Inhaltsangabe zu "Überbitten"
Gebundenes Buch
"Iberbetn" bedeutet im Jiddischen "gegenseitige Versöhnung" und ist verwandt mit dem deutschen Verb "überbitten", das noch im 19. Jahrhundert gebräuchlich war. Bei den Satmarer Chassidim ist es tägliches Ritual: Zwei Menschen bitten einander um Verzeihung mit der gegenseitigen Verpfichtung, einander zu vergeben. Im mythischen Glauben, Gott sei, sobald ein Jude seine Lippen zum Gebet öffnet, zum Erbarmen bewegt, liegt der Ursprung dieses Rituals, das im Kern seiner Bewegung die Gegensätze wohlwollend miteinander vereint.
Deborah Feldman beschreibt in ÜBERBITTEN den inneren Prozess der Versöhnung derjenigen Person, die sie als Mädchen und Jugendliche war, mit jener, die zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin- und hergerissen ist, zwischen den Kräften von Schuld und Furcht und dem ebenso machtvollen Impuls der Hoffnung und Sehnsucht, in einer ihr völlig unbekannten Welt neu Fuß zu fassen. Sie befindet sich zwischen Aufbruch und Ankunft, im schwebenden Zustand der Entwurzelten ohnejegliche Zugehörigkeit. Und es gelingt ihr, den Sprung ins Ungewisse zu mildern, indem sie aus dem reichen Inventar ihrer Vergangenheit schöpft und die in ihr verankerten Rituale anwendet auf die neuen Erfahrungen in einer Welt, die jeglicher Magie des Jenseitigen beraubt ist. Denn erst auf diese Weise kann sie ihrem Körper ermöglichen, diese Welt an- und in sich aufzunehmen. Ein Lebensweg ungeheurer Weite, geprägt von Kraft und Mut und dem zutiefst humanen Einsatz für das Recht des Menschen auf Selbstbestimmung, der auf eine größere, gesellschaftliche Dimension verweist. Nicht selten schimmert dabei in diesem Buch der Geist ihrer Großmutter durch, die das Grauen der Konzentrationslager überlebte und für die Autorin stets das alte Europa und seine kulturellen Werte vor dem Faschismus repräsentierte.
ÜBERBITTEN ist das außergewöhnlich kluge Zeugnis einer jungen Frau, der gelang, was ihr drohend als unmöglich geschildert...
Lebenswelten...
Okay, Billie hat eine Mutter, die sich nie um sie kümmern konnte. Familienleben und Gefühle kennt sie hauptsächlich aus Fernsehserien. Als 12-jährige Frohnatur kann sie aber damit umgehen. Als sie zu der perfekten Pflegefamilie kommt, mischt sie mit ihren Dreadlocks und ihrer entwaffnenden Offenheit die Provinz auf – und zeigt, worauf es wirklich ankommt …
Billie landet aus der Großstadt Stockholm plötzlich in einem kleinen schwedischen Dorf. 'Langweilg' ist das Erste, was ihr dazu einfällt, doch sie bemüht sich, sich möglichst nichts anmerken zu lassen. Und so gibt Billie sich Mühe, als sie ihre Pflegefamilie kennenlernt, versucht sich anzupassen, eigene Wünsche hintenanzustellen, ihren Sehnsüchten nicht zu viel Raum zuzugestehen.
Billie ist 12 Jahre alt, und das Jugendamt hat beschlossen, dass ihre Mutter sich nicht länger um sie kümmern kann. Nur für eine Weile, so der Plan, soll sie daher bei der Pfarrerin Petra und ihrer Familie wohnen. Eine neue Familie, eine neue Schule, andere Regeln, aufdringliche Fragen - all das meistert Billie scheinbar mit bemerkenswerter Gelassenheit. Dabei macht sie sich durchaus so ihre Gedanken, und wenn sie glaubt, sie müsse platzen, schleicht sie sich aus dem Haus und in den Wald und singt sich die Seele aus dem Leib, bis es ihr wieder besser geht.
Doch bald schon merkt sie, dass es auch anderen Personen in ihrem Umfeld nicht immer gut geht. Und mit großem Einfühlungsvermögen gibt sie Dingen, Fragen, Sorgen einen Namen und zerrt sie damit aus ihrem Tabu. Ganz allmählich verliert das Grau im Dorf seine Eintönigkeit und macht Lebendigkeit und Lachen Platz.
Die Schwedin Sara Kadefors hat hier ein wirklich lesenswertes Jugendbuch mit einer unkonventionellen Protagonistin geschrieben, das mich stellenweise sehr berührt hat. Dabei steht Billie selbst im Mittelpunkt des Geschehens, doch spielen hier auch andere Jugendliche eine Rolle, und so findet die Zielgruppe (empfohlenes Lesealter: 12-15 Jahre) mit Sicherheit passende Identifikationsmöglichkeiten.
Billie selbst hat mir sehr gut gefallen. Sie ist selbständig ohne zu unabhängig zu wirken, sie ist traurig, nicht bei ihrer Mutter leben zu können, aber realistisch genug um zu erkennen, dass es nicht anders geht, sie will in ihrer Klasse dazugehören, aber nicht um jeden Preis. Ein Mädchen, das durch seine Offenheit besticht, durch seine Lebensfreude und durch seine Weigerung, Regeln einfach nur deshalb hinzunehmen, weil sie jemand aufgestellt hat. In jedem Fall ein Mensch, den man selbst gerne kennen würde...
Ein schönes Jugendbuch, das tiefgründiger ist als es anfangs den Anschein hat, und dem ich viele Leser wünsche...
© Parden
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