Wie kritisch darf eine Buchkritik sein?

Helmut Pöll

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Wir sind im Rahmen einer ganz anderen Diskussion darauf gekommen, und zwar bei "Lovelybooks zensiert".

Was soll und darf man als Rezensent? Soll man zu einem Buch, das einem so gar nicht gefallen hat, aus Wertschätzung und Rücksichtnahme für Autor und Verlag lieber schweigen? Aber dann besteht die Gefahr, dass Rezensionen zu "getarnten Nacherzählungen in Harmoniesoße" verkommen (Zitat @Atalante ), die für den suchenden Leser keinerlei Aussagekraft mehr haben.

Wie seht ihr das?

@Sabine Schäfers
 

Tiram

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4. November 2014
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Das ist ein sehr interessantes Thema. Mir stößt das schon sehr lange auf, aber mit nur dem kleinsten Kritikpunkt habe ich mich da jedes Mal ins Fettnäpfchen gesetzt.
Ich habe mich ja viel bei Blogs umgeschaut und in vielen Foren rumgetummelt. Und überall sind diese "weichgespülten" Rezis über Rezibücher zu lesen. Alle diese Bücher sind supertoll, die Protagonisten so sympathisch und alle können sich so gut mit ihnen identifizieren.
Für mich ein Grund, keine Rezibücher anzunehmen. Ich möchte nicht in die Verlegenheit kommen müssen, solche Rezis zu schreiben.
Wenn mir etwas an einem Buch nicht gefällt, dann schreibe ich das. Mit Respekt und in vernünftigem Ton. Wenn es sogar etwas ganz Arges ist, dann auch gerne den Autoren anschreiben.

Ich kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass solche Rezis den Autoren gefallen.
 

huskie-style

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30. April 2014
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Man muss ja nicht unbedingt schweigen. Manchmal ist es auch hilfreich, dem Autor seine Meinung und Hinweise auf eventuelle Fehler auf dem "kurzen Dienstweg" (per PN, Mail, etc. )mitzuteilen. Das muss man dann auch nicht unbedingt an die große Glocke hängen und lang und breit in Rezensionen auswälzen, gerade wenn es persönliche Verbindungen zum Autor gibt.

Zudem denke ich, daß man es durchaus kundtun sollte, wenn einem ein Buch nicht gefällt. Wogegen ich mich persönlich wehre, ist die Bewertung eines Buches nach einer Punkte-, Sterne-, Blümchen- oder sonstigen Skala.

Ich denke immer, das wird dem Buch und auch dem Autor nicht gerecht. Denn wie leicht rutscht der Blick eines Lesers auf so eine Skala, das Bild ist gemacht und die eigentliche Rezension wird gar nicht beachtet. Das wird weder dem Autoren, noch dem Rezensenten gerecht.

Wann immer ich ein Buch rezensiere und bewerte, versuche ich mir bewusst zu machen, daß der Verfasser durchaus seine Intention hatte und eine Menge Zeit und Herzblut investiert hat. Dementsprechend respektabel habe ich auch mit einer Rezension umzugehen. Und selbst wenn mir ein Buch nicht gefällt, halte ich mich nicht für den Nabel der Welt und zerreisse es in Bausch und Bogen. Denn mein Geschmack ist nicht allgemein gültig und vielleicht bin ich mit meiner Einschätzung vollkommen auf dem Holzweg.
 

supportadmin

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29. Oktober 2013
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Wogegen ich mich persönlich wehre, ist die Bewertung eines Buches nach einer Punkte-, Sterne-, Blümchen- oder sonstigen Skala.

Ich denke immer, das wird dem Buch und auch dem Autor nicht gerecht. Denn wie leicht rutscht der Blick eines Lesers auf so eine Skala...
Wann immer ich ein Buch rezensiere und bewerte, versuche ich mir bewusst zu machen, daß der Verfasser durchaus seine Intention hatte und eine Menge Zeit und Herzblut investiert hat.
Das ist natürlich alles richtig. Nur orientieren sich viele Leser eben an dieser Sternchen-Bewertung. Natürlich ist das bei einer einzigen Bewertung nicht aussagekräftig, aber wenn es meinetwegen 100 Bewertungen mit einem Schnitt von 4,2 gibt, dann hat das schon eine gewisse Aussagekraft.
 

huskie-style

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@supportadmin Das war meine Sichtweise als Blogger. Ich möchte halt nicht auf meine vergebenen Sternchen reduziert werden.
Was Bewertungen auf anderen Plattformen betrifft, bin ich froh, daß ich eher zu den wenigen Lesern gehöre, die sich nicht ausschliesslich an durchschnittlichen Bewertungen orientieren. ;)
Denn wenn von den angesprochenen 100 Bewertern 98 gleichzeitig Fan der Autorenseite auf facebook oder sonstwo sind, relativiert sich so etwas auch ganz schnell. Und solche Gegebenheiten sind sicherlich nicht von der Hand zu weisen.
 
20. Mai 2014
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Ich habe noch keine abschließende Meinung zum Thema. Aus Lesersicht interessieren mich auch negative Kritiken, sofern sie sinnvoll begründet sind. Das heißt dann ja noch nicht, dass ich dieses Urteil zwangsläufig übernehme, aber ich kann daran schon erkennen, dass es zumindest eine Kontroverse gibt.
Vielleicht ist es sogar diese Beurteilung, die ein Buch erst für mich interessant macht.

Aus Autorensicht fällt es mir allerdings schwer, einem Kollegen mitzuteilen, wenn mir sein Buch nicht gefallen hat, weil ich weiß, wie hart einen das trifft. Andererseits muss jeder Autor, auch ich, lernen mit Kritik umzugehen. Sei es, um sich ein dickeres Fell zuzulegen oder um es in Zukunft tatsächlich besser zu machen. Wenn mir der oder die Autorin näher bekannt ist, ziehe ich es dennoch vor, negative Kritik nicht in einer Rezension, sondern im direkten Gespräch vorzubringen, wie @huskie-style vorschlägt.
 

Helmut Pöll

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9. Dezember 2013
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Da geht's mir ähnlich wie Dir, @Sabine Schäfers . Ich lese auch gerne erst mal die weniger guten Rezensionen, schaue dann aber, ob die vorgetragene Kritik etwas betrifft, womit ich leben könnte. Bezieht sich bei einem historischen Roman die Kritik darauf, dass meinetwegen die Kleiderordnung der damaligen Zeit nicht getroffen wurde, weist das vielleicht auf ungenügende Recherche hin, für mich wäre es aber kein KO-Kriterium.

Grundsätzlich muss aber jemand, der sich mit seinem Werk an die Öffentlichkeit begibt damit rechnen, dass die Reaktionen die ganze Bandbreite abdecken können. Wer auf die Theaterbühne steigt wagt sehr viel, unter Umständen bekommt er aber eben auch keine stehenden Ovationen. Und bei Autoren ist es ähnlich, finde ich.
 
R

ReiGeHe

Gast
Mit dem "Nichtgefallen" eine Buches habe ich gar kein Problem. Die Geschmäcker sind verschieden; somit sollte diese Aussage für den offenen Leser auch kein Kriterium sein. Eine Kritik hingegen stellt eine Wertung dar, die gut begründet sein sollte, damit man sie auch annehmen kann.
 

parden

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13. April 2014
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Als Vielleser (und Nicht-Autor) melde ich mich hier auch mal zu Wort. Ich schreibe mittlerweile zu jedem Buch eine Rezension - das ist für mich einafch der Abschluss des Buches, und bei Bedarf lese ich da noch einmal rein, wenn ich nicht mehr genau weiß, um was es da ging.

Ich nehme durchaus auch Rezensionsexemplare an und auch an Leserunden mit und ohne Autor teil, betone aber ausdrücklich, dass ich keine Gefälligkeitsrezensionen schreibe. Kritikpunkte, die mir ins Auge stechen, merke ich durchaus in meinen Rezensionen an, und ja, auch ich hatte schon Begegnungen mit Autoren, die damit leider gar nicht umgehen konnten und dann plötzlich harsch und unsachlich wurden. Trotzdem werde ich auch weiterhin nicht darauf verzichten, meine Meinung zu äußern, allerdings immer mit einer ausführlichen Begründung. Bei 'Verrissen', die alle halbe Jahre mal vorkommen, schreibe ich meist die längsten Rezensionen überhaupt. Dabei wird nichts persönlich gegen den Autor vorgebracht, sondern wirklich die Punkte, die mich gestört haben, ausführlch dargelegt.

Seine Meinung nicht zu äußern, wenn einem ein Buch nicht so gut gefällt, finde ich einfach falsch, weil erst durch die Vielzahl der Meinungen zu einem Buch sich ein umfasendes Bild für Menschen ergeben kann, die mit dem Gedanken spielen, sich dieses Buch zuzulegen.
In unserem Blog gibt es keine Bewertung nach Punkten, Sternen o.ä. - hier und in anderen Foren durchaus schon, und sooo schlecht finde ich das auch nicht, weil dadurch schneller für jemanden ersichtlich wird, wie die Gesamtbewertung der bisherigen Leser ausfällt.
 

Marley

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7. Oktober 2014
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Ich schreibe keine negativen Rezensionen, weil ich mich nicht länger mit einem Buch beschäftigen möchte, das mir nicht so gefallen hat (ich halte mich auch nicht damit auf, dass mir das Essen neulich im Restaurant nicht geschmeckt hat, sondern suche mir das nächste Mal ein anderes Restaurant). Ich bin aber auch keine Buchbloggerin oder Journalistin.
Was "darf" man als Rezensent? Man darf Handwerk und Umsetzung kritisieren und sollte das auch begründen können, damit andere Leser das entweder nachvollziehen können oder genau aus dem Grund (wie auch schon von anderen Leuten hier angemerkt) das Buch lesen wollen.
Kein Autor hat persönlich für mich sein Buch geschrieben, das muss ich mir u. U. auch vor Augen führen. Das geht ein wenig in die Richtung der oft zitierten "Geschmäcker, die verschieden sind" - aber dann komme ich immer wieder aufs Handwerk und Umsetzung zurück. Beißt sich die Katze in den Schwanz.
Weswegen ich letztendlich denke, das kann jeder Leser halten wie er/sie lustig ist.
 

ManfredsBücherregal

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Ich denke solange man nicht beleidigend wird und sachlich bleibt kann man auch schreiben was einem nicht gefallen hat. Es ist eben die persönliche Meinung eines Lesers. Leser B sieht die Sache vielleicht schon wieder ganz anderst. Ich bekomme für meinen Blog auch Rezensionsexemplare und wer auf meinem Blog vorbeischaut wird sehen das es dort auch keine negativen Rezis zu Rezensionexemplaren gibt. Diese hat aber nichts mit damit zu tun das es Rezensionsexemplare sind sondern das noch kein Buch dabei war das mir absolut nicht gefallen hätte. Dies könnte vielleicht auch daran liegen das ich nur Bücher annehme die ich auf Grund des Klappentextes auch kaufen würde. Es könnte natürlich auch sein das ich bisher einfach Glück hatte.
 
20. Mai 2014
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Mit Beleidigtsein kann ich leben. Als betroffene Autorin ebenso wie als Rezensentin. Das ist eine ganz natürliche Reaktion. Als Autor muss man dann aber nach einer gewissen Schon-Zeit professionell genug sein, sich mit der Kritik ernsthaft auseinanderzusetzen. Die meisten wollen sich verbessern, denke ich. Wenn man als Rezensent mit konstruktiver Kritik hinterm Berg hält, lässt man den Autor ja sehenden Auges ins nächste Desaster laufen. Das ist eigentlich viel schlimmer.
 

Helmut Pöll

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9. Dezember 2013
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Dies könnte vielleicht auch daran liegen das ich nur Bücher annehme die ich auf Grund des Klappentextes auch kaufen würde. Es könnte natürlich auch sein das ich bisher einfach Glück hatte.
Ja, das ist natürlich ein wichtiges Argument, @ManfredsBücherregal . Bei den Rezi-Exemplaren, die wir jetzt anfordern können, suche ich mir auch explizit die Bücher aus, die sich selber ohnehin kaufen würde. Da ist dann selten eins dabei, das mir so gar nicht gefällt.
 

Helmut Pöll

Moderator
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9. Dezember 2013
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Als Autor muss man dann aber nach einer gewissen Schon-Zeit professionell genug sein, sich mit der Kritik ernsthaft auseinanderzusetzen. .
Das sehe ich auch so, @Sabine Schäfers . Mir fällt manchmal aber besonders bei Selfpublishern auf, dass einige sofort empört auf Facebook ihre Anhängerschaft mobilisieren, wenn eine 2*-Rezension auf Amazon veröffentlich worden ist. Klar sollte der Ton einer Rezension nie beleidigend und persönlich sein, aber möglich sein sollte sie schon. Es geht ja auch niemand auf die Barrikaden bei einer 5*-Rezension. "Toll, unbedingt lesen".
 

Marley

Autor
7. Oktober 2014
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Melbourne
Ja, das Mobilisieren der Fangemeinde bei einer 1Sterne Rezension hatte ich auch ansprechen wollen, mir aber dann gespart. Eigentlich sind die Autoren bei mir durch - und das sind immer nur SPler - die sich empören und dann geht die Meute mit Fackeln und Heugabeln bewaffnet auf den armen Rezensenten los, dem einfach nur das Buch bei all der sachlichen Kritik die er oder sie vorbringen konnte, nicht gefallen hat. Was ich in den letzten Jahren am Rande beobachtet habe ist beschämend.