Worauf wir hoffen: Roman

Inhaltsangabe zu "Worauf wir hoffen: Roman"


Eine Hochzeitsfeier führt die indisch-amerikanische Familie von Laila und Rafik seit Jahren erstmals wieder zusammen: Da ist Hadia, die kluge älteste Tochter, die keine gemäß der muslimischen Tradition arrangierte Ehe eingeht, sondern aus Liebe heiratet, Huda, die ihrer älteren Schwester in allem nacheifert, – und zur Überraschung aller auch Amar, der sensible, aufrührerische jüngste Sohn, der eines Nachts vor drei Jahren einfach verschwand. »Worauf wir hoffen« erzählt die berührende Geschichte einer Familie zwischen Tradition und Moderne, von den ersten Jahren in den USA bis zur Gegenwart, von Liebe und Verrat, vom Ankommen und Loslassen.
In ihrem Debüt erzählt Fatima Farheen Mirza die Geschichte einer strenggläubigen muslimisch-indischen Familie in den USA. Der Vater Rafik lebt bereits seit seiner Kindheit in Amerika, die Mutter Laila kam erst nach der von den Familien arrangierten Heirat aus Indien in die USA. Die drei Kinder Hadia, Huda und Amar wachsen traditionell muslimisch auf, sprechen bis zum Schuleintritt der ältesten Tochter nur Urdu und nehmen mit ihren Eltern an den religiösen Ritualen der muslimischen Gemeinde teil.
„So etwas wie Freunde gibt es nicht“, sagt Rafik, „es gibt nur Familie, und nur die Familie lässt euch nie im Stich.“
Schwierig wird es, als die Kinder mit zunehmendem Alter auch anderen Einflüssen unterliegen. Der liebevoll-strenge Erziehungsansatz der Familie kollidiert mit den eher liberalen Ansätzen in Schule und Gesellschaft. Die Suche nach dem richtigen Weg für sich selbst gestaltet sich für jedes der Kinder nicht ohne Komplikationen. Während sich die Töchter Hadia und Huda zunächst überaus angepasst verhalten und erst später versuchen, ihren individuellen Platz im Leben zu finden, verhält sich das jüngste Kind - Amar - von Anfang an rebellisch.
Er akzeptiert Grenzen nicht ohne Weiteres, seine Wutanfälle sind legendär, und er hinterfragt vieles, das als gegeben präsentiert wird. Von seiner Mutter eindeutig bevorzugt, wird er von seinem Vater um so strenger behandelt. Als einziger Sohn der Familie hat er eine Sonderstellung, die seine Schwestern oftmals verärgert. Sensibel wie er ist, hat Amar jedoch trotz der bedinungslosen Liebe seiner Mutter oftmals das Gefühl, nicht wirklich dazuzugehören. Er schwankt zwischen Gleichgültigkeit gegenüber dem, was andere über ihn denken, und dem dringenden Wunsch, genauso geliebt und akzeptiert zu werden, wie er nun einmal ist.
„,Amar‘, sagt sie und die Regentropfen bilden Ringe in der Pfütze.
,Ich kann meinen Eltern das nicht länger antun.‘
,Und ich? Bin ich niemand?‘
,Du verlangst von mir, dass ich allen, die ich liebe, den Rücken kehre.‘
,Ich würde das umgekehrt sofort für dich tun.‘
,Dir ist es egal, wie sich dein Handeln auf andere auswirkt.‘“
Wechselnde Perspektiven und Zeitsprünge von der Gegenwart in die Vergangenheit und zurück lassen das Familienportrait zunehmend plastischer erscheinen, beleuchten bedeutsame Ereignisse aus verschiedenen Blickwinkeln und zeigen auf, dass der Spagat zwischen den Kulturen für alle Familienmitglieder nicht ohne Probleme geleistet werden kann. Allerdings verwirren diese ständigen Sprünge auch durchaus und verwässern mitunter den Eindruck, den die intensive Darstellung einer einzelnen Perspektive hätte schaffen können. Merkwürdigerweise wird auch nichts aus der Sicht der mittleren Schwester Huda geschildert, so dass die Erzählung für mich in dieser Hinsicht unvollständig bleibt.
Während nach einem interessanten Start die beiden mittleren Teile für mich durchaus Längen aufwiesen und ich zwischendurch gerne beim Lesen pausierte, konnte mich das letzte Viertel des Romans wieder überzeugen. Da übernimmt der Vater Rafik erstmals die Erzählung, und er, der zuvor so streng und unnahbar erschien, zeigt sich nun zunehmend verletzlich und demütig.
Das enge Korsett des Glaubens, das manchen Halt gibt, andere aber zu ersticken droht, Erwartungen an sich selbst, an andere und das Leben, erfüllte Hoffnungen und Enttäuschungen, erstarrte oder berührende Begegnungen, die Sehnsucht nach Zugehörigkeit - und über allem: die Suche nach dem Platz im Leben, der für sich selbst der richtige scheint, wo man so akzeptiert und geliebt wird, wie man ist und dabei den eigenen Grundsätzen treu bleiben kann - all dies und mehr thematisiert dieser Roman.
Ein buntes Potpourri verschiedener Themen, verwebt in einem Netz von nicht spannungsarmen Beziehungen, dargestellt aus einer Vielzahl wechselnder Perspektiven und Zeiten, eingebettet in einen kulturellen Hintergrund voll strenger Normen. Anspruchsvoll aber eindringlich - ein ambitioniertes Debüt, das in meinen Augen über weite Strecken überzeugen kann...
© Parden
Egal, ob Christentum, Judentum oder Islam. In jeder Glaubensrichtung werden Kinder von klein auf an Religion herangeführt.
Es gehört in den meisten Familien zur Erziehung, dass Kinder, sehr früh lernen, dass es einen Gott gibt, der sowohl über die guten als auch die schlechten Menschen richtet. Gute Menschen kommen in den Himmel, böse in die Hölle. Und welches Kind will schon in die Hölle?
In einigen Elternhäusern wird die Religion intensiver gelebt, in anderen werden die Glaubensgrundsätze sehr großzügig ausgelegt. Aber egal wie, Religion ist immer präsent.
Um eine dieser Familien, in welcher die Religion sehr intensiv gelebt wird, geht es in dem Roman "Worauf wir hoffen" von Fatima Farheen Mirza. Die Familie stammt aus Indien, die Eltern Rafik und Leila sind kurz nach ihrer arrangierten Hochzeit nach Amerika ausgewandert. Hier sind sie ein wichtiger Bestandteil der islamisch-indischen Gemeinde ihrer Stadt geworden. Über die Jahre haben sie zwei Töchter, Hadia und Huda, bekommen. Zum Schluss kam der ersehnte männliche Nachkomme, Amar.
Der Roman beginnt mit der Hochzeit von Hadia.
Bereits hier zeichnet sich ab, dass ein Bruch durch die Familie gegangen sein muss. Amar hat vor ein paar Jahren den Kontakt zu seiner Familie abgebrochen. Er folgt jedoch der Einladung seiner Lieblingsschwester Hadia und kommt zu ihrer Hochzeit.
Wie es zu dem Bruch innerhalb der Familie gekommen ist, beschreibt dieses Buch. Die Erzählperspektiven wechseln zwischen Leyla, Hadia und Amar. Huda ist zunächst eine Randfigur, die im Hintergrund wahrgenommen wird. Und auch der Vater Rafik ist zwar allzeit präsent, wird aber immer nur aus Sicht der anderen geschildert. Das Bild, das dabei von ihm gezeichnet wird, ist das eines Patriarchen, der gottgleich über allem herrscht und den es aus Sicht seiner Kinder zu beeindrucken und stolz zu machen gilt. Nur so verdienen die Kinder seine Liebe.
Dieser befremdliche Umgang mit dem Vater resultiert aus der traditionellen und religiösen Erziehung der Kinder. „Du sollst Vater und Mutter ehren“.
Trotzdem wachsen die 3 Geschwister in einem liebevollen Elternhaus auf, wozu nicht zuletzt Leyla einen großen Beitrag leistet. Die Mädchen entwickeln sich, wie es sich für „anständige“ muslimische Frauen gehört. Ihnen wird am Ende die Gratwanderung zwischen ihrer traditionellen Kultur Indiens und der mordernen Kultur Amerikas gelingen. Einzig Amar schlägt aus der Art. Von klein auf lässt er sich nicht in die Verhaltensmuster pressen, die man einem muslimischen Jungen auferlegt. Das sorgt für ständiges Konfliktpotenzial, insbesondere zwischen seinem Vater und ihm. Amar kann den Ansprüchen seines Vaters einfach nicht gerecht werden, so sehr er sich auch anstrengt. Irgendwann wird es zum Eklat zwischen Amar und Rafik kommen, woraufhin der Sohn die Familie verlassen wird.
Dieser Roman beschreibt die Anfänge der Familie bis hin zum Erwachsenenalter der Kinder. Erzählt wird in Rückblenden, wobei die Erinnerungen von Leyla, Rafik und Hadia in nichtchronologischer Reihenfolge wiedergegeben werden. Dabei kommt es zu enormen Zeitsprüngen, die das Lesen nicht einfach machen. Gerade zu Beginn eines Kapitels braucht man einige Zeit, um festzustellen, in welcher Zeit wir uns gerade befinden. Es werden die kleinen und großen Geschichten einer Familie erzählt, und welche Auswirkungen diese Geschichten auf die Entwicklung der einzelnen Familienmitglieder haben. Dabei steht das Leben innerhalb von Tradition und Religion im Vordergrund. Zwischenzeitlich muss man sich als Leser in Erinnerung rufen, dass die Geschichte tatsächlich im heutigen Amerika spielt. Denn der amerikanische Alltag findet nicht statt. Die Familie ist in die indische Gemeinde integriert. Die Freunde und Bekannten sind Bestandteil dieser Gemeinde. Und das komplette Gemeindeleben wird von der indischen Tradition bestimmt.
Fazit:
Dieses Buch ist ein sehr berührender Familienroman, der das Familienleben unter dem Einfluss von Religion und Tradition schildert. Er zeigt auf, wie schwierig es ist, zwischen den Traditionen und dem modernen Leben zu bestehen. Dennoch ist gerade die junge Generation, die ein Leben in Indien nie gelebt hat, mit den Traditionen tief verwurzelt. Und die meisten von ihnen schaffen das Kunststück, sowohl Tradition als auch Moderne miteinander in Einklang zu bringen.
Für mich war dieser Roman so etwas wie ein Aufklärungsroman, gewährt er doch tiefe Einblicke in das muslimische Leben. Da mein Verständnis vom Islam und der damit verbundenen Lebensweise sehr oberflächlich ist, habe ich die Lektüre als Bereicherung empfunden.
Leseempfehlung!
© Renie
Die Schwestern Hadia und Huda sowie ihr Bruder Amar wachsen als Kinder indischer Einwanderer in Kalifornien auf. Der einzige Sohn von Laila und Rafik ist sensibel, aber auch rebellisch. Mitten in der Nacht läuft Amar nach einem Streit mit dem Vater von seinem Zuhause weg. Drei Jahre später, als junger Mann, kehrt er zurück, um bei der Hochzeit von Hadia dabei zu sein, die nach und nach seinen Platz eingenommen hat. Seine ältere Schwester heiratet aus Liebe und gegen die Gebote der muslimischen Tradition. Die Familie versucht, mit Selbstbewusstsein und neuem Selbstverständnis in die Zukunft zu gehen. Als Amar seine Jugendliebe Amira trifft, kommt ein Geheimnis ans Licht. Es wird klar, wie hoch der Preis ist, den alle – außer Amar - für diese Zukunft zu zahlen bereit waren.
„Worauf wir hoffen“ ist der Debütroman von Fatima Farheen Mirza.
Meine Meinung:
Der Roman besteht aus vier Teilen, die wiederum mehrere Kapitel beinhalten. Erzählt wird aus der Sicht verschiedener Personen, vor allem aus der von Hadia, Amar und Laila, wobei sich einzelne Passagen auch innerhalb eines Kapitels abwechseln. Später wird in der Ich-Perspektive auch aus der Sicht von Rafik erzählt. Der Roman ist nicht chronologisch aufgebaut, immer wieder gibt es längere Rückblicke. Ich kann nachvollziehen, dass man sich an diesem anspruchsvollen Aufbau mit seinen Sprüngen etwas stören kann. Für mich hat die Geschichte so allerdings wunderbar funktioniert. Ich habe es genossen, unterschiedliche Sichtweisen und Teile des Mosaiks Stück für Stück zu entdecken.
Der Schreibstil wirkt zunächst schnörkellos, hat aber eine poetische Note. Er ist zugleich einfühlsam, anschaulich und bildhaft. Immer wieder beweist die Autorin, wie gut sie mit Sprache umgehen kann.
Die größte Stärke des Romans sind die Charaktere. Die Protagonisten sind sehr authentisch, interessant und vielschichtig. Sie werden detailliert und ohne jegliche Klischees dargestellt. Ihre inneren Konflikte, ihre Gedanken und Emotionen sind nachvollziehbar. Auch wenn mir ihr Verhalten manchmal fremd war, konnte ich mich gut in die Protagonisten einfühlen.
Tiefgründig und komplex sind auch die Themen. Es geht um Integration, um Traditionen und Religion, aber auch um Liebe, Zusammenhalt, Eifersucht, Missverständnisse und Verletzungen. Das sorgt einerseits dafür, dass man faszinierende Einblicke in eine andere Kultur und den muslimischen Glauben erhält. Andererseits entsteht eine Geschichte, die mich sehr berühren konnte. Immer wieder regt das Buch außerdem dazu an, über das eigene Leben und die eigene Familie nachzudenken. Dazu tragen auch tiefsinnige Sätze bei, die ab und zu eingestreut werden.
Der Roman kommt unaufgeregt daher und verzichtet auf übermäßige Effekthascherei. Dennoch bietet er einige Überraschungen, hat – trotz der annähernd 500 Seiten – keine nennenswerten Längen und versteht zu fesseln.
Der Titel der amerikanischen Ausgabe lautet „A place for us“, den ich inhaltlich passender finde als die deutsche Version. Das liebevoll gestaltete Cover gefällt mir allerdings besser als das Original.
Mein Fazit:
„Worauf wir hoffen“ von Fatima Farheen Mirza ist ein gelungener Roman, der emotional bewegende Einblicke in eine andere Kultur bietet. Diese besondere Familiengeschichte hat mir tolle Lesestunden beschert, sodass ich das Buch wärmstens empfehlen kann.
Was zählt wirklich?
Worauf wir hoffen von Fatima Farheen Mirza
Die Autorin erzählt uns hier eine Geschichte um eine indische Familie. Das Ehepaar Laila und Rafik zog von Indien nach Kalifornien und bekam drei Kinder: Hadia, Hudar und den kleinen Amar. Die Familie richtet sich streng nach dem schiitischen Glauben, die Kinder wachsen vollkommen in diesem Glauben auf. Als Amar rebelliert und wegläuft, merkt man, dass seine Schwester Hadia, zu der er ein enges Verhältnis hat, genau über alles nachdenkt. Wir bekommen verschiedene Sicht und Denkweisen präsentiert, es fällt gar nicht leicht zu entscheiden, was gut oder schlecht ist.
Dieser Roman spiegelt sehr gut den Konflikt wieder, der häufig zwischen zwei Generationen entsteht. Laila hat ihren Mann Rafik geheiratet, weil es so bestimmt wurde. Sie wurde in dem Glauben erzogen, dass dies das einzig richtige ist. Dies und die anderen Gebräuche und Sitten versucht das Paar nun an ihre Kinder weiterzugeben. Bei den beiden Mädchen scheint dies auch zu funktionieren, doch der jüngere Sohn Amar will sich nicht in dieses Raster pressen lassen. Er widersetzt sich, gibt sich Alkohol und Drogen hin, und verlässt schließlich das Elternhaus.
Kann ein junger Mann, der in Kalifornien aufwächst in allen Punkten der Religion und dem Glauben gerecht werden und gleichzeitig in diesem Land bestehen? Ist Amars Rebellion also gerechtfertigt, gibt es keinen Mittelweg?
Auf der anderen Seite sind da Laila und Rafik, die immer gut gelebt haben mit diesen Sitten und es daher als gut und richtig ansehen ihre Kinder nach den Regeln zu erziehen.
Die Thematik dieses Romans ist sehr interessant und hat mich von Anfang an mitgenommen. Schwer getan habe ich mich ein wenig mit den vielen indischen und muslimischen Begriffen. Die Bedeutung erschließt sich zwar aus dem Zusammenhang, aber das ein oder andere mal hätte ich mir doch eine Randnotiz gewünscht, da es den Lesefluss doch beeinträchtigt hat. Aber ich klage hier auf hohem Niveau, denn diese einfühlsame Geschichte macht alles wieder wett!
Fatima Farheen Mirza hat mit ihrem Roman „Worauf wir hoffen“ eine vielstimmige und mitreißende Geschichte geschrieben über indische Migranten zwischen Tradition und Moderne. Zeitgemäß und mit aktuellem Bezug erzählt das Buch von der Suche und Sehnsucht nach Zugehörigkeit und Liebe der drei Kinder muslimischer Auswanderer, die fest in ihrer traditionellen kulturellen Situation verankert sind und gemäß ihren Neigungen und Prägungen ihren Weg suchen müssen. Dabei bekommt man als Leser ungewöhnliche Einblicke in die kulturelle Lebenssituation und das Umfeld der Familie.
Amar, jüngstes Kind und einst Hoffnungsträger der muslimischen Familie, kommt nach drei Jahren Streit nach Hause, zur Hochzeit seiner ältesten Schwester Hadia. Nach jahrelangem Tauziehen mit seinen muslimischen Eltern beim rebellischen Kampf und der gleichzeitigen Suche nach Zugehörigkeit und Zuneigung war Amar nach einem letzten Streit mit seinem Vater weggelaufen. Hadia hatte ihn immer beschützt und behütet, bis sie selbst den ersten Platz in der Hierarchie der Kinder einnimmt und ihre eigenen Interessen durchzusetzen versucht. Sie studiert Medizin an einer Universität weit weg von zu Hause und heiratet den Mann, den sie sich selbst ausgesucht hat. Amar kehrt auf ihre Bitte hin zurück, aber mit ihm kehrt auch die geschwisterliche Eifersucht, die Verzweiflung und der Kampf um Akzeptanz heim.
Amar ist der Rebell, der nicht weiß, wohin er gehört und was er tut. Auch nach drei Jahren Abwesenheit hat sich daran nichts geändert. Während seine Schwestern Hadia und Huda immer bestrebt waren, den Eltern zu gefallen und sich anzupassen hatte er schon als Kind große Schwierigkeiten damit. Amar bewegt sich seine ganze Jugend hindurch Abgrund entlang, aus Sicht der muslimischen Gemeinde ist er ein Abtrünniger, der sich Alkohol und Zigaretten zuwendet und sich heimlich mit einem Mädchen trifft.
Hadia rettet ihn mehr als einmal, bis sie sich fragt, wozu sie ihn beschützt, der Wege hat, die ihr als muslimischer Frau immer verschlossen bleiben werden. Sie gleitet aus der Mutterrolle in die Konkurrenz zu ihrem Bruder, was für ihn schmerzhafte Folgen hat. Die große Strenge und Traditionalität der Familienoberhauptes kommt ohne Bollwerk zum Tragen, Amar ist dem nicht gewachsen und läuft letztlich weg.
Huda, die mittlere der drei Geschwister, unterwirft sich willig den Eltern und den muslimischen Traditionen und scheint im großen Schatten zwischen den beiden andereren ihren Platz gefunden zu haben. Sie ist das Kind, das bei der Familie zwischen den Fronten unbemerkt aufwächst ohne ihre Interessen vornan zu stellen und auch im Roman wenig Stimme bekommt.
Neben den inneren Spannungen spielen auch Einflüsse von außen eine große Rolle. Die posttraumatischen 9/11-Verfolgungen und Ängste bekommen die Kinder in der Schule genauso zu spüren wie die strenge Einhaltung des traditionellen Lebens durch alle andern Kinder der muslimischen Gemeinde. Kein Abweichen von der Norm wird geduldet, und das Weglassen des Kopftuches bei den Mädchen in der Schule nach den Anschlägen ist der Angst und nicht der Offenheit geschuldet. Amar scheint der einzige in der gesamten muslimischen Gemeinde des Ortes in Kalifornien, der ernsthaft aufbegehrt. Das erscheint mir ein klein wenig irreal, auch wenn es zur Geschichte passt.
Vielstimmig, aus verschiedenen Erzählperspektiven und mit vielen Zeitsprüngen spult die Autorin die Geschichte ab. Sie bewegt sich immer ganz eng bei den Figuren, die nie klischeehaft wirken trotz der Klischees, die sie bedienen. Man spürt beim Lesen Wut und Schmerz von Amar genau so wie die Sehnsucht nach dem Auflehnen bei Hadia, die sie zunächst hinter ihrer Beschützerrolle für den kleinen Bruder im Zaum hält.
Wie eine indische Patchworkdecke fügen sich im Laufe des Buches die einzelnen Stückchen zu einem Gesamtbild der Familie, das die wesentlichen Eckpunkte aufzeigt, zerrissen und zersplittert bis auf einen einzigen wertvollen Augenblick - einen sonnigen Nachmittag am Fluss.
Sprachlich bewegt sich der Roman auf gut lesbarem, mir persönlich stilistisch ein wenig zu simplem Niveau ohne große Ecken und Kanten. Das kann aber an der Übersetzung liegen, denn allein der deutsche Titel „Worauf wir hoffen“ ist meilenweit entfernt vom Originaltitel „A Place For Us“, der in meinen Augen die wesentliche Botschaft des Buches im Gegensatz zur deutschen Version bereits in sich trägt.
Das Buch als Sittengemälde einer indischen Auswandererfamilie empfehle ich als sehr lesenswerten, spannenden Roman aus sehr jugendlicher Sicht, der den Status quo feiert mit letztlich übergroßer Liebe der Familienmitglieder und dem damit verbundenen Schmerz und Leid. Verzeihen und Zurücktreten ist ebenso wie Kompromisse ausgeschlossen, was die Geschichte zum einen so überaus reizvoll und jung, zum anderen aus meiner ganz persönlichen Sicht (auf durchaus angenehme Art) etwas euphorisch-verschoben werden lässt. Unbedingt lesen!
Der erste Satz: „Als Amar sah, wie sich die Halle mit Gästen füllte, die zur Hochzeit seiner Schwester eintrafen, nahm er sich vor zu bleiben.“, katapultiert den Leser mitten hinein ins Geschehen. Es ist der große Tag von Hadia und Tarik. Amar, Hadias Bruder, war lange unterwegs und nur auf die ausdrückliche Einladung seiner Schwester hin erschienen. Sehr schnell spürt man, dass ein ungelöster Familienkonflikt im Raum steht, an dem primär Amar und sein Vater Rafik beteiligt sind.
Die Familie lebt in den USA, hat aber Indische/pakistanische Wurzeln und ist muslimischen Glaubens. Die Ehe der Eltern Laila und Rafik wurde damals noch arrangiert, es ist selbstverständlich, dass die Frau sich den Wünschen ihres Mannes beugt. Beide Eheleute sind sehr gläubig und leben ein traditionelles Familienbild. Sie bekommen drei Kinder: Hadia, fleißig und ehrgeizig, Huda, von der man nicht sehr viel erfährt, und Amar, der ersehnte Sohn, der jedoch gegen den Vater aufbegehrt und den Erwartungen der strengen, religiösen Eltern nicht immer entsprechen will, was wiederholt zu Auseinandersetzungen führt.
Alle Kinder leiden unter der Enge ihres Elternhauses. Sie dürfen nur sehr eingeschränkt Freundschaften pflegen, nicht zu Partys gehen. Auch werden Kontakte zum anderen Geschlecht nicht toleriert, selbst auf Festen und in der Moschee werden Frauen von Männern getrennt.
„Baba meint: „So etwas wie Freunde gibt es nicht, es gibt nur Familie, und nur die Familie lässt euch nie im Stich.““ (…)
„Babas Worte wecken in ihr (Hadia) die Vorstellung von einem Haus als einer Festung, die sie nur verlassen können, um in die Schule oder die Moschee zu gehen oder zu einer befreundeten Familie, die ihre Sprache spricht, und in dieser Festung können sie und ihre Geschwister von Glück sagen, dass sie sich wenigstens gegenseitig haben.“ (S. 90/91)
Hadia versucht durch besonderen Ehrgeiz dieser Enge zu entkommen und glänzt durch gute Leistungen, die ihr am Ende ein Medizinstudium ermöglichen. Dennoch leidet sie in ihrer Jugend darunter, dass sie keine Anerkennung bekommt und ihr Bruder als Sohn vorgezogen wird: „Amar ist ihr Sohn. Schon das Wort Sohn klingt leuchtend wie Gold, wie die wirkliche Sonne, die ihre Tage beherrscht.“ (S. 205). Hadia liebt ihren Bruder, war für ihn schon verantwortlich, als er noch ein Junge war. In Bezug auf ihre Eltern hat sie ihm gegenüber jedoch ambivalente Gefühle, neidet ihm seinen Status und fühlt sich oft zurückgesetzt. Eifersucht sowie Konkurrenz um Liebe und Anerkennung durchziehen die komplette Familie.
Amar stellt die Werte und Überzeugungen seiner Eltern in Frage. Je älter er wird, umso heftiger und rigoroser fallen die Reaktionen des autoritären Vaters aus. Amar ist sensibel, er hat großes Vertrauen zu Hadia. Es gibt einige Zerwürfnisse, die zunächst den Jungen und später den Mann prägen. Er wendet sich von der Familie ab, verliebt sich in Amira, findet aber keinen dauerhaften Halt. Amar ist die tragische Figur des Romans. Seine Entwicklung habe ich teilweise als etwas zu krass empfunden.
Das Buch ist in vier Teile gegliedert. Der erste und dritte Teil berichten von Hadias Hochzeit. Im zweiten Teil erfahren wir von vielen Ereignissen und Alltäglichkeiten, die sich in der Vergangenheit der Familie abgespielt haben. Diesen Wechsel der Perspektiven und Zeiten empfand ich als sehr spannend, weil die Episoden sich wie Puzzlesteine zu einem großen Ganzen zusammensetzen und man letzten Endes nachvollziehen kann, warum Amar fortgegangen ist. Man kombiniert als Leser permanent und lernt die Protagonisten in ihrer Vielschichtigkeit kennen. Die nicht chronologischen Sprünge führen aber auch dazu, dass kein leichter Lesefluss zustande kommt und man gefordert ist. Im vierten und letzten Teil bekommt Vater Rafik das Wort, womit sich die letzten Lücken schließen.
Mir gefällt der Schreibstil des Buches: er ist nicht verschnörkelt und in angenehm ruhigen Sätzen geschrieben. Die Gedanken und Handlungen der Protagonisten zeigen die Schwierigkeiten auf, die durch die Diskrepanz zwischen Tradition und Moderne für junge eingewanderte Muslime bestehen. Der eine kommt damit besser zurecht als der andere.
Mitunter schreibt die Autorin wunderschöne Sätze, die viel Tiefe haben: „ Weißt du – darum geht es doch -, kein Mensch ist nur gut. Jeder versucht, gut zu sein. Und jeder hat manchmal das Gefühl, dass er nicht gut ist und sogar bei dem Versuch scheitert, gut zu sein.“ (S. 352). In diesem Sinne haben alle Figuren auch Graubereiche, die sie sehr menschlich machen.
Mit Sicherheit können Leser, die mit den muslimischen Traditionen besser vertraut sind, noch mehr aus dem Roman ziehen. Ich hätte mir bei den vielen unbekannten Begriffen ein Glossar gewünscht.
Das Buch ist wunderschön gestaltet. Ich würde es allen empfehlen, die Interesse an komplexen Familiengeschichten und fremden Kulturen haben. Der Roman, der die innere Zerrissenheit junger Migranten widerspiegelt, ist zutiefst menschlich und hochaktuell.
Mir hat diese Lektüre ausgesprochen gut gefallen. Die Thematik, kulturelle und religiöse Unterschiede einer indischen Familie, die in Amerika lebt, hat mich sehr nachdenklich und auch betroffen gestimmt. Ein wichtiges Buch, das in die westliche und in die islamische Gesellschaft gehört. Die Auseinandersetzung damit hilft, die Welt ein bisschen besser zu machen für Menschen, die offen und bereit sind, aus ihrem Tellerrand zu schauen.
Ich möchte nicht zu viel verraten, aber ich muss Zitate einfügen, weil sie so treffend die Problematik unterstreichen. Wen das stört, die oder der möchte bitte mit dem Cursor diese Textstellen runterscrollen.
Am Ende werde ich einen kleinen Diskurs über diese Thematik halten.
Die Handlung
Obwohl die Thematik facettenreich beschrieben ist, ist die Handlung schnell erzählt.
Der Familienvater Rafik Jaan wanderte von Indien nach Amerika aus, da er auch schon sehr früh in seiner Jugend seine Eltern verloren hatte. Seine spätere Ehe mit Leila wurde von Indien aus arrangiert. Leila lebte noch in Indien, und folgte dem Wunsch ihrer Eltern, Rafik nachzureisen, um dort mit ihm einen Lebensbund einzugehen. Aus dieser Ehe gehen drei Kinder hervor …
Das älteste Kind, ein Mädchen, ist Hadia, ein Jahr später folgt die Schwester Huda und nach weiteren drei Jahren kommt endlich der langersehnte Sohn namens Amar auf die Welt. Alle drei Kinder wachsen kulturell und religiös streng traditionell auf. Mit neun Jahren ist die Kindheit der Mädchen abgeschlossen. Sie dürfen zwar frei entscheiden, ob sie ihre Haare bedecken, aber sie stehen unter einem ganz strengen mütterlichen Einfluss, dass sie gar nicht anders können, als ihre Haare unter eine Haube zu legen ...
Hadia hat es besonders schwer, denn sie wird als die ältere Schwester mit zur Verantwortung herangezogen, wenn vor allem der Bruder Amar Sorgen macht.
Denn Amar ist das Sorgenkind, das schwarze Schaf in der Familie. Schon früh lehnt er sich gegen die Konventionen der Eltern und der islamischen Gemeinde auf. Er weigert sich, Muslim zu werden. Er fühlt sich eher der amerikanischen Kultur zugehörig. Da die Kinder in Amerika geboren wurden, haben sie alle drei die amerikanische Staatsbürgerschaft …
Die beiden Schwestern sind eher dazu geneigt, sich den Erwartungen der Eltern anzupassen. Sie haben keine Schulprobleme, sie halten die muslimische Kleiderordnung ein, und versuchen für sich einen Weg zu finden, der auch mit dem amerikanischen Kulturverständnis konform geht, was ganz schwer ist, da die Eltern nicht einmal amerikanische Freunde im Haus dulden. Auch amerikanisch darf innerhalb der vier Wände nicht gesprochen werden, sie sprechen zu Hause nur Urdu. Leila hat den Anspruch, die Kinder, vor allem die Mädchen, immer im Auge zu behalten, um sie besser formen und lenken zu können. Da auch ihr Leben, ihre Ehe mit Rafik, von ihren Eltern arrangiert wurde, verlangt sie nun dasselbe auch von ihren Mädchen. Sie beeinflusst das Gewissen der Kinder z. B. in der Form, dass jede Sünde im Herzen einen schwarzen Fleck hinterlassen würde. Mehrere Sünden würden das Herz vollkommen schwärzen. Doch was der Mensch als Sünde begreift, kann weltweit unterschiedlich ausgelegt werden.
Zitat:
"Ein Fleck, der nicht mehr weggeht. So fett und schwarz, dass das Herz nicht mehr imstande ist, Gut und Böse zu unterscheiden." (2019, 237)
Hadia, die überzeugte Kopftuchträgerin, wünscht sich dennoch hin und wieder mal eine ganz normale Jugendliche zu sein, um auf Partys gehen zu dürfen, um sich mit Gleichaltrigen Jungen und Mädchen auszutauschen. Sie hegt den Wunsch, sich die Haare blau zu färben, wie es ihre beste Freundin Danielle macht. Huda dagegen kann es kaum abwarten, endlich neun Jahre alt zu werden, damit sie ihren Kopf verkleiden kann …
Die Auseinandersetzung mit beiden Kulturen ist bei allen drei Kindern unterschiedlich, doch alle drei stellen sich dieselbe Frage, wieweit sie eigene Wege ausprobieren dürfen, um von den Eltern noch geliebt und nicht verstoßen zu werden …
Zitat:
"Hadia kennt ihren Vater. Seinen Stolz, seine Werte, sein striktes Befolgen der religiösen Vorschriften. All dies ist ihm wichtiger als die Liebe zu seinen Kindern. Hadia hat immer gespürt, dass die Liebe ihrer Eltern an Bedingungen geknüpft ist. Für Amar ist das eine Herausforderung, er möchte herausfinden, wie weit er gehen kann, bis sie ihn aufgeben." (230)
Amar kommt mit dem Vater nicht zurecht, da er hohe Maßstäbe setzt, die er nicht erfüllen kann. In der Schule hat er Probleme mit dem Lernstoff, ganz anders die Schwestern, die Musterschülerinnen sind. In der Pubertät weigert er sich, Muslim zu werden, schreit es dem Vater regelrecht ins Gesicht, dass er kein Muslim sei. Amar zweifelt die Religion seiner Eltern vehement an …
Der Junge hat sich allerdings in das Mädchen Amira Ali aus der islamischen Gemeinde verliebt. Sie kennen sich von Kindesbeinen an ...
Amar wird mit den Problemen zu Hause nicht fertig, greift zu Drogen und zu Alkohol. Die ständige Konfrontation mit seinem Vater zermürbt ihn. Auch die islamische Gemeinde lehnt ihn ab. Es folgt ein Zitat, das richtig gut dazu passt.
Nimm dich in Acht mit Schuldzuweisungen. (…) Denk immer daran, dass jedes Mal, wenn du mit dem Finger auf jemand anderen zeigst, drei Finger auf dich selbst zurückweisen.
Probleme hat Amar auch mit der amerikanischen Gesellschaft, die ihn nicht als amerikanischen Staatsbürger aufgrund seines Namens anerkennt. Durch den terroristischen Anschlag vom 11. September 2001 auf das World Trade Center geraten alle Menschen unter einem Generalverdacht, die irgendetwas mit dem Arabischen zu tun haben.
Amar gerät in der Schule in eine Prügelei mit rassistischem Hintergrund. Seine Schulkameraden bezichtigen seinen Vater als Terrorist, weil er Muslim ist und einen Bart trägt. Und auch vor den Anschlägen hatte es Amar schwer, als Amerikaner anerkannt zu werden. Ständig wird er auf die Herkunft seiner Eltern reduziert.
Zitat:
"Seit Kurzem hat Amar das Gefühl, in eine fremde Welt hineingeboren zu sein. Welche Rolle spielt es schon, dass seine Geburtsurkunde aus einem Krankenhaus in dieser Stadt stammt und dass das einzige Haus, in dem er je gelebt hat, hier steht. Wo kommst du denn her?, lautet die freundliche Version einer oft gestellten Frage. Als könnte er gar nicht von hier stammen. Als habe er etwas missverstanden, nicht die anderen. Er hat den Versuch aufgegeben, es zu erklären. Indien, murmelt er dann als Antwort. Obwohl er insgesamt höchstens zwei Wochen dort gelebt hat und seine Eltern inzwischen hier ihr halbes Leben verbracht haben. Manchmal stellt diese Antwort die Fragenden zufrieden, manchmal wirken sie verwirrt und haken nach: Aber haben Menschen aus Indien nicht dunklere Haut?"(179)
Später, nach mehreren Jahren, setzt sich Rafik, der mittlerweile Großvater zweier Enkel geworden ist, mit sich und seinem Sohn mental auseinander und erkennt seine Fehler, die er bereut. Gedanklich spricht er mit Amar:
Zitat
"Weißt du - darum geht´s doch-, kein Mensch ist nur gut. Jeder versucht, gut zu sein. Und jeder hat manchmal das Gefühl, dass er nicht gut ist, und sogar bei dem Versuch scheitert, gut zu sein." (352)
Warum Rafik nicht persönlich mit dem Sohn spricht, um mit ihm diese Dinge zu klären, möchte ich nicht verraten. Daher sind weitere Details dem Buch zu entnehmen.
Welche Szene hat mir gar nicht gefallen?
Der Grundschüler Amar wünscht sich von den Eltern dieselben roten Schuhe, wie sein Schulfreund sie hat. Die roten Schuhe stehen für ein kindliches amerikanisches Statussymbol. Amar möchte dazu gehören. Der Vater lehnt die Schuhe ab. Das Kind kann sich damit nicht abfinden, und schreibt seinem Daddy eine Petition. Dieser macht daraufhin mit dem Sohn einen Deal. Er bekommt die Schuhe, wenn er im nächsten Diktat null Fehler hat. Der Junge geht auf den Deal ein und paukt die Rechtschreibung. Seine Schwester hilft ihm, gibt ihm Tipps … Er kommt tatsächlich mit der Höchstnote nach Hause, und weil er den Test nicht ehrlich bestanden hat, wie sich dies erst später herausstellt, bekommt er die roten Schuhe nicht. Das fand ich ganz furchtbar für das Kind, denn wieder fühlt es sich als Versager, niemals schafft er es, die hohe Messlatte seines Vaters zu erreichen.
Welche Szene hat mir besonders gut gefallen?
Rafiks Selbstreflexion vor allem seinem Sohn gegenüber auf den letzten Seiten. Und seine Weisheit hat mir gefallen. Eine Wiedergutmachung mithilfe seiner Enkelkinder, die er abgöttisch zu lieben gelernt hat.
Zitat:
"Ich habe ihnen gegenüber keine andere Pflicht, als sie zu lieben, und werde deshalb auch von ihnen vorbehaltlos wieder geliebt." (382)
Welche Figur war für mich ein Sympathieträger?
Alle drei Kinder. Und die Krankenschwester der Schule.
Welche Figur war mir antipathisch?
Keine. Jeder Erwachsene war irgendwie in seiner Welt gefangen.
Meine Identifikationsfigur
Amar.
Cover und Buchtitel
Finde ich farblich sehr ansprechend. Über den Buchtitel muss ich noch weiter nachdenken.
Zum Schreibkonzept
Das Buch ist auf 478 Seiten in vier Teilen gegliedert. Und in jedem Teil wird die Anzahl der Kapitel neu nummeriert. Der Schreibstil ist flüssig, aber nicht chronologisch aufgebaut. Es finden jede Menge retro- und prospektivische Zeitsprünge statt. Man kann sich die Details zwar gut behalten, aber am Ende habe ich gemerkt, dass ich nicht mehr wusste, welche Szenen wann zugeordnet waren.
Der dritte Teil hat sich stark gezogen. Vieles wiederholt sich, wo ich nah dran war, Seiten zu überspringen. Man hätte hier den Stoff ein wenig raffen können.
Doch am Ende, als Rafik sein und das Lebens seines Sohnes reflektiert, wird man erneut daran erinnert, wann gewisse Szenen aufgetaucht sind, und so war ich durch diesen Part wieder ausgesöhnt. Leider hat am Ende ein Glossar gefellt, in dem die fremden Begriffe hätten näher erläutert werden können. Dafür viele Seiten zur Danksagung.
Meine Meinung / Ein kleiner Diskurs
Ich konnte mich gut in Amar hineinversetzen. Auch hier in Deutschland gibt es viele Kinder, die mit mehreren Sprachen und Kulturen aber nicht in dem Land ihrer Eltern aufwachsen oder aufgewachsen sind. Auch sie werden trotz der deutschen Staatsbürgerschaft immer wieder als die nationalen Stellvertreter ihrer Eltern betrachtet und auf deren kulturellen Herkunft reduziert, statt dass man sie wertschätzt mit ihrem Wissen, das sie mitbringen, das ein Kind aus einer Monokultur nicht besitzt. Mittlerweile wächst hier die vierte Migrantengeneration auf, und es hat sich in der Aufnahmegesellschaft vom Bewusstsein her nur sehr wenig verändert. Menschen mit dunkler Hautfarbe und/oder mit einem ausländischen Namen haben es besonders schwer, hier als vollwertige Deutsche anerkannt zu werden. Viele Deutsche sind der Meinung, dass Integration schwierig sei. Meine Frage: Was genau ist daran schwierig? Und wer sind die Schwierigen? Viele sind integriert und werden trotzdem in die Ausländerschublade gesteckt, mit allen Klischees und Vorurteilen beladen. Andere sind sogar assimiliert, und auch das reicht nicht, um zu den Deutschen zu gehören ... Soll tatsächlich das Blut die Zugehörigkeit eines Landes bestimmen, wo es weltweit nur vier Blutgruppen gibt?
Vielleicht wäre es hilfreich, die Fehler nicht immer im Anderen zu suchen und anzufangen, das eigene Weltbild zu hinterfragen, warum man denn Probleme hat, diese Kinder als vollwertige Deutsche anzuerkennen?
Ich bin dankbar für dieses Buch, das exakt die Missstände nicht nur bei dem vertrauten ewigen Fremden sucht, sondern in der Lage ist, diese auch bei der Aufnahmegesellschaft zu finden. Letztendlich sind die meisten Kinder, die hier aufwachsen, nicht integriert, sondern in dieser Kultur hineingewachsen, wie dies auch bei deutschen Kindern der Fall ist. Man sagt ja auch nicht, dass deutsche Kinder in Deutschland integriert sind.
Massive, psychische Probleme entstehen nämlich auch, wenn Menschen besonders in den Medien erfolgreich aus einer Gesellschaft ausgeschlossen werden, obwohl sie das Recht hätten, sich als zugehörige deutsche Menschen zu bezeichnen. Und viele Deutsche lassen sich stark von den Medien leiten und beeiflussen.
Und Kinder, die nicht dazugehören dürfen, flüchten häufig in die Herkunftsidentität der Eltern. Andere stehen drüber, und verteidigen ihre sog. deutsche Identität.
Und diese Wurzeltheorie macht Hiergeborene, ganz gleich aus welcher Generation sie kommen, zu ewigen Ausländer.
Bei anderen, von draußen kommenden Menschen, die später nach Deutschland eingewandert sind, werden hier einem Integrationsprozess ausgesetzt, der leider noch zu sehr einseitig verläuft, der aber beidseitig, zwischen dem Deutschen und dem Migranten, sich abspielen sollte, denn Integration ist immer ein beidseitiger Prozess, wenn er gelingen soll. Aber das ist leider noch nicht in das Bewusstsein vieler Menschen, die deutsche Eltern haben, ganz gleich, aus welchem Bildungsniveau sie kommen, eingedrungen. Hierbei muss noch viel nachgearbeitet und nachgeholt werden. Die deutschen Medien machen über diese Menschen hauptsächlich negative Schlagzeilen, sprechen immer über Ausländer, die kriminell geworden sind, oder von denen, die nicht integriert sind und sie diese als die Integrationsversager bezeichnen. Von anderen, die sich hier zu Hause fühlen, sprechen sie nicht, weil sie nicht zu den Deutschen zählen dürfen.
Ein Prozess zum Verständnis der Integration wäre für mich, nicht über die Migranten zu sprechen, sondern mit ihnen. Nur so kann man erfahren, wie differenziert die Lebensweise dieser Menschen ist. Zu erleben, was sie innerlich fühlen und was sie denken, was sie können und was sie durch den Umgang mit mehreren Sprachen und Kulturen an Ressourcen mitbringen, wäre mal spannend als Außenstehende daran teilhaben zu können …
Mein Ideal wäre, nationale Identitäten abzuschaffen und die Identität als Mensch einzuführen. Das klingt utopisch, aber das geeinte Europa war ein Ideal, von dem der verehrte Friedrich Schiller einmal geträumt hat. Und heute leben wir in einem geeinten Europa, auch wenn wir alle im Prozess stecken, mit den vorhandenen politischen Problemen EU-weit fertig zu werden.
Der Mensch ist das, was er innerlich fühlt und denkt, und nicht das, was der Mensch zu fühlen und zu denken hat.
Mein Fazit
Eine sehr differenzierte, lesenswerte fiktive Familienbiografie, die Mut macht und die ich jedem Menschen ans Herz legen möchte, der bereit ist, sein eigenes Welt- und Menschenbild zu hinterfragen, und der aufhören möchte, integrative Fehler immer im Anderen zu suchen.
Vor drei Jahren hat Amar sein Elternhaus im Streit verlassen. Jetzt kehrt er zur Hochzeit seiner ältesten Schwester Hadia zurück. Nach und nach erzählt die Autorin Fatima Farheen Mirza die Geschichte einer Familie, erzählt von Traditionen, Glauben, Erwartungen und Enttäuschungen.
Es ist eine Familie muslimischen Glaubens mit indischer Herkunft. Lailas Ehe mit Rafik war arrangiert, sie folgt sie dem Ehemann in die USA. Bald haben sie drei Kinder, die zwei Töchter Hadia und Huda und den Nachzügler Amar. Die Eltern sind tief im Glauben verwurzelt und wollen diesen auch an die Kinder weitergeben. Laila hinterfragt die für sie getroffenen Entscheidungen nicht immer. Wenn sie den Eltern, später dem Mann gefällt, gefällt sie auch Gott. Überhaupt wird sämtliches Tun in der Familie auf ein Bestehen vor Gott ausgerichtet. Die Eltern haben hohe Erwartungen an ihre Kinder. Doch Amar ist so ganz anders als seine Schwestern, impulsiv, verspielt, sensibel. Alle Hoffnungen werden in Hadia gesetzt, sie soll die Eltern mit Stolz erfüllen.
Worauf hoffen wir, wenn wir an Familie, an unsere Kinder denken. Darauf, dass unsere Kinder als eigenständige, selbstbewusste, unabhängige Persönlichkeiten in ein erfülltes Leben entlassen werden.
Religiöser Glauben und das unkritische Festhalten an Traditionen lässt den Kindern in diesem Roman nicht viel Raum, nicht viele Freiheiten. Mir lag sehr viel an Amar, er hatte sowas Besonderes, Verletzliches an sich. Ein Kind, später ein junger Mann, ständig an der Leistung der großen Schwester gemessen. An den Fehlern der Eltern reibt er sich auf, verliert den Boden unter den Füßen. Aber niemand in dieser Geschichte ist ausschließlich „gut“ oder „böse“. Die Eltern nicht, denn viele ihrer Fehler machten sie nicht aus Bösartigkeit, sondern im Glauben im Guten zu handeln. Auch Hadia hat ihre Schattenseiten. Die mittlere Schwester Huda bleibt die meiste Zeit über farblos, vielleicht das typische Schicksal eines Sandwichkindes.
Fatima Farheen Mirza erzählt die Geschichte nicht linear, sie springt zwischen den Zeiten, lässt Erinnerungen aufeinanderfolgen, gibt vor allem Hadia, Amar und Laila eine Stimme. Verbundenheit und Aufbegehren liegen emotional ganz nah aneinander. Mich ließ dieser Roman viel nachdenken, über Eltern-Kind-Beziehungen, gegenseitigen Respekt und Toleranz und darüber dass Tradition wohl eine Möglichkeit aber keine Tatsache ist.
Fatima Farheen Mirza hat mit ihrem Roman "Worauf wir hoffen" ein wunderbares Buch geschrieben. Es ist aber definitiv kein leicht zu lesender Roman. Die Art des Schreibens ist eine sehr eigenwillige, es sind artikelartige, episodenhafte Blicke auf das Leben einer Familie, die aber trotz dieser gestückelten Art eine ganzheitliche Sicht auf die Strukturen in dieser Familie ermöglichen, aber durch die Art des Schreibens den Leser fordern. Dabei ist die Erzählweise nicht chronologisch aufgebaut, die kurzen Blicke springen zu den verschiedenen Stationen im Leben der Betreffenden, alle fünf Familienmitglieder kommen zu Wort und erzählen ihre Sicht auf die Geschehnisse in dem Leben dieser Familie. Und der Leser bekommt sehr intensive Einblicke in das Leben der Hauptcharaktere und durchläuft beim Lesen ein Wechselbad der Gefühle. Es gibt in diesem Roman keine Schwarz-Weiß-Einteilung der Protagonisten. Am Anfang des Lesens dachte ich das meine Sympathien einem Hauptcharakter gelten, aber nach und nach erschließt sich das Bild auf diese Familie, und jeder der fünf Hauptcharaktere ist für mich nachvollziehbar, und mein Herz ist geöffnet für alle fünf Familienmitglieder und ich wünsche mir, dass jeder der fünf seinen Platz im Leben finden wird!
Es ist ein Blick auf das Leben einer indischen Familie muslimischen Glaubens in den USA, genauer gesagt in Kalifornien. Rafik, der Vater, ist von Indien in die USA ausgewandert, um dort zu arbeiten. Er holt dann Laila nach, seine Ehefrau, beide sind aber in keiner Liebesheirat verbunden, es ist eine von den Eltern arrangierte Ehe, in Indien damals und heute üblich, obwohl sich in ihrer Ehezeit deutliche Gefühle zwischen den Beiden entwickelt haben. Beide sind in Indien konservativ erzogen worden, bekommen nach und nach drei Kinder, Hadia, Huda und Amar, die nun auch konservativ, nach althergebrachten Werten erzogen werden. Die Kinder müssen sich strengen Reglements beugen, dass hat mich beim Lesen sehr berührt und gleichzeitig auch zu Bewusstsein geführt, wie gut es uns doch geht. Diese strengen Regeln sind vielleicht in einer in sich geschlossenen Welt durchführbar, in den USA aber schwer durchzusetzen, die indische Gemeinde lebt zwar in engen Kontakt zueinander, aber die Kinder/jungen Erwachsenen werden durch Schule/Ausbildung/Studium mit Kontakten zur Außenwelt konfrontiert. Und natürlich kommt es zur Rebellion der Jugend gegen die althergebrachten Werte.
Fatima Farheen Mirza ist hier eine wunderbare Zeichnung menschlichen Verhaltens gelungen, eine wunderschöne Sezierung menschlicher Gefühle und schlussendlich ein hervorragendes Buch, welches mich in letzter Zeit richtig gefangengenommen hat. Gleichzeitig ist es auch ein schöner und sehr informativer Blick auf den muslimischen Glauben und die Menschen dahinter.
Ich gebe eine klare Leseempfehlung!
Susanne und ihr Ehemann Karim Ibrahim,den sie 1970 kennengelernt hat,kehren mit ihren zwei Kindern nach Bagdad zurück.Susanne's deutsche Familie hat dort einige Jahre verbracht,Karim war wegen seines Berufs fünf Jahre in Deutschland.Aber Susanne's Erwartungen werden schnell enttäuscht.Sie wohnen bei Karim's Familie die konservativ eingestellt ist.Zudem ist sie Christin und da hat Susanne einen schweren Stand.Sie kämpft und gibt nicht auf trotz leidvoller Erfahrungen und die fangen schon bei ihrer Ankunft in Bagdad an.
Der Schreibstil ist bildhaft, ruhig und leicht zu lesen.Die Protagonisten passen sehr gut in diesen Roman hinein.Die Spannung nimmt kontinuierlich zu.
Fazit:Uralte Traditionen treffen auf moderne.Die Geschichte spielt sich in den 70er und 80er Jahren ab. Es wird aus Sicht Susanne's erzählt.Sie erlebt einen regelrechten Kulturschock obwohl sie ja auch schon in Bagdad gewohnt hatte.Aber Karim stammt aus einer einfachen Familie.Diese Geschichte zeigt auf wie sich ein Mensch wandeln kann wenn er in sein eigenes Land zurückkehrt.Die Autorin beschreibt sehr gut das Flair von Bagdad die Unterschiede zwischen den ärmeren Gegenden und dem Villenviertel in dem Susanne drei Jahre mit ihren Eltern gelebt hatte. In dieser Geschichte gibt es die wiedersprüchlichsten Gefühle:Von Wut über Entsetzen bis hin zum Glück kommt alles zusammen.Und eines Tages wird Bagdad angegriffen...Dieses Buch hat mich gefesselt so dass ich immer weiterlesen musste.Susanne's Schicksal hat mich zwischendurch auch aufgewühlt.Aber mir stellten sich auch ein paar Fragen. Es wird sehr emotional und dabei spielen die Religionen auch eine sehr große Rolle.Der Leser begleitet die deutsch/irakische Familie durch die nicht allzu leichten Jahre.Ich fand Susanne bemerkenswert weil sie gegen Hürden und Fallen kämpft zudem in einem patricharischen Haushalt wohnt in dem der Vater von Karim das Sagen hat.Trotzdem gibt es auch sehr schöne Momente z.B. in dem ich einiges über die Geschichte des Landes las.Diese Geschichte ist in meinen Augen fesselnd,spannend,berührend und bewegend. Es ist eine Geschichte um eine willensstarke und charakterstarke Frau die um ihre große Liebe kämpft.
Einfühlsame Familiengeschichte
Der Roman erzählt die Geschichte einer muslimischen Familie in den USA. Die Eltern stammen aus Indien, nach ihrer Hochzeit ziehen sie gemeinsam nach Florida. Die beiden bekommen zwei Mädchen und später den ersehnten Sohn.
Es beginnt mit der Hochzeit der ältesten Tochter Hadia. Sie hat mit der Tradition einer arrangierten Ehe gebrochen und stattdessen erst ihr Medizinstudium beendet und dann den Mann geheiratet, den sie liebt. Zu dieser Hochzeit bittet sie ihren jüngeren Bruder Amar zu kommen. Amar, der drei Jahre zuvor im Streit das Elternhaus verlassen hat.
Danach erzählt die Autorin in zahlreichen Rückblenden und auf verschiedenen Zeitebenen vom Aufwachsen der Kinder. Abwechselnd kommen Laila, die Mutter, Hadia und Amar zu Wort. Zwar sind alle Familienmitglieder in Liebe verbunden, trotzdem ist das Zusammenleben problematisch. Der Vater ist streng, die religiösen Gebote und Sitten sind wichtig. Den Kindern wird vieles verboten, was andere Jugendliche dürfen. Die Mutter versucht es allen recht zu machen. Die beiden Mädchen sind brav, gläubig und klug und erfüllen die Erwartungen der Eltern. Amar dagegen rebelliert von frühester Kindheit an. Er hinterfragt den muslimischen Glauben, macht Probleme in der Schule und es gibt immer wieder Streitereien, v.a. zwischen Vater und Sohn. Auch die beiden Mädchen kämpfen eifersüchtig um die Liebe und Anerkennung ihrer Eltern.
Etwas zu ausführlich beschreibt die Autorin die verletzten Gefühle ihrer Figuren. Trotz der Liebe, die sie füreinander empfinden, führen die falschen Erwartungen aller zu Spannungen. Interessant wird der letzte Teil des Buches, in dem der Vater zu Wort kommt. Am Ende seines Lebens gibt er sich Rechenschaft darüber, welche Fehler er unabsichtlich gemacht hat. Und es bleibt ihm nur die Hoffnung auf eine Versöhnung nach dem Tod. Trotz einiger Längen ist „Worauf wir hoffen“ eine berührende Familiengeschichte.
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