Guten Morgen, du Schöner

Buchseite und Rezensionen zu 'Guten Morgen, du Schöner' von Greta Taubert
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Guten Morgen, du Schöner"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:249
Verlag: Aufbau Verlag
EAN:9783351034641
read more

Rezensionen zu "Guten Morgen, du Schöner"

  1. Wie ist er so, der Ostmann?

    Über dieses Buch bin ich eher zufällig gestolpert als darüber im TV berichtet wurde. Gespannt habe ich mit der Lektüre begonnen und schnell gemerkt: Hier werde ich abgeholt, nicht nur im Bezug auf die dargestellten Männer, sondern auch auf meine Kindheit in der DDR.

    Greta Taubert interviewt in ihrem Buch Männer, die zwischen 30 und 60 sind, die als Ossiboys die Wende erlebt haben und was das mit ihnen gemacht hat. Sie hat eine bunte Auswahl getroffen, denn es sind nicht nur hetero Männer vertreten. Zudem sind sowohl Wendegewinner als auch -verlierer dabei, so dass man ein recht authentisches Bild erhält.

    Die Jungs erzählen in eigenen Worten was sie erlebt haben und die meisten Geschichten haben mich doch sehr berührt und meine Augen nass werden lassen. Das Geschilderte deckt sich auch sehr mit meinen eigenen Erfahrungen. Der Ostmann lässt sich nicht in die Karten schauen, möchte der Beschützer und der Starke sein und hat angeblich keine schwache Seite. Dabei wissen wir doch alle, dass jeder Mensch Schwächen und Stärken hat und dazu einfach stehen sollte.

    Durch das Sachbuch entsteht nach meinem Empfinden endlich mal ein Bild wie der ostdeutsche Mann wirklich tickt und nicht was die Printmedien den Menschen einreden wollen. Denn nur eine Minderheit der Jungs zählt zu den grölenden Wutbürgern, wählt rechts und hat keinen Respekt vor Frauen, aber das gibt es in den alten Bundesländern auch.

    Taubert zeigt durch ihre Interviews, vielleicht unbewusst, wie das Aufwachsen in der DDR war und warum dieser Menschenschlag eben ein anderer ist, sowohl Männer als auch Frauen. Mir ergeht es sehr oft so, dass ich im Westen Deutschlands oder im Ausland unterwegs bin und wenn ich dann Menschen kennenlerne, mit denen es direkt matcht, dann kommen auch sie aus der DDR und eine unbewusste Verbundenheit ist da.

    Fazit: Wer einen Blick hinter die Fassade wagen will, der muss hier unbedingt reinschauen. Intensiv, unterhaltsam und vor allem augenöffnend. Klasse!

    Teilen
 

Putins Welt

Buchseite und Rezensionen zu 'Putins Welt' von  Gloger
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Putins Welt"

Autor:
Format:Taschenbuch
Seiten:395
Verlag: Piper
EAN:9783492310406
read more

Rezensionen zu "Putins Welt"

  1. Russland ist für den Westen ein Problem geworden.

    Kurzmeinung: Must read!

    In ihrem 2015 veröffentlichten und zuletzt 2017 überarbeiteten Buch „Putins Welt“, zeigt Katja Gloger auf, wie die Sowjetunion sich seit Putin und mit Putin veränderte. Dabei greift die Autorin zeitlich bisweilen bis auf den Zweiten Weltkrieg zurück, bemüht sich, Gorbatschow und die Deutsche Wiedervereinigung zu erklären, aber sie beginnt in der spannenden Neuzeit. Obwohl die aktuellste Entwicklung nicht enthalten ist, da Glogers Betrachtungen 2017 aufhören, ist Glogers Buch ein Augenöffner. Und was für einer!

    Denn schon immer war Russland ein Land, das auf der einen Seite an Minderwertigkeitskomplexen gegenüber dem modernen Westen wie an Großmannssucht und imperialistischem Größenwahn gelitten hat. Schon Katharina die Große sagte, sie könne ihr Land nur beschützen, in dem sie es ausdehne, mit anderen Worte, die Nachbarn überfalle, erobere und ausnutze. Kontrolle war Russlands Politik über die Jahrhunderte. Zu dieser Politik ist Putin zurückgekehrt. Reaktionär und militaristisch wurde die Politik dieses Landes. Doch eine kleine Weile davor schien es, als ob sich Russland dem Westen öffnen wolle. Als ob es fähig zur friedlichen Kooperation mit seinen Nachbarn und mit der Welt wäre. Was für eine Illusion! Weder fähig noch willens.

    Gloger zeigt uns viele Schattierungen des großen, weiten Landes, das völlig auf eine harte Hand der Autokratie setzt, eine Regierungsform, die gegen das Versprechen, für die Bürger zu sorgen und sie zu beschützen (ein Versprechen, das nur ansatzweise erfüllt wird) bedingungslose Loyalität erwartet, verlangt und erpresst. Autokratie war immer das Mittel der Wahl, die bevorzugte Regierungsform Russlands, ob unter den Zaren oder unter den Präsidenten oder Vorsitzenden der kommunistischen Partei, eine andere Art zu herrschen, kennt das Land nicht. Russland ist auch das Land, in dem es keine Aufklärung westlicher Prägung gegeben hat. Trotz Revolution und Kommunismus ist es auch ein Land voller religiöser Traditionen und Mythen. Vom Kommunismus ist nicht viel übrig geblieben.

    Ein paar Schlagworte sollen hier dennoch genügen, um den bristanten Inhalt des sachkenntnisreichen Buchs anzureißen: die korrupte und rücksichtslose Russen-GmbH, der (überwältigende) Kapitalismus unter Freunden, Kleptokratie, Kapitalflucht, Hochrüstung, Gaskrieg, vernachlässigte Infrastrukturen, Eindämmung sämtlicher zivilisatorischer Rechte, Übernahme von 90 Prozent aller Medien durch den Staat, Propaganda bis zum Abwinken, Fake News, Informationskrieg gegen das Ausland -„Journalisten werden Soldaten des Krieges. Man will die westlichen Medien zersetzen und verunglimpfen, man kämpft gegen die Information an sich; gelobt sei das Narrativ. In Russia ist investigativer Journalismus lebensgefährlich.“ Einflussnahme auf die im Ausland lebenden Russen: „Millionen Russischsprachiger haben sich nach dem Zerfall der Sowjetunion außerhalb der russischen Staatsgrenzen wiedergefunden. Ihr Potential, Sprache und Kultur müsse genutzt werden, um Einfluss auf das nahe Ausland zu gewinnen. Wir müssen sie unter unsere politische Kontrolle bringen um so eine machtvolle politische Enklave zu schaffen, die zur Basis unseres politischen Einflusses wird.“ Sergei Alexandrowitsch Karaganow. Geheimpolizeistaat. Frauendiskriminierung.

    Gerhard Schröders Kumpelei mit Putin wird ebenso thematisiert wie Putins Vergangenheit in der DDR, wo er keineswegs nomale deutsche Lebensverhältnisse kennen und schätzen lernte, sondern gesellschaftlich mit seinen eigenen Geheimdienstlern und mit Stasi-Leuten verkehrte. Für Putin war der Zusammenbruch des sowjetischen Einflussbereiches eine Katastrophe historischen Ausmaßes.

    Ultrapatriotischer Rechtsnationalismus, eine ideologische Richtung, die auch im Westen Fuß fasst, sich dort aber noch in der Minderheit befindet, ist in Russland salonfähig und wird befördert. Gewaltausübung als politisches Mittel der Auseinandersetzung ist tolerabel und akzeptabel.
    Die russische Idee, die die Kontrolle des benachbarten Auslands zum Ziel hat, im Klartext, das benachbarte Ausland seiner Identität und Selbstbestimmung zu berauben, kann nur überleben in scharfer Abgrenzung zum Feindbild des „verkommenen Westens.“

    Wohlgemerkt: Katja Gloger schreibt über die POLITIK des Landes und über seine von Putin gehätschelte Oberschicht, die sogenannten Oligarchen. Den russischen Menschen gegenüber fühlt sie sich verbunden. Sie haben kaum eine Chance, sich geistig aus dem Dunstkreis der russischen Staatsprogaganda zu lösen. Wenn kritische Journalisten zu Staatsfeinden erklärt und eliminiert werden, kann man verstehen, dass sich kritisches Denken höchstens noch in einem Mäuseloch regt.

    Fazit: Russland ist ein Land, in dem man momentan nicht leben möchte. Dem einzelnen Bürger wird viel abverlangt, er wird in systematischer Unmündigkeit und Informationsferne gehalten, es wird an seine patriotische Seele appelliert, damit er auf Kurs bleibt. Wenige werden unsagbar reich, die meisten müssen sich irgendwie über Wasser halten. Freilich, in der Ukraine waren die Zustände auch nicht besser.

    Schade, dass das Buch nicht ganz bis in die Jetztzeit reicht. Das ist das einziges Manko. Es ist super verständlich geschrieben und spannend. Die Floskel „ich konnte es kaum aus der Hand legen“ nehme ich für diesmal für Glogers Recherche in Anspruch.

    Eine dicke Leseempfehlung gibt es von mir!

    Kategorie: Sachbuch: Geschichte. Politik.
    Verlag: Hierax Medien, 2022

    Teilen
 

Das Tor Europas: Die Geschichte der Ukraine

Buchseite und Rezensionen zu 'Das Tor Europas: Die Geschichte der Ukraine' von Serhii Plokhy
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Das Tor Europas: Die Geschichte der Ukraine"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:560
EAN:9783455015263
read more

Rezensionen zu "Das Tor Europas: Die Geschichte der Ukraine"

  1. Aktuell, informativ, fundiert, klar verständlich

    „Die Ukraine, erst vor kurzem ins Blickfeld der Weltöffentlichkeit gerückt, hat eine lange, dramatische und faszinierende Geschichte, die oft von den großen Narrativen der Imperien, die das Land jahrhundertelang beherrschten, überlagert wird.“ (Zitat Pos. 65)

    Thema und Inhalt
    Der Autor Serhii Plokhy, Historiker und Professor für ukrainische Geschichte, legt hier ein Werk über die mehr als zweitausend Jahre alte, wechselvolle Geschichte der Ukraine vor, von den Kimmerern, den Skythen, über die der griechische Geschichtsschreiber Herodot berichtet, über die Rus-Wikinger, Mongolen, Kosaken, Österreich-Ungarn, die russischen Zaren, Russland, die UDSSR bis zur Eigenstaatlichkeit 1994, aktualisiert mit den Ereignissen ab 2014 und einem Epilog über das aktuelle Jahr 2022. Der Text wird ergänzt durch zehn Landkarten, welche 770 vor Christus beginnen, Zeittafeln, welche die Ereignisse im Zusammenhang mit der Ukraine in die wichtigen historischen Daten des Weltgeschehens einordnen. Es folgen das Who’s Who der ukrainischen Geschichte, eine Namenstafel, ebenfalls chronologisch und nicht alphabetisch, ein Literaturverzeichnis und Sachregister.

    Umsetzung
    Bereits Herodot gliedert das Land in Küste, Steppe, Wald und diese Unterteilung zieht sich durch die Jahrtausende der ukrainischen Geschichte, dieses Landes, das über Jahrhunderte um die Eigenständigkeit kämpfte und das doch immer wieder neu aufgeteilt und unterschiedlichen Ländern zugeordnet wurde. Der Autor betrachtet die unterschiedlichen Regionen nicht in getrennten Abschnitten, sondern immer gemeinsam, mit Blick auf das Ganze. So erfahren wir nicht nur über die unterschiedlichen Völker, die gleichzeitig in der Ukraine gelebt haben, die Herrscher, kriegerischen Auseinandersetzungen, sondern auch über das Leben der Menschen, die wirtschaftliche Entwicklung, Gesellschaftsformen, Sprachen, Bildung, Politik und Religion.
    Es sind grundsätzliche Fragen, die in diesem Buch gestellt und beantwortet werden, Fragen wie: was hat die Ukraine-Krise ausgelöst, wodurch unterscheiden sich die Ukrainer von den Russen, wer hat Anspruch auf die Krim und die Ostukraine und die sich aus der Geschichte ergebenden Argumente. Auch die Veränderungen, die mit dem Euromaidan 2014, dem russischen Angriff auf die Krim und den Donbas einhergingen, werden geschildert, damit verbunden die Veränderungen in der ukrainischen Gesellschaft, in denen der heutige Widerstand begründet ist.
    Die Sprache ist informativ, sachlich und trotz der komplexen Themen erklärt der Autor die Zusammenhänge verständlich und nachvollziehbar.

    Fazit
    Dieses interessante, umfassende Werk über die Geschichte der Ukraine trägt zum besseren Verständnis der Entwicklungen in der Ukraine bei. Denn es ist die Geschichte eines großen Landes mit vielen unterschiedlichen Regionen, aus denen sich unterschiedliche kulturelle Räume ergeben, die jedoch eine gemeinsame Sprache, Geschichte und der Wille eint, die im Referendum vom 1. Dezember 1991 mit überwältigender Mehrheit bejahte Unabhängigkeit zu verteidigen. „In der Praxis gibt es keine einfach auszumachende kulturelle Grenze, die die Krim von den benachbarten Regionen der Südukraine oder den Donbas von den anderen östlichen Regionen scheiden würde.“ (Zitat Pos. 16238)

    Teilen
 

Ein Haus und geteilte Leben

Buchseite und Rezensionen zu 'Ein Haus und geteilte Leben' von Christiane Töllner
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Ein Haus und geteilte Leben"

Format:Taschenbuch
Seiten:230
EAN:9783939680710
read more

Rezensionen zu "Ein Haus und geteilte Leben"

  1. Deutsche Zeitgeschichte, interessant und packend erzählt

    „Aber als ein Haus ohne Gäste erreicht mich das Geschehen im Ort längst nicht mehr so wie früher. So geht diese Saison ziemlich an mir vorbei. Es fühlt sich an, als hätte es sich ausgesommert.“ (Zitat Seite 35)

    Inhalt
    Nach der „Aktion Rose“ am Beginn des Jahres 1953 sind Otto und Alma auf ihrer Flucht in Berlin angekommen und leben dort unter sehr bescheidenen Umständen. Das Haus vermisst sie sehr und sie vermissen ihre Heimat Rügen. Auch ihr Sohn Horst musste mit seiner Frau Rosi Greifswald verlassen, in den Westen fliehen. Er bewirbt sich um eine Stelle als Dozent auf Schloss Bieberstein in der Rhön, die er auch erhält. Immer mehr Freunde und Bekannte verlassen die DDR, das Haus beobachtet mit Sorge, wie es in Sellin leiser wird. Doch dann nimmt auch hier das Leben wieder Fahrt auf, wenn auch völlig anders als bisher. Das Haus wurde in kleine Wohneinheiten unterteilt und diese einzeln vermietet. Die Jahre vergehen, nun gibt es Radio und Fernsehen, und so ist auch das Haus über die aktuellen Ereignisse informiert, denkt darüber nach, es sind viele Themen: von der Politik, über das Tagesgeschehen, Kultur, bis zu den wichtigen Sportereignissen. Nach der Wende wartet das Haus sehnsüchtig auf Horst und Rosi, bis es im Jahr 1993 endlich so weit ist. Genau einhundert Jahre nach dem Bau des Hauses stehen sie nach mehr als vierzig Jahren zum ersten Mal wieder vor dem Haus und überlegen. Wird es ein neues Kapitel für das Haus „Helene“ geben?

    Thema und Genre
    Dieses Buch ist der zweite Teil der Geschichte des Hauses „Helene“ in Sellin auf Rügen und die damit verbundene Geschichte der Familie Töllner.

    Charaktere
    Der Erzähler ist das Haus 1903 erbaute Haus. Vor allem jedoch ist es die Geschichte der Menschen aus mehreren Generationen. Es sind Familienmitglieder, Freunde und Bekannte der Familie der Autorin.

    Handlung und Schreibstil
    Wie bereits im ersten Teil der Familiengeschichte ist es das Haus, das beobachtet, über die Beobachtungen und Informationen nachdenkt und diese erzählt. Es ist eine lebhafte, facettenreiche Mischung. Schilderungen des Alltags in der DDR, gleichzeitig auch in der Bundesrepublik, das Leben auf beiden Seiten der Mauer, werden mit der jeweils relevanten politischen und wirtschaftlichen Situation verknüpft. Auch über kulturelle Ereignisse berichtet das Haus und besondere Ereignise wie den Katastrophenwinter 1979 und so wird auch die Geschichte des Ostseebades Sellin und der Insel Rügen Teil der Handlung.
    In der zweiten Hälfte des Buches geht es um das wiedervereinigte Deutschland, die Unsicherheiten in den Jahren danach und die Veränderungen. Ein architektonisch interessantes Kapitel zeigt Bilder des baulichen Zustandes der einzelnen bekannten Häuser nach der Wende und heute, nach umfassenden Erhaltungsarbeiten. Anekdoten, Briefausschnitte und viele Fotografien ergänzen den Text. Im Anhang am Buchende finden sich der Stammbaum, das Abbildungsverzeichnis und eine ausführliche Quellenangabe.

    Fazit
    Eine facettenreiche, packende Reise durch die letzten siebzig Jahre Zeitgeschichte Sellins, der Insel Rügen und Deutschlands, und gleichzeitig ein Streifzug durch die zeitlose, beeindruckende Schönheit der Natur dieser Insel. Wer diese wechselvollen Jahre erlebt hat, wird durch dieses Buch sicher auch in eigene Erinnerungen zurückgeführt. Für die jüngere Generation, die Urlaubsgäste aus allen Teilen Deutschlands und Europas, oder eine Wienerin auf Rügen wie mich, bietet dieses Buch eine Fülle von neuem Wissen, eindrücklich und persönlich berichtet, aus einer originellen Erzählperspektive geschildert, und mit unterhaltsamer Leichtigkeit zu lesen.

    Teilen
 

Zeitenwende: Putins Krieg und die Folgen

Buchseite und Rezensionen zu 'Zeitenwende: Putins Krieg und die Folgen' von Rüdiger von Fritsch
5
5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Zeitenwende: Putins Krieg und die Folgen"

Format:Broschiert
Seiten:183
Verlag: Aufbau
EAN:9783351041762
read more

Rezensionen zu "Zeitenwende: Putins Krieg und die Folgen"

  1. So schreibt man ein Sachbuch für die Allgemeinheit!

    Kurzmeinung: Gut, man kann sich das alles aus der Zeitung zusammensuchen - aber so ist es doch viel bequemer.

    Man merkt dem Büchlein an, dass sein Autor „an der Front war“ bzw. weiß, wovon er spricht und dass er sein Wissen aus tätiger Erfahrung und nicht nur aus der Schreibstube hat. Als Diplomat war er von 2014 bis 2019 Botschafter in Russland.

    Rüdiger von Fritsch schreibt: „Der russische Präsident begab sich auf eine historische Mission, die Berufung Russlands zu vollenden und sich selbst einen Platz in der Geschichte des Landes und der Weltgeschichte zu sichern. Auf schreckliche Weise sollte ihm dies gelingen.“

    Als Leser versteht man (endlich), dass das ganze wunderschöne Land dem fatalen Wahn Putins geopfert werden soll, Russland zur einstigen zaristischen Größe zurückzuführen; was die Russen (einst) einmal besaßen, wird so angesehen, dass es für immer zu ihnen gehört und nur „heimgeholt“ werden muss. Ein solches Machtverständnis erinnert an den Islam, der genau so argumentiert. Eigentlich ist die „Russifizierung der Welt“ das Ziel. Russland ist ein imperialistischer Staat bis auf die Knochen, der Kommunismus besteht quasi nur noch auf dem Papier, keine Macht geht vom Volke aus –es ist eine Diktatur geworden.

    Alles Unliebsame wird zu „ausländischer Agentenschaft“ erklärt, Furcht zu verbreiten ist das staatliche Mittel der Zeit, Korruption und Vetternwirtschaft blühen, Käuflichkeit und Erpressung sind an der Tagesordnung. Die heimische Wirtschaft jedoch liegt mehr oder weniger am Boden. Trotzdem fühlt sich „der Russe“ überlegen, die Progandanda hat ihn voll im Griff. Doch wie lange wird dies noch so weitergehen, wenn der Krieg anhält und eine generelle Mobilmachung nicht mehr verschleiern kann, dass Russland Krieg führt?

    Rüdiger von Fritsch überfordert nicht durch (unnötige) Daten, zieht dennoch einen weiten Bogen und gibt eine vorsichtige Einschätzung der Zukunft. Alles ist unterlegt durch eigene Anschauung, sauber zu Papier gebracht, stringent, in einem Guß.

    Fazit: So will ich das popälarwissenschaftliche politische Buch. Ohne Bandwurmsätze, klar verständlich, klare Meinung, klare Kante. Frisch zeigt, dass es möglich ist.

    Aufbauverlag, 2022
    Kategorie: Sachbuch. Politik.

    Teilen
 

Im Untergrund

Buchseite und Rezensionen zu 'Im Untergrund' von Patrizia Schlosser
4
4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Im Untergrund"

Format:Broschiert
Seiten:256
EAN:9783455006490
read more

Rezensionen zu "Im Untergrund"

  1. Wer ist noch übrig von der RAF?

    „Basierend auf einer audible Original Podcast-Produktion“ bringt Hoffmann & Campe das Buch heraus: Im Untergrund von Patrizia Schlosser.

    Dem Podcast, in diesem Fall keine Serie von Medienbeiträgen oder Mediendateien, sondern eher ein Hörspiel, widmete ich mich bereits am 17. Januar 2019, nicht ohne auf eine weitere Besprechung hinzuweisen: Rudolf Fröhlich hatte 2013 PATENTÖCHTER besprochen, in dem Julia Albrecht und Corinna Ponto über das tödliche Attentat auf Corinna Pontos Vater im Jahr 1977 berichteten, verübt von Julias Schwester Susanne und anderen RAF - Angehörigen. Damals im sogenannten Deutschen Herbst.

    Was ist noch übrig von der Roten Armee Fraktion? Der kommunistischen, antiimperialistischen deutschen Stadtguerilla?

    Die Geschichte, die Patrizia Schlosser erzählt, handelt von zweierlei: Da ist zum einen eine Serie von Raubüberfällen, die von Daniela Klette, Ernst Volker Staub und Burkhard Garweg verübt wurden sein sollen, DNA-Spuren weisen auf die drei untergetauchten RAF-Mitglieder hin. Zwölf derartige Verbrechen sollen sie vermutlich hauptsächlich zur Finanzierung ihres verborgenen Lebens begangen haben.

    Die zweite Geschichte behandelt die Vorgänge auf dem Flugfeld Fürstenfeldbruck im Jahre 1972, als 11 israelische Olympiateilnehmer, Geiseln palästinensischer Terroristen, nicht zuletzt wegen des dilettantischen Polizeieinsatzes ums Leben kamen. In vielen Büchern, Spiel- und Dokumentarfilmen wurde davon berichtet, doch noch nie aus der Sicht der bayerischen Bereitschaftspolizisten, die auf dem Flugfeld die Geiseln befreien sollten. Der Vater der Autorin des vorliegenden Buches gehörte zu diesen und erzählt seiner Tochter seine Geschichte.

    Beide recherchieren und suchen nach Spuren der oben genannten linksextremen Terroristen, es geht nicht vordringlich darum, diese zu finden. Vielmehr suchen sie nach den Gründen eines solchen Lebens im Untergrund, ergründen Ideologie, Unterstützung, treffen Anwälte, Ermittler und andere ehemalige RAF-Angehörige. Sie treffen auf Ablehnung, auf Angst, denn gegenüber dem „Staat“, den „Bullen“ und der „Journaille“ wird geschwiegen. Trotzdem erhalten sie, zwanzig Jahre nach dem „Rückzug“ der RAF, „Einblick in eine verschwiegene Szene“. (Buchrücken)

    * * *

    Schlosser bemerkt im Vorwort, dass sich die Recherche nach dem Podcast „gewissermaßen verselbstständigt“ hat. Sie sammelte immer neues Material und so ist dieses Buch selbstverständlich umfangreicher und informativer als das Podcast. Der eigentliche Auslöser sollen aber die Zuschriften gewesen sein, die die Auseinandersetzung von Vater und Tochter, deren Konflikt behandelten. Sicher dürfte das Hören und das Lesen zu Fragen an Bekannte und Verwandte führen, die vor allem im Westen der Republik Erinnerungen an die RAF-Zeit hatten. Die Autorin Patrizia Schlosser meint dann auch, dass es Auslöser für die eigene Beschäftigung mit der jeweiligen Familiengeschichte sein könnte. Oder mit der eigenen wie bei Bloggermitstreiter Rudolf.

    * * *

    Leserinnen und Leser werden, das Interesse an diesem Teil der deutschen Geschichte vorausgesetzt, unterschiedliche Schwerpunkte für sich erkennen. Da ist einerseits das so meines Wissens noch nicht beschriebene Desaster des Befreiungsversuches der israelischen Olympiateilnehmer. Hier erzählt einer, der eben keine Bücher geschrieben, Dokumentationen gedreht oder an Talkshows teilnahm, hier erzählt einer, der als Bereitschaftspolizist die Ratlosigkeit diverser Vorgesetzter und Politiker (unter diesen Franz Joseph Strauß) am Tower in Fürstenfeldbruck selber gesehen hat. Die Schießerei, die Handgranaten, die toten Geiseln und Geiselnehmer, dass alles hat sich in das Gedächtnis des rund Siebzigjährigen eingebrannt. Aus diesem Blickwinkel wird einem die Notwendigkeit der Gründung einer Spezialeinheit, die solchen Attentaten begegnen kann, plastisch vor Augen geführt.

    Ein zweiter Aspekt ist der des Linksextremismus und Linksterrorismus. Auch hier gibt es den Konflikt zwischen Vater und Tochter, die dem eher konservativen Vater linke Gedanken gegenüber stellt. Im Film Der Bader-Meinhof-Komplex erklärt der damalige Präsident des BKA, Horst Herhold, unmittelbar nach dem Olympiaattentat von 1972, dass die Palästinenser Terroranschläge verüben, weil ihnen in der Welt keiner zuhört, auch in Bezug auf ihre Landforderung gegenüber den Israelis und dass man ihnen nicht starr und rein ablehnend gegenübertreten darf. Herold muss unmittelbar nach der Aussage bestätigen, dass er damit keinesfalls die Anschläge palästinensischer Terrorgruppen relativieren oder gut heißen will.

    So wird man die Proteste gegen des Schah-Regime oder den Vietnamkrieg gutheißen können, die Formen des sogenannten „revolutionären Kampfes“ ablehnen müssen, zu denen Ulrike Meinhof ausführte: „Das ist ein Problem und wir sagen natürlich, die Bullen sind Schweine. Wir sagen, der Typ in Uniform ist ein Schwein, das ist kein Mensch, und so haben wir uns mit ihm auseinanderzusetzen. Das heißt, wir haben nicht mit ihm zu reden und es ist falsch, überhaupt mit diesen Leuten zu reden, und natürlich kann geschossen werden.“

    Insofern ergeben sich manche Parallelen bei unserer Betrachtung heutiger Zeit, Politik und jüngst zurückliegender Geschichte.

    Der Podcast ist lebendig, lebt von den Dialogen und szenisch passend aufgebaut, die einzelnen Kapitel mit musikalischen Mitteln getrennt. Beim Lesen des Buches, welches umfangreicher und detailreicher, lässt es sich besser zurückblättern, manche Fußnote ermöglicht die Recherche und das Verzeichnis zu nützlichen Büchern und Filmen rundet das Buch ab.

    Der Bücherjunge

    Teilen
 

Die Toten vom Djatlow-Pass

Buchseite und Rezensionen zu 'Die Toten vom Djatlow-Pass' von Alexej Rakitin
3
3 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Die Toten vom Djatlow-Pass"

Format:Broschiert
Seiten:672
Verlag: btb Verlag
EAN:9783442716043
read more

Rezensionen zu "Die Toten vom Djatlow-Pass"

  1. Akribische Rekonstruktion eines Dramas

    Sowjetunion, Februar 1959. Eine Gruppe junger Leute macht sich auf eine Wandertour im eisigen, unwirtlichen Ural. Keiner der neun Wanderer wird von dieser Tour zurückkommen. Ihr Tod ist eines der letzten Rätsel des kalten Krieges.

    Es sind junge Studenten und Ingenieure, die sich im Winter 1959 zu einer Schiwanderung im Otorten Gebirge aufmachen. Sie alle sind bester Gesundheit, gut ausgebildet und ausgerüstet. Doch als am vereinbarten Tag die Meldung der Gruppe ausbleibt, werden Suchtrupps ausgeschickt. Nach und nach können alle Beteiligten der Wandergruppe nur mehr tot geborgen werden. Es sind mysteriöse Umstände. Die Körper der Toten befinden sich an unterschiedlichen Orten, tragen zahlreiche Verletzungen, sind zum Teil unzureichend gekleidet. Das Lager ist verwüstet, das Zelt zerschnitten.

    In einer unglaublich detaillierten Recherche beginnt der Autor Alexej Rakitin – er schreibt unter einem Pseudonym – die ungeklärten Umstände zu analysieren. In den lang geheim gehaltenen Unterlagen finden sich umfangreiche Autopsieberichte, Beweisaufnahmen, Ermittlungsakte.

    „Im Großen und Ganzen trafen die Moskauer Experten überaus vorsichtige, um nicht zu sagen ausweichende Aussagen. Sie schrieben niemandem die Schuld an der Tragödie zu und enthielten sich eindeutiger Wertungen. In ihren Formulierungen spürt man den Geist der Bürokratie, der potenziell gefährliche Inhalte meidet.“

    Es gibt hunderte Theorien, die zu den tragischen Todesfällen herumschwirren. Natürliche, wie ein Lawinenunglück, kriminelle oder metaphysische Ursachen kursieren durch diverse Gemeinschaften von Verschwörungstheoretikern- Man merkt nahezu mit welchem spöttischen Lächeln der Autor, die meisten davon hinwegfegt
    Denn als der Autor in den Akten auf Hinweis für Radioaktivität stößt, beginnt er ein spannendes und durchaus nachvollziehbares Szenario von Spionage und Gegenspionage zu konstruieren.

    Um dieses Buch zu verstehen, muss man sich in die damalige Zeit der Sowjetunion, des Kalten Krieges hineinversetzen. Die Machthaber agierten hinter verschlossenen Türen, Kriminalität existierte offiziell nicht. Die atomare Bedrohung aus dem Westen schwebte über allem wie ein Damoklesschwert.

    Rakitins Überlegungen lesen sich durchaus schlüssig, wenn man die Geduld aufbringen konnte, sämtlichen Ausführungen zu folgen und die Flut an Informationen aufzunehmen. Im Grunde liest es sich wie eine (populär)wissenschaftliche Arbeit und man muss höllisch aufpassen, den Anschluss nicht zu verlieren. Für diese äußerst akribische Arbeit kann man den Autor durchaus loben. Ob sich alles so zugetragen hat, wie er schreibt, oder ob es sich nur um eine weitere von vielen Spekulationen handelt? Wer weiß das schon.

    Teilen
 

Seiten