Boy 7: Vertraue niemandem. Nicht einmal dir selbst.

Nick ist ganz normaler Schüler an einer Londoner Schule. Er geht zum Football-Training und trifft sich gern mit Freunden. Doch eines Tages passieren an seiner Schule eigenartige Dinge. Ein Päckchen wird rumgerecht - darin eine DVD - besser gesagt ein Spiel. Erebos. Es zu spielen setzt Anforderungen voraus: Du hast nur eine Chance. Sprich mit niemanden darüber. Spiel es alleine. Verstoße gegen eine dieser Regeln oder befolge nicht deine Aufträge fliegst du raus. Für immer.
Das Spiel macht süchtig. Viele Schüler kommen davon nicht mehr los, sie gehen nicht mehr zu Schule und verhalten sich zurückgezogen. Doch Erebos ist mehr als ein Spiel. Es kennt dich, es sieht dich. Und es gibt dir Aufträge in der realen Welt. Und diese können tödlich enden.
Nick ist süchtig. Jedoch erkennt er langsam, dass Erebos kein einfaches Spiel ist. Es ist böse. Und es will seinen Feind vernichtet sehen.
Brian Keene und Festa. Ein absolutes Dreamteam, wie sich in meinen bisherigen Rezensionen ja schon zweifelsfrei erwiesen hat. Dementsprechend waren die Erwartungen an “Urban Gothic” natürlich auch relativ hoch, auch wenn ich zugestehen muss, dass mir der Verweis auf Edward Lee schon vor dem Lesen etwas Bauchschmerzen bereitet hat, bin ich ja bekanntlich kein großer Freund des großen Mannes des Extrem-Horrors. Ob es gut gegangen ist? Bedingt auf jeden Fall.
Brian Keene gibt in “Urban Gothic” gleich vom Start weg Gas. Nicht zu knapp. Pedal ins Bodenblech getreten. Mit diesem Roman verlässt er die für ihn eigentlich typischen Pfade und setzt statt auf die für den Autoren typische, unglaublich dichte und packende Atmosphäre auf Adrenalin und Action. Der Leser wird hier weniger vom Unheimlichen, Ungreifbaren mitgerissen als viel mehr von der Geschwindigkeit der Geschichte selbst. Der Spannungsbogen bewegt sich durchweg auf einem angenehmen Niveau, ohne Einbrüche – aber leider auch ohne nennenswerte Spitzen. Das führt natürlich auch dazu, dass bei mir nicht dieses spezielle Gefühl aufgekommen ist, welches meine bisherigen Keenes bei mir immer in einem gewissen Maß mit sich gebracht haben. Sicherlich, der Autor hat auch in “Urban Gothic” die Stimmung des Horrorhauses sehr gut eingefangen und es, bedingt durch seine Bewohner, in eine ziemlich bizarre, eigene Welt verwandelt, im direkten Vergleich zu seinen Veröffentlichungen wie zum Beispiel “Leichenfresser” oder “Am Ende der Straße” ist die Stimmung deutlich schwächer ausgeprägt und vor allem auch einfach… “anders”. Was man wohl aber zu großen Teilen der Konzeption des Romans zuschreiben kann.
Auch auf der Figurenseite muss ich leider sagen, dass man von Keene besseres gewohnt ist. “Urban Gothic” lässt eine schöne und umfangreiche Ausarbeitung der Hintergründe leider weitestgehend vermissen. Die Charaktere bleiben zum Großteil relativ oberflächlich und austauschbar, entsprechen zudem auch in vielen Punkten dem aus Horrorfilmen mit ähnlicher Konzeption bekannten (man möge mir den völlig politisch unkorrekten Ausdruck verzeihen) Prinzip der 10 kleinen Negerlein. Ein echter Sympathieträger hat mir in der gesamten Story auch gefehlt, was dazu führte, dass eine vollständige Identifikation mit den Protagonisten nicht möglich war. Auf der Gegenseite wird in “Urban Gothic” aber auch verhältnismäßig viel und in recht kurzen Abständen gestorben, so dass es wahrscheinlich auch vergebene Liebesmühe gewesen wäre, die Charaktere weiter als unbedingt notwendig auszugestalten.
Wie ich bereits erwähnte, fehlte mir in diesem Buch das spezielle Keene-Feeling, was zu einem großen Teil sicherlich darauf zurückzuführen ist, dass man es hier eben auch mit einem absolut untypischen Keene-Roman zu tun hat. “Urban Gothic” ist zwar, wie alles, was ich bislang von ihm gelesen habe, in sein eigenes Metaversum eingebunden, verzichtet aber auf viele seiner Trademarks. Stattdessen bietet der Autor hier eines: eine Schlachtplatte par excellence. Geradeheraus geschrieben und mit dem (wörtlich zu nehmenden, wer den Roman kennt wird wissen, worauf ich hinaus will) Vorschlaghammer mitten in die Kauleiste. Keine großartige Mystik, keine Bezüge zur Pow Wow-Magie… einfach nur ein Metzelfest auf den Spuren Edward Lees mit einigen fiesen SAW-Anleihen hier und da.
Fazit:
“Urban Gothic” ist in erster Linie als eines zu sehen: ein fieser, harter Splatterspaß für Freunde des Genres. Als solcher funktioniert das Buch ausgezeichnet und dürfte die entsprechende Zielgruppe auch wunderbar unterhalten. Ich persönlich hätte mir hierzu noch etwas mehr von Keenes Stärken was Charakterausarbeitung und vor allem die für ihn typische, dichte Atmosphäre angeht gewünscht. Das hätte ein noch deutlich besseres Gesamtbild ergeben. So ist es eben das, was es sein will: eine fetzig-spritzige Tour de Force mit ekligen Inzuchtmutanten und einer Menge Leichen. Und das beweist, dass sogar mein bisher schwächster Keene immer noch besser ist, als viele andere Werke aus dem Genre.
Ein fesselnder Jugendthriller in einer brandaktuellen Thematik
Dieses Buch hatte ich letztes Jahr beim Schrottwichteln erhalten und lag Sage und Schreibe 1 Jahr auf meinem Nachtkästchen. Nun endlich hatte ich es geschafft in die Hand zu nehmen. Der Name Ursula Poznanski ist mir bereits bekannt, jedoch hatte ich noch keinen Titel von ihr gelesen.
Coverbild
Auf einem roten Hintergrund, mit künstlichen Rissen und Abwetzungen versehen, blickt einem ein einzelnes Auge in schwarzer Farbe entgegen. Die Buchstaben des Titels sind in typischer Stempelschrift in großen Lettern platziert. Das Cover vermittelt schon gut das Genre des Thrillers.
Handlung
Ein geheimes Computer-Spiel namens Erebos kursiert auf dem Schulhof und immer mehr Klassenkameraden fangen an, sich komisch zu verhalten oder sogar tageweise zu verschwinden. Auch Nicks bester Freund Colin verhält sich ihm gegenüber plötzlich ganz anders und die Freundschaft beginnt zu zerbröckeln. Um dem ganzen auf die Spur zu kommen und die Freundschaft zu retten, versucht Nick an das Computer-Spiel heranzukommen. Doch auch Nick kann sich dem Sog des Spiels nicht entziehen und plötzlich ist das Spiel nicht nur mehr Virtual Reality, sondern wird zur Realität im Leben der Schüler.
Buchlayout / Haptik
Das Taschenbuch ist eher schlicht. Die 485 Seiten werden in 35 Kapitel eingeteilt, die jedoch nur mit der Kapitelzahl optisch abgesetzt werden. Die Kapitel an sich haben eine angenehme Länge und teilen die Geschichte in sinnvolle Abschnitte ein.
Idee / Plot
Wann wird die virtuelle Spielwelt zur Realität im Alltag? Auch wenn Ursula Poznanski diese Thematik hier in einer überspitzten Form näher bringt, ist dieses Thema so topaktuell. Inwieweit hat uns die virtuelle Realität im Griff und würde uns verleiten Dinge zu tun, die wir eigentlich nicht möchten? Nur um “dabei zu sein”? Was ist mit den viralen Phänomenen auf dem Schulhof, wie die Gruselbilder “Momo”, bei dem die Kinder Albträume bekommen, obwohl es eigentlich nur eine Plastikfigur ist, aber trotzdem die Schüler auf dem Pausenhof damit prahlen es auf ihrem Handy gespeichert zu haben. Oder das Spiel “Fortnite”, bei dem jedes 5 jährige Kind schon die komischen Tänze (Zahnseide, Looser-Tanz) tanzen kann. Wo ist die Grenze zwischen Spaß und Ernst?
Emotionen / Protagonisten
Nick ist ein ganz normaler Junge, der die Freundschaft zu seinem besten Kumpel nicht verlieren möchte. Zunächst geht er vernünftig an die Sache ran, und möchte dem Geheimnis auf die Spur kommen, doch um so mehr er sich in den Sog des Spiels begibt, entwickelt auch er den Ehrgeiz in der virtuellen Gemeinschaft anerkannt zu werden. Doch das Spiel zieht ihn immer mehr in die Spirale, der er sich einfach nicht entziehen kann. Aber ein kleiner Funke Skepsis bleibt ihm erhalten und plötzlich merkt er, wie gefährlich Erebos ist. Für mich ist er ein tougher und reflektierter Junge.
Handlungsaufbau / Spannungsbogen
Gerade der langsame Aufbau der Handlung, wie Nick in das Spiel verwickelt wird und erst langsam den Ernst der Lage erkennt, hat mir gut gefallen. Die Spannung steigt leicht aber stetig an. Trotz der über 400 Seiten ist der Handlungsaufbau ausgewogen, der Spannungsbogen erfährt in der Mitte und am Ende einen Höhepunkt und lässt den Leser durchweg an das Buch fesseln.
Szenerie / Setting
Das Setting eines Schulhofes ist für diese Thematik absolut passend. Denn gerade Kinder lassen sich leichter manipulieren als Erwachsene. Mich erinnert es auch stark an das Buch “Die Welle” von Morton Rhue.
Sprache / Schreibstil
Sprachlich gefällt mir Ursula Poznanskis Stil sehr gut. Er ist dem Genre und der Zielgruppe entsprechend richtig eingesetzt. Wir erleben die Geschichte aus Nicks Perspektive als auktorialer Erzähler im Präsens ohne unnötige Wiederholungen oder ausschweifenden Erzählungen.
FAZIT
Eine fesselnde und authentische Geschichte, sprachlich ausgereift und flüssig erzählt. Ein Jugendthriller mit einer brandaktuellen Thematik. Dies wird ganz bestimmt nicht der einzige Poznanski-Titel bleiben!