Dem Kroisleitner sein Vater

Buchseite und Rezensionen zu 'Dem Kroisleitner sein Vater' von Martin Schult
3.25
3.3 von 5 (4 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Dem Kroisleitner sein Vater"

»Eine Oper im Dreivierteltakt – Heimatfilm, Bergdrama und Krimi – Martin Schult bringt mit Frassek und Sprotz den Berliner Wedding in die Steiermark, lässt Menschen sterben und wieder auferstehen und höchst unterhaltsam zwei Welten aufeinanderprallen.« Christoph Schröder, freier Literaturkritiker und Mitglied der Jury des Deutschen Buchpreises 2016 


 Dem Kroisleitner Karl sein Vater ist tot. 104 war der alte Kroisleitner, aber noch topfit, das lag an der guten Luft oder am Marillenschnaps. Schon bald ermittelt die Kriminalpolizei aus der nahen Bezirkshauptstadt, was der wortkarge Wanderer mit der schlechten Ausrüstung damit zu tun hat. Ebenjener mit dem Namen Frassek, seines Zeichens Polizeiobermeister aus Berlin, hatte sich doch nur in der Steiermark von seinem letzten, gelinde gesagt unglücklich verlaufenen, Fall erholen wollen - und von seiner pubertierenden Tochter. Inmitten von Lügen, Intrigen und Dorfklatsch wird Frassek unversehens vom Tatverdächtigen zum Ermittler.

Format:Kindle Edition
Seiten:336
EAN:
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Rezensionen zu "Dem Kroisleitner sein Vater"

  1. Crossculture-Krimi

    Frassek, Polizeiobermeister in Berlin, hat mehr als nur eine Pechsträhne. Vor kurzem ist erst die Mutter gestorben, jetzt der Vater, die Frau hat ihn verlassen und seine pubertierende Tochter findet ihn ,,sowas von alt“. Die Beerdigung des Vaters schwänzt er einfach und fährt stattdessen weiter in die Berge, wo er in dem kleinen Dorf St. Margarethen in der Steiermark landet. Zurück in Berlin muss er sich um abzuschiebende Asylanten kümmern, die auf geheimnisvolle Weise jedes Mal vorgewarnt werden und rechtzeitig verschwinden. Als Frassek und sein Kollege Sprotz versuchen, den Täter, genannt der ,,Robin Hood vom Humboldthain“, durch eine List zu fassen, blamieren sie sich grandios. Und dann erfährt Frassek auch noch, dass er als Verdächtiger in einem Mordfall in St. Margarethen gesucht wird. Der 104-jährige Alois Kroisleitner wurde ermordet, und zwar genau zu dem Zeitpunkt, als sich Frassek dort aufhielt. Da hilft nur noch die Flucht nach vorn. Frassek begibt sich samt seiner Tochter ins idyllische St. Margarethen und ermittelt selbst. Dabei kommen nicht nur lange gehütete Dorf- und Familiengeheimnisse zutage, auch die Ereignisse im und nach dem 2. Weltkrieg spielen eine Rolle.
    Die Gattung ,,Kriminalroman“ beschreibt den Charakter des Buches nur bedingt. Zwar gibt es Tote, Verdächtige und Mörder, die Spannung ergibt sich aber eher aus der Mischung von Regionalem, Historischem, allgemein Menschlichem und Witz. Klamauk ist durchaus vorhanden, wenn Berliner Schnauze auf Steiermark trifft. Doch hat das Buch weit mehr als so mancher humorige Regionalkrimi zu bieten. Wenn Frassek und der ,,junge“ Kroisleitner sich über das Sterben unterhalten, geht es schon fast ins Philosophische.
    Die häufigen Orts- und Perspektivenwechsel fordern die Aufmerksamkeit des Lesers. So einiges muss man sich wie ein Puzzle zusammensuchen, auch in die Sprache der St. Margarethener muss man sich erst einfinden. Doch gerade das macht den besonderen Reiz dieses Buches aus. Mich hat das Buch gut unterhalten, gerade weil es sich eher um eine Mischung aller möglichen Gattungen und Stile als um einen Krimi im eigentlichen Sinne handelt.

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  1. 3
    06. Jul 2017 

    Showdown

    Anstatt zur Beerdigung seines Vaters zu gehen, flüchtet der Berliner Polizist Frassek nach Österreich. Dort stolpert er in einen Todesfall, der den österreichischen Kollegen sehr verdächtig vorkommt. Frassek ist dann erstmal der große Unbekannte, der ins Dorf kam und es wieder verließ. Als Frassek in Berlin seine Kompetenzen überschreitet und damit einen Fall kaputt macht, macht er sich erneut auf den Weg ins Alpenland. Das Suchbild im Fernsehen sieht ihm doch recht ähnlich. Ehe er es sich versieht, gehört Frassek zu den Verdächtigen. Er soll den 104jährigen Alois Kroisleitner umgebracht haben. Zwar muss ihn die Polizei schnell wieder gehen lassen, aber Frassek sieht sich in der Pflicht hier die Wahrheit herauszubringen.

    Ein Berliner Polizist, der den Tod seines Vaters nicht verarbeiten kann, trifft auf einen Schuhmacher, dessen Vater plötzlich verstorben ist. Natürlich hat der Berliner in Österreich nichts zu ermitteln, aber ein wenig herumfragen kann man ja mal, nicht? Nichts anderes tun auch die Dorfbewohner. Die Wirtin Lissi macht sich so ihre Gedanken, die Dagmar und die Maria auch. Und dann kommt auch noch die Tochter von der Maria wieder, die das Dorf vor zehn Jahren verlassen hat. Sie findet geheimnisvolle Briefe und sie will endlich wissen, wer ihr Vater ist, und warum der schöne Josef damals nichts mit ihr zu tun haben wollte.

    Ein richtiger Kriminalroman ist es eigentlich nicht. Zwar gibt es einen Toten und viele Geheimnisse. Doch die Arbeit der Polizei bildet eher eine Nebenhandlung. Und so könnte man, wenn man die Bezeichnung dieses Romans als Kriminalroman allzu ernst nimmt, eine kleine Enttäuschung erleben. Ein Todesfall gibt Anlass zu allerhand Nachforschungen, an denen sich das ganze Dorf beteiligt und jeder etwas anderes beizutragen hat. Hinzu kommen noch jene, die tatsächlich mit den geheimen Ränken aus der Vergangenheit in Verbindung stehen, wissentlich oder unwissentlich. Und so lässt man sich von der urigen Bergwelt und ihren Bewohnern bezaubern und in Urlaubsstimmung versetzen. Im Gegensatz zu der verzweigten und nachhaltig vorangebrachten Handlung wirkt der Schluss etwas abgehackt, beinahe als hätte sich der Autor an eine Seitenvorgabe halten wollen. Dennoch schafft er mit den chaotisch sympathischen Berlinern Frassek und Sprotz ein Team, von dem man sich gerne fragt, wohin sie die nächste Reise führen wird.

    3,5 Sterne

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  1. zu viel des Guten

    Inhalt:
    Dem Kroisleitner Karl sein Vater ist tot. 104 war der alte Kroisleitner, aber noch topfit, das lag an der guten Luft oder am Marillenschnaps. Schon bald ermittelt die Kriminalpolizei aus der nahen Bezirkshauptstadt, was der wortkarge Wanderer mit der schlechten Ausrüstung damit zu tun hat. Ebenjener mit dem Namen Frassek, seines Zeichens Polizeiobermeister aus Berlin, hatte sich doch nur in der Steiermark von seinem letzten, gelinde gesagt unglücklich verlaufenen, Fall erholen wollen - und von seiner pubertierenden Tochter. Inmitten von Lügen, Intrigen und Dorfklatsch wird Frassek unversehens vom Tatverdächtigen zum Ermittler.

    Mein Fazit:
    Das Buch ist mit Handlungen und verschiedenen Geschichtszügen vollgepackt. Man kommt zwar gut in die Geschichte hinein, hat aber im Laufe des Buches das Gefühl man wird erschlagen - es ist viel zu viel in das Buch hineingepackt.
    Kurzzeitig war ich auch verwirrt - denn es kommen sehr viele Personen vor, und nicht immer ist sofort klar, welche Person zu welchem Teil der Geschichte gehört - immer wieder habe ich kurz den Überblick verloren. Desweiteren hatte ich das Gefühl, die Personen blieben mir das ganze Buch hindurch fremd.
    Das Buch ist sehr unterhaltsam, da immer etwas passiert - aber zu viel des Guten ist auch nicht gut.
    Es scheint auch so, dass der Autor mehrere Genre (Krimi, Liebesgeschichte und Heimatroman) in einem Buch kombinieren wollte - im Endeffekt würde ich das Buch keinem Genre zuordnen können.

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  1. Sieben Plagen in St. Margarethen

    Der Krimi beginnt sehr turbulent. Die Vorstellung der Personen erinnerten mich stark an die guten alten Rowohlt Krimis, bei denen die Charaktere mit geheimnisvollen Sätzen eingeführt werden. Die drei Erzählstränge führen von Londons Welt der Popmusik, ins hektische Berlin zu einem Ermittler, der vom Verfolger zum Verfolgten wird und ins beschauliche St. Margarethen in der Steiermark, wo Intrigen und Geheimnisse das Dorf seit 70 Jahren im Griff haben und spalten.
    Die Erzählweise ist bisweilen hektisch und - wie ich finde - etwas gewollt kryptisch, einschließlich allerlei apokalyptischer Plagen die das Dorf heimsuchen. Die Sprache ist lakonisch und passt ganz gut zu den Figuren, ob typisch berlinerisch oder steirisch. Der Krimi versucht ganz anders zu sein, als die typischen Regionalkrimis, manchmal denke ich, der Autor hat da ganz bewusst das Genre auf die Spitze getrieben.
    Ich habe den Krimi, wenn man die Geschichte so einordnen will, gern gelesen und mich stellenweise auch prächtig amüsiert. Mit den Figuren ist dem Autor ein Reigen kauziger, mal mehr oder weniger liebenswerter oder gar verabscheuungswürdiger Charaktere gelungen. Ganz zum Schluss, wenn Frassek über das Erlebte und Überlebte sinniert, kommt ihm ein Hollywoodfilm oder gar eine Oper in den Sinn, die einer aufschreiben sollte. Eine komische Oper könnte ganz gut passen, mit überzeichneten Helden und Heldinnen die ihre Soloparts haben, Gefahren überstehen und Geheimnisse lösen müssen und einem großen Finale zum Schluss.
    Kein Allerweltskrimi, aber wer sich darauf einlassen möchte, kann sich gut unterhalten.

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LION: Der lange Weg nach Hause

Buchseite und Rezensionen zu 'LION: Der lange Weg nach Hause' von Saroo Brierley

Inhaltsangabe zu "LION: Der lange Weg nach Hause"

Es ist ein Tag wie jeder andere im Leben des fünfjährigen Saroo: Auf dem Bahnhof einer indischen Kleinstadt sucht er nach Münzen und Essensresten. Schließlich schläft er vor Erschöpfung in einem wartenden Zug ein. Der fährt den kleinen Jungen ans andere Ende von Indien, nach Kalkutta. Völlig alleine an einem der gefährlichsten Orte der Welt schlägt er sich wochenlang auf der Straße durch, landet im Waisenhaus und gelangt so zu den Brierleys, die Saroo ein neues Zuhause in Australien schenken.
Fünfundzwanzig Jahre später macht sich Saroo mit Hilfe von Google Earth auf die Suche nach seiner leiblichen Familie. Am Bildschirm fährt er Nacht für Nacht das Zugnetz von Indien ab. Das Unglaubliche passiert: Er findet ein Dorf, das dem Bild in seiner Erinnerung entspricht – und macht sich auf den Weg ...

Format:Kindle Edition
Seiten:256
EAN:
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Abseitsfalle: Kriminalroman

Buchseite und Rezensionen zu 'Abseitsfalle: Kriminalroman' von B. H. Lager
2
2 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Abseitsfalle: Kriminalroman"

Kriminalkommissar Gerry Köstner hat zurzeit andere Sorgen als das anstehende Champions League Finale. Aber dann wird Jahrhunderttalent und Jungstar des SV München Uwe Bärens mit einer Überdosis Heroin im Blut in seiner Villa aufgefunden. Ein Selbstmord? Und das acht Tage vor dem Finalspiel gegen Barcelona. Kein Wunder, dass nicht nur Clubmanager und Trainer die Sache schnell und diskret aus der Welt schaffen wollen. Gerry und sein Partner Marius Leitner geraten auch von ganz oben unter Druck, denn scheinbar hat man auch auf Regierungsebene nicht nur Sorgen um die Meisterschaft. Mit ihren Ermittlungen stechen die Kommissare in ein Wespennest und drohen in einem Spiel, bei dem es scheinbar keine Regeln gibt, eine tödliche Niederlage zu kassieren…

Autor:
Format:Kindle Edition
Seiten:169
Verlag: Midnight
EAN:
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Rezensionen zu "Abseitsfalle: Kriminalroman"

  1. Selbstmord oder Mord das ist hier die Frage

    Gerry Köstner und sein Partner Marius Leitner werden zu einem toten Fußballprofi gerufen. Der aufgehende Fußballer Uwe Bärens des SV München ist tot in seiner Wohnung gefunden worden. Eine Überdosis Heroin und außerdem Heroin in riesigen Mengen findet man dort ebenfalls vor. War es wirklich Selbstmord, Kriminalkommissar Gerry Köstner ist nicht davon überzeugt. Wer trachtet diesem jungen Talent, kurz vor dem Champions League Finale nach dem Leben? Leitner und Köstner sollen möglichst schnell und diskret ermitteln. Doch keiner glaubt das Bärens drogenabhängig war, den hatte er doch vor Jahren den Tod eines Freundes an Drogen miterlebt. Als sich dann auch noch die Staatssicherheit einschaltet, wird der Fall immer suspekter und für die Ermittler zur großen Gefahr.

    Meine Meinung:
    Dieses Story hat mich hin und hergerissen, die Ansätze dieses Debüts waren durchaus nicht schlecht, allerdings fand ich dann wie sich das ganze entwickelt sehr an den Haaren herbeigezogen. Dazu dann im zweiten Handlungsstreifen immer wieder die Vergangenheit von Gerry Köstner zu lesen, war sehr verwirrend, da es mit dem Fall nichts zu tun hatte. Manchmal hatte ich das Gefühl das diese Szenen nur, als Platzfüller für den sowieso schon kurzen Krimi dienten. Die Schreibweise war flüssig und gut, bis auf diese fadenscheinige Geschichte und vielleicht 2–3 Wörter die ich nicht kannte. Hätte mich die Vergangenheit Köstners nicht noch mehr verwirrt und wäre dieser Fall nicht so konfus gewesen, wäre es sicher ein guter Krimi gewesen. Aber so hat mich das ganze eher mit vielen Fragen zurückgelassen, zumal das Ende auch noch sehr fragwürdig war. Das Cover dagegen ist wirklich gut gewählt und passt hervorragend zum Buch. Nein B.H. Lager das war nichts in meinen Augen, vielleicht beim nächsten Mal. Von mir leider nur 2 von 5 Sterne.

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Sturmherz: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Sturmherz: Roman' von Corina Bomann
4
4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Sturmherz: Roman"

Alexa Petri hat schon seit vielen Jahren ein schwieriges Verhältnis zu ihrer Mutter Cornelia. Doch nun liegt Cornelia im Koma, und Alexa muss ihre Vormundschaft übernehmen. Sie findet einen Brief, der Cornelia in einem ganz neuen Licht erscheinen lässt: als leidenschaftliche junge Frau im Hamburg der frühen sechziger Jahre. Und als Opfer der schweren Sturmflutkatastrophe. Alexa beginnt zu ahnen, wer ihre Mutter wirklich ist. Als ein alter Freund von Cornelia auftaucht, ergreift Alexa die Chance, sich von der Frau erzählen zu lassen, die sie schließlich auch verstehen und lieben lernt.

Format:Kindle Edition
Seiten:528
EAN:
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Rezensionen zu "Sturmherz: Roman"

  1. 4
    19. Mär 2017 

    Auf der Suche nach Verständnis

    Als Alexa Petri den Anruf bekommt, dass ihre Mutter Cornelia einen Schlaganfall erlitten hat, ist sie erst einmal erschüttert und hilflos. Sie hatte schon lange wenig bis gar keinen Kontakt mehr zu ihrer Mutter, da das Verhältnis schon seit ihrer frühesten Jugend von seiten der Mutter zu ihr stark unterkühlt war. Warum ihre Mutter sich so abweisend ihr gegenüber verhalten hat, konnte sich Alexa nie erklären. Auf der Suche nach Antworten lernt sie durch Zufall Richard Henderson, einen bekannten Autor aus den USA kennen. Er erzählt ihr schließlich seine Geschichte über die große Liebe zu Cornelia und was 1962 bei der Sturmflut in Hamburg passiert ist.
    Diese Liebesgeschichte aus einer lange vergangenen Zeit hat mich sehr berührt. Hier geht es um eine Liebe, die durch Naturgewalt und besondere Umstände im Grunde zerstört wurde. Es geht auch um die Liebe von Alexa zu ihrer Mutter und ob beide noch eine Chance auf eine Normalisierung des Verhältnisses haben. Sehr anschaulich erfährt der Leser die Geschehnisse von damals bei der Flut aus der Sicht von Richard und ebenso dann auch die Geschehnisse, so wie sie damals aus der Sicht von Cornelia abgelaufen sind. Durch die verschiedenen Sichten auf die Geschehnisse von damals ist Alexa in der Lage sich in die Situation ihrer Mutter zu versetzen und kann Verständnis für ihr Verhalten entwickeln. Nicht verstehen kann sie und sicher auch der Leser die Hartherzigkeit der Mutter, als diese sich nach ihrem Wiederauftauchen so komplett von ihrer Tochter abwendet.
    Auch dieses Wiederannähern zwischen Mutter und Tochter wird sehr anschaulich dargestellt. Mir hat gerade Alexa in dieser schwierigen Situation manchmal schon sehr leid getan. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie in den verschiedenen Situationen durchaus überfordert war. Letztlich ist es auch ein Buch über Mütter und Töchter und deren mitunter schwieriges Verhältnis zueinander.
    Ich fand dieses Buch spannend, vor allem die Situation über die Sturmflut in Hamburg damals. Davon hatte ich zwar einmal gehört, aber so richtig wusste ich nichts davon. Gekonnt hat Corina Bomann dieses geschichtliche Ereignis in einen Roman verpackt. Die Autorin verwendet eine ausgezeichnete Sprache und schreibt in einem flüssigen Stil, mit gutem Tempo. Da ich als Leser auch wissen wollte, was sich genau damals zugetragen hatte, konnte ich das Buch kaum aus der Hand legen. Erschüttert war ich vom Ende, damit hätte ich nicht gerechnet.
    Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung und verdiente vier Lesesterne.

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Rattentanz: Thriller (Edition 211)

Buchseite und Rezensionen zu 'Rattentanz: Thriller (Edition 211)' von Michael Tietz
3
3 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Rattentanz: Thriller (Edition 211)"

23. Mai, 07:00 Uhr. An einem ganz normalen Frühlingsmorgen beginnt der globale Albtraum: Das weltweite Stromnetz bricht von einer Sekunde auf die andere zusammen. Sämtliche Kommunikationssysteme kollabieren, urplötzlich stürzen Flugzeuge vom Himmel, innerhalb von Stunden regieren Chaos, Gewalt und Anarchie. Es geht um das nackte Überleben in einer bis dahin unbekannten Welt - aber nur die wenigsten scheinen dieser Herausforderung gewachsen. Gibt es Hoffnung für die Menschheit oder werden am Ende nur die Ratten triumphieren?

Format:Kindle Edition
Seiten:856
EAN:
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Rezensionen zu "Rattentanz: Thriller (Edition 211)"

  1. 3
    16. Mär 2017 

    Das Jahr Null

    Eva Seger ist unsicher, soll sie ihrem Mann Hans sagen, dass sie schwanger ist. Eigentlich waren sie zufrieden damit, ihre Tochter Lea zu haben. Sie entschließt sich, erst zu sprechen, wenn Hans von seiner Geschäftsreise nach Schweden zurückgekehrt ist. Hans kann gerade noch mitteilen, dass er gut in Schweden angekommen ist, da bricht plötzlich das Telefonnetz zusammen. Und nicht nur das, der Strom ist weg und damit auch ein großer Teil dessen, was die Zivilisation zusammenhält. Schnell brechen Versorgung und Verkehrsnetze zusammen, jeder scheint sich selbst der Nächste zu sein. Und nicht wenige versuchen, ihren Willen mit Gewalt durchzusetzen.

    Der Gedanke an einen Totalausfall der Dinge, die unser heutiges bequemes Leben ausmachen, lässt einen Schaudern. Wie schnell geht die Zivilisation zugrunde? Gilt wirklich jeder gegen jeden? Oder kann es einen zwischenmenschlichen Zusammenhalt geben? Eine gegenseitige Unterstützung, die dabei hilft, die neue Welt anzunehmen? Wie weit ist es mit dem Glauben an die Menschheit? Soll man eher darauf hoffen, dass sich die Menschen schon zusammenraufen und wieder einen neuen Anfang wagen? Oder ist eine eher pessimistische Sicht wahrscheinlicher? Werden sich die Menschen gegenseitig auch noch um das Letzte bringen, was ihnen verblieben ist? Blühende Landschaften oder verrottende Leichenberge?

    Zum Glück haben mussten wir den Moment, in dem sich ein Schalter umlegt, noch nicht erleben. Örtliche begrenzte Katastrophen lösen häufe eine Welle der Hilfsbereitschaft aus. So hofft man also so, dass auch eine umfassende Katastrophe irgendwie gemeistert würde. Aber kann man sicher sein? Eher nicht, und damit spielt der Autor. Er zeichnet ein eher pessimistisches Bild, bei dessen Anblick man beinahe die Hoffnung verliert. Und doch gibt es kleine Silberstreifen am Horizont. Zwar handeln viele je nach Situation, die sich ihnen stellt, mal mehr und mal weniger wie man es sich nach den heutigen Maßstäben erhoffen und erwarten würde, aber dennoch gibt es diejenigen, die die Zivilisation zusammenhalten können, die das Gut von Familie und Gemeinschaft hochhalten und verteidigen. Allerdings entsteht der Eindruck als wolle der Autor wirklich jede mögliche Facette der menschlichen Reaktionen auf die Katastrophe darstellen und so werden recht viele Personen eingeführt, was es manchmal etwas erschwert, den eigentlichen Handlungsfaden im Blick zu behalten. Auch wirken einige Beschreibungen schon etwas hart. Zum Glück kann man sich aber an die halten Personen halten, deren Verhalten Hoffnung auf einen Fortbestand weckt. Doch nachdenklich wird man schon, bei der Vorstellung wie schnell alles zusammenbrechen könnte.

    Ein spannendes Werk über eine Zukunft, die wir so hoffentlich nie erleben werden.

    3,5 Sterne

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Alle Farben Rot

Buchseite und Rezensionen zu 'Alle Farben Rot' von Laksmi Pamuntjak

Inhaltsangabe zu "Alle Farben Rot"

Wenige Jahre, bevor in Deutschland und Frankreich Millionen junger Menschen demonstrierten und gegen die enge Welt ihrer Eltern rebellierten, waren die Straßen Indonesiens rot von Blut. Im Jahre 1965 hatte sich der junge General Suharto an die Macht geputscht, seitdem war das Land geteilt in Freund und Feind der neuen Herrschenden, verfolgt wurden alle, die im Verdacht standen, Kommunisten zu sein. Misstrauen und Angst spalteten Dorfgemeinschaften und Familien, viele verloren in gewaltsamen Unruhen ihr Leben, Tausende wurden ohne Prozess in Strafkolonien auf entlegenen Inseln verschleppt. Jahrzehnte später, lange nach Suhartos Sturz im Jahre 1998, sucht eine Frau auf der Gefangeneninsel Buru nach den Spuren des Mannes, den sie in jenen Tagen geliebt und dann verloren hat. In den Wirren einer Straßenschlacht wurden Amba und Bhisma damals auseinandergerissen, und Amba wusste all die Jahre nichts über das Schicksal ihrer großen Liebe. Bis sie eines Tages eine anonyme Mail erhält, aus der hervorgeht, dass Bhisma damals nach Buru verschleppt wurde. Und so macht sich Amba auf, um endlich Antworten auf die Fragen zu finden, die sie schon so lange quälen. Entlang der Linien des indonesischen Nationalepos Mahabharata, jener großen
Erzählung von Liebe und Krieg, entfaltet Laksmi Pamuntjak das Panorama einer jungen Nation und ihres bewegten 20. Jahrhunderts zwischen Kolonialzeit und Unabhängigkeit, Diktatur und Demokratie.

Format:Kindle Edition
Seiten:673
EAN:
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Winterflüstern (Sommerflüstern 3)

Buchseite und Rezensionen zu 'Winterflüstern (Sommerflüstern 3)' von Tanja Voosen
4
4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Winterflüstern (Sommerflüstern 3)"

**Ein wunderbar romantisch-verzwickter Winterroman**


Auch wenn Kasie mit Nachnamen Clark heißt und gerne Nerd-Brillen trägt, ist sie von einem Dasein als Supergirl noch meilenweit entfernt. Stattdessen hilft sie Menschen auf eine andere Weise: Sie sammelt Lebensgeschichten und bietet im Gegenzug ihren Rat an. Dabei bräuchte sie eigentlich selbst einen, als sie plötzlich in eine neue Stadt ziehen und bei der Familie ihrer Cousinen Lucy und Taylor wohnen muss. Schon bei ihrer Ankunft dort wird ihr die tragischste Lebensgeschichte ihrer Sammlung erzählt – von Constantin, dem seltsam anziehenden Jungen, der am Bahnhof sitzt und auf einen Zug wartet, den er nicht bezahlen kann. Aber auch guter Rat ist teuer…

Autor:
Format:Kindle Edition
Seiten:305
Verlag: Impress
EAN:
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Rezensionen zu "Winterflüstern (Sommerflüstern 3)"

  1. Natürlich, spannend und geheimnisvoll!!!

    „Winterflüstern“ von Tanja Voosen ist der dritte Teil einer Jugendbuch-Reihe, die man aber auch separat von einander lesen kann.

    Geschichten sammeln und den Leuten Rat geben, dass kann Kasie ziemlich gut. Doch steht sie selbst vor einem großen Problem. Sie zieht zu ihren Verwandten, die sie lange nicht gesehen hat, um dort zu wohnen. Am Bahnhof begenet sie dann noch einem Jungen, der ihr ständig über den Weg laufen wird.

    Kasie Clark ist keine Superheldin. Sie schreibt Geschichten von anderen Menschen auf und hilft ihnen im Genezug dafür. Wegen familiären Problemen muss Kasie entweder zu ihrer Tante und ihrem Onkel oder in ein Internat. Sie entscheidet sich für ihre Verwandten und hat es nicht immer leicht in ihrem Leben. Außerdem ist sie ein kleiner Nerd und wirkt sehr normal.

    Während Kasie eher normal ist, sind des die anderen Charaktere nicht unbedingt. Eine ihrer Cousinen ist wunderhübsch, beide haben eine tolle Beziehung und scheinen ein wesentlich besseres Leben zu haben als Kasie selbst. Jemma ist der sozusagen der Papagei. Sie ist lustig, verrückt und macht ihr Ding. Natürlich darf der Badboy Constantin Bash nicht fehlen.
    Die Charaktere wirken nicht übertrieben, sondern sehr real, selbst Jemma und ihre doch sehr schräge Familie.

    Die Geschichte spielt rund um eine Highschool. Es gibt Clubs, nervige Lehrer, Jungs, … eben so der typische Alltag eines Teeangers. Dazu kommt für Kasie das sie ja neu an der Schule ist und sich erst Mal zu recht finden muss. Ständig läuft ihr bash üpber den Weg. Sie kann ihn seit seiner Lüge am Bahnhof nicht leiden.
    Es gibt aber nicht nur diese „alltäglichen“ Probleme. Hinzu kommt noch der Grund warum Kasie eigentlich bei ihren Vernwandeten unerkommen muss.

    Als Leser weiß man lange nicht so ganz Bescheid, warum Kasie wirklich weg musste. Tanja Voosen deckt es langsam auf. So ist es von Anfang an interessant und spannend. Denn Kasie wird von der ganzen Situation beeinflusst. Es vermischt sich hier ein Familiendrama mit einer tollen Liebesgeschichte.
    Es ist nicht zu kitschig sondern sehr natürlich, spannend und geheimnisvoll. Einfach eine tolle Mischung.

    Wie oben schon erwähnt, ist es der dritte Band. Man kann ihn aber unhabhänig von den beiden Vorgängern lesen. Man kommt gut rein und es fehlen auch keine benötigten Informationen. Tanja Voosen kommt auch ohne Rückblenden aus. Es ist eine in sich geschlossene Geschichte.

    Das Cover ist winterlich mit blaulichen und weißen Tönen. Ein jungens Pärchen liegt sich in den Armen und von oben fliegen kleine Buchseiten auf sie herab. Das Cover passt zur Geschichte.

    Die beiden vorherigen Teile habe ich nicht gelesen, aber das ist auch überhaupt nicht nötig! Ich bin so richtig gut in die Geschichte reingekommen. Kasie ist mir zwar etwas zu normal, aber Jemma holt alles wieder raus.
    Auch ist es Tanja Voosen wieder gelungen ein familiäres Problem mit dem Schulalltag zuverbinden und den Leser zu fesseln ähnlich wie in „Emily lives loudly“. Wobei letzteres etwas dramatischer war und mir einen Tack besser gefallen hat.

    Deswegen gibt es 4 ½ von 5 Wölfen!

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Liebten wir

Buchseite und Rezensionen zu 'Liebten wir' von Nina Blazon
5
5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Liebten wir"

Verstohlene Blicke, versteckte Gesten, die Abgründe hinter lächelnden Mündern: Fotografin Mo sieht durch ihre Linse alles. Wenn sie der Welt ohne den Filter ihrer Kamera begegnen soll, wird es kompliziert. Mit ihrer Schwester hat sie sich zerstritten, von ihrem Vater entfremdet. Umso mehr freut sich Mo auf das Familienfest ihres Freundes Leon. Doch das endet in einer Katastrophe. Mo reicht es. Gemeinsam mit Aino, Leons eigensinniger Großmutter, flieht sie nach Finnland. Eine Reise mit vielen Umwegen für die beiden grundverschiedenen Frauen. Als Mo in Helsinki Ainos geheime Lebensgeschichte entdeckt, ist sie selbst ein anderer Mensch.

Autor:
Format:Kindle Edition
Seiten:560
EAN:
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Rezensionen zu "Liebten wir"

  1. 5
    19. Jul 2016 

    Ein Buch das mich überrascht und begeistert hat

    Mo ist auf der Suche nach einer Familie. Mit Leon, den sie vor drei Monaten kennengelernt hat, denkt sie, kann sie Teil einer glücklichen Familie werden. Alles spricht dafür. Sie hat sich die Fotos in seiner Wohnung angesehen und ist sich sicher.

    Mo ist Fotografin und schaut gern hinter die Bilder. Beim genaueren Betrachten der Bilder fallen ihr Einzelheiten ins Auge, die andere Menschen nie bemerken würden. Sie kann ihre Schlüsse daraus ziehen. Und „…Kameras lügen nicht…“.

    Und Mo hat scheinbar ein Geheimnis. Sie ist nicht nur auf der Suche nach einer glücklichen Familie, die sie quasi adoptiert, auch scheint mit ihrer eigenen Familie so gar nichts zu stimmen. Sie hat zwei Handys in ihrer Tasche, wovon in dem roten Handy nur 2 Nummern gespeichert sind und es klingelt auch nicht, sondern vibriert nur. Eine der beiden Nummern ist die ihrer Schwester, sie sie seit 5 Jahren nicht gesprochen hat.
    Was ist da los? Wie geht es weiter? Warum sucht Mo so unbedingt eine glückliche Familie, die sie auch noch aufnimmt?

    Auch die Art und Weise, wie Mo ihre eigenen Fotos betrachtet und quasi hinter die Kulissen schaut, gefällt mir.
    Das waren meine ersten Leseeindrücke. Ich ahnte nicht, was alles noch passierte und da war so Einiges. Nicht nur, dass Mo plötzlich auf der Flucht vor Leons Familie ist, nein sie hat quasi scheinbar auch noch seine Oma Aino entführt und beide sind auf dem Weg nach Finnland. Was es mit der Entführung auf sich hat und warum der Weg nach Finnland führt und überhaupt, wie alles endet - das empfehle ich jedem unbedingt zu lesen.

    Dieses Buch war für mich eine riesige Überraschung. Ich habe nicht geahnt, worauf ich mich einlasse und war fasziniert. Fasziniert von der Geschichte, den Protagonisten und überhaupt die Art und Weise, wie alles geschrieben und passiert ist.

    Es geht um zwischenmenschliche Beziehungen, um den Umgang in der Familie miteinander und auch um die Auf- und Verarbeitung von Geschehnissen in der Vergangenheit. Auch werden hier Situationen - z. B. der Umgang von Geschwistern untereinander - so treffend beschrieben, dass ich die Emotionen von Mo gut nachvollziehen konnte.

    Für mich war auch die Autorin eine Überraschung. Ich habe bisher noch kein Buch von ihr gelesen. Sie hat bisher mehr Kinder- und Jugendbücher geschrieben. Der Wechsel in ein anderes Genre ist ihr überaus grandios gelungen. Ich hoffe, es gibt noch mehr davon.

    Für mich ist "Liebten wir" ein Buch, was mich tief beeindruckt hat. Ich werde es irgendwie noch lange in mir tragen und immer wieder drüber nachdenken. Eine unbedingte Leseempfehlung an alle!

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  1. 5
    15. Aug 2015 

    Nicht schauen, nur tanzen...

    Mo ist Fotografin mit dem ganz besonderen Blick. Sie fotografiert das, was unter der Oberfläche steckt. Die Zwischentöne und kleinen Gesten. Nur die eigenen Zwischentöne machen ihr Probleme. Sie hofft, dass ihr neuer Freund Leon ihr helfen kann, endlich Teil einer glücklichen Familie zu werden. Als sie seine Familie zum ersten Mal trifft, kommt es allerdings zum Eklat. Und plötzlich ist Mo auf der Flucht - vor Leon, vor der Vergangenheit, vor allem aber vor sich selbst.
    Doch sie ist dabei nicht allein. Nicht ganz freiwillig nimmt sie Aino mit, Leons Großmutter. Anfangs ist Mo genervt von der Gesellschaft. Dann dirigiert die kauzige Alte sie auch noch Richtung Norden und verlangt von ihr, die Fähre nach Finnland zu nehmen. Was soll Mo in diesem eigenartigen Land, von dessen Sprache sie kein einziges Wort versteht? Erst auf dem Meer gelingt es Mo langsam, sich auf das ihr so fremde Land einzulassen. Sie entdeckt die Schönheit und Melancholie des finnischen Tangos, der ihr beibringt, loszulassen und sich ihrer Vergangenheit zu stellen. Auch Aino öffnet sich ihr allmählich. Beide Frauen erkennen: Manchmal muss man auf eine Reise gehen, um anzukommen...

    "Fotos verraten alles. Sie zeigen das, was gezeigt werden soll - aber darüber hinaus zeigen sie die Lücken in den Familien, die schadhaften Stellen am Haus. Den Schimmel, halb versteckt hinter Girlanden von lächelnden Mündern."

    Hui, wo fange ich nur an zu schildern, wie es mir mit diesem Buch ging? Vielleicht einfach mit der Erkenntnis, dass dieses Buch ganz und gar nicht meinen Erwartungen entsprach? Eklat beim Familientreffen, eine kauzige Alte, eine spontane Flucht in eines der letzten Länder, die mir so einfallen würden - ein turbulenter Roadtrip scheint da vorprogrammiert, vielleicht gewürzt mit einer kleinen Romanze. Doch weit gefehlt. Dieses Buch hat mich überrascht, überrollt - und nicht zuletzt auch überzeugt.

    Die Charaktere haben alle ihre Macken und Kanten und scheinen anfangs als Sympathieträger so gar nicht geeignet. Mo, eigentlich Moira, ist eine rastlose, suchende, auch unglückliche junge Frau, die ihren Platz im Leben noch nicht gefunden hat, diesen aber schon seit ihrer Kindheit sucht. Mit ihrer Schwester Danae versteht sie sich im Grunde gar nicht - am ehesten, wenn sie jahrelang keinen Kontakt zueinander haben. Wenn er sich dennoch nicht vermeiden lässt, kommt es rasch wieder zu Streitigkeiten und Unfreundlichkeiten - zu viele Themen müssen umschifft werden, zu vieles bleibt ungesagt und ungeklärt und macht eine Annäherung unmöglich. Die Mutter der beiden verstarb, als Mo noch ein Kind war, zum Vater haben die Schwestern den Kontakt gänzlich abgebrochen. Und doch kennt Mo keine schönere Vorstellung als die, endlich in einer intakten Familie leben zu können.
    Aino dagegen hat im Grunde keine Erwartungen mehr an das Leben. Sie lebt seit Jahren in einem Altersheim, kann sich nur noch im Rollstuhl fortbewegen und wird nun - aus Kostengründen - noch einmal umziehen: in das Haus ihres Sohnes und seiner Familie. Dieses Haus wird sie dann wohl nie mehr verlassen, es ist für alles gesorgt, hier kann in Ruhe auf den Tod hingelebt werden. Doch Aino hat andere Pläne. Als Mo fluchtartig das Familientreffen verlässt, schließt sich die Alte kurzerhand der Flucht an - und lässt Mo gar keine andere Wahl, als sie tatsächlich mitzunehmen. Und nicht nur das: schließlich bestimmt sie auch noch das Ziel der Reise. Ausgerechnet nach Finnland soll es gehen, dem Land in dem Aino geboren wurde und in dem sie aufwuchs. Nostalgie? Mitnichten. Die kratzbürstige alte Frau hat ganz klar ein Ziel vor Augen, das sie mit allen Mitteln noch verwirklichen will, und Mo kommt ihr da gerade recht...

    "Wenn du jung bist, lebst du in einem vollen Haus und machst dir keine Gedanken darüber, ob du Zeit verschwendest. Das ganze Haus ist ja noch hell erleuchtet. In jedem Raum tanzen und feiern Menschen die du kennst, und dein Lieblingswort ist 'morgen'. Aber mit den Jahren gehen in den Räumen die Lichter aus, eines nach dem anderen. Man rückt zusammen, immer mehr Zimmer bleiben leer. Dann sind noch drei Räume bewohnt, schließlich zwei. Die Musik verklingt, die Gespräche werden leiser. Und plötzlich sitzt du ganz allein in dem leeren Haus, im letzten Zimmer, in dem nur noch eine Kerze brennt." (S. 382)

    Und der Leser fährt mit den beiden nach Finnland, taucht ein in das Helsinki der Gegenwart und der Vergangenheit - denn immer wieder gibt es Rückblenden in die Zeit von Ainos Jugend. Die Person Ainos wird zunehmend vielschichtig, die Vergangenheit ist noch nicht abgeschlossen, hat in ihrem Wesen Wunden geschlagen, Spuren hinterlassen - ebenso wie vergangene Geschehnisse Mo verletzt und spröde gemacht haben. Beide Frauen nähern sich ganz allmählich einander an, erkennen in der anderen, was sie an sich selbst nicht gänzlich wahrnehmen können, bauen schrittweise die stacheldrahtbewehrten Mauern ab, jedoch jederzeit bereit, den Schutzwall sofort wieder hochzuziehen - böse Sprüche und harte Worte inbegriffen.
    Doch trotz des wenig freundlichen Umgangs miteinander, dem gegenseitigen Versteckspiel, den Lügen, begann ich zunehmend, beide Frauen tatsächlich zu mögen. Denn das Liebenswerte, das Verletztliche, das Zarte, das beide ebenso ausmacht, lugte immer wieder vorsichtig hervor. Vor allem Mo, aus deren Perspektive die Geschichte erzählt wird, zeigt zunehmend ihre weichen Seiten. Und wenn Aino durch eine unerwartete Geste auch ihre liebenswerte Art offenbart, vermag dies tatsächlich zu berühren.

    "In Momenten wie diesen ahne ich nur, wie froh ich sein kann, nicht Ainos Ziel zu sein und auch nicht ihr Feind." (S. 262)

    Doch Aino weiß, was sie will und Mo nutzt Ainos Streben als Mittel, einmal mehr in das Leben einer anderen einzutauchen - ebenso wie es ihr so oft mit ihren Fotos gelingt. So vermeidet sie letztlich, sich ihren eigenen Problemen zu stellen und sich aus ihrer Vergangenheit zu lösen. Doch Aino wäre nicht die, die sie ist, wenn sie da tatenlos zusähe. Oftmals unbemerkt, steuert sie die junge Frau aufs Leben zu - auf ihr eigenes Leben.

    Neben der eigentlichen Geschichte, die in oft poetischen Bildern erzählt wird, die mir oft ausgesprochen gut gefallen haben, gibt es hier auch einen tiefen Einblick in das Leben und die Seele Finnlands, sowie über die Geschichte und Kultur des Landes, ohne dass es überladen wirkt. Selbst die 'Mumins' finden hier netterweise Einzug und lockern das Geschehen immer wieder auf.
    Informationen gibt es auch immer wieder einmal zum Thema des Fotografierens - was der eigentlichen Geschichte oftmals eine tiefe Symbolhaftigkeit verschafft und dadurch wirklich bereichernd ist. Und ebenso taucht hier auch immer wieder der Tango auf. Tango? In Finnland? Aber ja! Kleines Beispiel? https://www.youtube.com/watch?v=BRQIHOEtsZA

    "Tänzer treiben auf weichen Mollakkorden an uns vorbei, gestreichelt von Lichtflecken. Das hier hat nichts mit dem gemeinsam, was ich bisher unter Tango verstand. Keine dramatisch geworfenen Beine, kein Duell der Geschlechter. Dieser Tanz hier ist wie das träge, sinnliche Ineinanderfließen von Öl, ein katzenhaftes Schleichen, Wiegen und Schieben, Körper an Körper, mit genau gesetzten Schritten, weich und verzögert. Die getanzte Erlaubnis, einander zu spüren. Niemand lacht. Nähe ist eine ernste Angelegenheit." (S. 417)

    Der Titel trägt neben dem Klappentext sicher dazu bei, falsche Erwartungen zu schüren. Aber dies ist von der Autorin offenbar genauso beabsichtigt. Im Rahmen einer Leserunde schrieb sie hierzu:
    'Der Titel sollte einfach ein kleines Irritationsmoment haben. Ich persönlich mag Titel, bei denen man zweimal hinschaut und sich denkt: Huch, Moment mal? Und im Roman geht es ja um Liebe – wenn auch nicht um die klassische romantische Liebesgeschichte, sondern um viele Arten davon, um Elternliebe, die Liebe, die man für Freunde empfindet. Oder eben eine ganz spröde, hinter einem Schutzpanzer und harschen Worten gut verborgene Zuneigung (wie sie zwischen Mo und Aino stattfindet). Also Liebe zwischen den Zeilen – und so fand ich den Titel, bei dem man sich fragt: „Fehlt da vielleicht ein Fragezeichen?“ einfach passend.'

    Mit ihrem ersten Buch für Erwachsene hat Nina Blazon für mich voll ins Schwarze getroffen. Die bildhafte und poetische Sprache, der durchaus auch schwarze Humor, der da immer wieder durchblitzt, die unharmonischen und letztlich doch liebenswerten Charaktere, die Geheimnisse, die sich zunehmend offenbaren - und dazu der Tango, der einen insgeheim mit übers Parkett tänzeln lässt, all dies stellt für mich ein stimmiges Gesamtpaket dar.

    Von mir gibt es daher eine ganz klare Leseempfehlung!

    © Parden

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Leuchtturmtage

Buchseite und Rezensionen zu 'Leuchtturmtage' von Anni Deckner
2.5
2.5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Leuchtturmtage"

Weihnachtszauber an der Nordseeküste

Seit fünfzehn Jahren ist Stella glücklich mit Holger verheiratet. Aus der einstigen Schönheitskönigin ist eine zufriedene, rundliche Hausfrau geworden. Als Holger Stella kurz vor Weihnachten von einem Tag auf den anderen verlässt, fällt sie aus allen Wolken. Offenbar legt er doch mehr Wert auf Äußerlichkeiten, als sie wahrhaben wollte. Um wieder einen klaren Kopf zu bekommen, macht sich Stella kurzentschlossen auf den Weg zu ihrem Bruder, der in Westerhever den alten Bauernhof der Familie betreibt. Auf der abenteuerlichen Fahrt über verschneite Straßen nimmt sie den Anhalter Hauke mit, und die beiden kommen sich näher. Im Norden angekommen packt Stella bei der Stallarbeit mit an und trifft so den charmanten Tierarzt Michael wieder, mit dem sie sich schon zur Schulzeit gut verstanden hatte. Doch dann taucht plötzlich Hauke wieder auf. Stellas Gefühlschaos ist perfekt und sie muss sich entscheiden – wen will sie bei ihrem Neuanfang an der Nordseeküste an ihrer Seite haben?

Von Anni Deckner sind bisher bei Forever by Ullstein erschienen:
Barfuß am Strand
Leuchtturmtage

Autor:
Format:Kindle Edition
Seiten:202
Verlag: Forever
EAN:
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Rezensionen zu "Leuchtturmtage"

  1. 3
    23. Nov 2016 

    Heimkehr

    In ihrer 15jährigen Ehe hat sich Stella rundgefuttert, mit viel Einsatz hat sie ihren Mann Holger umsorgt und verwöhnt. Stella fällt aus allen Wolken als Holger sie verlässt, genauer gesagt, sie aus dem Haus wirft. In ihrer Not lädt Stella ihre Sachen ins Wohnmobil und macht sich auf den Weg in ihren Heimatort an der Nordseeküste. Sie liest den Anhalter Hauke auf, der auch nach Norden möchte, um sich um seine Großmutter zu kümmern. Hauke erweist sich als ausgesprochen guter Reisegefährte, der Stella in einer schwierigen Situation beisteht. Zuhause angekommen, fühlt sich Stella zwar noch sehr durch den Wind aber doch viel Wohler. Ihr Bruder bereitet ihr ein herzliches Willkommen und auch der Tierarzt Michael, den sie aus der Schulzeit kennt, scheint sehr erfreut über ihre Ankunft.

    Nachdem sie ihre eigenen Wünsche während ihrer Ehe immer hintenangestellt hat, soll nun Stella selbst zum Zuge kommen. Sie möchte die Zeit in der Heimat nutzen, um ihre eigenen Wünsche kennenzulernen, für sich selbst zu sorgen und sich eine finanzielle Lebensgrundlage zu schaffen. Mit Enthusiasmus und Energie geht Stella ans Werk. Ihr liebenswertes Auftreten öffnet ihr viele Türen. Und immer wieder zieht es sie zu Spaziergängen an ihr geliebtes Meer. Schnell fühlt sich Stella wieder ganz heimisch im hohen Norden, sie möchte gerne für immer mit ihrem Bruder zusammen auf dem Elternhof bleiben.

    Schon nach wenigen Seiten merkt man, wie gerne die Autorin ihre Heimat mag. Die Beschreibungen vom Meer lesen sich echt nach mehr. Mit sehr gefühlvollen Worten schildert sie die Erlebnisse ihrer Stella. Eine heimelige Geschichte hüllt einen beim Lesen ein und gerne sieht man Stella aus sich heraustreten und entwickeln. Nicht selten jedoch geraten die Gefühle in Überschwang und allzu aufjauchenzd oder schluchzend verläuft der Gang der Handlung. Für einen Leser von Kriminalromanen, der sich gerne mal eine Abwechslung gönnt, ist dieser Roman mit der an sich sehr schönen Grundidee nur bedingt geeignet.

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  1. Mäßige Chick Lit

    Nach 15 Jahren Ehe wird Stella von ihrem oberflächlichen und arroganten Ehemann, einem Rechtsanwalt, vor die Tür gesetzt. Sie war für ihn nicht mehr die vorzeigbare Schönheitskönigin, die er bei Empfängen vorzeigen könnte. Die Spuren ihrer Kochleidenschaft machte sich nämlich nur auf ihren Hüften bemerkbar und nicht auf den seinen.
    Hals über Kopf packt Stella ihre Sachen und verlässt ihren Noch-Ehemann. Sie macht sich auf zum Hof ihrer Eltern, der inzwischen von ihrem Bruder Sam bewirtschaftet wird, findet dort ein neues Zuhause und stellt Pläne für ihr weiteres Leben auf.

    Eine Chick-Lit Story, die leider mit so einigen Schönheitsfehlern versehen ist. Die Dialoge sind besonders im ersten Teil des Buches im Postkartenstil verfasst. Die Sprache wirkt zudem oft unbeholfen und zuweilen recht altmodisch. Die Übergänge der einzelnen Kapitel sind abrupt und ohne Harmonie. Das Buch wurde mit zu vielen Einzel-Geschichten vollgepackt ja geradezu überladen. Außerdem halte ich es nicht für notwendig, dass die Autorin auf fast jeder Seite die Übergewichtigkeit ihrer Protagonistin betont, ich hatte es bereits auf Seite 1 verstanden. Die Charaktere sind flach und verfügen über wenig Leben. Von Kapitel zu Kapitel verliert die Geschichte immer mehr an Glaubwürdigkeit. Ich hatte mir vom Klappentext samt Buchtitel weitaus mehr erhofft. Dem Verlag möchte ich außerdem anraten, mehr Wert auf das Lektorat zu legen, der Text ist voll von Rechtschreibfehlern.

    Meine Bewertung: 2 schwache Sterne von 5 möglichen. Da ich mehr als enttäuscht bin, möchte ich dieses Mal keine Leseempfehlung aussprechen. Der Roman scheint mir mit heißer Nadel gestrickt zu sein, schade, denn die Idee an sich, der Plot, gefiel mir; doch um die von mir erhoffte Tiefe zu erlangen, müsste das Buch mindestens doppelte Länge haben.

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Auerhaus: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Auerhaus: Roman' von Bov Bjerg
4
4 von 5 (3 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Auerhaus: Roman"

Sechs Freunde und ein Versprechen: Ihr Leben soll nicht in Ordnern mit der Aufschrift Birth - School - Work - Death abgeheftet werden. Deshalb ziehen sie gemeinsam ins Auerhaus. Eine Schüler-WG auf dem Dorf - unerhört. Aber sie wollen nicht nur ihr Leben retten, sondern vor allem das ihres besten Freundes Frieder. Denn der ist sich nicht so sicher, warum er überhaupt leben soll.

Autor:
Format:Kindle Edition
Seiten:241
EAN:
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Rezensionen zu "Auerhaus: Roman"

  1. 4
    25. Okt 2015 

    Madness

    Er hat es getan, er hat den Weihnachtsbaum auf dem Dorfplatz umgehauen. Mit seinen Freunden wohnt er im Auerhaus, gerade 18 geworden haben sie im Haus seiner Großeltern eine WG gegründet. Sie sind nicht einfach so ausgezogen, sondern sie sind mit Frieder zusammengezogen, der nach einem Selbstmordversuch nicht mehr in der Klinik bleiben muss, aber auch nicht alleine sein soll und nicht bei seinen Eltern wohnen möchte. Und nun erleben sie die erste Freiheit in der eigenen WG, immer sturmfrei. Und doch müssen sie ihren Alltag organisieren. Und immer sitzt ihnen die Angst im Nacken, dass Frieder es wieder versuchen könnte. Er hat niemandem etwas versprochen.

    Höppner, der mit Frieder seit der neunten irgendwie befreundet ist, erzählt von der Sache mit Frieder und vom Auerhaus, das einer so nennt, weil er das Lied nicht kennt. „Our House“ aus der Zeit als sie gerade volljährig waren. Die Zeit des Abiturs, in der sie unter den doch besonderen Umständen in einer Schüler-WG wohnten und so für Gesprächsstoff im Dorf sorgten. Sie traten aus der Zeit ins Auerhaus. In eine Zeit, die ewig dauert und doch schnell vergeht. Und so richtig erwachsen sind sie nicht, angefangen bei der unorthodoxen Art des Einkaufens über die ausufernden Feten bis zu unheimlichen Begegnungen mit der Polizei.

    In Erinnerungen schwelgend an die eigene Jugend liest man vom Auerhaus, man entdeckt Ähnlichkeiten und auch Unterschiede. Die Feiern, der Gedanke, endlich erwachsen zu sein, der sich erstmal als Irrtum erweist. Eine tragische Freundschaft, eine erste bewusste Begegnung mit dem Tod, die deutlich macht, dass ein Leben irgendwann für immer endgültig vorbei sein kann. Ohne groß darüber zu reden, nehmen sie Frieder in die Mitte und erleben vielleicht ein Jahr, das immer in Erinnerung bleiben wird. Ein Jahr, das in Wirklichkeit ziemlich chaotisch war, in dem sie über die Stränge schlugen. Ein Jahr, das in der Erinnerung das beste ihres Lebens war, in dem sie unschlagbar waren und unsterblich. Ein Jahr, das man auch als Leser nicht so schnell vergessen wird.
    4,5 Sterne

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  1. 4
    23. Aug 2015 

    Birth - School - Work - Death

    Ein Dorf in den 80er Jahren - vor der Zeit der Handys und des Internets. Der Abiturient Höppner fristet dort sein Dasein im alltäglichen Einerlei - Schule, Familie, Aushilfsjob auf der Hühnerfarm. Wenn ihm sein Stiefvater zu sehr auf die Nerven geht, nimmt er sich mit seiner Freundin Vera eine Auszeit und trampt nach Berlin. Die Musterung steht an, es ist fraglich, ob er das Abitur schafft - und was er danach machen will, ist auch noch nicht klar.

    Die anderen Gymnasien hießen Schiller-Gymnasium und Albert-Einstein-Gymnasium. Unseres hieß Gymnasium Am Stadtrand. Die anderen hießen danach, was die Schüler mal werden sollten. Wir hießen danach, wo wir herkamen. (S. 36)

    Aus der Monotonie des Daseins wird Höppner gerissen, als er erfährt, dass sein bester Freund Frieder versucht hat, sich das Leben zu nehmen. Er besucht ihn ihn der geschlossenen Abteilung der Psychiatrie - und erkennt, dass nichts mehr sein wird wie zuvor.

    Frieder aß ziemlich hastig und viel. Er war immer als Erster fertig. Dann schob er den Teller von sich weg und sagte: 'Ich bin satt. I am sad.' (S. 61)

    Höppner beginnt vermehrt über sein eigenes Leben nachzudenken - und darüber, wie er seinem Freund helfen kann. Als sie die Möglichkeit erhalten, gemeinsam in das Haus von Frieders verstorbenem Großvater zu ziehen, gibt es kein Zögern mehr. Höpnners Freundin Vera zieht gleich mit ein und mit ihr Cäcilia, eine Schulfreundin Veras, da verteilt sich die Last der Verantwortung auf mehr Schultern. Später gesellen sich noch Harry und Pauline dazu. Eine WG auf dem Dorf - im Auerhaus.

    Seltsam waren die anderen in der Klasse. Die, für die alles so weiterging wie immer. Hätte man sie vor einer Klausur gefrag: 'Wozu lebst du eigentlich?', hätten sie geantwortet: 'Das kommt nicht dran, das müssen wir nicht wissen.' Sie waren auf der Oberschule zu Hause. Sie verpuppten sich, machten Abi und studierten, und wenn der Kokon platzte, sahen sie aus wie ihre Eltern. Sie übernahmen die Praxis, die Kanzlei, das Ingenieurbüro. Sie erbten von ihren Eltern das Abitur und das Leben. (S. 68)

    Birth - School - Work - Death: Diesem Kreislauf wollen Höppner und seine Freunde entfliehen. Mit dem Auerhaus setzen sie einen Kontrapunkt. Gesellschaftliche Regeln gelten nur noch bedingt, sie genießen die Freiheit. Sechs Idealisten, deren Einfallsreichtum nichts weniger ist als Notwehr gegen das Vorgefundene.

    Ihm machte nichts mehr richtig Angst, weil er schon mal gewonnen hatte gegen die allergrößte Angst, die es gab. (S. 88)

    Aus der Sicht Höppners wird diese Geschichte erzählt. Der Schreibstil ist außergewöhnlich: kurze, knappe Sätze in ebenso eng bemessenen Abschnitten, sprunghaft im Geschehen, aber dennoch mit einem roten Faden. Der Autor bringt hier eine ganz besondere Note herein: einerseits eine gewisse Leichtigkeit und ein untergründiger Humor, andererseits kleine Spitzen und wie ein latenter Tinitus im Hintergrund die Melancholie, die einen einfach nicht loslassen will. Denn immer geht es bei allen Lebensfragen auch um das Aufpassen um einen, der mal versucht hatte, sich umzubringen.

    Ich wollte nicht schon wieder ein ernstes Gespräch führen. Diese Gespräche drehten sich im Kreis, hatte ich mal zu Frieder gesagt. Frieder sagte, das sei kein Kreis, sondern eine Spirale. Wir kämen dem Zentrum immer näher. (S. 97)

    Das Buch ist nicht so locker und leicht, wie es der Klappentext erwarten lässt. Jeder Charakter hat seine Geschichte, auch wenn Höppner und Frieder im Zentrum des Geschehens stehen. Fast nebenher und oft in flapsigem Ton wird so viel Tiefe und Gefühl transportiert, dass man sich nur wundern kann. Lachen, Melancholie, Nachdenken: alles dabei, und das oft gleichzeitig. Sehr schön eingefangen ist die Zerrissenheit der Jugendlichen (und das ist ja ganz unabhängig von irgeneinem Jahrzehnt). Höppner und seine Frreunde
    sind auf der Schwelle zum Erwachsenwerden - aber wohin? So viele offene Fragen, und das muss man erst einmal aushalten...

    Was man theoretisch richtig findet, das kann ziemlich weit weg sein von dem, was man praktisch aushalten kann. (S. 130)

    Zwar kamen mir die Charaktere nicht wirklich nahe, sehr wohl aber die Gefühle und Gedanken. Das Buch katapultierte mich zurück in die 80er Jahre, und die Zeit des Erwachsenwerdens sowie die Suche nach dem künftigen Lebensweg ist sicher auch jedem aus seiner Jugendzeit bekannt. Das Zeitgefühl war einfach wieder da beim Lesen, und das hat mir gut gefallen.

    Du hast die Augen zu und treibst auf deiner Luftmatratze, ein sanfter Wind weht, und du denkst, geil, jetzt lebe ich für den Rest meines Lebens hier in dieser Lagune, in der Südsee. Und dann machst du die Augen auf und merkst, es ist bloß ein Nachmittag am Baggersee, und zack ist der auch schon vorbei. (S. 214)

    Was für ein Ende erwartet man bei solch einem Buch? Nun, es sei nur so viel verraten: für mich war der Schluss stimmig. Die Geschichte lässt mich zufrieden und ein wenig nachdenklich zurück.

    Wenn ein Talisman neunzig Prozent vom Unglück abwehren konnte, blieben noch zehn Prozent übrig. Für die war der zweite Talisman. Neunzig Prozent von zehn waren neun. Zwei Talismane konnten also 99 Prozent vom Unglück abhalten. Das war kein Aberglauben, das war Mathematik. (S. 190)

    Ein Buch, das einen durch den besonderen Schreibstil durch die Seiten jagen lässt, das den Leser auf eine emotionale Reise zurück in die 80er und in die Jugendzeit nimmt und das auf flapsig-humorvolle Art unerwartet in die Tiefe geht. In meinen Augen wirklich empfehlenswert!

    © Parden

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  1. Dieses Buch weckt Erinnerungen

    Inhalt:
    Höppner ist sowas wie Frieders Freund und als sein Freund zieht er mit ihm nach Frieders versuchten Selbstmord ins Haus von Frieders Großvater, aber nicht nur Höppner findet dort ein Zuhause. Am Ende sind es sechs junge Leute die das letzte Jahr ihrer Schulzeit gemeinsam dort verbringen und einiges erleben.

    Meine Meinung:
    Auerhaus wurde mir vom Verlag angeboten und die Beschreibung dazu klang ganz nett. Es wurden ein paar Erwartungen geweckt, die für mich so nicht erfüllt sind und doch hat mich dieses Buch mit einem gutem Gefühl zurück gelassen.

    Der Einstieg war auf Grund des etwas abgehackten Schreibstils zunächst schwierig. Doch einmal daran gewöhnt ging es ohne Probleme und ich konnte mich gut auf die Geschichte einlassen.
    Es sind viele kleinere Absätze und kurze Kapitel die zu einem ganzen führen. Manchmal mit Cliffhängern andere Male in sich abgeschlossen.
    Es beginnt eigentlich in der Mitte der Geschichte und wird aus Sicht von Höppner erzählt. Er erklärt auch warum er genau da anfängt und berichtet dann auch von der Zeit davor.

    Auerhaus ist eine WG von jungen Leuten, die überwiegend noch in die Schule gehen und sich auch daher kennen. Sie erleben den normalen Wahnsinn eines Schulabgängers, da ist es egal ob es wie hier Abiturienten sind oder jüngere Schüler. Auerhaus erinnerte mich als Leser so ein wenig an mein letztes Jahr auf der Schule und es gab parallelen im Denken, nicht unbedingt im Handeln. Bov Bjerg schafft es dieses Gefühl gut zu transportieren und das ganz indirekt.
    Auerhaus war nicht so locker leicht wie erwartet. Ganz im Gegenteil, es hatte viel Tiefe und Gefühl. Es ist ein Buch, das man auf Grund der Kürze an einem nachmittag gelesen hat und doch nicht so schnell vergessen geht. Auch weil alte Gefühle hoch kommen. Wer kennt es nicht. Die Aufregung des letzten Schuljahres. Erste festere Liebeleien. Die Frage nach der Zukunft. Die Aufregung ob man den Abschluss schafft. Genau damit beschäftigt sich hier der Autor und auch mit der Angst um einen Freund durch den versuchten Selbstmord. Doch auch wenn diese Tatsache immer präsent ist, rückt sie hier und da in den Hintergrund und macht anderem Platz.

    Die Figuren haben alle ihre Geschichte. Man lernt sie trotz der wenigen Seiten gut kennen und kann sie einschätzen.
    Höppner ist der Freund von Frieder. Er hat Angst das Abi nicht zu schaffen und Angst um seinen Freund.
    Frieder ist ein ganz ruhiger junger Mann, der selber kaum benennen kann warum er diesen Selbstmordversuch unternommen hat und doch erfährt man viel über ihn und auch seine Beweggründe. Manches liest man einfach zwischen den Zeilen.
    Vera, Cäcilia, Harry und auch Pauline sind ebenfalls Bewohner des Hauses. Von Ihnen erfährt man genug, aber sie sind eher Nebenfiguren auch wenn sie für die Ereignisse wichtig sind.

    Zum Schluss gehe ich zufrieden aus dieser Geschichte raus. Das Buch ist abgeschlossen und für mich brachte es Erinnerungen an mein Abschlussjahr.

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