Trick Mirror: Über das inszenierte Ich

„Früher mochte ich meinen Namen. Als Kind in den 1970ern wurde ich im Segelcamp von allen Trump genannt. Es machte mich stolz, nicht weil der Name mit Macht und Immobilien verbunden war (damals war meine Familie außerhalb von Brooklyn und Queens unbekannt), sondern weil mir der Klang gefiel. Er passte zu mir, einer toughen Sechsjährigen, die sich vor nichts fürchtete.“
So beginnt Mary L. Trump ihr Buch „Zu viel und nie genug“, das den Untertitel trägt: Wie meine Familie den gefährlichsten Mann der Welt erschuf. Die Autorin ist promovierte klinische Psychologin und - sie ist die Nichte von Donald Trump. Es ist weniger ein politisches Buch als ein sehr persönliches und eine private Abrechnung mit dem gesamten Familienclan.
Mary L. Trumps Vater Freddy war der ältere Bruder Donalds. Ihrem Vater gibt die Autorin sehr viel Raum in diesem Buch Er galt als schwarzes Schaf der Familie, als Loser und er verstarb mit 43 Jahren. Freddys vermeintliche Schwäche war es, sich nicht dem despotischen Familienoberhaupt Frederick Trump unterzuordnen. Im patriarchalischen System der Trumps gab es keine elterliche Zuneigung oder Geborgenheit. Es war und ist eine Familie, in der alles nach Geld und Erfolg gemessen wird und in der es für Menschlichkeit keinen Platz gab. Als Kind lernte Donald keine Grenzen kennen, lernte nicht „richtig“ und „falsch“ zu unterscheiden, weil es keine Konsequenzen für sein Tun gab. Als den Eltern das Verhalten des eigenen Kindes zu unbequem wurde, steckte man ihn kurzerhand in die New York Military Academy. Die Mutter war erleichtert, darüber, den Sohn nicht mehr um sich zu haben. Dieses Familiengefüge ist nach Ansicht der Autorin verantwortlich für die Persönlichkeitsstruktur ihres Onkels Donald, der vier Jahre lang die vereinigten Staaten von Amerika regierte. Trumps Vorgeschichte als Unternehmer und „Fernsehstar“ ist längst nicht so großartig, wie er vorzugeben glaubt. Mit ihren Einblicken in die Familiengeschichte beleuchtet Mary L. Trump dysfunktionales Verhalten und eine narzisstische Persönlichkeitsstruktur. Als Psychologin hat die Autorin das grundsätzliche Zeug dazu, gibt keine Ferndiagnose ab. Als Mitglied derselben Familie darf sie sich dazu äußern, auch wenn die professionelle Distanz fehlt.
Warum also dieses Buch? Für die Autorin ist es eine Aufarbeitung der eigenen Herkunft. Dabei traut sie sich viel, hat aber auch nach dem Tod der Großmutter und einem zermürbendem Erbschaftsstreit keine positive emotionale Bindung zum Familienclan mehr.
Für die Leserin ist ein ungemein spannendes Porträt einer Familie. Wäre es ein Roman, man könnte es nicht besser erfinden. Vor seiner Wahl wurde Donald Trump las „Clown“ unterschätzt. Man darf sich zurecht fragen, was es ist, dass er immer noch Millionen von Wählern hatte. Ein weiteres Mal unterschätzen sollte man diesen Mann nicht.
Die Lebenslüge
Marta von der in der Schweiz lebenden Autorin Monika Hürlimann.
Kurzmeinung: Eine durchaus interessante Familiengeschichte, die in Polen begann, nach Deutschland führte und in der Schweiz endet. Einen Dank an die Autorin, die mir das Leseexemplar zur Verfügung gestellt hat.
Meinen eigenen Umzug ins Ausland kann ich in Ruhe vorbereiten, weil ich weiß, wann das sein wird. Marta hatte keine Gelegenheit dazu gehabt. Ihr Mutter offenbarte ihr und ihrem Zwillingsbruder die Flucht nach Deutschland. Es musste alles geheim bleiben und nur ein paar Habseligkeiten konnten sie mitnehmen. Es ging nach Deutschland, in den 80er Jahren, als in Polen noch Essensmarken verteilt wurden und Lebensmittel rationiert waren. Marta und Tomek waren gerade mal 15 Jahre alt und sprachen kein einziges Wort deutsch, Aber ihre Mutter beherrschte die Sprache. Wie konnte das sein? Sie landeten in Kiel. Dort lebte eine Verwandte der Mutter. Marta ist ehrgeizig in ihren Zielen, will die Sprache schnell lernen und passt sich schnell an. Sie ist intelligent, meistert die Schule, geht auf das Gymnasium. Aber es ist alles harte Arbeit. Sie will sich auch beweisen. Ihr Bruder zieht da nicht mit. Schnell wird Marta auch klar, sie möchte Ärztin werden. Sie bekommt einen Praktikumsplatz und ihr weiterer Werdegang führt sie später in die Schweiz. Nachdem sie dort ein Praktikum in einem Krankenhaus absolvierte, ergaben sich ganz neue Möglichkeiten und sie ließ sich als Psychiaterin ausbilden. Später wurde daraus dann die forensische Psychiatrie. Nach einigen gescheiterten Beziehungen in ihrem Leben, findet sie in der Schweiz dann doch noch ihre große Liebe.
Immer wieder erfahren Kinder erst nach dem Tod von Angehörigen einige Dinge, die als Familiengeheimnis gegolten haben oder von dem auch andere nichts gewusst hatten. Es schien quasi vorhersehbar gewesen zu sein, dass Marta den Beruf der Psychiaterin gewählt hat. Sie konnte nie zu ihrer Mutter, die unnahbar schien und sehr verschlossen war, durchdringen. Als ob sie mit dem beruflichen Werdegang lernen wollte, wie man diese Mauer durchbrechen kann? Sämtliche Herausforderungen in ihrem Leben hat Marta gut gemeistert. Lag es an ihrer strengen Erziehung oder weil sie oft auf sich alleine gestellt war. Hat sie das härter gemacht? Selbst gegen ihren Zwillingsbruder Tomek musste sie kämpfen. Er war der Liebling ihrer Mutter, er konnte alles machen, ihre Mutter nahm ihn immer in Schutz oder wollte vieles nicht sehen. Marta rannte gegen eine Mauer. Sie suchte sich andere Lieblingsmenschen, die sie gefördert haben und ihr das Gefühl gaben eine liebenswerte Person zu sein.
Mir hätte es besser gefallen, wenn diese Biografie chronologisch erzählt worden wäre. Die Zeitsprünge fand ich ein wenig verwirrend, vor allem die vielen Personen ließen sich schneller einordnen. Aber im Großen und Ganzen fand ich dieses Buch recht lesenswert und wer sich für Biografien interessiert, der sollte dort mal einen Blick hinein werfen.