Selbstporträt mit Bienenschwarm
„Ein Lyrikband, der kompakt enthält,
worüber man sich Fragen stellt.“
(Zitat aus „Lyrische Einleitung“, Seite 1)
Inhalt:
Die Autorin ist Ethnologin und schreibt ihre Gedanken über das Menschsein und seine unterschiedlichen Formen und Herausforderungen in Gedichtform nieder.
Themen und Sprache:
Die Kernthemen dieser Lyrik sind Kultur, Gesellschaft und Psyche, wobei es sich um Gedanken zu Forschungsergebnissen aus Studien, Fachartikeln und Arbeiten handelt. Im ausführlichen Anhang sind diese Quellen angeführt und auch der Bezug zum jeweiligen Gedicht.
Es finden sich Themen wie Kunst und Kultur, Zugehörigkeit, soziale Aspekte und auch die damit verbundenen Konflikte.
Diese Gedichte wollen keine Lösungen anbieten, enthalten jedoch Vorschläge für mögliche Lösungen und regen zum weiteren Nachdenken an. Als Leser vergleicht man die eigenen Standpunkte und findet bekannte Denkmuster zum Bejahend-Nicken, aber auch neue Überlegungen und Betrachtungsweisen.
Als Lyrikform wählt die Autorin den Endreim, mit Hebungen und Senkungen geht sie eher unkonventionell um, was einerseits die Gedanken auf den Inhalt lenkt, andererseits manchmal auf Grund der etwas abrupten Sprachmelodie etwas ablenkt. Hier würde ich mir im nächsten Gedichtband eine Mischung aus sich reimenden Gedichten und freien, nur aus Gedankenbildern und Sprachmelodie entstandenen Gedichten wünschen.
Fazit:
Ein besonderer, unkonventioneller Gedichtband zum Lesen und Nachdenken, der sich einmal nicht mit Liebe, Romantik und Natur beschäftigt, sondern mit dem Menschen als Individuum und doch Teil eines sozialen Ganzen und den damit verbundenen Herausforderungen, denen wir uns täglich stellen müssen.
Spätestens im Englischunterricht ist er jedem von uns begegnet – der Limerick; jenes kurzweilige und komische, fünfzeilige Gedicht mit dem Reimschema AABBA.
Dieser Kunstform haucht Martin Gehring neues Leben ein. Auf humorvolle Art und Weise presst er Tiere, Menschen, Berufe und zwischenmenschliche Begegnungen in das oben genannte Reimschema. Hier bleibt das Augenzwinkern ein stetiger Begleiter.
Vor allem haben mich die Limericks beeindruckt, die mit einer zusätzlichen Prise Wortwitz versehen sind. Und wenn dann dabei mitunter die Rechtschreibung extrem gedehnt wird, entfaltet sich die Wirkung erst nach dem Lesen anstatt direkt dabei, wie z.B. beim Stanbaniton in Lünen oder dem Lehrer aus Izmir.
Ich bin mir nahezu sicher: hätte Heinz Erhardt Limericks vorgetragen, hätte er sich bei Martin Gehring bedient!
So unscheinbar dieses Büchlein daher kommt, so wirkungsvoll ist es, um dem Leser ein Schmunzeln aufs Gesicht zu zaubern. Abgerundet werden die Limericks durch die Illustrationen, die Dorothea Gratwohl treffsicher dazu beigesteuert hat.
„DER DACKEL AUS KLOTEN“ ist nicht nur zum Selberlesen geeignet. Vielmehr ist es auch für Leute, die meinen, mit Lyrik nichts am Hut zu haben, ist es ein perfektes Geschenk.
„Füller, schreib‘ mir alles auf,
Dann setz ich mein Leben drauf … (aus “Füller schreibe“, Seite 89)
Inhalt:
Es ist eine Auswahl aus dem lyrischen Werk vieler Lebensjahre, die uns der Autor in diesem Gedichtband vorlegt. Ein Leben in Gedichtform, mit Höhen und Tiefen, Enttäuschungen, Hoffnung, Erleben der Natur, Liebe, und dies alles verbunden durch die Erfahrungen daraus, an denen uns Peter Budéus nun teilhaben lässt.
Thema und Sprache:
Der Autor teilt diese Gedichtsammlung in sechs Themenkreise ein, die jeweils zehn und mehr Gedichte umfassen. Doch wichtige Fragen wie zum Beispiel Erinnerungen finden sich in den Gedichten aller Kapitel wieder. Der letzte der sechs Abschnitte trägt den Titel „Die Seele ist frei“ und hier trifft Poesie auf Hoffnung und lässt auch die Gedanken des Lesers träumen und fliegen.
Gedichte von dieser Intensität lassen sich nicht den strengen sprachlichen Reimformen unterwerfen und so spielt der Autor oft auch innerhalb eines Gedichtes mit unterschiedlichen Vers- und Reimformen, Rhythmen. Hier muss man als Leser manchmal innehalten, nachspüren – und dann nochmals lesen.
Fazit:
Für Gedichte, die über einfache Auszählreime hinausgehen und die Gedanken, Gefühle transportieren, die zum Nachdenken anregen wollen, muss man sich Zeit nehmen (wollen). Vielleicht schreckt dies manche Menschen ab, die bei dem Wort „Lyrik“ sofort die Flucht ergreifen. Wenn man sich jedoch darauf einlässt, malen gerade lyrische Texte beeindruckende Bilder in die Gedanken des Lesers und können manchmal sogar helfen, Klarheit in das persönliche Chaos zu bringen.
Hand aufs Herz - Mascha Kaléko? Wer von uns hat zuvor schon etwas von dieser Frau gehört oder gelesen? Nun, ich kann natürlich nur für mich schreiben, und ich muss gestehen: ich nicht...
Mascha Kaléko. Dieser Name tauchte zuerst um 1930 in Berlin auf - sie schrieb "Zeitungsgedichte", vom Alltag für den Alltag, und diese Art der pointierten Großstadtlyrik liebte man in den dreißiger Jahren ganz besonders. Kaléko gehörte in Berlin zum Kreis der schöpferischen Boheme, saß, dichtete und diskutierte im "Romanischen Café" mit Größen wie Tucholsky, Ringelnatz und Kästner. Die erste Auflage ihres Buches "Das lyrische Stenogrammheft" war schnell vergriffen - doch als Ernst Rowolt die zweite Auflage druckte und auch ihr zweites Werk "Kleines Lesebuch für Große", wurden beide Bücher noch in der Druckerei beschlagnahmt. Mascha Kaléko war Jüdin.
"Berühmt - und doch unbekannt: der Schnittpunkt dieser beiden Komponenten weist auf ein deutsch-jüdisches Schicksal, markiert den Sturz ins Vergessenwerden, signalisiert das Verdammtsein ins Echolose, zur totalen Heimatlosigkeit."
Das lebenslängliche Gefühl von Heimweh und Ausgeliefertsein, Emigrantin von Kind auf, Schicksalsschläge und Einsamkeit - all dies prägt die Lyrik von Mascha Kaléko.
" Wie in der kranken Auster nur
sich eine Perle rundet
so formt sich auch des Dichters Lied
im Herzen, das verwundet."
(Aus "Sublimiertes Wehweh")
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Oftmals sind die Gedichte Ausdruck der Überzeugung oder der Gefühle der Autorin. Es finden sich Werke zu Freundschaft, Zivilcourage, Umgang mit Schicksalsschlägen - und immer wieder Einsamkeit. Und Kaléko bringt es derart auf den Punkt, dass die Gedichte für sich sprechen und keiner Interpretation bedürfen.
Alleine um sie nicht in Vergessenheit geraten zu lassen - für mich - stelle ich hier nun noch zwei der Gedichte ohne weiteren Kommentar vor.
Der Eremit
Sie warfen nach ihm mit Steinen.
Er lächelte mitten im Schmerz.
Er wollte nur sein, nicht scheinen.
Es sah ihm keiner ins Herz.
Es hörte ihn keiner weinen,
Er zog in die Wüste hinaus.
Sie warfen nach ihm mit Steinen.
Er baute aus ihnen sein Haus.
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Take it easy!
Tehk it ih-sie, sagen sie dir.
Noch dazu auf englisch.
"Nimm´s auf die leichte Schulter!"
Doch, du hast zwei.
Nimm´s auf die leichte.
Ich folgte diesem populären
Humanitären Imperativ.
Und wurde schief.
Weil es die andere Schulter
Auch noch gibt.
Man muss sich also leider doch bequemen,
Es manchmal auf die schwerere zu nehmen.
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Es ist nicht immer die Zeit für Gedichte. Aber wenn die Zeit passend ist, ist dieses Buch eine Bereicherung.
Von mir eine klare Empfehlung!
© Parden
Der geneigte Leser findet im Werk "Der Steineiche goldene Zweige" einen Diskurs zwischen Vater und Sohn, gehalten im klassischen Versmaß. Vater Johann, der nicht mehr auf Erden weilt, besucht seinen Sohn in dessen Träumen und führt ihn auf den Weg der Weisheitslehren. Hier vermischen sich Philosophie und Religionen. Der Vater stellt seinem Sohn Lehrer vor, wie Konfuzius oder Seneca. Der Sohn begegnet König Salomon, Cato, dem Römer, Krishna, dem indischen Wagenlenker, und anderen Helden der Antike. Die Alten errichteten den Göttern Tempel, nach menschlichem Maß. Endlich möchte auch der Sohn einen Tempel errichten, der ihm festen Halt gibt und der ihn mit der Antike verbindet. Um einen Schritt weiter zu gehen: Was ist das für ein Tempel, den wir in unseren Tagen errichten?
Was für eine Arbeit hat sich C. M. Herzog da gemacht, wie viel Herzblut in dieses Projekt gesteckt! Nicht nur, dass er sich intensiv mit den antiken Philosophen und Religionen auseinandergesetzt haben muss und hier sozusagen die Essenz präsentiert, nein, das gesamte Buch ist in klassischen Versmaß gehalten. Man ahnt, wie lange der Autor daran gesessen hat!
Dass der Autor geblildet und belesen ist, ergibt sich schon aus seiner kurzen Vita, die auf den einschlägigen Seiten zu finden ist: C. M. Herzog, geboren 1966 in St. Pölten, Niederösterreich; Studium Deutsch, Englisch, Französisch an der Universität Wien, Mag. phil.; Spanisch; Studien der Antike: Latein, Altgriechisch, Ivrit, Arabisch und Chinesisch; begonnen: Sanskrit; länger als ein Jahr Autor für das Wiener Journal...
Anstrengend zu lesen sind die Verse allemal, zumal ich mit den alten Philosophen, historischen Größen und den Inhalten der Religionen längst nicht so vertraut bin wie der Autor selbst. Verständnisprobleme also gleich in zweifacher Hinsicht - und doch bin ich beeindruckt. C. M. Herzog führt durch das Nebeneinanderstellen der verschiedenen Lehren und Richtungen vor Augen, dass diese sich von den Kernaussagen her oft gar nichts so sehr voneinander unterscheiden. Das Streben nach Weisheit, ein Besinnen auf die wahren Werte und die Empfehlung, ein tugendvolles Leben zu führen ist vielen der vorgestellten Lehren immanent.
Wenn man schon fast am Ende angelangt ist und denkt, was hat das alles eigentlich mit mir zu tun und mit der heutigen Zeit, kommt plötzlich - immer noch im klassischen Versmaß - der Brückenschlag zur Gegenwart. Ein unbequemer Brückenschlag, tauchen da doch unvermittelt das arme Afrika auf sowie die aktuelle Flüchtlingsproblematik. Und führt vor Augen, dass wir all den weisen Schriften und Religionen zum Trotz noch weit entfernt von dem entfernt sind, was die Umsetzung der Lehren anbelangt.
Gerade dieser überraschende Bezug zu den Problemen der heutigen Zeit hat mir sehr gut gefallen. Das ist kein erhobener Zeigefinger, sondern eine Erkenntnis wie ein Schlag in den Magen. Wirklich gelungen!
© Parden
Fast jeder kennt das monumentale Werk Die Göttliche Komödie – ich selbst habe mich einst eine gefühlte Ewigkeit damit herumgeschlagen – aber kaum jemand hat sie wirklich gelesen. Und von denen, die angefangen haben, kommen nur wenige ans Ende, wie die Autorin dieses Büchleins bemerkt: „Fürsorglich wendet sich der Dichter gleich im zweiten Gesang [des Paradieses] an seine Leser. Viele täten gut daran … nicht weiterzulesen. … Mancher Leser der Komödie hat sich das nicht zweimal sagen lassen.“ (S. 97)
Dieses Büchlein hier ist perfekt für all jene, die schon immer mal wissen wollten, was Die Göttliche Komödie ist, sie aber nicht lesen wollen. Oder für Schüler, die in Literaturgeschichte damit gequält werden und eine gute Zusammenfassung vor der Prüfung brauchen. Oder für Studenten, die vor einer intensiven Auseinandersetzung damit gern eine kleine Übersicht hätten. Oder für Leute wie mich, die nach vielen Jahren einfach mal ihr Wissen wieder auffrischen wollten.
Jedenfalls ist dieses Buch sehr angenehm geschrieben, verliert sich nicht in Details und bietet einen guten Überblick über das Werk selbst und das Leben des Autors sowie die Rezeptionsgeschichte. Dazu möchte ich ein kleines Detail aus dem Buch hervorheben: „Im Deutschland des 20. Jahrhunderts stellte man die wahnwitzige These auf, Dante sei kein Florentiner, sondern ein nach Italien verirrter Deutscher gewesen.“ (S. 122)
Fazit: Empfehlenswert
Schwebe ohne Eile, Eule...
Zugegeben: ich bespreche dieses Hörbuch als selbsterklärter Lyrik-Laie. Ja, ich lese viel - aber für gewöhnlich Belletristik. Mein Mann ist derjenige, auf dessen Nachttisch sich die Gedichtbände stapeln, und meine Kenntnis der Poesie beschränkt sich mehr oder weniger auf das, was er mir erzählt.
Selbstverständlich hatte er mir (schon vor meiner Begegnung mit diesem Hörbuch) von Jan Wagner, dem vielfach ausgezeichneten Lyriker erzählt. Auf dessen Wikipedia-Seite hat die Rubrik "Auszeichnungen" übrigens 30 Einträge, darunter zum Beispiel der Anna-Seghers-Preis (2004), der Ernst-Meister-Preis für Lyrik (2005), der Wilhelm-Lehmann-Preis (2009), der Friedrich-Hölderlin-Preis (2011) und zuletzt der Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Belletristik (2015) für seinen Band "Regentonnenvariationen", von dem sich viele Gedichte auch auf den CDs dieses Hörbuchs wiederfinden.
Das Hörbuch zog natürlich auf Wunsch meines Mannes hier ein, kurz nachdem das Buch Anfang Februar seinen Ehrenplatz ganz oben auf dem wackligen Nachttischstapel fand. Am Anfang hörte ich, ich muss es gestehen, nur mit einem Ohr zu, wenn er die CDs laufen ließ, aber es dauerte nicht lange, bis mich Jan Wagners Lyrik völlig gefangen nahm.
Deswegen möchte ich mich in meiner Rezension nicht nur an die Connaisseure der Lyrik wenden, sondern ausdrücklich auch an Leser wie mich, die bisher eher Kostverächter waren, was Gedichte betrifft! Mich hat Jan Wagner mit seinen Gedichten mühelos überzeugt, dass Lyrik nicht nur zum Nachdenken anregen, sondern auch Spaß machen kann (und darf).
Viele seiner Gedichte sind kurze, prägnante Momentaufnahmen, auf das Wesentliche reduziert und verdichtet, während andere kleine Geschichten erzählen, die das Außergewöhnliche zeigen - und das Gewöhnliche aus außergewöhnlichen Blickwinkeln. Ich habe öfter gelacht, manchmal gestutzt, gelegentlich die Stirn gerunzelt, aber immer einen Nachhall in mir verspürt. Viele Gedichte erzählen ihre Geschichten mit feinem Humor und Wortwitz, der meines Erachtens nie platt oder abgedroschen wird, während andere leichthin Themen wie Tod und Vergänglichkeit ansprechen.
Man kann den Satz "Jan Wagners Gedichte sind..." nicht mit einem Wort beenden, denn sie sind vieles: witzig, feinsinnig, elegant, hintergründig, überraschend, pointiert... Er spielt virtuos mit der Sprache, mit Wortklang und Rhytmus - aber auch mit den Erwartungen des Lesers bzw Hörers.
Da finden sich Haiku (Kurzgedichte japanischer Form) wie dieses
"bleib, sprach das dunkel,
und dein gesicht löst sich auf
wie ein stück zucker."
(aus "Regentonnenvariationen")
genauso wie augenzwinkernde Wortakrobatik:
"trägt sein gebirge übern paß,
bepackt mit seide, einem sack
voll reis, gerät auf schmalstem grat,
nicht aus dem tritt, dem takt; vorbei
am flugzeugwrack, der yetispur,
in seinem stall himalaya,
vor weißgezackten gipfeln: yak."
(Auszug aus "lamento mit yak")
Autoren sind nicht unbedingt automatisch die besten Sprecher für Vertonungen ihrer Bücher, aber Jan Wagner liest mit einer sehr angenehmen Sprechstimme und Sprachmelodie. Auch das Tempo ist meiner Meinung nach genau richtig: Zeit genug, das Gehörte sacken zu lassen, aber nicht schleppend.
Fazit:
Dürfen Gedichte unterhaltsam sein? Absolut! Die Gedichte von Jan Wagner kann man ganz feierlich im ruhigen Lesezimmer hören und danach wirken lassen, sich aber auch zwischendurch im Auto auf dem Weg zum Bäcker vorlesen lassen (und das ganz wunderbar). Sie fordern zum Mitdenken und Hinterfragen auf, auch zum Schmunzeln, immer aber zum genauen Hinschauen.
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