Inselleben: Mein Australien

Vor zehn Jahren wurde Alisons beste Freundin Liz ermordet, und ihr Freund Will gestand nicht nur diese Tat, sondern auch die Ermordung vier weiterer Studentinnen. Geschockt und traumatisiert floh Alison, von der Presse als ‘Mörderbraut des Serienkillers’ tituliert, außer Landes und ließ diese Vergangenheit ein für alle Mal hinter sich.
Nur steht die Vergangenheit auf einmal wieder vor ihrer Tür, in Gestalt zweier Dubliner Gardai. In Dublin werden erneut junge Frauen ermordet, auf exakt die gleiche Art wie vor zehn Jahren. Ein Nachahmungstäter – oder hat Will Taten gestanden, die er gar nicht begangen hat? Jedenfalls behauptet Will, wichtige Informationen zu haben, und diese will er nur Alison verraten…
In meinen Augen wartet das Buch nicht mit der atemberaubenden Hochspannung auf, die man gemeinhin von einem Thriller erwartet. Es macht dies aber mit psychologischer Finesse wett, ist sauber konstruiert und kann vor allem mit dichter Atmosphäre punkten.
Es gibt einige interessante Wendungen – inklusive einer raffinierten Wendung innerhalb einer Wendung – und bleibt dennoch glaubhaft, schlüssig und dabei nicht vorhersehbar. Nur ganz am Schluss passiert etwas, das den geübten Leser literarischen Nervenkitzels vielleicht nicht unbedingt überrascht.
Ach, natürlich…
Auch wenn es dem Leser nur selten den Atem raubt, ist das Buch doch ein Pageturner.
Klar ist, es gab im Verlaufe dieses Falls einige Fehlentscheidungen, nicht nur seitens der Polizei. Daher weiß man nicht genau, wem man trauen und was man für bare Münze nehmen kann. Wills Geständnis sollte ja eigentlich alle Zweifel aus dem Weg geräumt haben, stattdessen fragt man sich als Leser ständig: hat er gelogen – und wenn ja, warum?
Die Handlung springt zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her und wird dabei aus mehreren Sichtwinkeln geschildert: Alison, Will und ein namenloser Charakter, hinter dem man den Mann vermuten kann, der die neusten Morde begangen hat.
Die Charaktere sind durchweg gut ausgearbeitet.
Alison erscheint zwar manchmal etwas unreif für ihr Alter, aber das macht durchaus Sinn – die schrecklichen Ereignisse der Vergangenheit haben sie in ihrer Entwicklung gebremst und besonders ihr Verhältnis zu anderen Menschen getrübt.
Besonders interessant fand ich jedoch die zwiespältige Beziehung, die Alison vor zehn Jahren mit ihrer besten Freundin Liz verband, denn die ist auf den zweiten Blick nicht halb so nett, wie sie auf den ersten erscheint… Wie soll man sich als junge Frau fühlen, wenn man auf die beste Freundin wütend ist und diese dann ermordet wird?
Für mich ist der einzige wahre Schwachpunkt des Buches das Motiv.
Wessen Motiv, das möchte ich hier offen lassen, um nicht schon zu viel zu verraten. Aber es erschien mir recht dürftig, da fehlt meines Erachtens eine nähere Begründung und/oder mehr Hintergrundgeschichte.
Zum Serienkiller wird man ja nicht einfach so.
Der Schreibstil ist eingängig und flüssig, und wie schon erwähnt, fand ich ihn sehr atmosphärisch. Er hat jedoch auch seine Schwächen, zum Beispiel wiederholen sich manche Formulierungen sehr oft: Sie rollte mit den Augen, er rollte mit den Augen, Mam rollte mit den Augen, ich rollte mit den Augen.
FAZIT
Vor zehn Jahren wurde der ‘Kanalkiller’, der fünf Studentinnen niedergeschlagen und bewusstlos in den Kanal geworfen hatte, verhaftet und eingesperrt – der erst 19-jährige Will gestand die Taten. Doch nun geschehen erneut Morde, die perfekt in das alte Muster passen… Will behauptet, wichtige Informationen zu haben, will sie aber nur seiner ehemaligen Freundin Alison mitteilen.
Das Buch ist auf eher ruhige Art spannend, aber ich konnte es kaum einmal weglegen. Es hat seine Schwächen, aber im Großen und Ganzen fand ich es sehr unterhaltsam und gut geschrieben.
Inhalt (Klappentext):
Toby Hennessy, 28, führt ein unbeschwertes Leben in Dublin. Bis er eines Nachts in seiner Wohnung brutal zusammengeschlagen wird. Toby überlebt nur knapp, kann sich nicht mehr auf seine Erinnerungen verlassen. Er flüchtet sich in das »Efeuhaus« – das alte Anwesen der Familie, wo er sich um seinen sterbenden Onkel Hugo kümmern soll. Doch der dunkle Garten des Hauses birgt ein schreckliches Geheimnis.
Meine Meinung:
Ich habe schon einige Bücher von Tana French gelesen und liebe ihren unaufgeregten und detaillierten Schreibstil. Nachdem ich die letzten beiden Bänder der Dublin Murder Squad-Reihe etwas schwächer fand, ist ihr hier wieder ein absolut genialer Roman gelungen.
Der Ich-Erzähler Toby ist nach einem Überfall körperlich und geistlich stark eingeschränkt und kann dadurch seinen Erinnerungen nicht mehr richtig trauen. Die Geschichte geht ganz behutsam und allmählich los, nimmt aber durch diese Erzählperspektive immer wieder überraschende Wendungen und so manche Klarheiten lösen sich im weiteren Verlauf in Luft auf. Irgendwann scheint alles geklärt und die Wahrheit offen gelegt. Da aber noch ca. 100 Seiten übrig waren, habe ich mich gefragt, wo diese Geschichte noch hinführen mag. Das Ende, mit dem ich in keinster Weise gerechnet habe, hat mich dann wirklich umgehauen und das, für mich, schon sehr gute Buch zu einem genialen gemacht. Der absolute Wow-Effekt!
Fazit:
Eine spannende, teilweise verstörende Geschichte mit vielen überraschenden Wendungen und einem absolut genialen Abschluss. Großartig!
Inhalt (Klappentext):
Toby Hennessy, 28, führt ein unbeschwertes Leben in Dublin. Bis er eines Nachts in seiner Wohnung brutal zusammengeschlagen wird. Toby überlebt nur knapp, kann sich nicht mehr auf seine Erinnerungen verlassen. Er flüchtet sich in das »Efeuhaus« – das alte Anwesen der Familie, wo er sich um seinen sterbenden Onkel Hugo kümmern soll. Doch der dunkle Garten des Hauses birgt ein schreckliches Geheimnis.
Meine Meinung:
Ich habe schon einige Bücher von Tana French gelesen und liebe ihren unaufgeregten und detaillierten Schreibstil. Nachdem ich die letzten beiden Bänder der Dublin Murder Squad-Reihe etwas schwächer fand, ist ihr hier wieder ein absolut genialer Roman gelungen.
Der Ich-Erzähler Toby ist nach einem Überfall körperlich und geistlich stark eingeschränkt und kann dadurch seinen Erinnerungen nicht mehr richtig trauen. Die Geschichte geht ganz behutsam und allmählich los, nimmt aber durch diese Erzählperspektive immer wieder überraschende Wendungen und so manche Klarheiten lösen sich im weiteren Verlauf in Luft auf. Irgendwann scheint alles geklärt und die Wahrheit offen gelegt. Da aber noch ca. 100 Seiten übrig waren, habe ich mich gefragt, wo diese Geschichte noch hinführen mag. Das Ende, mit dem ich in keinster Weise gerechnet habe, hat mich dann wirklich umgehauen und das, für mich, schon sehr gute Buch zu einem genialen gemacht. Der absolute Wow-Effekt!
Fazit:
Eine spannende, teilweise verstörende Geschichte mit vielen überraschenden Wendungen und einem absolut genialen Abschluss. Großartig!
»In der besonderen Zone zwischen Spannung und Literatur, mit einer Sprache wie Satin, ein Glücksfall für den Leser.«
Stephen King über das Buch
Ich kann Mr. King hier nur Recht geben: die Sprache ist wieder ein Gedicht – dies war nicht mein erstes Buch von Tana French und wird sicher nicht mein letztes sein! –, die Autorin bewegt sich gekonnt zwischen den Genres und über deren Grenzen hinaus. Hatte ich anfangs noch das Gefühl, ein persönliches Drama zu lesen, dann die psychologische Studie einer Familie, wird die Geschichte zunehmend abgründiger und begibt sich mehr und mehr ins Gefilde der Spannungsliteratur. Aber die Einordnung in ein Genre spielte für mich ohnehin nur am Rande eine Rolle, denn so oder so hielt sie mich immer gefangen.
Allerdings war unser Krimilesekreis nicht meiner Meinung – mit einer Ausnahme.
Der Rest fand das Buch entschieden und eindeutig nicht gelungen, um es vorsichtig auszudrücken. Es fehle die Spannung, es würden zu viele Nebensächlichkeiten erzählt, zu viele Handlungsstränge aufgemacht, von den 653 Seiten habe man doch mindestens 300 streichen können. Autsch. Es ist erstaunlich, wie unterschiedlich – wie gegensätzlich! – verschiedene Leser das gleiche Buch wahrnehmen können, und ich schreibe diese Rezension unter Vorbehalt.
Wir sind alle Viel-Leserinnen in diesem Lesekreis, daher kann ich wirklich nicht behaupten, meine Meinung sei notwendigerweise der Weisheit letzter Schluss!
Aber meiner Meinung nach…
…ist das Buch originell und in sich schlüssig.
Mir gefielen gerade die ruhigen Passagen, die andere gerne gestrichen hätten und die sich Zeit lassen, um das Seelenleben des Protagonisten vor dem Leser auszubreiten. Denn Toby ist in einer wirklichen Ausnahmesituation: ihm wird von Einbrechern der Schädel eingeschlagen, er ringt eine Zeit lang auf der Intensivstation mit dem Tod und muss danach damit fertig werden, dass er nicht mehr derselbe ist – und es vielleicht nie mehr sein wird. Er hat Aussetzer, er kann seiner Wahrnehmung und seiner Erinnerung nicht mehr trauen, und er bemüht sich nach Kräften, dies vor anderen zu verbergen, was ihn viel Kraft kostet.
Ich liebe unzuverlässige Erzähler, und mit Toby hat Tana French ein wunderbares Beispiel dafür geschrieben.
Man weiß nie, was man ihm glauben kann – weil er es selbst nicht weiß. Was ist wirklich passiert, was bildet er sich ein? Was hat er vielleicht getan, an das er sich nicht mehr erinnert?
Und ja, es gibt viele Handlungsstränge und es fließt auch viel in die Handlung ein, was für den Kriminalfall der Geschichte keine Rolle spielt, aber das hat alles seinen Sinn und eröffnet neue Blickwinkel auf das Geschehen. Dinge, die auf Seite 23 nebenher erwähnt werden, können durchaus auf Seite 523 noch mal eine Rolle spielen.
Meiner Meinung nach…
…schreibt Tana French großartige Charaktere.
Sie werden vielschichtig und komplex geschildert, und die Autorin gesteht ihnen Stärken und Schwächen zu, die schon mal dem Bild widersprechen können, das sich der Leser bisher gemacht hat.
Mit Toby habe ich von Anfang an mitgefühlt und -gefiebert, obwohl ich mich schon schnell fragte, was er vielleicht Furchtbares getan hat, an das er sich nicht mehr erinnert. Und sein Handlungsbogen erweitert sich nach dem ersten Drittel des Buches deutlich: jetzt geht es nicht mehr „nur“ darum, wie er mit seinen gesundheitlichen Herausforderungen umgeht – er wird gebeten, sich um seinen sterbenden Onkel Hugo zu kümmern, weil er so gekonnt vor seiner Familie versteckt hat, wie schlecht es ihm selber immer noch geht.
Hugo und sein „Efeuhaus“ waren für den jugendlichen Toby, seine Nichte Susanna und seinen Neffen Leon eine Zuflucht, ein wahres Paradies, ein Ort, um in sicherer Umgebung über die Stränge zu schlagen. Daher kann man Tobys Schmerz gut nachvollziehen, als zunehmend offensichtlicher wird, dass Hugo nicht mehr lang zu leben hat, und auch Hugos Mut und Würde erwecken einen bittersüßen Widerhall.
Meiner Meinung nach…
…ist das Buch auch spannend, auf seine eigene Art.
Es ist in meinen Augen keine typische Krimi- oder Thrillerspannung, aber auf dem Cover steht ja auch „Roman“.
Die Spannung entfaltet sich langsam, oft unterschwellig, oft nur im leisen Unbehagen des Lesers. Vieles setzt sich erst im Rückblick zusammen, ist dann aber in sich schlüssig – und verändert den Sinn, wie man ihn bisher wahrgenommen hat.
In Gang kommt die Geschichte jedoch mit einem Schlag, recht spät im Buch, als Susannas Kinder im Garten, im Stamm eines alten Baums, eine grauenhafte Entdeckung machen… Toby gerät mehr und mehr in Verdacht, und er glaubt selber immer weniger an seine Unschuld.
Wenn man gerade denkt, jetzt hätte sich alles geklärt, kommt nochmal ein Nachspiel, eine unerwartete Wendung ganz am Schluss – und auch die überzeugte unseren Krimilesekreis nur bedingt. Ich bin selber nicht hunderprozentig sicher, ob ich diese Wendung noch gebraucht hätte, fand das Buch jedoch im Ganzen großartig.
Fazit:
Toby wurde von Einbrechern fast totgeschlagen und hat massive Einschränkungen zurückbehalten. Er hinkt, er zittert, er spricht undeutlich, aber viel schlimmer: seine Erinnerungen sind lückenhaft, er kann sich selber nicht mehr trauen. Als Kinder im Garten seines sterbenden Onkels eine furchtbare Entdeckung machen, fragt er sich daher, wie viel er vielleicht damit zu tun hat…
Dieses Buch hat unseren Krimilesekreis gespalten: zwei von uns fanden es phänomenal, der Rast fand es langweilig, langatmig und 300 Seiten zu lang.
Für mich ist dies ein Buch, das auch in den langsamen Passagen durch seine psychologische Tiefe und feine Charakterzeichung überzeugen kann. Nichts davon ist in meinen Augen überflüssig, man muss der Geschichte einfach Zeit und Raum geben. Spannend ist es meines Erachtens auch, nur ist es über lange Passagen eine unterschwellige Spannung.
Alles passt für den knapp 30jährigen Toby Hennessy. Er hat eine tolle Freundin, zwei Kumpel, mit denen er immer mal auf einen Absacker in den Pub gehen kann, einen Job in einer Galerie, um den ihn manche beneiden. Er könnte ich als glücklich bezeichnen. Allerdings kommt es in der Galerie zu einem Vorfall, der Toby um den Arbeitsplatz fürchten lässt. Wäre da nicht sein vielgerühmtes Glück. Doch irgendwie scheint es für einen Moment aufgebraucht. Hennessy wird in seiner Wohnung, die von seinen Eltern vorfinanziert wurde, wird er überfallen, zusammengeschlagen und lebensgefährlich verletzt. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus zieht Toby erstmal zu seinem Onkel Hugo ins Ivy House.
Es könnte so schön weitergehen für Toby Hennessy. Doch nach dem Überfall ist er nicht mehr derselbe. Die schweren Verletzungen haben ihre Spuren hinterlassen und die Folgen werden noch lange nicht überwunden sein, wenn sie überhaupt je verschwinden. Und so zieht er sich ins Idyll von Ivy House zurück, das Haus seines Onkels, in dem er, Suzanne und Leon in der Kindheit und Jugend häufig die Sommerferien verbrachten. Ruhig ist es dort zwar, doch durch eine schwere Erkrankung ist auch Onkel Hugo eingeschränkt und auf Toby könnte nicht nur eine Zeit der Erholung zukommen, sondern auch eine Zeit in der er Hugo betreuen muss.
Gewohnt akribisch beschreibt die Autorin ihre Personen und deren Lebensumstände, langsam und gründlich entwickelt sie ihre Handlungsstränge. So wird aus einem harmlosen vom Glück geprägten Beginn eine Geschichte, die wie bei einer Zwiebel mit jedem Abziehen einer Schale eine neue Färbung zeigt. Erinnerungen, die täuschen können, Gespräche, die neue Facetten zutage bringen, Mitmenschen, die manipulativ ins Geschehen eingreifen. Ehe man sich versieht, wird aus einer Schilderung von Tobys beneidenswert glücklichem Leben ein vielschichtiger Krimi, der sich mehr aus den Gesprächen der handelnden Personen entwickelt als aus den Ermittlungen der Polizei. Immer neue Haken werden dabei geschlagen, die so überraschend sind, dass kleine Längen leicht verziehen werden.
3,5 Sterne
Der grandiose Schreibstil und der raffinierte Plot entschädigen für die über weite Strecken dominierende Langatmigkeit. Auf jeden Fall lesenswert.
Tana Frenchs Spannungs- und Familienroman „Der dunkle Garten“ ist im Dezember 2018 bei FISCHER Scherz erschienen und umfasst 656 Seiten.
Toby Hennessy versteht sich selbst als Glückskind, jedoch wird sein Glück auf eine harte Probe gestellt, als er eines Abends in seiner Wohnung überfallen und brutal zusammengeschlagen wird. Psychisch und physisch gezeichnet, übernimmt er einige Zeit später die Pflege seines totkranken Onkels Hugo und siedelt nach Ivy House über. Während er sich ein wenig erholt, wird durch Gespräche mit der Verwandtschaft immer deutlicher, dass er unter immensen Erinnerungslücken leidet. Die Situation spitzt sich zu, als sein Neffe Zach eines Tages im Garten des Hauses einen menschlichen Schädel findet. Welches Geheimnis schlummert in dieser auf den ersten Blick harmonischen Familienidylle?
Es fiel mir anfangs schwer, mich in das Buch und das Geschehen hineinzufinden, was in erster Linie an der sehr ausschweifenden Schreibart der Autorin lag. Je weiter ich im Lesen jedoch fortschritt, desto mehr faszinierte mich ihr Stil. Die Autorin legt großen Wert auf Beschreibungen, sowohl Dinge als auch Charaktere sind sehr detailliert geschildert, die Sprache dabei literarisch, fast schon poetisch, immer wieder gespickt auch von einem feinen Humor, wenn Toby z.B. den Einbrechern dankt, seine Kondome mitgenommen zu haben, um sich nicht weiter fortpflanzen zu können. Andererseits gibt es Abschnitte mit einer leichteren, fast schon als ans Schnoddrige grenzenden Schreibweise. Dies hilft beim Lesen, sich das Beschriebene vors Auge zu führen und sich in die Charaktere hinzuversetzen, sorgt aber andererseits für sehr langatmige Passagen. Die mit ca. 50 Seiten doch recht langen Kapitel, die einem logischen Aufbau folgen, unterstützen beim Lesen das Gefühl, nicht voranzukommen. Erst mit dem Auffinden des Schädels und vor allem später, im letzten Drittel des Romans, nimmt die Handlung an Rasanz und Brisanz zu, sodass man das Buch kaum noch aus der Hand legen mag. Durch den letzten Teil bin ich regelrecht hindurchgeflogen. Das Ende des Romans konnte mich dennoch nicht restlos überzeugen, da zum einen nicht alle Ereignisse zufriedenstellend aufgelöst werden, zum anderen die ein oder andere Wendung gegen Ende doch sehr konstruiert, teils sogar überflüssig wirkt.
Der gesamte Roman ist aus der Ich-Perspektive, genauer aus der Sicht des 28-jährigen Toby, geschrieben. Da man dadurch einen guten Einblick in sein Seelenleben erhält, fällt es leicht, mit ihm mitzufühlen und – vor allem – mitzuleiden. Aber auch die anderen Charaktere, vor allem sein Cousin, seine Cousine und sein Onkel, sind vielschichtig gezeichnet und machen große Wandlungen im Geschehen durch, sodass man vor Überraschungen und neuen Einsichten nicht gefeit ist. Somit legt French hier die Charakterstudie einer Familie vor, die ihresgleichen sucht. Ein besonderes Vergnügen war es für mich, den Ermittlungen des Polizeibeamten Rafferty zu folgen, der seine Vernehmungen so clever führt, wie ich es kaum jemals gelesen habe.
Neben der Familiengeschichte der Hennessys thematisiert French auch allgemeinere Themen wie Umgang mit Tod und Sterben und dem Internet, Mobbing und soziale Ungerechtigkeit. Manchmal hat man das Gefühl, im Mikrokosmos der Familie dem Makrokosmos der Welt gegenüberzustehen.
Das Cover des Buches zeigt ein altes Herrenhaus, umgeben von einem verwilderten Garten. Liest man das Buch, scheint dieses Bild direkt in Ivy House aufgenommen worden zu sein: An allen Ecken und Enden begegnet man ihm beim Lesen.
Trotz meiner Kritikpunkte hat mich das Lesen des Buches insgesamt sehr fasziniert, was vor allem an der Sprache der Autorin und dem Einblick in die Psyche der Familienmitglieder liegt. Hier ist French eine wirklich großartige Studie gelungen, die mich durchweg gefesselt hat, sodass dieser bestimmt nicht der letzte von Frenchs Romanen ist, den ich gelesen habe. Allen, die ein Faible für intelligente psychologische Spannung und detaillierte Beschreibungen haben, kann ich diese Lektüre nur wärmstens empfehlen.
Dieses Buch ist eine Familiengeschichte, eine richtig intensive Familiengeschichte über Schuld und das Umgehen damit, wo ich leider die Begeisterung anderer Leser nicht unbedingt und vollkommen unbedarft teilen kann. Zwei Schwestern wandern in den späten 50ern aus Irland kommend in die USA ein. Dabei bringt das Buch den Lesern den Mief und das eingeengte Denken dieser Zeit nahe und zeigt das Leben der beiden ungleichen Frauen bis in die heutige Zeit hinein und besonders eine der beiden Schwestern hätte ich fast durchweg schütteln können. Nora, die ältere Schwester, ein wirklich furchtbarer Charakter, bis in die 2000er hinein kann sie ihrem Naturell schlecht entfliehen, ist ein Kind ihrer Zeit und ihrer ländlichen und etwas bildungsfernen Herkunft, merkt kaum was sie durch ihre strenge, unnahbare und schwer abänderliche Art ihrer Umgebung antut, angetan hat. Dabei muss man Nora aber zugutehalten, sie ist durch den frühen Tod ihrer Mutter zu einem Mutterersatz für die jüngere Schwester Theresa geworden, hat deshalb ihre Jugend eingebüßt, eine Zeit der Unbeschwertheit. Diese Mutterrolle ist aber auch viel verlangt von der jungen Frau, deren Denken sich fortan um ihren Ruf, um den Ruf der Familie dreht, die dadurch in eine Rolle hineingedrängt wird, sich hineingedrängt empfindet, der sie eigentlich nicht gewachsen sein kann und, was eigentlich fast noch schlimmer ist, diese Entscheidung/ dieses Geschehen hat auch Folgen für die weitere Entwicklung der Nora, in ihrer eigenen Familie. Die jüngere Theresa ist etwas lebenslustiger, ist ja auch noch jugendlich unbeschwert. Beide Schwestern stehen dann durch ein Geschehen vor Entscheidungen, die erst viele Jahre später etwas abgeändert werden können. Erst stand für mich eine Drei Sterne Bewertung fest, denn das Geschehen ist wirklich etwas seifig und die Denkweisen der Charaktere haben schon etwas verstaubtes und altbackenes an sich. Dennoch ist die Geschichte spannend geschrieben, besonders das chronologisch nicht geordnete Schreiben fasziniert mich und ein gewisser Wandel in engen Grenzen lässt mich das Buch dann doch noch etwas höher bewerten. Wäre dieser Wandel in Noras Wesen nicht zu bemerken gewesen, wäre dies ein Drei-Sterne-Buch für mich geworden. Denn dieser Charakter Nora hat es mir nicht leicht gemacht, hat wohl etwas in mir getriggert. Keine einfache Lektüre für mich!
Ich habe diese sehr unterhaltsame und kurzweilige irisch-amerikanische Familiengeschichte auf zwei Zeitebenen als Hörbuch gehört.
Es geht um die beiden irischen Schwestern Nora und Theresa, die in den 1950er Jahren nach Amerika auswandern, um dort ihr Glück zu finden.
Aus armen Verhältnissen kommend, haben sie Träume und Pläne, die durch die ungewollte Schwangerschaft der jüngeren Theresa in eine völlig andere Richtung gelenkt werden.
Ich bekam einen guten Einblick in die damals rückständige, karge und voller Traditionen und Konventionen behaftete Welt eines kleinen irischen Dorfes sowie in die damalige Situation der irischen Einwandererfamilien in Amerika.
Die Geschichte ist nachvollziehbar und schlüssig und hält Überraschungen bereit.
Die Charaktere und Nebencharaktere sind interessant, sehr unterschiedlich angelegt und gut gezeichnet.
Die Sprache ist flüssig und es gibt tragische, hoffnungsvolle und humorvolle Momente.
Der Autorin ist meines Erachtens ein wirklich guter und berührender pageturner gelungen.
„All die Jahre“ von Courtney J. Sullivan ist eine berührende irische Familiengeschichte mit zwei Schwestern, Nora und Theresa, im Mittelpunkt, die in den 1950er Jahren gemeinsam aus Irland nach Amerika auswandern.
Das Buch beginnt mit dem Tod von Noras ältestem Sohn Patrick und endet mit seinem Begräbnis. Mit vielen Rückblicken und aus den unterschiedlichen Blickpunkten der beiden Schwestern sowie von Noras drei übrigen Kindern erfährt man deren Geschichte.
Nora Flynn ist 21 Jahre alt, als sie mit ihrer jüngeren Schwester das rückständige Irland in Richtung Amerika verlässt, um dort ihren Verlobten zu heiraten. Sie sorgt für Theresa seit die Mutter vor Jahren starb, und versucht ihr auch in der Neuen Welt einen bestmöglichen Start zu ermöglichen. Aber Theresa wird schwanger, Nora trifft folgenschwere Entscheidungen für sie, was die beiden Schwestern entzweit und Theresa ins Kloster treibt. Erst durch Patricks Tod kommen die beiden wieder zusammen und setzen sich mit ihrem Leben auseinander.
Mit unglaublicher Lust am Fabulieren, mäandernd und voller Sinn für gute Familiengeschichten erzählt Sullivan vom für mich unvorstellbar kargen Leben in Irland, von den irisch dominierten Straßenzügen in Großstädten der USA, vom Familienzusammenhalt und Ausbruchsversuchen und von damals herrschenden Konventionen. Für mich erstaunlich authentisch und glaubhaft nachvollziehbar begleite ich die Figuren durch das rückständige Irland mit arrangierten Ehen wegen Landzugewinn, mit aus heutiger deutscher Sicht unglaublicher Normalität und Akzeptanz von Alkoholismus und Bevormundung der Mädchen und Frauen durch die Familienbande.
Ebenso spannend und gespickt mit sehr vielen interessanten Details bewegt man sich durch die Enklaven der irischen Einwanderer in Amerika, die ganze Straßenzüge beherrschen, neu ankommende Familienmitglieder aufnehmen und versorgen und trotz des Willens nach Anpassung in der moderneren großstädtischen Welt an alten irischen Traditionen verbiestert und irischer als die Iren zu Hause festzuhalten.
Es ist einfach eine wunderbare Art des Erzählens, die mich nicht zuletzt wegen der vielen interessanten Charaktere sehr schnell in ihren Bann gezogen hat und völlig gefangen hielt. Vorsichtig und allmählich öffnen sich Nora und Theresa des Leser, halten Überraschungen bereit, die für Spannung sorgen. Nebencharaktere sind nicht nur schmückendes Beiwerk und die verschiedenen Sichtweisen des Buches vermitteln einen nachhaltigen und glaubhaften Eindruck des Lebens der Familie.
Andeutungen und Schweigen, Geheimnisse und Rückzug, kurze Blicke hinter den Vorhang dienen bis zum Schluss der Spannung einer Geschichte, die viele Überraschungen parat hält.
Unlösbare Familienbande und der Versuch des Ausbechens, Bevormundung, Verzeihen und Verlust, Trauer, Glück und fast nicht tragbare Bürde stehen in diesem Buch so eng beieinander, sind so glaubhaft dreidimensional beschrieben, dass es manchmal beim Lesen schmerzt.
Es ist einfach ein wunderbares, für mich rundum gelungenes Buch mit einer interessanten, bedrückenden und zugleich hoffnungsvollen Familiengeschichte, das ich ganz ausdrücklich zum Lesen empfehle.
Eine Reise in den "real existierenden Sozialismus"
Richard Swartz, ein etwas eigenartiger Charakter aus Schweden beschreibt seine Flucht aus den Schranken seines Lebens in das weit entfernte Prag. Nach dem Prager Frühling. Eine wirklich rätselhafte Entscheidung in meinen Augen. Wie kann denn ein westlich und damit freiheitlich erzogener Mensch freiwillig in eine Diktatur wollen? Was setzt das denn für ein Wissen über Diktaturen voraus? Gut, er hat ja einen Freifahrtsschein in seine Heimat dabei. Aber mal ehrlich, was soll das?
Gut also ein nicht so berauschender Start für mich in dieses Buch. Denn diese Erzählstimme stößt mich mit ihrem Verhalten vor den Kopf.
Ansonsten beschreibt Richard Swartz aber philosophisch und auch recht klug den „real existierenden Sozialismus“. Beschreibt den Irrsinn dieser damaligen Welt, beschreibt den Mangel, die Mangelwirtschaft. Und beschreibt die Schlupflöcher der Bewohner dieser damaligen Welt, denn genau diese Schlupflöcher wurden geschaffen, mussten geschaffen werden. Das kann erheitern, etwas Unverständliches verständlich machen oder aber Erinnerungen hochkommen lassen. Je nachdem, wo der Leser steht. Erheiternd und erinnernd traf auf mich zu. Das kann etwas durchaus Schönes sein. Dennoch sind diese Gedanken auch etwas langatmig formuliert und am Ende war ich leider froh, dieses Buch weglegen zu können. Vielleicht gab es aber auch andere Gründe dieses Gefühls für mich. Auch dies kann selbstverständlich möglich sein!
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