Thema "Vati" von Monika Helfer ab 18. Januar 2020

ulrikerabe

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Ich habe begonnen. Bin erst auf Seite 13, aber schon wieder ganz drinnen in der Familiengeschichte von Monika Helfer.

"Wenn man einen Menschen ein Leben lang kennt und erst spät erfährt man, wer er im Grunde ist, dann kann man das vielleicht schwer ertragen."

Und dennoch macht sich die Autorin auf die weitere Spurensuche.

"...mehr war als erfunden...Wart damit, bis ich tot bin. Dann muss ich mich nicht ärgern."
 

ulrikerabe

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Der Vater hätte wohl Dade zum eigenen Vater, dem Lungauer Bauern gesagt, wenn er ihn überhaupt Vater hätte nennen wollen. Däda sagen sie angeblich im Montafon zum Vater, sagt mein Vorarlberger.

Sie: Du, die Frau Helfer schreibt, dass ihr Vater wollte, dass die Kinder Vati zu ihm sagten,weil das moderner klingt. Wie habt ihr denn in Bregenz zu eurem Vater gesagt.
Er: Papa, wir waren ja Städter.
:)
 

ulrikerabe

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Der Vater hätte wohl Dade zum eigenen Vater, dem Lungauer Bauern gesagt, wenn er ihn überhaupt Vater hätte nennen wollen. Däda sagen sie angeblich im Montafon zum Vater, sagt mein Vorarlberger.

Sie: Du, die Frau Helfer schreibt, dass ihr Vater wollte, dass die Kinder Vati zu ihm sagten,weil das moderner klingt. Wie habt ihr denn in Bregenz zu eurem Vater gesagt.
Er: Papa, wir waren ja Städter.
:)
was ich dann noch einmal mehr amüsant finde, wenn ich weiterlese und sehe wie Josef zu den Städtern, zu Bregenz und zu Wien steht. :)

und man sieht wie wichtig das Thema Herkunft in den Köpfen der Leute verankert ist. Die hat gar nichts mit Zuwanderung zu tun. Stadt, Land, aus dem hintersten Wald. Nicht dazuzugehören oder sich zu erhöhen, das kann in einem kleinen Gefüge schon eine Ortschaft weiter sein.
 

Literaturhexle

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ich dann noch einmal mehr amüsant finde, wenn ich weiterlese und sehe wie Josef zu den Städtern, zu Bregenz und zu Wien steht. :)
Ja. Und das gibt es wirklich im ländlichen Raum fast überall.
Ich bin hier ja zugezogen, deutlich hörbar am nicht vorhandenen Dialekt. Wie oft hörte ich anfangs:"ich komm auch nicht von hier. "Ah. Woher denn?" "Aus.....(was Der Nachbarort ist:confused:)"
Aber wir sind Europäer, gell?!?
 
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ulrikerabe

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Josef und die Bücher: das macht schon den Buben im Salzburgischen zu einem besonderen Kind.

[zitat]"Mein Vater erinnerte sich an jedes einzelne Buch" [/zitat]Bewundernswert!

Mein Papa hat sehr viel gelesen. Weniger Literarisches als Kriminalromane, Chandler und so ;) Wenn wir miteinander einen Film angeschaut haben, ist er oft aufgesprungen, hat ein Buch aus dem Regal gezogen, ein bisschen geblättert und dann die Szene gefunden, die wir gerade gesehen haben. (Oft hat er sich beschwert, dass das im Buch dich ganz anders ist!)

[zitat]"Wenn du dir eine Bibliothek anschaust...kannst du alles über den sagen, dem sie gehört."[/zitat] ♥
Ich mache das auch, wenn ich zum ersten mal bei jemandem zu Hause bin. Schauen, welche Bücher im Regal stehen. Mein Exmann hatte einige gute Seiten, die von Stephen King (Hätte mir vielleicht zu denken geben sollen. :) )
Bei meinem Liebsten waren es dutzende Fachbücher über Informatik, Arno Geiger, Wolf Haas, Andrea Camilleri, Stephen Fry und Stanislaw Lem. Ich bin geblieben.

Wie man ein Buch hält, daran riecht, es aufschlägt...daran misst der Josef, ob er jemanden leiden kann oder nicht.
Vielleicht hat ihm der Michael auch ein bisschen was vorgelesen. ♥
 

Literaturhexle

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Ich mache das auch, wenn ich zum ersten mal bei jemandem zu Hause bin. Schauen, welche Bücher im Regal stehen.
Klar! Wenn es denn Bücher gibt. In modernen Haushalten ist alles so schrecklich aufgeräumt: nur noch schwarz und Weiß und maximal ein Buch und eine Zeitschrift als Dekoration... Aber vielleicht liegt es daran, dass es noch einen Salon oder eine Bibliothek gibt?!

Schön, dass beim Lesen offenbar Erinnerungen bei dir geweckt werden!
 

ulrikerabe

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Klar! Wenn es denn Bücher gibt. In modernen Haushalten ist alles so schrecklich aufgeräumt: nur noch schwarz und Weiß und maximal ein Buch und eine Zeitschrift als Dekoration... Aber vielleicht liegt es daran, dass es noch einen Salon oder eine Bibliothek gibt?!

Schön, dass beim Lesen offenbar Erinnerungen bei dir geweckt werden!
Ich führe definitiv keinen modernen Haushalt :D
 

Barbara62

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Seite 118:
Das ist ja gar kein Buch nur über den Vati. Die Mutti kommt auch darin vor und gar nicht so knapp.
Im Wohnheim hatte Tante Irma das Zepter über die wichtigen Dinge in der Hand, die Mutter kümmerte sich um das Unwichtige wie Vögel und Rehe füttern. Sie war eher flüchtig, sanft und labil.
Als der Vater sich das Leben zu nehmen versucht, bricht sie depressiv zusammen, igelt sich im Schlafzimmer ein. Irma ruft die Geschwister zusammen: Die Grete braucht euch jetzt! Wie schön, dass sie alle auf die Tschengla kommen. Das scheint sie irgendwie aus ihrem Kummer herauszureißen. Endlich kann sie weinen.

Was es von "Die Bagage" unterscheidet, ist, dass Monika Helfer hier viel mehr eigene Erinnerungen beitragen kann. Dabei sieht sie, dass ihre Erinnerungen und die ihrer Schwester Gretel manchmal abweichen, in Kleinigkeiten. Erinnerungen sind unzuverlässig.

Der Aufmarsch der mütterlichen Geschwister und die Entschiedenheit Kathes sind eine der beeindruckendsten Szenen. Irgendwo habe ich gelesen, dieser Band wäre weniger gut als der erste, ich kann das überhaupt nicht verstehen. Ich liebe "Vati"!
 

Barbara62

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Seite 118:
Warum hat der Vater sterben wollen? War es wirklich die Angst, wegen der Bücher als Dieb und Betrüger dazustehen? Dieser Grund wirkt auf mich so abstrakt, dass ich das gar nicht glauben kann. Schließlich hat der Mann drei (vier) Kinder, die kann man doch nicht einfach sitzen lassen, noch dazu mit einer schwächelnden Mutter? Die Autorin hat ja nur ihre kindlichen Erinnerungen zur Verfügung. Hat sie viellleicht etwas übersehen? Oder kam beim Vater wirklich noch etwas Dunkles vom Krieg hinzu, das man schwerlich benennen kann?

Ich hatte keine Probleme, mir den Bücherdiebstahl als Selbstmordgrund vorzustellen. Der Vater empfand die Aufdeckung als übergroße Schande, es war ja ein Diebstahl an den Invaliden. Das wollte er seiner Familie ersparen. Umso schlimmer, weil es ja gar nicht auffiel.
 
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Barbara62

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"Die Ärmsten der Armen sind unsere Wohltäter" (S. 109). Kathe nimmt die drei Mädchen in ihre Dreizimmerwohnung auf - acht Personen auf engstem Raum. Irma dagegen nimmt "nur" Richard. Die Großherzigkeit und der selbstverständliche Zusammenhalt sind, was mich an Monika Helfers Biografie so unglaublich berührt.

Vieles in diesem Band ist auch die Biografie von Monika Helfer. Der frühe Tod so vieler Angehöriger, zuletzt auch ihrer Tochter Paula, geht mir unglaublich nah. Es ist die Art, wie es erzählt wird, kurz, überhaupt nie rührselig, aber zu Herzen gehend.
 

Barbara62

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Ende:
Die Autorin fährt mit den Episoden aus ihrem Leben fort. Die Zeit in der Südtirolersiedlung muss hart gewesen sein, nachdem man die Freiheit, die Harmonie und die Weite auf der Tschengla kennengelernt hatte. Kein Wunder, dass die Jahre auf dem Berg als "das Paradies" geheiligt werden. Trotzdem ist es ehrenwert, dass Tante und Onkel die drei mutterlosen Kinder aufnehmen - in ihrer kleinen Wohnung. Noch dazu dürfen sie im Wozi schlafen, einem Raum, der sonst nur selten betreten wird. Der einzige, der die Eindringlinge tyrannisiert, ist der große Cousin, der selbst Leid und Gewalt durch seinen Vater erfährt und das vielleicht irgendwie weitergibt. Wie lakonisch es auf Seite 122 heißt, dass sie nichts mehr von ihm gehört hat.Man hat sich aus den Augen verloren.

Die Sache mit dem Wohnzimmer kenne ich noch von meinen Großeltern. Dort wurde auch nur geheizt, wenn am Wochenende Besuch kam. Ansonsten war man in der Küche. Oder wenn zu runden Geburtstagen der Bürgermeister und der Pfarrer kamen.

Da gäbe beinahe jede Figur wieder ein Buch. Doch so wie Monika Helfer im Interview sagt, ist sie mit ihrer Familie fertig. Vielleicht nur noch...
Sie erzählt aber auch davon, wie schwierig es ist, sich dem Vater so zu nähern. Will man als sein Kind, das man auch im Alter noch ist, dem Vater und seinen Geheimnissen so nahe kommen?
Es gab eine Zeit, so mit 15 / 16 Jahren, da störte sie alles an ihm .
„ Und dann auf einmal war‘s vorbei. Ich war gesund. Geheilt von der Wutkrankheit. Er regte mich nicht mehr auf...., ich bemitleidete ihn nicht, ich überschätzte ihn nicht, ich unterschätzte ihn nicht.“
Sie war erwachsen, führte ein eigenständiges Leben und da kann sie ihm verzeihen, ihn verstehen, ihn akzeptieren, wie er ist.
So weit sollte jeder im Verhältnis zu seinen Eltern kommen .
Mein Urteil über dieses Buch ähnelt dem Deinen. Es ist im gleichen Stil geschrieben wie „ Die Bagage“, hat die gleichen Qualitäten, die gleiche Dichte und gefällt mir ebenso.

Ich stimme dir voll und ganz zu. Die Qualität von "Vati" ist, dass man Monika Helfers Stimme direkter hört, sie hat das meiste von dem erlebt, über das sie schreibt. Dafür war "Die Bagage" vielleicht noch origineller, überraschender. Aber letztlich haben mir beide Bücher ausgezeichnet gefallen und ich würde bestimmt jedes weitere Buch von ihr zu ihrer Familie lesen. Schließlich bin ich inzwischen total vertraut mit allen, sogar einen Stammbaum habe ich mir gezeichnet. :)
 

ulrikerabe

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Man ist sofort in der Geschichte angekommen. Vielleicht noch schneller, wenn man die Anspielungen zur Bagage versteht, aber ich denke, sie sind auch ohne deren Kenntnis verständlich. Der Stil ist mehr als geradlinig, lässt alles Überflüssige weg, wirkt dadurch aber umso tiefer. Schaut euch das oben genannte Zitat an. Jedem Grundschüler würde dieser "und"-Stil verboten... Trotzdem trifft die Passage ins Herz.

Was ein großartiges kleines Buch!

Ich glaube genau deswegen, verwende ich das so gerne. Und ich finde auch, das Buch ist ein Kleinod.
 

ulrikerabe

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Ich bin da gerade auf Seite 76 und mir schwirrt gerade ein wenig der Kopf, weil ich im Barnes bei der Stelle bin, wo es um Catherines Tagebuch aus der Jugend geht.

@Literaturhexle schreibt hier "die kindliche eindimensionale Urteilskraft". Und es passt hier wie dort, dass sich Kinder ihre Eltern kaum als jemand anders vorstellen können als Mutter und Vater. Dass die Eltern auch Frau und Mann sind, dass sie eine Leben vor den Kindern hatten und ein Leben neben den Kindern. Das kindliche Auge kann das noch nicht scharf sehen, das kommt erste später. Amnchmal so spät, dass es nicht mehr möglich ist, die Eltern zu fragen, wie es für sie war, damals, was sie gedacht haben. Wie sie dieselben Ereignisse, erlebt haben.

Mich hat die Stelle sehr berührt, als es um den Vogelbeerbaum ging, den Tod der Mutter und den Tod von Paula. Es muss schrecklich sein, wenn ein Kind die Mutter verliert. Aber auch die Mutter das Kind.
[zitat]"Weil man irgendetwas anstellen muss, die Tage sind so unheimlich, so unheimlich lang, wenn ein Mensch fehlt."[/zitat]
 
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ulrikerabe

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Wer wissen möchte wie Michael Köhlmeier das Buch richtig in die Hand nahm, um das Wolwollen seines zukünftigen Schwiegervaters zu erlangen.
Und noch einiges mehr aus dem Alltag des Schriftstellerpaares Helfer/Köhlmeier
 

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