Viertes Kapitel

supportadmin

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29. Oktober 2013
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Diskussionen zum vierten Kapitel unserer Leserunde Weltliteratur zu "Der Zauberberg" von #thomas mann
 

Xirxe

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19. Februar 2017
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Hups, bin ich tatsächlich die Erste im vierten Kapitel? Kaum zu glauben ...
Ich stelle aber auch fest, dass ich mit dem Lesen wesentlich schneller vorankomme als zu Beginn. Offenbar kann man sich auch an Schachtelsätze gewöhnen ;)
Ich bin nun auf Seite 187, ca. der Hälfte von diesem Kapitel. Außerordentlich gut gefallen hat mir der Exkurs über den Zeitsinn. Was mich immer wieder begeistert, ist, wenn ich in vor langer Zeit geschriebenen Dingen Sachen finde, die ganz aktuell als etwas Bemerkenswertes oder neue Erkenntnis hervorgehoben werden. Und genau das geschah auch mit dieser Erörterung über den Ablauf der Zeit. Vor vier, fünf Jahren gab es dazu längere Artikel beispielsweise in G & G oder auch in NG, wenn ich mich recht erinnere. Es wurde zwar nicht als bahnbrechend neue Erkenntnis gefeiert, aber die Aufmachung ließ einen (zumindest mich) schon glauben, dass sich erst kürzlich Dinge bestätigt hätten, die man vielleicht bereits länger ahnte.
Die Unterschiede zwischen Hans und seinem Cousin treten immer deutlicher hervor wie ich finde. Hans, der zu gerne dem Nichtstun frönt und Vieles nicht so streng sieht (sieht man mal vom Gebaren seiner Nachbarn ab ;)). Und Joachim, der preußischstrenge Militärangehörige - bloß keine Gefühle und Schwäche zeigen. Ich glaube, für ihn ist es die größte Demütigung überhaupt, in dieser Kuranstalt zu sein.
Settembrini ist mit Abstand der sympathischste Zeitgenosse unter den Anwesenden. Ein ziemlich guter Menschenkenner und auch -freund, der Hans von seinen überheblichen Vorstellungen herunterholt.
Mal schauen, ob ich das Kapitel heute noch beende - ansonsten dann bis Morgen :)
 

Helmut Pöll

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9. Dezember 2013
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Hups, bin ich tatsächlich die Erste im vierten Kapitel? Kaum zu glauben ...
Ich bin auch schon im Kapitel 4, @Xirxe

Settembrini ist mit Abstand der sympathischste Zeitgenosse unter den Anwesenden. Ein ziemlich guter Menschenkenner und auch -freund, der Hans von seinen überheblichen Vorstellungen herunterholt.
Settembrini ist mit Abstand der Lockerste von allen, das stimmt schon. Thomas Mann lässt aber auch keine Gelegenheit aus ihn als etwas unkonventionellen und schrägen Vogel zu schildern, unter anderem, indem er immer wieder auf die karierten Hosen zu sprechen kommt, die Settembrini scheinbar immer trägt. Dass Settembrini sich dann auch noch als die Sanatoriums-Tratsche entpuppt und über allen und jeden alles weiß und erzählt, das fand ich schon sehr lustig ;). Geheimnisse jedenfalls sind bei Settembrini sicher nicht gut aufgehoben.
 

Helmut Pöll

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9. Dezember 2013
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Bildquelle: wikipedia (gemeinfrei)

So sieht übrigens das Sanatorium Schatzalp in Davos aus, das im Roman mehrfach erwähnt wird. Vermutlich war der Berghof von ähnlicher Bauweise.
 

Helmut Pöll

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9. Dezember 2013
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So, jetzt ist es also so weit, die erhöhte Temperatur ist da und nach einer Untersuchung ist klar: Hans Castorp ist lungenkrank. Ein geräusch gibt es da, eine nasse Stelle am Lungenflügel.

Erst bei der Untersuchung wird klar, wie feinmasching Thomas Mann auf den 200 vorausgehenden Seiten sein Netz gesponnen hat. Jetzt fügt sich alles zusammen: der Großvater von hans Castorp, der an Lungenentzündung gestorben ist, ebenso wie der Vater davor. Die ganze Familie scheint also schwach auf der Lunge zu sein. Dann sind da die Schwindelanfälle gleich bei der Ankunft, die Hofrat Behrens auf die dünne Luft schiebt und den dadurch bedingten möglichen Ausbruch der Krankheit, die aber latent schon lange da war.
 

Leseglück

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Die Unterschiede zwischen Hans und seinem Cousin treten immer deutlicher hervor wie ich finde. Hans, der zu gerne dem Nichtstun frönt und Vieles nicht so streng sieht (sieht man mal vom Gebaren seiner Nachbarn ab ;)). Und Joachim, der preußischstrenge Militärangehörige - bloß keine Gefühle und Schwäche zeigen. Ich glaube, für ihn ist es die größte Demütigung überhaupt, in dieser Kuranstalt zu sein.
Settembrini ist mit Abstand der sympathischste Zeitgenosse unter den Anwesenden. Ein ziemlich guter Menschenkenner und auch -freund, der Hans von seinen überheblichen Vorstellungen herunterholt.
Mal schau:)en, ob ich das Kapitel heute noch beende - ansonsten dann bis Morgen

Den Unterschied zwischen Hans und Joachim sehe ich genau so: Joachim sieht auch für sich ein Ziel in der Welt draußen. Er weiß was er mit seinem Leben anfangen will, er will im Militär dienen. Bei Hans ist das nicht so, er weiß dass er arbeiten muss um Geld zu verdienen aber er sieht in der Arbeit nicht sein Lebensziel. Der Vetter will eigentlich gar nicht auf dem Zauberberg sein, während für Hans der Müßigang, die Dekadenz und die Nähe zum Tod auf dem Zauberberg etwas verlockendes hat.


Settembrini versucht Hans davon abzuhalten, sich vom Zauberberg einlullen zu lassen. Er tadelt ihn, als er Krankheit mit "Vergeistigung" gleichsetzt. Er rät ihm morgen abzureisen. Er warnt ihn vor der einschläfernden Wirkung der Musik usw.
 

Helmut Pöll

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Settembrini versucht Hans davon abzuhalten, sich vom Zauberberg einlullen zu lassen. Er tadelt ihn, als er Krankheit mit "Vergeistigung" gleichsetzt. Er rät ihm morgen abzureisen.
Settembrini scheint ein wenig die Rolle eines Zauberers innezuhaben, nicht nur der Worte. Er hat, was hans castorp angeht, auch einen sechsten Sinn, indem er ihn mehrfach zur Abreise drängt. Und diese Sorge stellt sich ja später als völlig berechtigt heraus.
 

Literaturhexle

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Nun bin auch ich mitten im 4. Kapitel angekommen. Leider kan ich mein Lesetempo nicht wirklich steigern und komme nur sehr langsam voran. Teilweise (wenn ich alleine bin :)) lese ich den Text laut: die Sprache ist ein Genuss :rolleyes:

Settembrini ist wahrlich ein Original! Was er alles weiß... Wie er allerdings an die zum Teil internen Informationen heran kommt, würde mich interessieren...
Manche seiner Monologe geraten aus meiner Sicht aber auch episch und langatmig, so ist mir nicht so recht klar, was sein revolutionärer Großvater in der Geschichte verloren hat. Geht es nur um den Vergleich mit dem Alten Castorp, den Hans ja selber zieht?

Hans Krankheit begann ja schon bei seiner Ankunft auszubrechen: das Sanatorium, das krank macht ;) erinnerte mich an Wellville aus dem Roman von Boyle, den ich ja vor kurzem gelesen habe....

Krokowski hat doch auch in seinem Vortrag über die Liebe erläutert, dass der Widerstreit zwischen Leidenschaft und Keuschheit in Krankheit mündet... Passt bei Hans zumindest ins Bild.
 
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Die Szene auf dem Schulhof als Hans Higge um einen Bleistift bittet: "Und er zog sein Crayon aus der Tasche, ein versilbertes Crayon mit einem Ring, den man aufwärts schieben musste, damit der rot gefärbte Stift aus der Metallhülse wachse."

Geht es nur mir so oder haben wir es hier mit einer ganz speziellen Symbolik zu tun? :)
 

Literaturhexle

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Jetzt, wo du es so sagst, @Leseglück , scheint mir der Fall eindeutig :D

Es ist, wie Helmut sagt: heute, wo man weiß, dass Thomas Mann ein nicht bekennender Homosexueller war (oder zumindest eine Sehnsucht nach Männern hegte), lesen sich viele Anspielungen anders. In den 30er Jahren gehörte Schwulsein noch nicht zu Lebenswirklichkeit der Menschen, da hat sich wahrscheinlich niemand was bei gedacht... Ich selbst habe es auch komplett überlesen!
Und dann noch in so schöne Worte verpackt.... Ein Schelm, wer Übles dabei denķt!
 
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so ist mir nicht so recht klar, was sein revolutionärer Großvater in der Geschichte verloren hat. Geht es nur um den Vergleich mit dem Alten Castorp, den Hans ja selber zieht
Ich glaube herausgelesen zu haben dass Settembrini und seine Vorfahren für Humanismus, Aufklärung und Fortschritt stehen während Castrops Familie für romantisches Festhalten an der Vergangenheit stehen, sozusagen, Settembrini für das europäische Prinzip, Castrops Familie für das asiatische Prinzip (nach Settembrini :) )

Die Stelle in der Settembrini von den zwei Prinzipien spricht, im Kampf um die Welt, ist glaube ich sehr wichtig. Man kann auch die einzelnen Personen den zwei widerstrebenden Prinzipien zuordnen: Joachim und Settembrini dem europäischen und die Clawdia Chauchat klar dem asiatischen Prinzip...Hans ist noch dazwischen...innerhalb seiner Person kämpfen Zivilisation gegen Dekadenz..obwohl man wohl schon ahnen kann, was er bevorzugt...

Ich denke manchmal wie unwissend die Ärzte waren. Tuberkulose ist doch ansteckend! Als Gesunder wird man da ja im Sanatorium krank. Heute könnte man die jungen Leute heilen mit Antibiotika...tragisch.
Aber das ist nicht das Thema des Buches...auch heute gibt es ja Krankheiten die man nicht heilen kann...und dass Hans im Sanatorium krank wird, das hat in diesem Roman andere Gründe als Ansteckung mit dem Bakterium...vielleicht psychosomatisch nach Krokowski :)
 
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Literaturhexle

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Die Stelle in der Settembrini von den zwei Prinzipien spricht, im Kampf um die Welt, ist glaube ich sehr wichtig.
Das behalte ich mal im Auge. Dass die Stelle wichtig war, habe ich befürchtet, danke , dass du mir Zugang gibst. Dazu passen würde auch der gute und der schlechte Russentisch, oder?

OMG
Stimmt! TB ist ansteckend....
Aber selbst in den Nachkriegsjahren wurden Leute noch in Sanatorien "gesammelt"- meine Tante war eine von ihnen.
 
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Ob sich Hans im Sanatorium angesteckt hat...schwer zu sagen. Frühere Infektionen hat sein Körper von selbst ausgeheilt. Joachim fragt zurecht, ob die neue "nasse" Stelle in der Lunge vielleicht im Flachland auch von selbst wieder abgeheilt wäre...Ob er sowieso auf den Zauberberg gekommen wäre, auch ohne den Besuch bei seinem Vetter?

Jedenfalls scheint er nicht nur traurig darüber zu sein, dass er jetzt dazugehört! Vorher hatte er sich ja schon ausgerechnet gehabt, dass er sich den Aufenthalt in Davos leisten könnte.

Die 5 Mahlzeiten am Tag finde ich unglaublich üppig...da würde ich schnell zunehmen! Ein wahres Schlaraffenland.
 
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Literaturhexle

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Bei der Untersuchung kommt doch heraus, dass Hans eine Vernarbung an der Lunge hat, also vermutlich schon lange vorher krank war.
Bist du sicher Helmut? Mir kommt der Dr. BEHRENS wie ein Quacksalver vor: er hat keinen Respekt vor seinen Patienten. Wie sie ihn vor dem Sanatorium treffen und er so locker leicht von den vielen Menschen spricht, die diese OPs nicht überleben..."dieser hier hat aber "Spaß verstanden "..." Das wirkt auf mich mehr als unseriös.
Dazu die Erklärungen, dass der Katharr durch die dünne Luft dort oben erst einmal ausbreche.... Das klingt alles mehr wirtschaftlich denn wissenschaftlich.
Wir werden sehen, was es mit BEHRENS noch auf sich hat!

Auch ich habe nun das Ende des 4. KAPITELS erreicht;)
 
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Xirxe

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Krokowski hat doch auch in seinem Vortrag über die Liebe erläutert, dass der Widerstreit zwischen Leidenschaft und Keuschheit in Krankheit mündet... Passt bei Hans zumindest ins Bild.
Bei Joachim aber noch viel mehr, finde ich. Für ihn scheint die Pflicht alles zu sein und Gefühle wohl nur eine Schwäche.
"Und er zog sein Crayon aus der Tasche, ein versilbertes Crayon mit einem Ring, den man aufwärts schieben musste, damit der rot gefärbte Stift aus der Metallhülse wachse."
Mein Gedanke, als ich das las, war: Endlich weiß ich, wie diese Teile heißen ;) Ich habe nämlich Einige davon.
Bist du sicher Helmut? Mir kommt der Dr. BEHRENS wie ein Quacksalver vor: er hat keinen Respekt vor seinen Patienten.
Ein Quacksalber ist er wohl nicht, aber Thomas Mann hat seine Aversionen im echten Leben gegen den Arzt seiner Frau hier wohl freien Lauf gelassen. Unsympathischer wirkt ja wohl nur die Oberschwester.
Dazu die Erklärungen, dass der Katharr durch die dünne Luft dort oben erst einmal ausbreche....
Naja, die dünne Luft ist es wohl nicht. Aber vermutlich kennst Du auch das Phänomen: Du standest längere Zeit im Stress und dann geht es in Urlaub. Schwupps, rafft Dich bereits die erste Erkältung oder sonst was dahin. Neudeutsch heißt es Leisure Sickness.

Da war ich schon so weit, und dann bin ich doch erst heute mit dem vierten Kapitel fertig geworden. Doch das schöne Wetter machte mir einen Strich durch die Rechnung ;) Aber das ist auch nicht so schlimm, denn wir sind hier ja nicht beim Wettlesen.
In dem letzten Unterkapitel ist mir wieder aufgefallen, wie unglaublich präzise Thomas Mann Personen beschreibt. Für diese Oberschwester könnte man garantiert mit entsprechender Begabung ein gelungenes Fahndungsbild erstellen :D

Mal schauen, ob demnächst einige Regenfronten bevorstehen - dann geht es sicherlich wieder rasch voran mit der Lektüre ;)
 
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Literaturhexle

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Aber das ist auch nicht so schlimm, denn wir sind hier ja nicht beim Wettlesen.
Ach? Etwa nicht :confused:

Mir geht es auch so: Das Wetter lockt in den Garten, die Sonne mahnt zum Putzen... Die Tage sind länger, da tritt das Lesen etwas kürzer.
Demnächst muss ich noch zwei Leserundenbücher lesen, ich befürchte dann werde ich den Anschluss an euch gänzlich verlieren...
Ich werde also sicher das Wettlesen NICHT gewinnen ;)
 
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