Erste Hilfe für Demokratie-Retter
Eine oft verwendete Frage von Kamala Harris Mutter war: „Und was hast Du gemacht?“, wenn Kamala von Erlebnissen und Freundinnen erzählte. Damit wollte sie ihr vermitteln, dass Kamala stark sei und handeln könne.
Ihre starke Mutter war eine große Motivation für die heutige Vizepräsidentin der USA – sie vermittelte ihr nämlich, dass alles möglich ist und sie alles erreichen kann. Und so können wir von ihrem Schulweg, ihrem Jura-Studium und ihrer Berufstätigkeit als Staatsanwältin lesen, auch von ihrem Aufstieg zur Generalstaatsanwältin und zur Senatorin. (Nachdem das Buch erst 2018 geschrieben wurde, fehlt noch das Amt der Vizepräsidentin.)
Wir lesen von ihren Kämpfen für die Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern, gegen die Wegnahme der Kinder an der Grenze, gegen die Benachteiligung der people of colour, ihren Kampf gegen Drogen und Opioiden, für Cybersicherheit und vieles mehr.
Das Buch gibt eine gute Sicht auf das Rechts- und Gesundheitssystem der USA, auch der Lobbyarbeit der Pharmaindustrie und war äußerst lehrreich für mich! Es ist ein sehr persönliches Buch und die Sprecherin des Hörbuchs – Nina West – hat eine äußerst sympathische Stimme, die die positive und optimistische Ausstrahlung von Kamala Harris sehr gut vermittelt.
Total fasziniert war ich besonders von ihrem letzten zusammenfassenden Kapitel ‚Was ich gelernt habe‘ und empfehle dieses Buch / Hörbuch wärmstens!
Kurzmeinung: Eine kluge und umfassende, intensive Beschäftigung und Darstellung amerikanischer Gegenwartsgeschichte. So gut geschrieben - ich würde auch 10 Sterne vergeben!
Dr. Manfred Berg ist Professor für amerikanische Geschichte und lehrt an der Universität Heidelberg.
In angenehm unwissenschaftlicher Sprache und chronologisch lose entlang der Präsidentschaften (von den Präsidenten bekommt Lyndon B. Johnson am meisten Raum) führt Manfred Berg durch einen großen Teil amerikanischer Geschichte.
Es kommen alle Themen, über die Dissens in der Gesellschaft besteht oder die Problemfelder aufmachen, aufs Tapet: zum Beispiel
- die Dauerblockade politischer Prozesse, - die jeweiligen Feindbilder der Liberalen und der Konservativen,-- der Big Sort, - repressive Wahlgesetze, - der Vertrauensverlust in die politisch-elitäre Riege, - die antikommunistische Hysterie, - die Black-Power- „als politische Botschaft jedoch lief Black Power im Kern auf den Bruch mit der weißen Gesellschaft und der Gewaltlosigkeit hinaus“, - der White Blacklash, - Einwanderung und demografischer Wandel:
ZITAT „Einwanderung und demografischer Wandel waren zu popularisierenden Identitätsfragen der amerikanischen Politik geworden“,
-die Globalisierung, - Frauenrechte/Recht auf Abtreibung versus Schutz des Lebens, - -Culture war, - Campus-Kriege, - Rights Revolution, - Waffenkultur: gun rights vs. gun control:
ZITAT „Der Baum der Freiheit muss von Zeit zu Zeit mit dem Blut von Patrioten und Tyrannen begossen werden“ (Th. Jefferson),
- Mass shootings, - amerikanische Hybris:
ZITAT „Die Amerikaner mochten sich nachträglich einreden, das ihre Regierung sie in einen unnötigen Krieg hineingelockt hatte, aber die Mehrheit glaubte Bush auch deshalb, weil sie ihm glauben wollte“ (Irakkrieg), -
um nur einige Themen zu nennen, samt der dazugehörigen umstrittenen Gesetzeswerke und – Gesetzesvorhaben.
DER KOMMENTAR UND DAS LESEERLEBNIS:
Dass man ohne sich der einschlägigen wissenschaftlichen Nomenklatur zu bedienen, ein politisches Sachbuch schreiben kann, beweist Manfred Berg aufs Feinste! Er kann komplexe Zusammenhänge formulieren, ohne eine Univorlesung daraus zu machen. Ich wusste, dass es geht, hatte aber bis dato keinen Autorenbeweis! Hier ist er!
Dieses Werk ist trotzdem anspruchsvoll, in keiner Sekunde langweilig und äußerst informativ. Und man versteht es problemlos.
„Das gespaltene Haus“ bietet keine Lösungen an, wie man aus dem Freund/Feind-Denken und Gegeneinander-Kämpfen wieder herauskommt, zeigt jedoch leider, dass es schlimmer um den Westen steht als angenommen! Politiker und Volk haben den gesunden Menschenverstand zugunsten einseitiger Parteinahme fallengelassen! Wo soll das nur enden? Reißen wir uns doch wenigstens hier am Riemen und arbeiten miteinander an der Lösung von Problemen und nicht gegeneinander. Dazu gehört in allererster Linie, dass man miteinander spricht und nicht Kontakte cancelt, weil sie unbequem sind.
Fazit: „Das gespaltene Haus“ ist mein zweites Lesehighlight dieses Jahr und bietet auch versierten Zeitungslesern und Amerikakennern noch neue Details. Ich würde auch zehn Sterne vergeben und
Ich gebe eine Leseempfehlung!
Kategorie: Sachbuch: Amerikanische Gegenwarts-Geschichte
Verlag Klett-Cotta, 2024
Klappentext:
„Frederick Douglass ist eine Ikone des afroamerikanischen Befreiungskampfes – mit seiner 1845 erschienenen Autobiographie, die jetzt in einer neuen Übersetzung vorliegt, wurde er schlagartig berühmt. Darin blickt er auf sein Leben in der Sklaverei zurück. Er erzählt vom Alltag der Ausgebeuteten, den Herrschaftsstrukturen auf den Plantagen und den kleinen Fluchten, die ihm das Leben als Diener einer Familie ermöglichte. Als Junge lernte er heimlich Lesen und erfuhr so immer mehr über Unterdrückung und Ausbeutung der Schwarzen. Schließlich gelang ihm die Flucht – und eine aufsehenerregende Karriere als Aktivist gegen die Sklaverei und als Politiker begann.
Seine Schilderungen führen auf die Tabakplantagen Marylands und in die Häfen Baltimores. Dabei beschreibt Douglass die Brutalität der Aufseher, die Lebensumstände der Sklaven, ihre Solidarität untereinander – und nicht zuletzt seinen mühseligen Weg in die Freiheit. Ganz nebenbei entsteht das Porträt einer starken Persönlichkeit, die sich schon in jungen Jahren für Freiheit und Gerechtigkeit einsetzt – mit einer unverwechselbaren Stimme.“
Wenn eine Buch über 177 Jahre hinweg so einen Hype erlebt, zählt es wohl zurecht in die Rubrik „ganz besondere Weltliteratur“ und genau das ist es auch. Das was man hier liest, liest man nicht einfach nur mal so, man verinnerlicht es sich, man staunt, man ist geschockt, man ist sprachlos, fassungslos und weiß eigentlich gar nicht mehr wohin mit sich. Das Menschen anderen Menschen so ein Leid zufügen (ich verzichte hier bewusst auf das Wort „konnten“, denn Apartheid und Rassendiskrimierung ist leider immer noch viel zu aktuell) ist einfach nicht zu glauben. Douglass‘ Aufzeichnungen sind schwere Kost aber sie mahnen und sind Zeitzeugnis einer anderen Zeit. Die wachen Geister unter uns werden dennoch so einige Vergleiche in der heutigen Zeit ziehen können und es stellt sich einfach die Frage nach dem Warum. Warum maßen wir Menschen uns an über eine Hautfarbe (oder eine Herkunft oder….) einen Menschen zu diskriminieren? Damals wie heute ist das Thema noch aktuell und genau aus diesem Grund erhält dieses Buch beim Verlag Reclam wieder eine neue Stimme. Dennoch bleibt immer wieder ein Tenor in Douglass Worten: Kämpfen für die Freiheit! Besser hätte man es nicht festhalten können. Sein Werdegang raus aus der Sklaverei war besonders und wahrlich beeindruckend. Ich kann dieses Buch nur empfehlen und verzichte hier weiter auf inhaltliche Angaben. Es ist einfach nur lesenswert! 4 von 5 Sterne.
Das „aristokratische“ Moment
Kurzmeinung: Ein kleines Büchlein gegen Politikverdrossenheit. Sehr ermutigend!
Jürgen Wiebicke macht sich Sorgen. So wie wir alle, die wir die Demokratie als Rechtsstaat lieben und nicht nur als utopische Idee. Der Rechtsruck, der durch ganz Europa geht, der Schrei nach Autokratie ist immer dann am lautesten, wenn es Probleme gibt und keine schnellen Lösungen in Sicht sind. Sei trotzdem optimistisch, bittet Wiebicke.
Ja, sagt Wiebicke, und wir nicken, denn wir wissen es, Demokratie ist langsam und kennt selten Schnellschüsse. Denn Demokratie ist das Aushandeln des besten Weges für möglichst viele. Demokratie ist anstrengend, denn sie verlangt es, einander auszuhalten und damit auch das Aushalten völlig anderer Meinungen und Ansichten. Aber wenn ich das öffentliche Vertreten fremder Meinungen unterbinde, dann unterbinde ich damit auch meine eigene Freiheit, denn morgen schon kann es sein, dass meine Meinung zu derjenigen zählt, die unbeliebt und unbequem ist. Demokratie ist meine Freiheit, ja, und gleichzeitig die Freiheit des anderen. Das vergessen heute viele, wenn sie in bestimmten Bereichen Leute mundtot machen wollen, Menschen, gewaltsam davon abhalten, Vorträge zu halten, etc. etc. Um die Freiheit eines anderen zu beschneiden, braucht es Fakten, nämlich Gesetzesverletzungen, Verletzt sein allein ist kein politisches Argument. Und wenn wir Menschen für ein Amt danach auswählen, ob sie nett sind, sympathisch wirken und zu unserer Blase gehören, anstatt danach, was auf ihrem Zettel steht, und in diesem Fall ist der Zettel das Parteiprogramm, dann ist die Demokratie schon fast am Ende.
Das ist das eine. Demokratie erfordert Engagement und Mut und Resilienz. Ist eigentlich selbstverständlich. Einige wenige entschlossene Leute können ein Blatt wenden, nicht d a s Blatt, aber ein Blatt und Wiebke führt Beispiele dafür auf. Er nennt es, das „aristokratische Prinzip“. Letztlich hat Veränderung immer schon vor allem an einzelnen gelegen, die vorangehen. Die eine Idee haben, dafür brennen und andere dafür begeistern. Das war nie anders. Die Masse per se ist träge.
Politikverdrossenheit und lauthalses Schimpfen auf die Menschen, die Politik machen, führt in die falsche Richtung. Wir leben, demokratisch gesehen, in den besten Zeiten ever. Natürlich läuft nicht alles rund. Man kann immer alles besser machen. Es hilft aber nichts, gleich alles niederzumachen und Demokratiepessimismus zu verbreiten. Wollen wir in Ungarn leben, in Russland, in China, in Nordkorea? Lebt es sich in einer Diktatur besser?
Politikverdrossenheit plus die Sehnsucht nach einfachen überschaubaren Lösungen, spielen den Rechten in die Hände, die alles versprechen und nichts halten. Und auch den extremen Linken, die in einer Utopie leben. Einfache, überschaubare und einfache Lösungen sind in einer komplex gewordenen globalen Welt eine Illusion.
Allerdings, warnt Jürgen Wiebke davor, nicht alles in den selben Topf zu werfen. Rechtskonservativ ist nicht rechtsextrem. Weder eine liberale noch eine konservative Einstellung sind zu verteufeln. Es wird Zeit, dass wir wieder Respekt für den politischen Gegner zeigen. Politische Gegner sind keine Feinde, sonden nur Menschen, die eine andere Einstellung haben. Mit einem politischen Gegner misst man sich auf einem bestimmten politischen Feld, das heißt, es geht um die Sache, das ist alles. Feindschaft ist persönlich. Und hat in der Politik und in der Gesellschaft nichts zu suchen.
Jürgen Wiebicke schrieb 2017 ein ähnliches Büchlein: "Zehn Regeln für Demokratie-Retter" - inzwischen hat er die eine oder andere Meinung u.a. wegen des Erfolgs der AfD revidieren müssen.
Fazit: Letztendlich muss man sich politisch und weltanschaulich auseinandersetzen, den Diskurs nicht aus Faulheit oder Wut verweigern und den Kopf aus dem Sand heben.
Kategorie. Sachbuch. Politik
Kiepenheuer & Witsch, 2024