt man immer noch die Liebe zu diesen Menschen und die Trauer um deren Verlust.

    Trotz all der unfassbaren Erlebnisse, die sie erlebte und überlebte, hat sie ihren Lebensmut nie verloren, blieb sich selbst immer treu. Die Heimkehr nach Wien nach dem Krieg kam ihr die Heimatstadt wie Feindesland vor. Bei Begegnungen mit Fremden, kreisten ständig ihre Gedanken, darum, was der oder diejenige im Krieg getan oder nicht getan hat. Selbst in ihrer Schwiegerfamilie behielt sie lieber Schweigen um ihre Vergangenheit, erst als ihre Tochter alt genug war, begann sie von ihrem Leben zu erzählen.

    Heute ist es der alten Dame wichtig, gehört zu werden. Bei ihrer Buchpräsentation stellt sich die 90 jährige einem enormen Publikum. Bald wird es keine Zeitzeugen dieser ungeheuerlichen Zeit geben. Umso wichtiger ist es daher, dass Lebensgeschichten, wie die der Frau Pressburger, weitergegeben werden. Es ist nicht Mitleid, das sie möchte, es ist die Hoffnung, dass die Menschen doch in der Lage sind, aus der Geschichte zu lernen. In diesem Sinne, niemals vergessen.

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Good Night Stories for Rebel Girls

Buchseite und Rezensionen zu 'Good Night Stories for Rebel Girls' von Elena Favilli
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Inhaltsangabe zu "Good Night Stories for Rebel Girls"

100 außergewöhnliche Frauen
Gebundenes Buch
Sie sind ins All und über den Atlantik geflogen, haben den Erdball schon mit 16 umsegelt und die höchsten Gipfel in Röcken bestiegen. In allen Ländern und zu allen Zeiten gab es Frauen, die mutige Vorreiter waren, neugierige Entdeckerinnen, kluge Forscherinnen und kreative Genies. Herrscherinnen, die unter widrigsten Umständen ihre Länder regierten, Aktivistinnen, die gegen Ungerechtigkeit protestierten, Wissenschaftlerinnen, die unbekannte Pflanzen und gefährliche Tiere erforschten. Dieses Buch versammelt 100 inspirierende Geschichten über beeindruckende Frauen, die jedem Mädchen Mut machen, an seine Träume zu glauben. Eine spannende Lektüre, illustriert von über 60 Künstlerinnen aus aller Welt.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:224
EAN:9783446256903
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Rezensionen zu "Good Night Stories for Rebel Girls"

  1. Beeindruckende Geschichten für Frauen jeden Alters

    Die Gestaltung des Covers hat mir sehr gut gefallen. Es ist schön farbenfroh und spricht mit dem Layout und nicht zuletzt natürlich auch mit der inhaltlichen Aufbereitung Mädchen und Frauen jedes Alters an.
    Das Buch vermittelt eine ganz wichtige Botschaft, die schön zu lesen ist - Frauen können alles schaffen. Wir stecken mitten in einem Wandel und all diese starken Frauen zeigen, was möglich ist. Dieses Buch vereint die berühmtesten Personen der letzten Jahrhunderte, und nicht alle waren mir vor dem Lesen ein Begriff - auch ich habe viel neues in dem Buch erfahren.

    Das Buch muss verbreitet werden - und auch einem Mann würde es nicht schaden, sich damit zu beschäftigen (vermutlich ist hier das Interesse dann eher geringer).

    Die Gestaltung des Covers hat mir sehr gut gefallen. Es ist schön farbenfroh und spricht mit dem Layout und nicht zuletzt natürlich auch mit der inhaltlichen Aufbereitung Mädchen und Frauen jedes Alters an.
    Das Buch vermittelt eine ganz wichtige Botschaft, die schön zu lesen ist - Frauen können alles schaffen. Wir stecken mitten in einem Wandel und all diese starken Frauen zeigen, was möglich ist. Dieses Buch vereint die berühmtesten Personen der letzten Jahrhunderte, und nicht alle waren mir vor dem Lesen ein Begriff - auch ich habe viel neues in dem Buch erfahren.

    Das Buch muss verbreitet werden - und auch einem Mann würde es nicht schaden, sich damit zu beschäftigen (vermutlich ist hier das Interesse dann eher geringer).

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  1. ihr könnt alles sein!

    Was haben Angela Merkel, Coco Chanel und Rosa Parks gemeinsam. Diese und noch 97 andere Frauen bekommen Platz in dem großartigen Buch Good Night Stories for Rebel Girls. 100 Kurzbiografien außergewöhnlicher Frauen über alle Grenzen, Altersklassen, Herkunftsländer und Zeiten hinweg erzählen von Politikerinnen, Künstlerinnen, Aktivistinnen, Wissenschaftlerinnen. Bekannte und weniger bekannte Frauen, die stolz sein können auf ihre Leistungen, sei es im Rampenlicht oder im Stillen. Die Botschaft lautet: Habt Mut, macht was ihr wollt, ohr könnt alles sein!
    Jede einzelne Lebensbeschreibung wird mit wunderbaren Portraits, gestaltet von 60 Malerinnen, begleitet. Farbenprächtig, lebensfreudig, abstrahiert und nachdenklich, die Gestaltung folgt keinem Muster. Die Texte selber sind prägnant und doch so einfach gehalten, dass auch ganz junge Rebellinnen diesen Geschichten folgen können.
    In einem einzigartigen Crowdfunding konnte dieses Buch entstehen, was ich absolut bewundernswert finde. Dieses Buch sollte wirklich auf dem Nachttisch aller 7- bis 97-jährigen liegen.

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In meinen Träumen läutet es Sturm

Buchseite und Rezensionen zu 'In meinen Träumen läutet es Sturm' von Mascha Kaléko
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5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "In meinen Träumen läutet es Sturm"

Gedichte und Epigramme aus dem Nachlass
Gebundenes Buch
"Zur Heimat erkor ich mir die Liebe"

In Mascha Kalékos Nachlassgedichten mischen sich auf unnachahmliche Art Humor und Poesie, Leichtigkeit und Tragik. Sie schreibt von Heimat und Fremde, von Weltenstürmern und Schmetterlingsträumen und immer wieder von der Liebe in all ihren Facetten. Ihre "Gebrauchspoesie" ist aus dem Alltag für den Alltag - Lyrik, die begeistert und berührt. Der Bestseller mit Gedichten und Epigrammen aus dem Nachlass, der seit über vierzig Jahren im Taschenbuch lieferbar ist, erscheint nun in einer hochwertigen Schmuckausgabe.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:192
EAN:9783423289863
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Rezensionen zu "In meinen Träumen läutet es Sturm"

  1. 5
    03. Dez 2018 

    Berühmt - und doch unbekannt...

    Hand aufs Herz - Mascha Kaléko? Wer von uns hat zuvor schon etwas von dieser Frau gehört oder gelesen? Nun, ich kann natürlich nur für mich schreiben, und ich muss gestehen: ich nicht...

    Mascha Kaléko. Dieser Name tauchte zuerst um 1930 in Berlin auf - sie schrieb "Zeitungsgedichte", vom Alltag für den Alltag, und diese Art der pointierten Großstadtlyrik liebte man in den dreißiger Jahren ganz besonders. Kaléko gehörte in Berlin zum Kreis der schöpferischen Boheme, saß, dichtete und diskutierte im "Romanischen Café" mit Größen wie Tucholsky, Ringelnatz und Kästner. Die erste Auflage ihres Buches "Das lyrische Stenogrammheft" war schnell vergriffen - doch als Ernst Rowolt die zweite Auflage druckte und auch ihr zweites Werk "Kleines Lesebuch für Große", wurden beide Bücher noch in der Druckerei beschlagnahmt. Mascha Kaléko war Jüdin.

    "Berühmt - und doch unbekannt: der Schnittpunkt dieser beiden Komponenten weist auf ein deutsch-jüdisches Schicksal, markiert den Sturz ins Vergessenwerden, signalisiert das Verdammtsein ins Echolose, zur totalen Heimatlosigkeit."

    Das lebenslängliche Gefühl von Heimweh und Ausgeliefertsein, Emigrantin von Kind auf, Schicksalsschläge und Einsamkeit - all dies prägt die Lyrik von Mascha Kaléko.

    " Wie in der kranken Auster nur
    sich eine Perle rundet
    so formt sich auch des Dichters Lied
    im Herzen, das verwundet."

    (Aus "Sublimiertes Wehweh")

    ********

    Oftmals sind die Gedichte Ausdruck der Überzeugung oder der Gefühle der Autorin. Es finden sich Werke zu Freundschaft, Zivilcourage, Umgang mit Schicksalsschlägen - und immer wieder Einsamkeit. Und Kaléko bringt es derart auf den Punkt, dass die Gedichte für sich sprechen und keiner Interpretation bedürfen.
    Alleine um sie nicht in Vergessenheit geraten zu lassen - für mich - stelle ich hier nun noch zwei der Gedichte ohne weiteren Kommentar vor.

    Der Eremit

    Sie warfen nach ihm mit Steinen.
    Er lächelte mitten im Schmerz.
    Er wollte nur sein, nicht scheinen.
    Es sah ihm keiner ins Herz.

    Es hörte ihn keiner weinen,
    Er zog in die Wüste hinaus.
    Sie warfen nach ihm mit Steinen.
    Er baute aus ihnen sein Haus.

    *********

    Take it easy!

    Tehk it ih-sie, sagen sie dir.
    Noch dazu auf englisch.
    "Nimm´s auf die leichte Schulter!"

    Doch, du hast zwei.
    Nimm´s auf die leichte.

    Ich folgte diesem populären
    Humanitären Imperativ.
    Und wurde schief.
    Weil es die andere Schulter
    Auch noch gibt.

    Man muss sich also leider doch bequemen,
    Es manchmal auf die schwerere zu nehmen.

    *********

    Es ist nicht immer die Zeit für Gedichte. Aber wenn die Zeit passend ist, ist dieses Buch eine Bereicherung.
    Von mir eine klare Empfehlung!

    © Parden

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Der Gesang des Nordlichts

Buchseite und Rezensionen zu 'Der Gesang des Nordlichts' von Heike Fröhling
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Der Gesang des Nordlichts"

Format:Taschenbuch
Seiten:234
Verlag: Tinte & Feder
EAN:9782919803446
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Rezensionen zu "Der Gesang des Nordlichts"

  1. 5
    02. Dez 2018 

    Bewegend

    Der Wunsch von Gerhard nach einem gemeinsamen Weihnachtsfest der Familie im Seehaus in Schweden wirbelt das Leben von seiner Tochter Claudia und ihren Schwestern erst einmal komplett durcheinander. Niemand hat so richtig Lust sich der anstrengenden Fahrt nach Schweden zu unterziehen und das auch noch in dieser dunklen Jahreszeit. Aber die Schwestern wollen den Vater, der nach dem Tod der Mutter nun allein ist, nicht enttäuschen.

    In einzelnen Erzählabschnitten erfahren wir nicht nur viel vom Leben der drei Schwestern und ihren Alltagsproblemen, es wird auch schnell deutlich, dass jede Geheimnisse verbirgt. Sie würden sich gerne anvertrauen, nur der richtige Zeitpunkt ist gerade nie vorhanden.

    Mit diesen individuellen Sorgen und Problemen wird ein harmonisches Weihnachtsfest noch viel schwieriger und es dauert nicht lange, bis die ersten Konflikte eskalieren. Gerhard, der Vater, merkt das dieses Fest sehr viel komplizierter werden könnten, als die vorherigen. Auch er schleppt eine Bürde mit sich und weiß nicht, wie sie seinen Kindern sagen soll. Aber er ist auch bereit, eines der großen Familiengeheimnisse zu lüften. Die Schilderung seiner Erlebnisse zum Ende des zweiten Weltkriegs und seine Erklärungen, wieso ihm das Seehaus in Schweden vererbt wurden, lassen die Familie wieder zusammen wachsen. Letztlich ist es auch der Erzählung seiner Erlebnisse zu verdanken, dass die Familie wieder anfängt miteinander zu reden und vor allem sich zu zuhören.

    Mit der Aufzeichnung ihrer sprachlich zeitgemäßen Konversationen zwischen den Geschwistern und vor allem den Kindern von Claudia trifft sie genau den Zeitgeist der heutigen Generation. Heike Fröhling gelingt es die Emotionen, Gedanken und Gefühle der Protagonisten so geschickt einzufangen, dass man beim Lesen das Gespür hat mit dabei zu sein. Das gibt einem beim Lesen echte nachvollziehbare Gefühle und lässt einen tief in das Buch eintauchen.

    Die Autorin beeindruckt erneut durch ihren grandiosen Schreibstil, der durch ihren gekonnten Umgang mit Wörtern und Sprache gekennzeichnet ist. Das Lesen ist angenehm, es ist ein flüssiger Stil und ein gutes Tempo. Die Handlung in diesem Roman ist stimmig und schön, genial wie alles ineinander spielt und sich zum Ganzen fügt.

    Ich empfehle zu gerne dieses Buch und vergebe verdiente fünf Lesesterne.

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Carlsen Clips: Ich weiß alles über dich

Buchseite und Rezensionen zu 'Carlsen Clips: Ich weiß alles über dich' von Thomas Feibel
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Inhaltsangabe zu "Carlsen Clips: Ich weiß alles über dich"

Format:Taschenbuch
Seiten:128
Verlag: Carlsen
EAN:9783551314567
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Rezensionen zu "Carlsen Clips: Ich weiß alles über dich"

  1. Spannend, vor allem aber beklemmend

    Klappentext:
    Nina ist verzweifelt. Nach einer Party bekommt sie ständig SMS von einer fremden Nummer. Der Paketdienst liefert Sachen, die sie nicht bestellt hat. Jemand hackt sich in ihrem Namen in den Schulcomputer ein. Dann steht sogar die Polizei vor der Tür! Will sich ihr Exfreund rächen? Zum Glück hat sie Ben kennengelernt. Er hört ihr zu und versucht zu helfen. Doch die Sache wird immer schlimmer.

    Über den Autor (Quelle: Amazon, Zusammenfassung):
    Thomas Feibel, geboren 1962, ist Medienexperte, Journalist und Autor mit Schwerpunkt Kinder und Computer. Er schreibt für diverse Zeitschriften, verfasst Sach- und Jugendbücher, hält Vorträge und veranstaltet Workshops und Seminare. Feibel ist Co-Initiator des Kindersoftwarepreises TOMMI und selbst Träger der Karl-Preusker-Medaille des Dachverbands Bibliothek & Information 2014.

    Persönlicher Eindruck:
    Der Autor beschreibt ohne viel Umschweife ein Geschehen, das umso bedrückender wird, je weiter es sich entwickelt. Er lässt seine Protagonistin als Ich-Erzählerin fungieren, so dass der Leser mit dem gleichen Wissen auskommen muss, das Nina zur Verfügung hat. Man erwartet und fürchtet die nächste Eskalationsstufe und hofft auf den Moment, in dem der Stalker endlich den entscheidenden Fehler macht, endlich einer der Versuche greift, aus der Falle herauszukommen. Es gelingt Feibel, beim Leser nicht nur Mitleid mit der Protagonistin aufzubauen, sondern ihn auch die Wut und die Hilflosigkeit nachfühlen zu lassen.

    Fazit:
    Spannend, vor allem aber beklemmend.

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Queen Victoria

Buchseite und Rezensionen zu 'Queen Victoria' von Julia Baird
4
4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Queen Victoria"

Queen Victoria gilt als prüde, ewig trauernde und zurückgezogene Matrone - war sie das wirklich? Mit nur 18 Jahren bestieg sie den Thron. Mit 20 heiratete sie Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha, mit dem sie neun Kinder hatte. Sie liebte Sex. Und sie setzte ihre Macht bewusst ein. Sie überschritt konventionelle Grenzen, äußerte klar ihre Meinung - und begann nach dem Tod ihres geliebten Albert eine intime Beziehung mit ihrem Diener John Brown. Die Frau, die schon zu Lebzeiten einem ganzen Zeitalter ihren Namen gab, verkörperte selbst gerade nicht die bürgerlichen Traditionen und Konventionen, für die das viktorianische Zeitalter steht.
Julia Baird schreibt mit großer erzählerischer Kraft die bewegende Geschichte einer Frau, die neben den wichtigen politischen Fragen ihrer Zeit mit vielen durchaus heutigen Probleme konfrontiert war: der Balance zwischen Arbeit und Familie, den Schwierigkeiten der Kindererziehung, Ehekrisen, Verlustängsten und Selbstzweifeln.


Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:596
EAN:9783806237849
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Rezensionen zu "Queen Victoria"

  1. Eine brillante und sehr gut recherchierte Biographie der Queen.

    Julia Bairds bebilderte Biographie „Queen Victoria. Das kühne Leben einer außergewöhnlichen Frau“ ist 2018 bei wbgThaiss erschienen und umfasst 597 Seiten.
    Über ein Viertel der Weltbevölkerung herrschte sie und ein ganzes Zeitalter, nämlich das Viktorianische, wurde nach ihr benannt, noch heute ist sie in aller Munde: Queen Victoria. Sie war die letzte Königin, die sich wirklich als Regentin betrachtete und sich in die täglichen Regierungsgeschäfte einmischte. Dennoch kennen wir das Leben dieser Monarchin, um das sich so viele Mythen ranken, hinter dem ihr wahres Bild verborgen bleibt, bis heute kaum. Mit ihrer umfangreichen Biographie versucht die australische Historikerin, ein ausführliches und realitätsnahes Bild dieser legendären Queen zu zeichnen.
    Die eigentliche Lebensbeschreibung ist gerahmt von einem Inhaltsverzeichnis und einer Einleitung zu Beginn sowie einem umfangreichen Anhang, bestehend aus einem Nachwort, in dem die Autorin auf ihrer Arbeitsweise und Schwierigkeiten bei ihren Recherchen eingeht, einer Danksagung, Anmerkungen mit Angaben zu den Fußnoten, einer sehr ausführlichen Bibliographie, unterteilt in Primär- und Sekundärquellen, und einem Register. Ein Familienstammbaum der Queen sowie zahlreiche Karten und Abbildungen innerhalb des Buches helfen, sich beim Lesen zu orientieren. Die Biographie selbst hat Baird logisch in fünf Teile gegliedert, die Victorias Kindheit und Jugend, ihre ersten Jahre als Herrscherin, ihr Ehejahre mit Albert, ihre Zeit als Witwe und schließlich ihre letzten Lebensjahre als Königin des Empires und Kaiserin von Indien behandeln. Die einzelnen Buchteile werden durch ansprechende Bilder, die Kapitel durch passende Zitate von Zeitgenossen eingeleitet.
    Da es Bairds Ziel war und ist, mit Mythen um Victoria aufzuräumen, geht die Verfasserin in ihrer Darstellung immer wieder auf unterschiedene Quelle ein, vergleicht sie miteinander und wägt ab, um dann zu einem für sie stimmigen Bild zu gelangen. Dieses motiviert die Leser/innen, ihre Gedanken nachzuvollziehen und sich eigene Gedanken zu machen bzw. Schlussfolgerungen zu ziehen. Sehr ausführlich widmet sich die Historikerin zudem den geschichtlichen, sozialen und politischen Hintergründen der Epoche, wobei logischerweise die englischen dominieren. An manchen Stellen fordert dieses die Leser/innen, die mit dieser Materie nicht so vertraut sind, heraus, animiert aber auch, sich mit dem England und Europa des 19. Jahrhunderts näher zu beschäftigen. Eine Zeittafel zur Geschichte des 19. Jahrhunderts, die wenigstens die für die Lebensbeschreibung wichtigsten Punkte enthält, wäre hier hilfreich gewesen. Auch Widersprüche in Victorias Denken und Handeln werden deutlich, wenn es z.B. um die soziale Frage der Industrialisierung, die Frauenbewegung oder den Kolonialismus geht. In diesen Bereichen hat Victoria bei mir ein zwiespältiges Bild hinterlassen.
    Bairds Sprache und Stil richten sich an ein breites Publikum und sind entsprechend leicht und flüssig zu lesen, an manchen Stellen allerdings etwas ausschweifend, was es dann beim Lesen doch schwierig macht, zwischen Mythos und Wahrheit zu unterscheiden. Auch schmückt Baird einige Details m. E. zu sehr aus und räumt so Vermutungen, die nie wirklich bewiesen worden sind (z.B. Victorias Verhältnis zu Brown, die angebliche Homosexualität ihres Mannes) großen Raum zu, ohne wirklich Fakten zu liefern. Für eine wissenschaftliche, objektive Darstellung ist dieses meiner Meinung nach weniger angebracht. Auch die an manchen Stellen sehr ausführliche und fast schon poetische Schreibweise stehen diesem im Wege.
    Insgesamt liefert Julia Baird mit dieser hier vorliegenden, äußerst gut recherchierten Biographie ein umfassendes Bild Victorias und ihres Zeitalters. Die Leser/innen werden in ihr Leben und das Viktorianische Zeitalter entführt und lernen auf unterhaltsame Weise, was für eine Frau hinter dem Mythos stand. Ich selbst habe aus diesem Werk reiches Wissen geschöpft und kann es allen Interessierten ruhigen Gewissens als Lektüre empfehlen.

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Feministin sagt man nicht

Buchseite und Rezensionen zu 'Feministin sagt man nicht' von Hanna Herbst
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Inhaltsangabe zu "Feministin sagt man nicht"

Chanel schickt Models mit feministischen Sprüchen über den Laufsteg, Popstars besingen das F-Wort, #metoo brach das Schweigen über sexuelle Gewalt in der Kunst-, Kultur- und Medienbranche auf. Was heißt es derzeit, eine junge Frau zu sein? Wie wird man Feministin? Welche Vorbilder prägen? Welchen Sex hat man?

Temporeich, mutig und zugänglich erzählt Hanna Herbst, was ihr Leben geprägt hat. Dabei genügt es ihr nicht, ihre Erfahrungen mit Sexismus zu teilen: Vielschichtig zeigt sie, dass ein Frauenleben auch heute noch nur in einem Kontext aus Macht- und Gewaltfragen zu verstehen ist. Sie zeichnet die Verbindungslinien zwischen alltäglichem Erleben von Belästigung, globalen Machtverhältnissen und strukturellen Ungleichheiten nach und macht sie so sicht- und nachvollziehbar. Dann ist es möglich, sich eine Welt vorzustellen, in der zuallererst nicht das Geschlecht, sondern der Mensch zählt.

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:176
EAN:9783710601941
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Rezensionen zu "Feministin sagt man nicht"

  1. Feministin sagt man doch!

    „Feministin sagt man nicht!“ Es gibt Schlagworte, die so inflationär gebraucht werden, dass man sie schon gar nicht mehr hören mag. Gehört Feminismus hier auch dazu? Sind wir denn überhaupt in der Situation, sich auf den Errungenschaften starker und mutiger Frauen ausruhen zu dürfen? Oder müssen wir im Gegenteil nicht immer und immer wieder darauf aufmerksam machen, dass „der Drops mit der Gleichberechtigung noch immer nicht gelutscht“ ist.

    Hanna Herbst widmet sich dem Thema Feminismus auf sattsam bekannte ehrliche und schonungslose Weise. Nicht nur ihre eigene Erfahrungen schildert sie auf offene Art und Weise, sie untermauert ihre Ausführungen mit Beispielen, warum es heute so toll (Achtung Sarkasmus!) ist eine Frau zu sein und mit Zahlen, die Bände sprechen.

    Herbst fragt, wie den eigenen Platz im Leben finden, wenn Gesetze, Unterricht, Literatur, Kultur in der Mehrzahl von Männern bestimmt werden. Sie thematisiert das System des Patriarchats, das nicht nur von „den Männern“ getragen wird, sondern immer noch von allen. „Das Patriarchat, das sind wir alle!“

    Hanna Herbst schreibt über Hass, Macht und Gewalt gegenüber Frauen, natürlich kommt sie um die metoo Debatte nicht herum. Frauen wollen und müssen gehört werden, möchten nicht mehr nur mitgemeint werden, Sprache die (passive) Realität schafft muss überdacht werden. Sie bekrittelt die Diskrepanz von Pornografie zur Realität und dem falschen Bild, das vor allem bei sexuell unerfahrenen Jugendlichen dadurch geschaffen wird. Zu guter Letzt widmet sie sich dem „Schlachtfeld Körper“.

    Themen, die wir alle schon mal gehört haben, die man aber nicht oft genug wieder und wieder aus der Normalität herauslösen muss, damit sich wieder etwas beweget. Und wenn es gesellschaftliche, politische, religiöse Krisen geben kann, die geeignet sind die Errungenschaften unserer Vorkämpferinnen zunichte zu machen, dann braucht es die Macht der Solidarität, denn: Feministin sagt man doch!

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Das Haus der Bronskis: Roman einer Rückkehr

Buchseite und Rezensionen zu 'Das Haus der Bronskis: Roman einer Rückkehr' von Philip Marsden
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Inhaltsangabe zu "Das Haus der Bronskis: Roman einer Rückkehr"

308 S., 8°, Taschenbuch, kartoniert

Format:Taschenbuch
Seiten:320
EAN:9783423141451
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Rezensionen zu "Das Haus der Bronskis: Roman einer Rückkehr"

  1. 5
    19. Dez 2018 

    Kriege und Vertreibung - Leben in geborgter Zeit

    Der englische Autor Philip Marsden entführt uns in seinem 1995 erschienenen Roman in einen Landstrich, der sich zum Zeitpunkt der Romanveröffentlichung in Weißrussland befand, zu Zeiten der Romanhandlung aber noch so unterschiedlichen Ländern wie Russland (bzw. der Sowjetunion), Polen, oder auch Litauen zugehörig war. Es geht also in eine Gegend totaler staatlicher und nationaler Instabilitäten.
    Der Erzähler Philip lernt als kleiner Junge durch regelmäßige Treffen während des Urlaubs in der Schweiz eine Dame mit Namen Zofia kennen, die aus dieser Gegend vertrieben wurde und auch nach Jahrzehnten einen sehnsuchtsvollen Wunsch nach Rückkehr dorthin verspürt. Die ungewöhnliche Freundschaft der beiden hält über Jahrzehnte an und kulminiert in gemeinsamen Reisen in die Heimat Zofias, die stattfinden, sobald die politischen Verhältnisse in diesem Bereich es nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion einigermaßen sicher zulassen. Gleichwohl sind diese Reisen ein großes Abenteuer.
    Und so fahren sie in eine verwunschene, dörfliche Gegend, in der das Gutshaus, das Zofias Zuhause war, den Unbilden der wirren Geschichte längst zum Opfer gefallen ist, die aber trotzdem so voller heimatlicher Orte, Gefühle und Begegnungen ist. Während dieser Reisen rekonstruiert der Erzähler für sich und Zofia das Leben von Zofias Mutter, Helena, zu deren Lebzeiten sich die wechselvolle Geschichte des Landstriches am östlichen Rand Europas besonders intensiv und schädlich auf das Leben der Menschen ausgewirkt hat. Sie ist schon als Kind mit ihrer Familie ständig unterwegs, um irgendwo bei Freunden oder Verwandten zumindest für eine Übergangszeit Frieden zu finden inmitten des Kampfes um Grenzen, bei dem Armeen über sie hinweg- und an ihnen vorbei rollen.
    Charakteristisch ist die Situation ihrer Heirat, die lange geplant und vorbereitet, dann aber doch genau auf den Tag fällt, an dem Russen in Litauen einmarschieren. Und so bleibt die gesamte Verwandtschaft aus Wilna (dem heutigen Vilnius) der Hochzeit fern. Irgendwie bleibt so keine Lebenssituation Helenas von den Wirren der Geschichte unberührt. Und so geht es letztlich jedem in diesem Landstrich. Das führt zu einem erstaunlichen Maß an Fatalismus und dennoch gezeigter Lebensenergie und -freude, die Philip und mit ihm den Leser stark beeindruckt.
    „Die hiesige Bevölkerung hat so viele Invasionen erlebt, dass sie sie einfach nicht mehr beachtet.“ (179)
    So haben auch Zofias Eltern sich lange Zeit nicht beirren lassen und ihr Haus Mantuski am Ufer des Njemen, dem Fluss, den wir Deutschen unter dem Namen Memel kennen, immer wieder aufgebaut, wenn es in den Kriegswirren beschädigt oder gar ganz zerstört wurde. Auch wenn nie klar sein konnte, wie lange sie in relativer Normalität darin werden wohnen können.
    Da ist Glück klein und etwas besonders Kostbares, das es zu feiern gilt:
    „‘Mein Gott,“ sagte sie, ‚denk nur, wieviel Glück wir alle gehabt haben! Was für ein verzaubertes Leben wir hatten!‘
    ‚Glück?‘ platzte ich heraus. ‚Wie kannst du das nur sagen, Zosia!‘
    Sie schüttelte den Kopf. ‚Nein, Phiilip: Bedenk doch. Warum sind denn wir verschont geblieben, wo all die andere zugrunde gegangen sind?‘“ (197)
    Philip erhält so durch seine Freundschaft und Erlebnisse mit Zofia einen enormen Perspektivenwechsel, der ihm deutlich machen muss, „dass sie alle von geborgter Zeit lebten.“ (222)
    FAZIT:
    Dieser Roman schafft nicht nur beim Erzähler Philip eine große Perspektivenerweiterung, sondern auch beim Leser. In einer Region, die nach dem Text der zum Glück Historie gewordenen alten deutschen Nationalhymne noch zum Rand eines deutschen Reiches zählen soll, schlagen sich Armeen um Meter und Kilometer und lassen verbrannte Erde, Dörfer und zerstörte Leben und Schicksale zurück. Grenzen bringen hier auf jeden Fall keine Sicherheit. Im Gegenteil: sie schaffen künstliche Feindschaften und bringen den Menschen Unglück und Leid. Ist das bei anderen Grenzen anders? Schaut man auf die Befürchtungen der Briten zu wiederaufflammenden Kämpfen angesichts einer wieder möglichen starken Grenzziehung zwischen Irland und Nordirland, bin ich geneigt, das als generelles Phänomen zu werten und bin dankbar für die Entführung in diese so unbekannte Gegend durch Philip Marsdens Roman „Das Haus der Bronskis“.
    5 Sterne für diese aufwühlende Reise.

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