Sand
Inhaltsangabe zu "Sand"
«Er aß und trank, bürstete seine Kleider ab, leerte den Sand aus seinen Taschen und überprüfte noch einmal die Innentasche des Blazers. Er wusch sich unter dem Tisch die Hände mit ein wenig Trinkwasser, goss den Rest über seine geplagten Füße und schaute die Straße entlang. Sandfarbene Kinder spielten mit einem sandfarbenen Fußball zwischen sandfarbenen Hütten. Dreck und zerlumpte Gestalten, und ihm fiel ein, wie gefährlich es im Grunde war, eine weiße, blonde, ortsunkundige Frau in einem Auto hierherzubestellen.»Während in München Palästinenser des «Schwarzen September» das olympische Dorf überfallen, geschehen in der Sahara mysteriöse Dinge. In einer Hippie-Kommune werden vier Menschen ermordet, ein Geldkoffer verschwindet, und ein unterbelichteter Kommissar versucht sich an der Aufklärung des Falles. Ein verwirrter Atomspion, eine platinblonde Amerikanerin, ein Mann ohne Gedächtnis – Nordafrika 1972.
Die Rolle der Bounty im Kolonialismus des 18. Jhdts
Zum Autor (Quelle: Verlag):
Simon Füchtenschnieder, geboren 1980 in Salzkotten, studierte Anglistik und Geschichtswissenschaft an der Universität Bielefeld und dem University College Dublin (Irland). Für dieses Buch forschte er u.a. in London und Sydney. Seine Arbeitsschwerpunkte gelten der britischen Seefahrtsgeschichte des 18. Jahrhunderts.
Mein Lese- Eindruck:
Auf dem Cover ein Dreimaster in voller Fahrt auf stürmischer See – dazu der Titel! Sofort sind die Assoziationen da: an die berühmteste Meuterei der Seefahrtsgeschichte, an das faszinierende Zeitalter der Eroberungen und Entdeckungen, an spannende Abenteuer, Karibik, Stürme, Lebensgefahr und Heldentaten. Kindheitserinnerungen werden wach.
Simon Füchtenschnieder beginnt seine Ausführungen nicht mit der Meuterei, sondern mit ihrem Schlusspunkt: der Aussetzung des Kapitäns Bligh am 28. April 1789, zusammen mit 18 seiner Leute. Nach diesem spektakulären Beginn wendet er sich der eigentlichen Aufgabe der „Bounty“ zu, nämlich der Verpflanzung des Brotfruchtbaumes von Tahiti auf die Zuckerrohrplantagen der Westindischen Inseln, um die Ernährung der Sklaven preisgünstig und effizient zu gestalten.
Diesen Tatsachenkern unterfüttert der Autor sehr schön mit einer Fülle von Ausführungen. So erfährt der Leser einiges über Meutereien im 18./19. Jhdt und die Besonderheit der Meuterei auf der „Bounty“, nämlich die Aussetzung des Kapitäns auf hoher See in einem völlig überfüllten Beiboot, zudem unzureichend ausgestattet. Der Leser fragt sich: Besteht ein Zusammenhang mit der Tatsache, dass es im selben Jahr 1789 auch auf dem europäischen Festland gärte und hierarchische Strukturen zusammenbrachen?
Interessante Hintergründe entfalten sich. Der Autor beleuchtet die Kooperation der Navy mit wissenschaftlichen Organisationen mit dem dezidiert machtpolitischen Ziel, den britischen Handel weltweit zu etablieren und das Empire zu vergrößern und zu stabilisieren. In dieses Interessengefüge ordnen sich auch zahlreiche Pflanzentransfers ein, u. a. der des Brotfruchtbaumes. Es gelingt dem Autor sehr schön, diese globalen Zusammenhänge aufzuzeigen. Dazu kommt eine Fülle von Informationen z. B. über die Betriebsformen der Zuckerrohrplantagen, das Leben der Sklaven, die unterschiedlichen europäischen Wahrnehmungen der indigenen Südsee-Bevölkerung, das Tätowieren, die hierarchischen Strukturen und die Sicherung der Disziplin an Bord, über Sir Joseph Banks, den geistigen Vater der Expeditionen, über den Prozess gegen die Meuterei, und so fort. Ein spannendes und buntes Panoptikum, dem man als Leser gerne folgt!
Jede Feststellung wird sauber belegt und zeigt die langwierige und akribische Recherche-Arbeit des Autors. Dabei fördert er keine neuen Erkenntnisse zutage (Kapitän Bligh ist aufgrund der Quellenlage schon längst vom Vorwurf der Leuteschinderei freigesprochen), aber er fügt die unterschiedlichen Sachverhalte zu einem beeindruckenden Gesamtbild zusammen.
Die sprachliche Ausgestaltung ist nicht so erfreulich. Immer wieder finden sich Redundanzen. So hätte ich mir z. B. einen pointierteren Vergleich der Berichte zur Meuterei gewünscht, um nicht mehrfach dasselbe lesen zu müssen.
An anderen Stellen wiederum bemüht sich der Autor, Wiederholungen zu vermeiden. Da heißt es „der Londoner“ oder „der Mann aus Wells-next-the-Sea“, oder „der Mann aus Norfolk“ etc.. Verflixt! Wer ist gemeint? Fryer? Nein, Portlock? Habe ich nicht aufgepasst? Wo stehen nochmal die Wohnorte der Besatzung? Jeder Teilnehmer eines Rhetorik-Seminars hätte dem Autor den guten Rat gegeben, diesen Unsinn zu lassen und einfach beim Namen zu bleiben, damit der Leser/Hörer nicht durch solche Rätsel abgelenkt wird und sich ganz auf den Text konzentrieren kann.
Fazit: Ein kenntnisreiches und informationsreiches Buch über ein spannendes Kapitel der Weltgeschichte.
Lese-Empfehlung!
4,5/5*