Inhaltsangabe zu "Justine: oder Das Geheimnis von Grey House Castle"
Ein schaurig schöner Romantik-Thriller aus den schottischen Highlands.
Auf der Suche nach ihrer Identität begibt sich Justine nach Schottland in das geheimnisvolle Grey House Castle. Ihr Onkel, Duncan McNeill, scheint die Liebenswürdigkeit in Person zu sein, und Justine kann nicht verstehen, warum ihre verstorbene Mutter diesen wunderbaren Ort Hals über Kopf verlassen hat. Doch dann geschehen merkwürdige Dinge; Duncan verfällt langsam aber sicher dem Alkohol. Unheimliche Ereignisse treiben ihn in den Wahnsinn.
Bald blickt Justine hinter seine freundliche Maske und fühlt sich selbst von dem mysteriösen Geschehen bedroht, bis sie schließlich erkennt, dass es einen guten Grund gab, warum ihre Mutter ihr diesen Onkel und dieses luxuriöse Leben verschwiegen hat.
Leseprobe:
Als Duncan nach der Einnahme von zwei Beruhigungstabletten endlich eingeschlafen war, war es auch über uns still geworden. Dieses laute, beharrliche Stampfen in dem Raum über seinem Schlafzimmer, hatte ihm große Angst gemacht. Wer zum Teufel wollte ihn in den Wahnsinn treiben?
Am liebsten wäre ich zurück ins Bett gegangen, doch dann fasste ich einen Entschluss. Ich schlich zurück in mein Zimmer und anschließend die Treppe zum Obergeschoss hinauf. Als ich die letzte Stufe erreicht hatte, zögerte ich. Der Lichtschein vom Hauptgang wurde mit jedem Schritt schwächer, deshalb knipste ich die Taschenlampe an. Der Lichtkegel war winzig und machte mir die Dunkelheit um mich herum nur noch deutlicher bewusst. Ich zählte die Türen der leerstehenden Zimmer, bis ich mir sicher war, den richtigen Raum gefunden zu haben. Genau hier drunter musste sich Duncans Schlafzimmer befinden.
Es war unvorstellbar still, bis auf das laute Pochen meines Herzens. Vor mir aus dem Zimmer war kein Laut zu hören. Noch bevor ich die Tür öffnete und den stickigen Raum betrat, wusste ich, dass ich zu spät gekommen war. Der Spuk war vorbei.
Ich blickte mich im Schein der Taschenlampe um, doch hier standen lediglich alte, ausrangierte Möbelstücke, die mit weißen Laken abgedeckt waren. Erst als ich den Lichtstrahl auf den Parkettfußboden richtete, stutzte ich: Der ganze Raum war mit einer dicken Staubschicht bedeckt. Doch direkt vor mir, zwischen den Möbeln, entdeckte ich die Abdrücke von Schuhsohlen. Mir lief es eiskalt den Rücken hinunter. Es musste tatsächlich jemand hier oben gewesen sein. Jemand, der meinem Onkel Angst einjagen wollte.
„Morgen werde ich Alexander die Fußspuren zeigen“, dachte ich. Diese Abdrücke waren der Beweis dafür, dass Duncan nicht an Verfolgungswahn litt, sondern dass ihm tatsächlich jemand nachstellte.
Endlich fuhr Alexanders Wagen auf den Hof. Ich erzählte ihm hastig, was sich ereignet hatte. Alexander starrte mich ungläubig an: „Und du bist mitten in der Nacht allein auf den Dachboden gegangen? Bist du wahnsinnig?“
„Der Wahnsinn scheint in dieser Familie normal zu sein“, versuchte ich zu scherzen, doch ich begriff plötzlich, in welche Gefahr ich mich begeben hatte.
Falls dort oben tatsächlich jemand gewesen war... Diesen Zweifel las ich auch in Alexanders Augen, das machte mich wütend.
„Komm mit und sieh es dir selber an, wenn du mir nicht glaubst“, sagte ich mit kalter Stimme.
Ich ging voraus, durch die große Eingangstür hinauf bis ins Obergeschoss. Heute hatte dieser Korridor nichts Gespenstisches mehr an sich. Das Tageslicht vertrieb alle furchtsamen Gedanken und ließ meine Ängste der Nacht irrational erscheinen.
Alexander sah mich seltsam von der Seite an und ich biss mir auf die Lippen, um meine wütenden Gedanken nicht in Worte zu fassen. Er würde ja gleich sehen, dass ich die Wahrheit gesagt hatte.
Ich riss die Tür zu dem Zimmer auf und blieb mit dem Rücken am Türblatt stehen. Alexander ging an mir vorbei und blieb regungslos im Raum stehen.
„Ja und?“, fragte er spöttisch.
Ich folgte seinem Blick und erstarrte: Der Parkettfußboden glänzte, als wäre er frisch gebohnert. Nicht ein einziges Krümelchen Staub war mehr zu sehen...
Freundschaft als Einbahnstraße
Die Handlung:
Mark sitzt im Gefängnis, weil er Janine, seine Geliebte, vergewaltigt und in eine lebensgefährliche Situation gebracht haben soll. Sieben Monate lang geht das Leben seiner Freunde weiter, ohne dass ihn jemand besucht oder sich groß Gedanken über seine Situation macht. Nur seine Ex-Freundin Helen besucht ihn, und als sie Wolfgang, einem der Freunde, davon erzählt, packt den das schlechte Gewissen - hätte er Mark so schnell abschreiben dürfen? Denn eigentlich traut er Mark so eine Tag doch gar nicht zu... Oder? Helen und Wolfgang tun sich zusammen, um ein Wiederaufnahmeverfahren zu erreichen und Marks Unschuld zu beweisen. Aber als Wolfgang Janine aufsucht, die er in Gedanken eigentlich schon zur intriganten Verführerin gemacht hat, muss er feststellen, dass Schuld und Unschuld hier eine Gratwanderung sind.
Meine Meinung:
Titelbild und Klappentext ließen mich einen Thriller erwarten, aber das ist das Buch meines Erachtens nicht. Was ich stattdessen vorfand, war ein Roman, der zwar spannende Themen aufgreift, in dem es aber vor allem um das Zwischenmenschliche geht - besonders um das, was ungesagt und ungetan bleibt. Schuld und Unschuld sind immer wiederkehrende Motive, ebenso Religion und Missbrauchsfälle in der Kirche, aber in meinen Augen steht vor allem die Freundschaft im Mittelpunkt.
Ist es Freundschaft, wenn man einen Freund einfach abschreibt, weil er ins Gefängnis kommt? Ist es Freundschaft, wenn man gar nicht mitbekommt, dass ein Freund Probleme hat oder unglücklich ist?Die Grundsituation fand ich sehr interessant: Menschen, die bisher nur eine oberflächliche Freundschaft verbunden hat, finden sich in einer Situation wieder, wo sie für sich ergründen müssen, was ihnen diese Freundschaft - oder Freundschaft überhaupt! - wert ist.
Die Umsetzung konnte mich aber leider nicht vollständig überzeugen. Das lag meines Erachtens vor allem daran, dass ich mit den wichtigsten Charakteren nicht so recht warm wurde. Ich konnte ihre Entscheidungen und ihr Verhalten nicht immer nachvollziehen, und manche Entwicklungen gingen mir einfach viel zu schnell!
Zum Beispiel ist Wolfgang anfangs überzeugt, dass Janine ein ruchloses Flittchen ist, das den unschuldigen Mark zu Drogen und Bondage verführt und ihn damit in die Situation gebracht hat, die zu seiner Verurteilung führte. Wolfgang besucht Janine zuhause, und obwohl sie ihn kaum kennt, zerrt sie ihn direkt in ihr Schlafzimmer, legt sich nackt ins Bett und beginnt damit, ihren Arm ans Geländer zu fesseln, um ihm vorzuführen, was Mark mit ihr gemacht hat - wobei sehr deutlich wird, dass sie nichts dagegen hätte, wenn Wolfgang ein bisschen mitspielen würde...
Anfangs wirkt sie wirklich wie das Luder, das Wolfgang erwartet hat. Sie spricht derbe, trinkt, nimmt Drogen, scheint ungebildet und abgebrüht. Aber sie entwickelt sich in rasantem Tempo zur souveränen, gebildeten Frau, die sogar Literaturseminare besucht. Auch Wolfgangs Gefühle für Janine machen schon nach einem oder zwei Treffen eine Wendung um 180 Grad - da hätte ich mir gewünscht, dass der Roman vielleicht 100 Seiten länger wäre und diese Beziehung sich dafür langsamer entfalten und tiefer ausgelotet werden würde.
Und im Grunde gilt das für alle Beziehungen in diesem Buch, denn es geht hier doch ums Zwischenmenschliche! Vor allem Mark blieb für mich seltsam blass, denn sein Fall wirft zwar viele ethische Fragen auf und veranlasst seine Freunde, in sich zu gehen und ihre Ansichten zu hinterfragen, aber als Mensch habe ich ihn kaum kennengelernt.
Der Roman hatte für mich immer mal wieder kleinere Spannungsflauten, in denen sich der Fall nicht richtig weiterentwickelt und die Gedanken der Protagonisten sich im Kreise drehen. Manchmal erschienen mir die Abläufe auch etwas verworren. Dennoch hatte ich das Buch schnell durch, denn ich fand es trotz meiner Schwierigkeiten mit den Charakteren unterhaltsam.
Schade fand ich, dass das Thema Missbrauch in der Kirche zwar angesprochen wird, dann aber nie wirklich zum Zug kommt - es bleibt bei Andeutungen.
Der Schreibstil hat mir überwiegend gut gefallen; viele Formulierungen fand ich gut gelungen, die Beschreibungen sind meist lebendig. Nur die Dialoge kamen mir gelegentlich etwas hölzern vor, und ich bekam kein richtiges Gespür für die "Stimmen" der verschiedenen Charaktere.
Zitat:
"Die Freundschaft in der Clique war eine Einbahnstraße. Alle hatten die gleiche Richtung: das gemeinsame Ziel, Spaß und Unterhaltung zu haben. Alle genossen den Weg zu diesem Ziel. (...) Hilfe in Not und Verzweiflung wurde natürlich gewährt, wenn angefordert. Doch Hilfe schon bereitzustellen, eher der Hilfesuchende sich auf den Weg macht, vermag nur wachsame Freundschaft, die in der Seele Ausschau hält."
Fazit:
In "Unschuldig?" geht es um zwischenmenschliche Beziehungen, besonders um die Bedeutung von Freundschaft. Mark wird als Vergewaltiger zu einer siebenjährigen Haft verurteilt, und seine Freunde fragen sich zunehmend beklommen, ob die sogenannte "Freundschaft" in ihrer Clique überhaupt etwas wert ist.
Die Themen fand ich sehr interessant, aber ich tat mich schwer mit den Charakteren, denn die entwickeln sich oft sehr sprunghaft und drastisch. Die Spannung konnte sich für mich nicht immer halten, aber dennoch ließ sich das Buch gut und flüssig lesen.
Teilen