Imperium der Schmerzen

Ein intensives Buch! Ein berührendes Buch! Ein Highlight!
Kim Thúy, eine kanadische Autorin vietnamesischer Abstammung, die ihre ersten zehn Lebensjahre in Vietnam verbrachte, bevor ihre Eltern mit den Kindern als boat people flohen und sich schließlich in Montreal in der kanadischen Provinz Quebec neu ansiedelten.
Natürlich ist das Thema Vietnam ein immer noch wichtiges Thema, auch andere Romane der Autorin künden davon. Aber die Art, in der diese Autorin schreibt, ist wunderbar, ihre Schreibweise ist etwas blumig, etwas künstlerisch, etwas verspielt, allerdings ist die Handlung fast durchweg furchtbar und monströs zu nennen, dennoch blitzt auch immer wieder ein gewisser Humor der Autorin durch. Aber anders kann man wahrscheinlich nicht auf dieses Grauen schauen, mit diesem Grauen leben. Ein richtig interessanter Schreibstil und eine Autorin, die ich definitiv beobachten werde. Schon der Kunstmann Verlag kündet ja von einer hohen Qualität, die die Schaffenskraft der Autorin auszeichnet! Insgesamt ist dieses kleine dünne Buch "Grosser Bruder, kleine Schwester" ein packender und intensiver Blick nach Vietnam, ein berührender und schmerzender Blick auf das Grauen, dem das Land und seine Bewohner ausgesetzt waren, erst war es als Kolonie Indochina der Kolonialmacht Frankreich untergeordnet und dann war es ein Spielball der Weltmächte in einem blutigen Stellvertreterkrieg, dann war es ein geteiltes Land, ein "Grosser Bruder Nordvietnam und die kleine Schwester Südvietnam". Ein intensiver Blick auf das Wirken der Bestie Mensch gelingt der Autorin in diesem Buch!
Über viele verschiedene Einzelschicksale erzählt Kim Thúy eine vietnamesische Geschichte, gibt über Alexandre und Mai, über Tam und die Amme, über Naomi und den Piloten, über Louis und Pamela, über Em Hong und Isaac und über viele andere Personen gravierende und gewaltige Einblicke in das Leben im Land Vietnam, erzählt von der Operation Babylift und von MY Lai, erzählt von Schwarz und von Weiß, erzählt von den schlechten und von den guten Taten der Amerikaner in Vietnam. Kim Thúy erzeugt mit "Grosser Bruder, kleine Schwester" ein nachhallendes Buch und erweckt in mir eine Neugier auf weitere schriftstellerische Zeugnisse dieser interessanten Autorin.
Georges-Arthur Goldschmidt schaut in diesem Buch auf das Leben seines Bruders Erich Goldschmidt und ermöglicht über diese Blicke der Leserschaft Einblicke in eine vergangene Zeit und Einblicke in das Miteinander der Brüder. Beide sind durch das Erleben ihrer verrückt machenden Zeit und von tiefen und immer wiederkehrenden Verlusten gezeichnet, aber auch durch ein auf Kämpfen und Eifersucht beruhenden Miteinanders. Sicherheiten sind wohl für beide ein Fremdwort und was macht so ein Erleben wohl mit Kindern, die ja gewisse Sicherheiten auch in ihrer Entwicklung brauchen. "Der versperrte Weg" ist ein Blick auf eine tiefe Zerrissenheit, auf ein durch den Faschismus erworbenes Trauma. Dabei ist das Buch kühl erzählt, behandelt es doch verschiedene Traumata, denen man sich wahrscheinlich aber nur mit einer gewissen Distanz annähern kann, ohne daran zu zerbrechen. Wenn man bedenkt, wie lange der Autor gebraucht hat, um diesen Blick zu verfassen, kann man vielleicht davon ausgehen, dass diese Thematik schon lange in ihm arbeitet. Denn dieses Buch behandelt ja nicht nur das Trauma der Nazizeit, sondern auch das Trauma der Brüder untereinander, in dem der Autor im Blick des Bruders, den er auch noch selbst zeichnet, nicht gut wegkommt. Und damit zeigt der Autor ja auch eine Ehrlichkeit, die gewürdigt gehört, denn wer steht schon so sehr zu seinen eigenen in jungen Jahren geschehenen Fehlern, dass er sie in einem Buch einer großen Masse eröffnet. Dazu muss man ja auch sagen, dass die Fehler der Jugend ja auch tiefgreifende Folgen für die Brüder hatten, gewisse Abgründe sich wohl nicht mehr überbrücken ließen. Und dann steht dieses Buch dann noch auf der Longlist des Deutschen Buchpreises von 2021 und gewinnt dadurch noch eine größere Reichweite, ein größeres Publikum. Das Öffnen des Autors wird einer größeren Gruppe zugänglich, diese sicher nicht einfache Offenbarung wird öffentlich, sicher wurde die Thematik auch in manch einer Leserunde und/oder Talkrunde heiß diskutiert. An mancher wird der Autor teilgenommen haben, manche wird er bloß irgendwo mitgeschnitten haben. Ich muss sagen, ich finde es sehr mutig von Georges-Arthur Goldschmidt dieses Buch veröffentlicht zu haben und ich kann nur sagen, dass ich es sehr gern gelesen habe und dass ich dieses Buch gut platziert auf der Longlist des Deutschen Buchpreises von 2021 finde.
Erich und Jürgen-Arthur Goldschmidt sind Brüder, geboren in Deutschland in den 1930er Jahren. Die ursprünglich jüdischen Eltern sind schon vor Jahren zum Protestantismus konvertiert. Aber und er nationalsozialistischen Gesetzen gelten die Goldschmidts immer noch als Juden. Um die Kinder zu retten, werden die Buben nach Italien verschickt. Die Wege der Brüder trennen sich während des Krieges. Jürgen-Arthur, nunmehr Georges-Arthur, überlebt in einem französischen Internat. Erich jedoch schließt sich der Resistance an. Erste viele Jahrzehnte später begegnen die Brüder einander wieder.
Der versperrte Weg stand 2021 auf der Longlist für den deutschen Buchpreis und fiel mir deswegen auf.
Georges-Arthur Goldschmidt, der heute über 90-jährige Schriftsteller versucht den Roman (s)eines Bruders zu schreiben. Der versperrte Weg ist eine Geschichte voller Lücken. Das Buch ist der Versuch einer Erinnerung. Über die ersten Lebensjahre erzählt Goldschmidt zügig, später merken wir, wie schwer es dem Autor fällt, die Lebenslücken des Bruders mit eigener Wahrnehmung zu füllen
"Warum bin ich gerade der, der ich bin?"
Der Krieg verstellt den eigentlichen Lebensweg. Was wäre gewesen, wären die Eltern nicht jüdisch gewesen, welchen Weg wäre Erich, aber auch Georges-Arthur Goldschmidt gegangen? Die äußeren Umstände zwingen das Schicksal auf.
Sprachlich beeindruckt mich das schmale Buch, die Suche nach Identität, der Versuch einer Annäherung nach einer Entfremdung berührt.
Kurzmeinung: Lesenswert!
In dem vorliegenden Roman verarbeitet der Autor wohl einige biographische Begebenheiten. Er begleitet seinen Helden vom ersten Lebensjahr an bis zum letzten. Dabei werden manche Episoden ausführlich beschrieben, andere Lebenszeiten nur gestreift.
Im Wesentlichen geht es darum, wie ein Kind die willkürliche Ausgrenzung erlebt und verarbeitet, die in der Zeit des deutschen Nationalsozialismus unzähligen Menschen unsägliches Leid brachte. Äußerlich übersteht Erich diese Zeit gut. Zusammen mit seinem Bruder wird er in Sicherheit gebracht und lebt in Frankeich. Doch die inneren Schäden sind nicht wiedergutzumachen.
Der Kommentar:
Die große Stärke des Romans liegt darin, dass der Autor versucht, verständlich zu machen, wie die sowie so schon schwierige Suche nach sich Selbst und seiner Identität einen jungen Menschen innerlich völlig aus der Bahn werfen kann, wenn äußere unüberwindbare Widerstände dazu kommen. Die Geschichte wirkt auf uns ein, auch wenn sie uns nicht umbringt. Das nennt man dann wohl Schicksal!
Man bekommt als Leser bemerkenswerte Einblicke in das Seelenleben eines getriebenen, innerlich entwurzelten Menschen.
Allerdings wirkt es manchmal so, als ob das Sprachvermögen des Autors dem inhaltlichen Anspruch nicht ganz gerecht werden könnte. Da bleiben Unschärfen, die man als Leser nicht aufdröseln kann.
Ein anderer nicht hoch genug zu veranschlagender Aspekt des Romans ist der, dass er beschreibt, wie die Geschichte manchmal auf Menschen wirken kann ,nämlich wie eine griechische Tragödie: wie man es auch dreht und wendet, es muss zur Katastrophe kommen, denn, sagt sich Erich, wenn ich kein Jude gewesen wäre, wäre ich mit meinem Naturell unter dem Nationalsozialismus mit Sicherheit ein sehr böser Mensch geworden. Es gab keinen Weg für ihn. Was den Titel erklärt.
Fazit: In all seiner Schmalheit ein eindringlicher, guter Roman, der große Empathie weckt.
Zu Recht auf der Longlist des Deutschen Buchpreises 2021.
Kategorie: Belletristik.
Verlag: Wallenstein 2021
Die Goldschmidts leben während der 1920er in Reinbek bei Hamburg. Die älteste Schwester ist schon fast aus dem Haus und Erich ist der kleine Herrscher des evangelisch geprägten Hauses. Bis sein kleiner Bruder Jürgen-Arthur im Jahr 1928 auf die Welt kommt. Erichs Welt bricht zusammen, weil dieser Kleine ihm die Aufmerksamkeit der Eltern entzieht. Als die Nazi-Herrschaft beginnt, kommt es schlimmer. Die Familie, obwohl sie sich seit Jahren als protestantisch empfindet, zählt per Dekret plötzlich zu den deutschen Juden und verliert somit ihren bürgerlichen Status. Die Eltern sind sich der Gefahr bewusst und um wenigstens die Jungs zu retten, schicken sie diese ins Exil.
Über Italien geht es für Erich und Jürgen-Arthur in ein Internat im Osten Frankreichs. Die Brüder leiden aneinander, besonders Erich fällt es schwer, seinen empfindsamen, aber in seinen Augen oberflächlichen Bruder zu ertragen. Sobald es möglich ist schließ er sich dem Widerstand an und schlägt auch später eine militärische Laufbahn bei der Fremdenlegion ein. Eine enge Verbindung haben die beiden Brüder nicht und ihre Eltern sehen sie nie wieder.
In seinem autobiographischem Roman widmet sich Georges-Arthur Goldschmidt hauptsächlich dem Leben seines Bruders. Wie die Familie aus ihrer vermeintlich sicheren bürgerlichen Existenz gerissen wird ist wirklich tragisch, wobei zu bedenken ist, dass auch das Selbstbild zerstört wird. Plötzlich aus einer Gesellschaft ausgestoßen zu sein, zu der man sich zugehörig fühlte, lässt einen sicher halt- und orientierungslos zurück. Doch durch ihr Exil erhalten die Jungen, insbesondere Erich, einen Blick von außen auf das perfide Nazi-Regime. Und so bekommt Erich die Chance, die Nazis im Widerstand zu bekämpfen. Es ist ergreifend, wie schwierig das Leben bleibt, als Einzelkämpfer, dessen Bindungen schließlich eher bei der Fremdenlegion liegen als bei der Familie. Dieser kurze, sehr lesenswerte Roman schildert eindringlich das Hadern mit dem auferlegten Schicksal, welches nie wirklich aufhört.
„Es ist ein sonderbares Gefühl, so nahe aneinander gelebt zu haben und so wenig vom älteren Bruder zu wissen.“ (Zitat Pos. 166)
Inhalt
Erich Goldschmidt ist fast fünf Jahre alt ist, als am 2. Mai 1928 sein Bruder Jürgen-Arthur geboren wird und dieses schreiende Baby ist für Erich ein Eindringling. Dennoch fühlt er sich später für seinen Bruder verantwortlich. Besonders ab diesem 18. Mai 1938, an dem die Eltern sie beide zu Verwandten nach Italien schicken, um sie in Sicherheit zu bringen, denn plötzlich sind sie keine Deutschen mehr, sondern Juden. Da ist Erich vierzehn Jahre alt, Jürgen-Arthur zehn. Bald ist auch Italien nicht mehr sicher und am 17. März 1939 werden sie nach Frankreich geschickt, wo sie die nächsten Jahre im Internat einer Privatschule verbringen. Nach dem Abitur ist Erich für die Résistance tätig, um seine neue Heimat Frankreich im Kampf gegen die Nationalsozialisten zu unterstützen. Dennoch wird Erich immer das Gefühl haben, irgendwo zwischen Deutschland und Frankreich zu stehen, in Deutschland verfolgt, weil er Jude ist, in Frankreich nach Kriegsende verfolgt, weil er Deutscher ist.
Thema und Genre
Im Mittelpunkt dieses autobiografischen Romans steht diesmal der ältere Bruder des Autors. Es geht darum, wie sehr die Verfolgung, Lebensgefahr und Flucht aus Deutschland das Leben eines jungen Menschen, im konkreten Fall das Leben von Erich, nachhaltig prägen.
Charaktere
Erich ist Deutscher, protestantisch erzogen und als er plötzlich aus dem Freundeskreis des Gymnasiums ausgeschlossen wird, weil er Jude ist, bricht für ihn die Welt zusammen, er versteht das nicht. Dieser Verlust der Heimat prägt sein ganzes Leben, obwohl er sich rasch in Frankreich zu Hause fühlt, bleibt eine innere Zerrissenheit.
Handlung und Schreibstil
Der Autor erzählt die Geschichte seines Bruders chronologisch, wobei Kindheit und Jugend im Mittelpunkt stehen, vor allem die Ereignisse ab dem Jahr 1938. Immer wieder müssen sie fliehen, entkommen nur knapp, werden versteckt und im Jahr 1943 trennen sich ihre Wege. Während Jürgen-Arthur bei Bauern untertaucht, beginnt Erich, für die Résistance tätig zu sein. 1947 treffen sich die Brüder kurz, aber die hier erzählte Geschichte erfährt der Autor von seinem Bruder erst, als sie sich Ende der siebziger Jahre in Deutschland wiedersehen. In leiser, eindringlicher Sprache schildert der Autor das Leben eines Menschen, der von seiner persönlichen Vergangenheit geprägt ist und sich selbst damit den eigenen Lebensweg zu versperren scheint.
Fazit
„Warum bin ich gerade der, der ich bin?“ (Zitat Pos. 812). Diese autobiografische Geschichte erzählt von einer Generation, die in Deutschland aufwuchs, um über Nacht plötzlich als Jude verfolgt, bedroht zu werden und gerade noch durch Flucht aus dem Land entkommt, das für sie bisher Heimat war.
Unbedingt lesen!
Klappentext:
„Frederick Douglass ist eine Ikone des afroamerikanischen Befreiungskampfes – mit seiner 1845 erschienenen Autobiographie, die jetzt in einer neuen Übersetzung vorliegt, wurde er schlagartig berühmt. Darin blickt er auf sein Leben in der Sklaverei zurück. Er erzählt vom Alltag der Ausgebeuteten, den Herrschaftsstrukturen auf den Plantagen und den kleinen Fluchten, die ihm das Leben als Diener einer Familie ermöglichte. Als Junge lernte er heimlich Lesen und erfuhr so immer mehr über Unterdrückung und Ausbeutung der Schwarzen. Schließlich gelang ihm die Flucht – und eine aufsehenerregende Karriere als Aktivist gegen die Sklaverei und als Politiker begann.
Seine Schilderungen führen auf die Tabakplantagen Marylands und in die Häfen Baltimores. Dabei beschreibt Douglass die Brutalität der Aufseher, die Lebensumstände der Sklaven, ihre Solidarität untereinander – und nicht zuletzt seinen mühseligen Weg in die Freiheit. Ganz nebenbei entsteht das Porträt einer starken Persönlichkeit, die sich schon in jungen Jahren für Freiheit und Gerechtigkeit einsetzt – mit einer unverwechselbaren Stimme.“
Wenn eine Buch über 177 Jahre hinweg so einen Hype erlebt, zählt es wohl zurecht in die Rubrik „ganz besondere Weltliteratur“ und genau das ist es auch. Das was man hier liest, liest man nicht einfach nur mal so, man verinnerlicht es sich, man staunt, man ist geschockt, man ist sprachlos, fassungslos und weiß eigentlich gar nicht mehr wohin mit sich. Das Menschen anderen Menschen so ein Leid zufügen (ich verzichte hier bewusst auf das Wort „konnten“, denn Apartheid und Rassendiskrimierung ist leider immer noch viel zu aktuell) ist einfach nicht zu glauben. Douglass‘ Aufzeichnungen sind schwere Kost aber sie mahnen und sind Zeitzeugnis einer anderen Zeit. Die wachen Geister unter uns werden dennoch so einige Vergleiche in der heutigen Zeit ziehen können und es stellt sich einfach die Frage nach dem Warum. Warum maßen wir Menschen uns an über eine Hautfarbe (oder eine Herkunft oder….) einen Menschen zu diskriminieren? Damals wie heute ist das Thema noch aktuell und genau aus diesem Grund erhält dieses Buch beim Verlag Reclam wieder eine neue Stimme. Dennoch bleibt immer wieder ein Tenor in Douglass Worten: Kämpfen für die Freiheit! Besser hätte man es nicht festhalten können. Sein Werdegang raus aus der Sklaverei war besonders und wahrlich beeindruckend. Ich kann dieses Buch nur empfehlen und verzichte hier weiter auf inhaltliche Angaben. Es ist einfach nur lesenswert! 4 von 5 Sterne.
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