Warum Bücher für 99 Cent

Marley

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7. Oktober 2014
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@Helmut Pöll "Das hat in diesem Fall funktioniert, @Marley . Aber ich glaube das ist die Ausnahme. Viele, die sich an die Masse der 0- oder 99-Cent-Bücher gewohnt haben, sind eben nicht mehr bereit einen regulären Preis zu bezahlen. Die hangeln sich von einer Gratisaktion zur nächsten."

Woher nimmst du die Gewissheit? Sicher wird es auch solche Leser geben, aber im Zusammenhang mit Dauerpräzenz in bekannten Social Media Kreisen scheint 99 Cent Bücher als Einführungspreis für die handvoll erfolgreiche SPler zu funktionieren. Sicher, manche machen keine 99 Cent mehr, sondern 1.99 oder 2.99 Einführungspreis, aber da sind sie nur deshalb hingekommen, weil sie sich eben nicht dauerfürchten, man würde sie danach nicht mehr lesen wollen.

Wer gute Geschichten zu schätzen weiß, der gibt auch nach 99 Cent Aktionen etwas mehr Geld aus fürs nächste Buch. Wer immer schon geizig war, wird auch weiterhin geizig bleiben.

Mir fällt dazu etwas ein ... vor ungefähr 150 Jahren habe ich mal in einem holländischen Supermarkt nebenher gearbeitet. Eine von uns Mitarbeiterinnen ging 2x am Tag mit Kaffeetassen auf dem Tablet durch den Laden, um sie den Kolleginnen zu bringen. Laufe ich an einem deutschen Paar vorbei (ohne anzuhalten - warum auch?), greift sich die Frau mit den Worten: "Oh Kaffee", eine Tasse vom Tablet. Ich könnte mir vorstellen, dass diese Frau nur 99 Cent E-Books erwerben würde :D
 

Tiram

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4. November 2014
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Ich finde es, ehrlich gesagt, traurig, dass Autoren ihre Arbeiten für 99 Cent verkaufen müssen, um überhaupt wahr genommen zu werden. Überzeugt hat mich da nur @Frank1 seine meinung, das bei einem Serienstart zu tun.

Natürlich mögen Autoren ihre Gründe dafür haben. Aber ich als Leser sage mir, wer sein Buch so unter Wert verkauft, ist selbst nicht überzeugt von seiner Arbeit.
Das Argument, dass ich den Autor nicht kenne, zählt bei mir auch nicht. Bei Printbüchern zahle ich auch viel Geld für Hardcover oder Taschenbuch von mir fremden Autoren.

Wenn mir der Klappentext gefällt, mich neugierig macht, dann kaufe ich das E-Book auch für den Taschenbuchpreis minis 2 Euro (Papiereinsparung). Ein bisschen mehr würde ich auch zahlen, wenn mir die Datei auch definitiv gehört, was sie jetzt ja noch nicht tut.
 

Helmut Pöll

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9. Dezember 2013
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Ich finde es, ehrlich gesagt, traurig, dass Autoren ihre Arbeiten für 99 Cent verkaufen müssen, um überhaupt wahr genommen zu werden. Überzeugt hat mich da nur @Frank1 seine meinung, das bei einem Serienstart zu tun.
Ich bin da völlig auf deiner und Franks Linie, @Tiram, Klar greifen Leser eher für 99 Cent zum Werk eines unbekannten Autors, als für 9 Euro. Deshalb verstehe ich auch solche Preisaktionen.

Diese Minipreise bergen aber auch eine Gefahr. Wir hatten hier vor etwa einem Jahr mal einen Link zu einem Blog, wo es genau um dieses Thema ging. Die Bloggerin schrieb damals, dass das Problem bei diesen Preisaktionen das ist, dass sich die 99 Cent als "Normalpreis" etablieren. Sie schrieb von Autoren, die berichteten, dass Leser sie fragten, wann es denn ihr neues Buch für 99 Cent gäbe (weil sie es zum regulären Preis nicht kaufen würden). Das meinte ich mit meinen Bedenken. Vielleicht finde ich irgendwann den Link auch wieder.

@Frank1 .
 

Helmut Pöll

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9. Dezember 2013
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Ich habe mir mal auch eine Beispielrechnung dazu überlegt. Sagen wir mal ein Indie-Autor hat ein Buch mit 300 Seiten geschrieben, möchte gute Qualität liefern, das Buch aber für 99 Cent anbieten, weil er sich davon mehr Chancen verspricht.

Die Kosten für Korrekturlesen schwanken pro Normseite zwischen 2 und 5 Euro. Es gibt auch Lektorate, die ein Herz für Indies haben und nur 1 Euro pro Normseite verlangen. Professionelles Lektorat fängt nach meiner Google-Recherche und eigener Erfahrung bei 3-7 Euro pro Normseite an. Wenn man jetzt günstig rechnet, dann landet man schnell bei 1000 Euro Kosten für die Bucherstellung bei einem Buch von 300 Seiten. Vielleicht geht es mit guten Verbindungen günstiger, ich bleibe aber mal bei den 1000 Euro (die nicht unrealistisch sind), weil es sich leichter rechnet.

Für einen Buchverlauf zu 99 Cent bekommt ein Autor von Amazon 30%, also 30 Cent - vor Steuer. Um 1000 Euro bei einem Buchpreis von 99 Cent zu erwirtschaften muss ein Autor also 3300 Bücher verkaufen. Da ist noch keine Steuer abgeführt und der Autor hat noch keinen einzigen Cent verdient. Wenn man die Steuer berücksichtigt sind es wohl eher 5000 Bücher, die verkauft werden müssen, auch da hat der Autor noch keinen Cent verdient.

Bei einem Buchpreis von 99 Cent ist der Autor also gezwungen in Bestseller-Stückzahlen vorzustossen, oder er versucht die Ausgaben zu drücken, unter Umständen auf Kosten der Qualität, oder er findet sich damit ab, dass er eben nichts verdient.

Vielleicht ist in meiner Rechnung auch ein Fehler, das kann natürlich sein, aber so würde ich es jetzt mal sehen. Vielleicht kann @ElsaRieger , die selber lektoriert, uns ihre Expertenmeinung dazu sagen, oder @Tiram . @Sakuko
 

Marley

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7. Oktober 2014
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Ich denke man muss es als Geschäft sehen. Jeder, der sich selbstständig macht oder eine Franchise kauft muss zunächst eigenes Geld investieren. Das ist bei den SPlern nicht anders.
 

Frank62

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[zitat]Das ist wohl wahr, @Marley. Klar muss man in Vorauskasse gehen. Aber am Ende muss dann auch was bei reinkommen[/zitat]


muss? ... bei den meisten Werken von Indie-Autoren dürften am Ende ihrer Verkaufserlöse rote Zahlen stehen - viele versuchen es dann mit Gratis-Download-Verzweiflungstaten.

Genau dasselbe Problem haben auch Newcomer, die dann in der Regel die 0,99 Euro-Preisregion anpeilen, um bekannt zu werden. Doch die 0,99 Euro Werbung nutzen genauso viele bekannte Autoren als Werbe-Einstieg, so dass die Newcomer dadurch auch kaum eine Chance auf bessere Sichtbarkeit haben.

@Helmut hatte sehr realistisch die Investitionen für ein Indie-Buch aufgelistet. Meine Kalkulationen liegen bei ca. 300,- Euro pro Buch - diese Preisspanne setzt sich aus den Korrektorats-Gebühren von 1,- Euro pro Buchseite und ca. 50-60-Euro für die Bildlizenzen um ein Cover zu kreieren.

Damit ergibt sich für mich auch eine Seitenbegrenzung von maximal 250 Seiten und ich denke, dass diese minimale Seitenzahl für einen Thriller durchaus ausreichend ist bzw. gerne gelesen wird. Ansonsten habe ich für mich entschieden keine 0,99 Euro-Ramsch-Aktionen durchzuführen, da ich meine literarische Arbeit nicht auf dem preislichen Niveau eines Toiletten-Obolus ansiedeln möchte.

Kalkulierende Grüße,
Frank62
 
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Tiram

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Ja, @Frank62. Wenn ich Geld investiere, muss am Ende was rüberkommen. Wenn nicht, verramsche ich es nicht, wie Du auch geschrieben hast.

Das ist mit meinen Stickereien dasselbe. Ich würde gerne einige verkaufen, aber niemand ist bereit, mir die Arbeit auch zu bezahlen. So eine Stickerei kostet mich aber wochen-, manchmal monatelange Arbeit. Da verschenke ich die doch nicht für 99 Cent, nur in der Hoffnung, dass die nächste dann gekauft wird.
 

Frank62

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@Tiram - ich denke, Du kommst mit Deinem Strikerei-Beispiel der eigentlichen Wahrheit / Moral sehr nahe.
Bei einem geringeren Materialpreis aber ähnlichem Arbeitsaufwand, würde ein 0,99-Euro-Preis für einen "Gegenstand" wie Strickpulli oder Schal bei potentiellen Kunden eher ein befremdliches Kopfschütteln auslösen, während bei einem nichtgegenständlichen Produkt wie einem E-Book der Wert / die Leistung viel geringer oder gar nicht geschätzt wird.
Trotzdem glaube ich an das E-Book und an die These / Hoffnung, dass Qualität sich durchsetzen wird.

Hoffnungsvolle Grüße,
Frank62
 

Tiram

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Das ist ja das Verrückte, @Frank62. Die Leute würden für meine Stickerei liebend gerne 99 Cent bezahlen. Sie sind aber noch nicht mal bereit, das Materialgeld zu löhnen, geschweige denn die monatelange Arbeit zu honorieren.
 
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Marley

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Aber schreiben kann doch jeder. Da sitzt man doch nur am Computer und tippt. Zur Not auch das was andere Autoren in Heftromanen herausgebracht haben. Nun ja, konnte ich mir jetzt nicht verkneifen. :rolleyes:
Ich weiß was ihr meint. Es ist und bleibt trotzdem ein Geschäftsmodell. Wer Hobbyautor bleiben möchte, gerne, wer Geld verdienen möchte, gerne. Jeder so wie er kann und will.
 

Marley

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@Frank62 nein, Qualität wird sich nicht durchsetzen, weil man sich das so wünscht. Wer sich durchsetzt hat einen Marketingplan - heute. Vor wenigen Jahren ging das noch beinahe ohne Plan. Und wer im Geschäft bleiben will folgt dem Marketingplan.
 

alfee

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99 Cent sind sicher für ein neues Buch okay, das um die 120 Seiten oder weniger hat. Als Autor ist man versucht, ältere Bücher, die vormals bei Amazon gut liefen, und zwar bei 2,99 Euro, was für ein ebook ab 250 Seiten für einen Newcomer der richtige Preis ist, auf 99 Cent zu reduzieren.
Wie ist eure Erfahrung damit?
Bringt das etwas?
Meine Erfahrung ist "nein".
 

InFo

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Das lässt sich verallgemeinern @alfee dafür gibt es zu viele Faktoren: insbesondere das Genre. Ich habe nur meine Preise von 4,99€ auf 3,99€ angepasst, gebracht hat es mir nichts. Ich investiere lieber in Präsenz und kreative Werbung, das hat sich bisher für mich ausgezahlt. Aber das kann und möchte auch nicht jeder.
Ich weiß, dass meine Bücher gut bis sehr gut sind und deshalb setze ich meine Preise, wie ich sie für angemessen halte. Sicherlich hole ich damit meine Kosten nicht rein, habe aber damit ein sehr gutes Gefühl.
 

Helmut Pöll

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..dafür gibt es zu viele Faktoren: insbesondere das Genre. Ich habe nur meine Preise von 4,99€ auf 3,99€ angepasst, gebracht hat es mir nichts. Ich investiere lieber in Präsenz und kreative Werbung.
Nein, verallgemeinern lässt sich das nicht. Man muss sich eben positionieren. Und über den Preis kann man auch steuern, wen man als Lesern ansprechen möchte. Alle wird man nie erreichen.
Es gibt Autoren, die in sehr hoher Taktung - oft kürzere - Bücher für 99 Cent veröffentlichen. Die haben ihre treue Fangemeinde und das ist auch prima. Wer nicht für diese Gruppe schreibt, auch nicht in dieser Taktung und auch andere Themen bedient, beispielweise historische Romane, für die er lange recherchieren muss, der sollte sich an diesem Verdrängungswettbewerb im unteren Preissegment nicht beteiligen. @Helene L. Köppel , @InFo
 

Helmut Pöll

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Als Autor ist man versucht...auf 99 Cent zu reduzieren. Wie ist eure Erfahrung damit? Bringt das etwas?
Meine Erfahrung ist "nein".
Der Markt ist so übervoll mit Büchern und Schnäppchen, dass wir uns einem Punkt nähern, wo gar nichts mehr etwas bringt. Vor einigen Jahren half eine mehrtägige Preisaktion zum Sprung in die Top 100, wo man sich mit ein wenig Glück eine Zeit lang halten konnte. Heute fliegt man wahrscheinlich auch mit Gratisbüchern nach wenigen Tagen wieder aus den Top 100 hinaus, da zu viel Konkurrenz.
 
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Tiram

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Da ja nun auch jeder selbst ein E-Book erstellen und verkaufen kann, wächst auch die Zahl der Autoren immer mehr. Irgendwann haben wir fast mehr Autoren als Leser.
 

Helmut Pöll

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Das ist bestimmt eines der Hauptprobleme, @Tiram , dass immer mehr Publikationen um eine im Grunde gleichbleibende Zahl an Lesern buhlt. Es sind aber nicht nur die Selfpublisher, die Verlage pumpen auch auf Teufel komm raus Bücher in den Markt.