Flammenwand.: Roman mit Anmerkungen.

Buchseite und Rezensionen zu 'Flammenwand.: Roman mit Anmerkungen.' von Marlene Streeruwitz
4
4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Flammenwand.: Roman mit Anmerkungen."

Stockholm im März. Nach einem schweren Winter hat es immer noch minus 15 Grad, und das Eis knirscht unter Adeles Schritten. Als sie von Einkäufen zurückkehrt, sieht sie ihren Geliebten von weitem das Haus verlassen und geht ihm nach. Je näher sie ihm kommt, desto unsichtbarer wird er.
Warum laufen wir immer den gleichen Bildern hinterher? Worauf ist eigentlich Verlass? Und warum muss die Liebe zur Hölle werden? In einer Welt, in der sich die Warteschleife als Wahrheit erweist, bewegt sich Adele auf dem schmalen Grat zwischen Befreiung und Selbstverlust: »Sie durfte sich nicht aus sich selbst verjagen lassen. Sie musste langsam und vorsichtig denken.«
Durch eine verräterische Liebesgeschichte entfaltet sich in Marlene Streeruwitz‘ furiosem Roman die Krise der Gegenwart.
»Flammenwand.« steht auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis 2019.

Format:Kindle Ausgabe
Seiten:361
EAN:
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Rezensionen zu "Flammenwand.: Roman mit Anmerkungen."

  1. Wenn die Welt. In Fragmente zerbricht.

    Am Anfang. So während der ersten zwanzig. Dreißig Seiten. Fand ich den Schreibstil eine Zumutung. Unlesbar. Die Sätze sind meist kurz. Hektisch. Brechen manchmal mittendrin. Ab.

    ---
    "Sie wollte von ihm umfangen sein und ausgefüllt. In den ersten zwei Nächten war das so gewesen. Warum war das nicht. Nicht mehr. Nicht gelungen. Das sei plötzlich so gewesen, hatte er gesagt. Beim Duschen hätte er es bemerkt. Auf einmal. Geduld. Wenn es einmal gelungen sei, dann gelänge es auch wieder. Aber das war nicht so.

    Und seit da. Sie hatte keine Antwort gewusst. Und keine Frage. Wenn er sie liebte. Wenn er »Ich dich.« sagte. Sagen konnte. Er musste das verantworten. Es war er. Sein Körper."
    (Zitat)
    ---

    Ich fand erstmal keinen Halt in der Geschichte. Und irgendwann wurde mir klar, dass das Sinn macht. Weil auch die Protagonistin den Halt verloren hat. Die Schreibweise gibt perfekt wieder, dass alles, was ihr ihres Empfindens Sinn gab – und vielleicht sogar Glück –, von Spannungsrissen durchzogen wird. Eigentlich schon längst zerbrochen ist. Und sie läuft barfuß über die Scherben.

    Und da machte es dann »klick« und ich war drin. In der Geschichte. In den Gedanken der Heldin. In ihrem Wahn, ihrer Verzweiflung, immer wieder dem kurzen Aufbäumen der Hoffnung. Den Momenten, in denen sie sich weigert, es anzuerkennen. Das Ende einer Sache. Die Verlogenheit einer anderen.

    Und das tut weh, das quält beim Lesen, da geht auf dem heimischen Lesesofa jede Behaglichkeit verloren.

    Sympathieschmerz. Sympathieangst. Sympathiewut.

    Wie das oben genannte Zitat schon verrät, ist ein zentrales Thema die Beziehung zu einem Mann, der sie nicht nur emotional auf Abstand hält. Seine Impotenz wird zu einem immerwährenden Drama. Die Heldin fällt, wird hineingesaugt in eine Spirale der Verunsicherung und Selbstkasteiung.

    Und sie ist blind. So blind für das Offensichtliche. Weil die Wahrheit unerträglich ist. Er muss sie lieben, wie sie ihn liebt. Er muss einfach. Denn sie definiert sich und ihren eigenen Wert seit jeher über die Männer in ihrem Leben. Das fing mit dem Vater an, der sie (und ihre Mutter) nur als Erweiterung seiner selbst wahrnahm. Das setzte sich fort mit jedem Partner. Eine masochistische Annahme patriarchalischer Strukturen. Maskuliner Machtfantasien.

    ---
    "Nichts, was ihr geschah, konnte ihr diesen Ort in der Zeit geben, an dem sie von Belang gewesen wäre. Sie hatte diesen Ort von der Liebe erwarten müssen."
    (Zitat)
    ---

    Sie spürt, sie weiß auf einem gewissen Level, dass er, Gustav, sie manipuliert. Die Beziehung beginnt damit, dass er ihr sein persönliches Drama aufzwingt: den Tod seiner Mutter. Die Tatsache, dass er als Kind ihre Leiche fand. Und seine Mutter dafür hasst. Das ist kein Versuch, seinen eigenen Schmerz zu lindern. Das ist eine oft gespielte Trumpfkarte, die den Partner, den Gegner, von Anfang an in ein Ungleichgewicht bringt. So wie auch seine Impotenz eine Waffe ist. Und eine Lüge.

    Adeles innere Welt ist geprägt von Formen der Gewalt.

    Sie denkt über den Holocaust nach. Wie er sie belanglos macht. Über Massenvergewaltigungen im Krieg. Was das mit den Männern macht. Sie hat Wahnvorstellungen, meist verstörende, brutale. Manchmal reißt der Faden, der sie an die Realität bindet.

    Die aktuelle Politik ist als Hintergrundrauschen immer präsent. Österreich. Deutschland. Der allgemeine Rechtsruck. Adele nimmt wahr, hinterfragt jedoch nur zögerlich. Dass er, Gustav, gegen die AfD ist, aber auch gegen Ausländer. Dass das heute die Normalität ist, auch im Land des Holocausts. Da tut sie, Sprachlehrerin für Migranten, sich schwer mit. Aber nicht schwer genug. Um die Beziehung zu beenden.

    Die Fußnoten verwurzeln das Buch in den Absurditäten der türkis-blauen Regierung und geben ihm eine zweite Bedeutungsebene. Die Ibiza-Affaire fand jedoch erst nach Veröffentlichung statt – so passend ein Zusammenhang auch gewesen wäre.

    Adele kommt aus Wien. Gustav kommt aus Berlin. Das Drama des Buches spielt sich ab in Stockholm, wo sie sich eine Wohnung teilen. Ein Niemalsland, für eine Niemalsliebe.

    Erst im Nachwort wurde mir klar, dass sich die ganze Handlung im Rahmen von nur fünf Stunden abspult.
    Da darf man sich nicht täuschen lassen von den Datumsangaben. Diese spiegeln nicht die Handlungszeit wider, sondern die Schreibzeit: wann hat die Autorin dieses Kapitel geschrieben.

    Fünf Stunden also. In diesen fünf Stunden durchläuft sie, die Heldin, ein persönliches Inferno. Getrieben von ihren Dämonen wandert sie durch die Stadt. Reizt ihre empfundene Bedeutungslosigkeit aus, indem sie sich kleidet wie eine Roma und deswegen ausgegrenzt wird. Bis zu einem Ende, das überrascht und doch konsequent ist. Und im Grunde noch kein Ende.

    Es macht keinen Spaß, dieses Buch zu lesen.

    Es entfaltet jedoch eine ungeheure Sogwirkung. Der man sich als Leser. Kaum entziehen kann. Aber man muss sich darauf einlassen. Erst mal alles hinnehmen und glauben. Nicht hinterfragen: Ist das logisch? Ist das schlüssig? Das hat keinen Platz im Malstrom ihrer Emotionen. Der Heldin.

    Adele. Ihr Name ist Adele.

    Ich konnte ihr Verhalten kaum nachvollziehen. Aber die Emotionen dahinter. Die sind Zerrbilder der Emotionen, die jeder Mensch in einer unglücklichen Beziehung kennt. Oder allgemein einer schwierigen Situation. Wenn das eigene Leben aus irgendeinem Grund aus dem Ruder läuft.

    Würde ich das Buch empfehlen? Schwierig. Ja und nein. Ja, weil es außergewöhnlich ist. Einzigartig. Nein, weil dies kein Buch ist, das sich leicht lesen lässt. Oder nebenher. Das Buch hat Zähne und Klauen, das verlangt vom Leser sein Pfund Fleisch. Da muss man sich schon drauf einlassen, und weiß man, wem man das zumuten kann? Ich bin froh, es gelesen zu haben. Das zumindest kann ich mit Gewissheit sagen.

    Fazit:

    Nach den ersten Seiten habe ich den Schreibstil gehasst. Denn der. Ist geprägt von kurzen Sätzen. Von Satzfragmenten. So kurzen Bruchstücken dass man ständig rausgerissen wird. Aus dem Fluss. Aber das muss so sein. Das soll so. Denn die Heldin verliert gerade alles. Jeden Halt. Jede Gewissheit. Man steht als Leser daneben und beobachtet, wie sie sich mehr und mehr verstrickt in Wahn, Angst und Wut.

    Wenn man die Handlung zusammenfasste, käme dabei etwas raus wie: eine Frau ist besessen von ihrem impotenten Liebhaber und muss hinterfragen, ob er ein falsches Spiel treibt. Aber das ist nur die Oberfläche, unter der es brodelt.

    Der Titel ist sehr passend: Flammenwand. Bei Dante brennen darin die Wollüstigen. Letztlich müssen jedoch alle Sünder die Flammenwand durchschreiten, bevor sie den Läuterungsberg verlassen können. Ob es Marlene Streeruwitz‘ Heldin gelingt, ihre eigene Flammenwand zu durchschreiten, liegt im Auge des Betrachters.

 

Flammenwand.: Roman mit Anmerkungen.

Buchseite und Rezensionen zu 'Flammenwand.: Roman mit Anmerkungen.' von Marlene Streeruwitz
4
4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Flammenwand.: Roman mit Anmerkungen."

Roman mit Anmerkungen.
Gebundenes Buch
Stockholm im März. Nach einem schweren Winter hat es immer noch minus 15 Grad, und das Eis knirscht unter Adeles Schritten. Als sie von Einkäufen zurückkehrt, sieht sie ihren Geliebten von weitem das Haus verlassen und geht ihm nach. Je näher sie ihm kommt, desto unsichtbarer wird er.
Warum laufen wir immer den gleichen Bildern hinterher? Worauf ist eigentlich Verlass? Und warum muss die Liebe zur Hölle werden? In einer Welt, in der sich die Warteschleife als Wahrheit erweist, bewegt sich Adele auf dem schmalen Grat zwischen Befreiung und Selbstverlust: "Sie durfte sich nicht aus sich selbst verjagen lassen. Sie musste langsam und vorsichtig denken."
Durch eine verräterische Liebesgeschichte entfaltet sich in Marlene Streeruwitz' furiosem Roman die Krise der Gegenwart.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:416
Verlag: S. FISCHER
EAN:9783103973853
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Rezensionen zu "Flammenwand.: Roman mit Anmerkungen."

  1. Wenn die Welt. In Fragmente zerbricht.

    Am Anfang. So während der ersten zwanzig. Dreißig Seiten. Fand ich den Schreibstil eine Zumutung. Unlesbar. Die Sätze sind meist kurz. Hektisch. Brechen manchmal mittendrin. Ab.

    ---
    "Sie wollte von ihm umfangen sein und ausgefüllt. In den ersten zwei Nächten war das so gewesen. Warum war das nicht. Nicht mehr. Nicht gelungen. Das sei plötzlich so gewesen, hatte er gesagt. Beim Duschen hätte er es bemerkt. Auf einmal. Geduld. Wenn es einmal gelungen sei, dann gelänge es auch wieder. Aber das war nicht so.

    Und seit da. Sie hatte keine Antwort gewusst. Und keine Frage. Wenn er sie liebte. Wenn er »Ich dich.« sagte. Sagen konnte. Er musste das verantworten. Es war er. Sein Körper."
    (Zitat)
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    Ich fand erstmal keinen Halt in der Geschichte. Und irgendwann wurde mir klar, dass das Sinn macht. Weil auch die Protagonistin den Halt verloren hat. Die Schreibweise gibt perfekt wieder, dass alles, was ihr ihres Empfindens Sinn gab – und vielleicht sogar Glück –, von Spannungsrissen durchzogen wird. Eigentlich schon längst zerbrochen ist. Und sie läuft barfuß über die Scherben.

    Und da machte es dann »klick« und ich war drin. In der Geschichte. In den Gedanken der Heldin. In ihrem Wahn, ihrer Verzweiflung, immer wieder dem kurzen Aufbäumen der Hoffnung. Den Momenten, in denen sie sich weigert, es anzuerkennen. Das Ende einer Sache. Die Verlogenheit einer anderen.

    Und das tut weh, das quält beim Lesen, da geht auf dem heimischen Lesesofa jede Behaglichkeit verloren.

    Sympathieschmerz. Sympathieangst. Sympathiewut.

    Wie das oben genannte Zitat schon verrät, ist ein zentrales Thema die Beziehung zu einem Mann, der sie nicht nur emotional auf Abstand hält. Seine Impotenz wird zu einem immerwährenden Drama. Die Heldin fällt, wird hineingesaugt in eine Spirale der Verunsicherung und Selbstkasteiung.

    Und sie ist blind. So blind für das Offensichtliche. Weil die Wahrheit unerträglich ist. Er muss sie lieben, wie sie ihn liebt. Er muss einfach. Denn sie definiert sich und ihren eigenen Wert seit jeher über die Männer in ihrem Leben. Das fing mit dem Vater an, der sie (und ihre Mutter) nur als Erweiterung seiner selbst wahrnahm. Das setzte sich fort mit jedem Partner. Eine masochistische Annahme patriarchalischer Strukturen. Maskuliner Machtfantasien.

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    "Nichts, was ihr geschah, konnte ihr diesen Ort in der Zeit geben, an dem sie von Belang gewesen wäre. Sie hatte diesen Ort von der Liebe erwarten müssen."
    (Zitat)
    ---

    Sie spürt, sie weiß auf einem gewissen Level, dass er, Gustav, sie manipuliert. Die Beziehung beginnt damit, dass er ihr sein persönliches Drama aufzwingt: den Tod seiner Mutter. Die Tatsache, dass er als Kind ihre Leiche fand. Und seine Mutter dafür hasst. Das ist kein Versuch, seinen eigenen Schmerz zu lindern. Das ist eine oft gespielte Trumpfkarte, die den Partner, den Gegner, von Anfang an in ein Ungleichgewicht bringt. So wie auch seine Impotenz eine Waffe ist. Und eine Lüge.

    Adeles innere Welt ist geprägt von Formen der Gewalt.

    Sie denkt über den Holocaust nach. Wie er sie belanglos macht. Über Massenvergewaltigungen im Krieg. Was das mit den Männern macht. Sie hat Wahnvorstellungen, meist verstörende, brutale. Manchmal reißt der Faden, der sie an die Realität bindet.

    Die aktuelle Politik ist als Hintergrundrauschen immer präsent. Österreich. Deutschland. Der allgemeine Rechtsruck. Adele nimmt wahr, hinterfragt jedoch nur zögerlich. Dass er, Gustav, gegen die AfD ist, aber auch gegen Ausländer. Dass das heute die Normalität ist, auch im Land des Holocausts. Da tut sie, Sprachlehrerin für Migranten, sich schwer mit. Aber nicht schwer genug. Um die Beziehung zu beenden.

    Die Fußnoten verwurzeln das Buch in den Absurditäten der türkis-blauen Regierung und geben ihm eine zweite Bedeutungsebene. Die Ibiza-Affaire fand jedoch erst nach Veröffentlichung statt – so passend ein Zusammenhang auch gewesen wäre.

    Adele kommt aus Wien. Gustav kommt aus Berlin. Das Drama des Buches spielt sich ab in Stockholm, wo sie sich eine Wohnung teilen. Ein Niemalsland, für eine Niemalsliebe.

    Erst im Nachwort wurde mir klar, dass sich die ganze Handlung im Rahmen von nur fünf Stunden abspult.
    Da darf man sich nicht täuschen lassen von den Datumsangaben. Diese spiegeln nicht die Handlungszeit wider, sondern die Schreibzeit: wann hat die Autorin dieses Kapitel geschrieben.

    Fünf Stunden also. In diesen fünf Stunden durchläuft sie, die Heldin, ein persönliches Inferno. Getrieben von ihren Dämonen wandert sie durch die Stadt. Reizt ihre empfundene Bedeutungslosigkeit aus, indem sie sich kleidet wie eine Roma und deswegen ausgegrenzt wird. Bis zu einem Ende, das überrascht und doch konsequent ist. Und im Grunde noch kein Ende.

    Es macht keinen Spaß, dieses Buch zu lesen.

    Es entfaltet jedoch eine ungeheure Sogwirkung. Der man sich als Leser. Kaum entziehen kann. Aber man muss sich darauf einlassen. Erst mal alles hinnehmen und glauben. Nicht hinterfragen: Ist das logisch? Ist das schlüssig? Das hat keinen Platz im Malstrom ihrer Emotionen. Der Heldin.

    Adele. Ihr Name ist Adele.

    Ich konnte ihr Verhalten kaum nachvollziehen. Aber die Emotionen dahinter. Die sind Zerrbilder der Emotionen, die jeder Mensch in einer unglücklichen Beziehung kennt. Oder allgemein einer schwierigen Situation. Wenn das eigene Leben aus irgendeinem Grund aus dem Ruder läuft.

    Würde ich das Buch empfehlen? Schwierig. Ja und nein. Ja, weil es außergewöhnlich ist. Einzigartig. Nein, weil dies kein Buch ist, das sich leicht lesen lässt. Oder nebenher. Das Buch hat Zähne und Klauen, das verlangt vom Leser sein Pfund Fleisch. Da muss man sich schon drauf einlassen, und weiß man, wem man das zumuten kann? Ich bin froh, es gelesen zu haben. Das zumindest kann ich mit Gewissheit sagen.

    Fazit:

    Nach den ersten Seiten habe ich den Schreibstil gehasst. Denn der. Ist geprägt von kurzen Sätzen. Von Satzfragmenten. So kurzen Bruchstücken dass man ständig rausgerissen wird. Aus dem Fluss. Aber das muss so sein. Das soll so. Denn die Heldin verliert gerade alles. Jeden Halt. Jede Gewissheit. Man steht als Leser daneben und beobachtet, wie sie sich mehr und mehr verstrickt in Wahn, Angst und Wut.

    Wenn man die Handlung zusammenfasste, käme dabei etwas raus wie: eine Frau ist besessen von ihrem impotenten Liebhaber und muss hinterfragen, ob er ein falsches Spiel treibt. Aber das ist nur die Oberfläche, unter der es brodelt.

    Der Titel ist sehr passend: Flammenwand. Bei Dante brennen darin die Wollüstigen. Letztlich müssen jedoch alle Sünder die Flammenwand durchschreiten, bevor sie den Läuterungsberg verlassen können. Ob es Marlene Streeruwitz‘ Heldin gelingt, ihre eigene Flammenwand zu durchschreiten, liegt im Auge des Betrachters.

 

Patchwork

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Rezensionen zu "Patchwork"

  1. 4
    29. Okt 2017 

    Einblicke...

    Ulrike Infante wollte mit ihrer Geschichte der Öffentlichkeit begegnen. Es war ihr wichtig, dass die Menschen erfahren und anerkennen, welche Kraft sie täglich aufbringen musste, um als Mitglied unserer Gesellschaft respektiert zu werden. Im Jahre 1991 wurde sie aufgrund ihrer Schizophrenie invalidisiert.

    In Briefen, Tagebuchaufzeichnungen, Aufsätzen und Gedichten erzählt sie aus ihrem Leben, das sich zwischen Hochgefühl, lähmender Antriebslosigkeit und Wahn bewegte. Die Briefe erlauben einen Einblick in ihre letzten Lebensjahre. In den anderen Texten begegnet man der früheren Ulrike, die Träume und Ziele wie viele junge Frauen hatte.

    Obwohl ihr psychisches Leiden ihren Lebensentwurf immer wieder durchkreuzte, blieb sie eine engagierte Frau, die ihren Platz in der Gesellschaft suchte und sich stets neu erkämpfen musste. In der ehemaligen DDR als Studentin, Dolmetscherin, Geliebte und Frau eines peruanischen Mannes, nach der Wiedervereinigung als Mutter und auch als psychisch Kranke.

    Ulrike Infante verstarb kurz vor Veröffentilchung ihres Buches im Alter von fünfzig Jahren.

    "Mit zweiundzwanzig Jahren wurde ich schwer krank und musste lange Zeit in einer psychiatrischen Klinik bleiben. Mir gefiel nicht, dass andere über psychisch kranke Menschen berichteten, ich wollte es selbst schaffen, ein Buch zu schreiben. Heute weiß ich, dass Schreiben hilft, zu leben." (Ulrike Infante)

    Gerade Schizophrenie ist eine Erkrankung, in die ich mich persönlich nicht hineinversetzen kann. Da ich immer wieder auch mit Müttern zu tun habe, die an Schizophrenie erkrankt sind, war ich sehr neugierig auf dieses Buch - auf die Schilderungen, auf die Einblicke in das Innenleben einer betroffenen Frau.

    Interessant war die Lektüre allemal. Nicht wirklich chronologisch angeordent, taucht der Leser ein in Briefe, Tagebuchnotizen und Gedichte, die den jeweiligen Zustand der Autorin dokumentieren. Dabei entblättert sich jedoch in erster Linie einfach - ein Leben. Urike Infante als Frau mit Sehnsüchten und Ängsten, mit einer Begabung für Sprachen und Sprache, mit einer Liebe zur Literatur und Theater, mit einer Tochter, die in Peru bei ihrem Vater aufwuchs.

    "Ich will ohne weitere Medikamente leben, solange es geht. Ich will nicht gedämpft vor mich hin starren und sagen, es geht mir gut. Ich will die Zeit intensiv erleben."

    Immer wieder schreibt die Autorin von einer Antriebslosigkeit, von dem Gefühl, ständig beobachtet zu werden, nicht wirklich in der Welt zu sein. Um so erstaunlicher, dass die konkrete Diagnose erst im Alter von 27 Jahren gestellt wurde. Die Schilderungen der Symptome erfolgen jedoch meist im Nachhinein, nach dem Abklingen, eher distanziert, aus der Beobachterperspektive, oft nur kurz angedeutet. Es fällt mir also nach wie vor schwer, mir das eigentliche Erleben bei einer Schizophrenie vorzustellen.

    Der Leser erfährt nicht, woran Ulrike Infante gestorben ist. Für die, die ihr nahestanden - allen voran ihre Tochter - ist dieses Buch jedoch ein tröstliches Vermächtnis, ein überaus persönliches. Und ein mutiges. Denn es gehört Mut dazu, seine psychische Erkrankung zu veröffentlichen. Dafür meine Hochachtung!

    © Parden

 

Ich will doch bloß sterben, Papa

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Rezensionen zu "Ich will doch bloß sterben, Papa"

  1. Man sollte das Buch unbedingt zu Ende lesen

    Als Michael und Susan Schofield Eltern der kleinen January werden, ist ihr Glück perfekt. Doch es ist nur von kurzer Dauer. Von Anfang an ist Janni anders. Sie schläft als Säugling höchstens 4 - 5 Stunden am Tag und die nur in 20 Minuten Etappen. Die Eltern sind verzweifelt und merken sehr schnell, dass Janni ständig beschäftigt werden muss. Doch ihr Verhalten wird immer seltsamer und bald ist Janni ständig beim Arzt. Die Eltern denken, ein Geschwisterchen würde ihrer Tochter gut tun, doch von Anfang an ist Janni schrecklich aggressiv gegen ihren Bruder Bodhi. Mit 4 Jahren war das Mädchen schon mehrmals in der Psychiatrie, weil sie ständig versucht Leute zu verletzen. Die Eltern sind am Ende ihrer Kräfte. Mit sechs Jahren bekommen sie dann endlich eine Diagnose: Schizophrenie! Die Eltern sind verzweifelt, denn Schizophrenie ist die schlimmste der psychischen Erkrankungen und nicht heilbar. In dem Buch "Ich will doch nur sterben, Papa" hat Michael Schofield ihren Leidensweg aufgeschrieben.

    Der Klappentext des Buches war schon ziemlich erschreckend und ich fragte mich, ob so ein kleines Kind wirklich schon an Schizophrenie erkrankt sein kann. Kann man damit geboren werden? Als ich dann anfing zu lesen, war ich schnell entsetzt. Nicht wegen Janni, die sich später nur noch Jani nennt und hysterisch wird, wenn sie jemand mit January anspricht, sondern wegen ihren Eltern. Von Anfang an setzten sie dem Mädchen keinerlei Grenzen. Ließen sich von ihre schlagen und verletzen und erfüllten ihr sofort jeden Wunsch, damit sie keine Tobsuchtsanfälle bekommt. Zu dem Zeitpunkt war ich der absoluten Meinung, dass die Eltern selbst an Janis Verhalten schuld wären.

    Es wurde noch viel schlimmer, denn es kamen einige Dinge ans Licht, die Michael verbockt hat und die waren einfach bestürzend. Außerdem dachte der Vater er wäre der Nabel der Welt und der Einzige, der mit Jani zurecht kommt. Alle anderen waren Idioten, weil sie nicht sofort Janis Genie erkannten oder sie behandelten wie ein "normales" Kind. Egal was Jani auch tat, es hieß von Michael, dass sie schließlich ein Genie mit einem IQ von 146 ist. Da brauchte das Mädchen keine Umgangsformen und musste auch nicht nett zu anderen Kindern sein, weil die ihr ja sowieso komplett unterlegen waren. Ich war oft so richtig wütend beim Lesen.

    Aber je weiter ich in dem Buch kam, desto mehr Mitleid empfand ich für diese Familie. Sie haben wirklich sehr schlimme Zeiten hinter sich und es wurde immer deutlicher, dass Jani an Schizophrenie leidet. Sie hatte ständig Halluzinationen, konnte sie aber nicht als solche erkennen, weil es ihr ja von Geburt an so ging. Was für ein schlimmes Schicksal das doch ist.

    Jedem, der das Buch gelesen hat empfehle ich, die Filme über die Familie auf YouTube zu schauen. Denn auch der Sohn Bodhi ist wohl an Schizophrenie erkrankt. Wie verkraften das die Eltern nur? Sie haben keine freie Sekunde und leben nur in ständiger Angst um ihre Kinder.

    Es ist sehr schwer dieses Buch zu bewerten. Die Familie macht schreckliches durch, auch wenn der Vater oft ein Idiot ist. Wir viele Punkte soll man dafür vergeben? Immerhin ist Michael so ehrlich und schreibt auch über sein und Susans Versagen. Über ihre Hilflosigkeit und der fehlenden Hilfe von Seiten des Staates. Nach langem Überlegen habe ich mich jetzt entschlossen 4 von 5 Punkte zu vergeben, denn vielleicht kann das Buch anderen Eltern von psychisch erkrankten Kindern Mut machen. Ich bin jedenfalls froh, diese Geschichte gelesen zu haben, denn es zeigte mir wieder wie viel Glück es doch ist gesunde Kinder zu haben.

    © Beate Senft