Viertes Buch

Literaturhexle

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Wieder stellt der Autor dem 4. Buch zahlreiche Berliner Schicksale voran, in diesem Fall zählt er die Bewohner des Hauses auf, in dem auch Franz Zuflucht gefunden hat.

Franz macht tagelang nichts. Er trinkt und döst. Er besucht die Juden, die ihn dieses Mal aber auch nicht aus seiner Lethargie lösen können.

Vom Fenster aus beobachtet er eines Nachts, wie in eine Großhandelsfirma im Hof eingebrochen wird. Gerner, der Hausverwalter, findet anschließend Whiskyflaschen aus dem Diebesgut im Hof, die er für sich selbst verwendet. In Folge wird er irrtümlich als Komplize der Ganoven verhaftet. Interessant dabei wieder der Vergleich mit Eva und dem Apfel der Versuchung, als Gerner die Flaschen findet... Diese Bezüge zum AT kommen ja häufig vor. Ebenso der Dialog zwischen Hiob und dem Satan, den wir getrost auf unseren Franz übertragen dürfen, der sich demnächst der schlechten Seite zuwenden wird. Lächeln durfte ich auch auf S. 135, begegnen wir hier doch unserem Bekannten aus der Odyssee, Telemach ;)

Ausgiebig beschäftigt sich das Kapitel auch mit dem Schlachthof und dem Töten von Tieren. Wenn ich nicht in meiner Kindheit so mancher Hausschlachtung live beigewohnt hätte - vielleicht hätte ich diese Seiten härter empfunden. Der Autor beschönigt nichts, man kann sich die Bilder gut vorstellen .

Schließlich rafft sich Franz doch noch auf und läuft ausgerechnet zu Minna. Es ist aber nur ihr Mann im Haus, der Franz die Meinung sagt und ihn vor die Tür setzt.
 

Querleserin

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In Folge wird er irrtümlich als Komplize der Ganoven verhaftet.
Wollte Gerner nicht gemeinsame Sache mit den Ganoven machen und die haben ihn verraten? Oder habe ich das falsch verstanden?

Ebenso der Dialog zwischen Hiob und dem Satan, den wir getrost auf unseren Franz übertragen dürfen,
Das sehe ich genauso. Hiob wird zum Prüfstein zwischen Gott und dem Satan. Gott erlaubt diesem, Hiob alles zu nehmen, sein Gut, aber nur gegen ihn selbst dürfe er nicht die Hand ausstrecken.
Der Satan "veranlasst", dass Hiob alles genommen wird, trotzdem wendet er sich nicht von Gott ab:
"Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen..."
Und auch Franz wird etwas genommen, auch er soll sich entscheiden, welchen Weg er weiter gehen will. Er kann nur sich selbst helfen?
Wie @Literaturhexle schon aufgeführt hat, gibt es erneut Bezüge zu Adam und Eva, die von der Schlange versucht wurden und aus dem Paradies vertrieben wurden.
Und der Kinderreim wird variiert: "Haben Kinder zu Hause, hungrige Mäuler, hungrige Mäuler, Vogelschnäbel, klapp auf, klapp zu, klapp auf, klapp zu..." und dann klingt es gar nicht mehr so unschuldig.
Die Schlachthofszenen sind wirklich sehr realitätsnah geschildert - da darf man nicht zart besaitet sein - ist aber die Wirklichkeit bzw. war sie um diese Zeit.
Die Frage stellt sich nun, ob sich Franz wieder erholt.
 

Literaturhexle

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Wollte Gerner nicht gemeinsame Sache mit den Ganoven machen und die haben ihn verraten? Oder habe ich das falsch verstanden?
Ich müsste nachlesen, meine aber, dass Gerner als Hausmeister aus dem Fenster schaute und den Bruch beobachtete. Er hat ihn aber nicht gemeldet.
Am nächsten Tag hat er die Flaschen gefunden und ist der Versuchung erlegen, sie mitzunehmen. Durch das Diebesgut wurde er überführt.

Korrektur:
Franz schaute aus dem Fenster, verrät aber niemanden.
Gerner scheint nicht involviert zu sein, findet auf S. 150 aber die Flasche (wieder unter der Erwähnung des Eva-Motivs), die ihn später verdächtig macht.
 
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Korrektur:
Franz schaute aus dem Fenster, verrät aber niemanden.
Gerner scheint nicht involviert zu sein, findet auf S. 150 aber die Flasche (wieder unter der Erwähnung des Eva-Motivs), die ihn später verdächtig macht.
Habe jetzt auch wieder nachgelesen. Gerners Frau hatte wohl ein sexuelles Abenteuer mit einem der Diebe, nachdem der "Lange" fälschlicherweise von den Kriminalbeamten für Herrn Gerner gehalten wird. Gerner will den Diebstahl allein durchziehen bzw. mit seiner Frau:
"Und am Abend, wie die ganze Firma um 2 Uhr den Keller verlassen hat und Gerner sich da hat einschließen assen mit seiner Frau..."
Allerdings tauchen dann doch die Einbrecher auf und betrügen ihn, indem sie das Diebesgut in seine Wohnung bringen und ihn dann wahrscheinlich verraten.
Aber eigentlich ist das für die Biberkopf-Handlung nicht so wichtig.
 
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Literaturhexle

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Aber eigentlich ist das für die Biberkopf-Handlung nicht so wichtig.
Trotzdem Danke! Meine Version hätte auch gut in die Handlung gepasst.
Dass Gerner das mit seiner Frau allein durchziehen wollte, habe ich wohl verdrängt. Doch angesichts der Detaildichte kann man sich auch nicht alles merken. In den Zusammenfassungen (es war ja noch niemand zum Diskutieren da :() habe ich mich auch auf die Biberkopf-Handlung beschränkt.
 
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MRO1975

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Das 4. Buch empfand ich als Zwischenkapitel. Franz liegt am Boden, er wurde betrogen, hat kein Geld mehr und muss sich nun entscheiden, wie er weitermachen will. Da passt das eingeschobene Gespräch mit Hiob sehr gut ins Bild. Wie @Querleserin ja schon herausgefunden hatte, ist die Hiob-Geschichte eine Thema, an dem sich auch Franzens Geschichte stark orientiert.

Heftig fand ich die Schlachthausszene. Sie zeigt aber gut, in welch schizophrener Welt wir leben. Direkt nebenan werden Tiere aufs grausamste getötet, damit wir sie essen können. Das wissen wir, blenden es aber aus. Mea culpa!

Der Stil überzeugt mich mehr und mehr. Bin mittlerweile auch schon mitten im 5. Buch.
 

MRO1975

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Er besucht die Juden, die ihn dieses Mal aber auch nicht aus seiner Lethargie lösen können.
Sehr schön fand ich hier die platte Beschreibung, dass sie sprachen und sprachen, ohne dass uns der Inhalt mitgeteilt wird (S. 146). An anderer Stelle gibt der Autor häufiger Dialoge wieder, die auch viele Wörter beinhalten, aber null aussagen - eine Plattitüde an der anderen. Das kann man auch heute noch beim Smalltalken häufig beobachten. ;)
 

ElisabethBulitta

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Ausgiebig beschäftigt sich das Kapitel auch mit dem Schlachthof und dem Töten von Tieren. Wenn ich nicht in meiner Kindheit so mancher Hausschlachtung live beigewohnt hätte - vielleicht hätte ich diese Seiten härter empfunden. Der Autor beschönigt nichts, man kann sich die Bilder gut vorstellen .

Ich muss gestehen, ich konnte es nicht wirklich lesen. Ich fand es allerdings als Kind auch schon schrecklich, wenn Karnickel geschlachtet wurden. Konnte ich auch nie hinschauen. Jedenfalls habe ich beim Lesen wieder einmal verstanden, warum ich Vegetarierin bin (wobei ich weiß, dass das auch nur was Halbherziges ist).
 

ElisabethBulitta

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Franz liegt am Boden, er wurde betrogen, hat kein Geld mehr und muss sich nun entscheiden, wie er weitermachen will. Da passt das eingeschobene Gespräch mit Hiob sehr gut ins Bild. Wie @Querleserin ja schon herausgefunden hatte, ist die Hiob-Geschichte eine Thema, an dem sich auch Franzens Geschichte stark orientiert.

Wobei ich schon Unterschiede zu Hiob sehe. Hiob "war untadelig und rechtschaffen; er fürchtete Gott und mied das Böse." (Einheitsübersetzung) - das kann man von Franz nicht gerade behaupten. Wenn ich mich richtig erinnere, musste Hiob leiden, weil Gott und der Satan miteinander gewettet haben. Hiob selbst hat keinen (offensichtlichen) Fehler begangen. Franz empfinde ich nicht als völlig unschuldig. Er gibt sich Mühe, macht allerdings Fehler (was allerdings absolut menschlich ist).

Aber auf jeden Fall sind beide Geschichten Geschichten vom Leid eines Menschen.
 

kingofmusic

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Die Schlachthausszene hat mich an die spätere Behandlung der Juden durch die Nazis erinnert. Echt gruselig...Weiter bin ich jetzt noch nicht, aber die Assoziation wollte ich schon mal mit euch teilen.

Ich habe zum Glück nie einer Liveschlachtung von Tieren beigewohnt, obwohl mein Vater Fleischermeister war und er früher (vor meiner Geburt) mit seinem Vater einen eigenen Laden hatte. Zum Glück hat mein Vater mich nie gezwungen in seine Fußstapfen zu treten.
Ich habe auch heute noch ein eher distanziertes Verhältnis zu Fleisch - insbesondere zu Innereien, Blutwurst usw. :mad:
 

MRO1975

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Wobei ich schon Unterschiede zu Hiob sehe. Hiob "war untadelig und rechtschaffen; er fürchtete Gott und mied das Böse." (Einheitsübersetzung) - das kann man von Franz nicht gerade behaupten. Wenn ich mich richtig erinnere, musste Hiob leiden, weil Gott und der Satan miteinander gewettet haben. Hiob selbst hat keinen (offensichtlichen) Fehler begangen. Franz empfinde ich nicht als völlig unschuldig. Er gibt sich Mühe, macht allerdings Fehler (was allerdings absolut menschlich ist).

Aber auf jeden Fall sind beide Geschichten Geschichten vom Leid eines Menschen.
Da stimme ich dir zu. Franz ist kein Hiob. Döblin vergleicht die beiden nur, aber beide sind unterschiedlich. Thematisch verknüpft sind beide aber dadurch, dass beide Leid und Schicksalsschläge erfahren, auf die sei keinen Einfluss haben. Dadurch werden sie auf die Probe gestellt.
 

Querleserin

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Wobei ich schon Unterschiede zu Hiob sehe. Hiob "war untadelig und rechtschaffen; er fürchtete Gott und mied das Böse." (Einheitsübersetzung) - das kann man von Franz nicht gerade behaupten. Wenn ich mich richtig erinnere, musste Hiob leiden, weil Gott und der Satan miteinander gewettet haben.
Da hast du Recht - die Gemeinsamkeit ist die leidvolle Erfahrung und die Frage, ob sie sich von Gott abwenden bzw. im Fall von Franz, ob er wieder auf die schiefe Bahn gerät.
Der Vergleich zwischen Hiob und Faust ist offensichtlicher, schließlich ist auch Faust Gegenstand einer Wette zwischen dem Herrn und Mephistopheles, dem Teufel.
 

Literaturhexle

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Der Vergleich zwischen Hiob und Faust ist offensichtlicher, schließlich ist auch Faust Gegenstand einer Wette zwischen dem Herrn und Mephistopheles, dem Teufel.
Wollten wir nicht mal eine Leserunde zu Faust machen, die Du, liebe Querleserin mit deinem profunden Wissen unterstützt :)
Ich komme auch deshalb darauf, weil jüngst sogar mein Mann (!!!) meinte, er müsse mal den Faust lesen...
 

Literaturhexle

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ElisabethBulitta

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Interesse hatten schon mal geäußert
@ElisabethBulitta (in den Sommerferien, die bei ihr HEUTE anfangen)

Ich hatte heute schon den ersten freien Tag, da wir heute einen beweglichen Ferientag hatten. Ich habe zwar nicht so ganz verstanden, warum der Elternbeirat drauf bestand (denn dieser eine Tag mehr hat gar nichts gebracht), aber ok.

Ich bin gerne bei der LR dabei.