V. Teil - Das Ende

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Wadern
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Was für ein Ende...das die Geschichte tragisch ausgehen wird, war ja vorauszusehen. Dass sie auf ganzer Linie tragisch wird, hätte ich mir persönlich anders gewünscht.
Rudolf gesundet nach dem Nervenschock allmählich wieder und bleibt trotz allem bei Thea. Zwar blitzt immer wieder die Wut in ihm auf, und einmal wehrt er sich sogar. Mit dem Ergebnis, dass Thea ihn hinauswirft, so dass er zwei Tage außer Haus verbringt - sogar in ein Armenquartier verschlägt es ihn.
Danach bittet Lotte ihn zu sich und sie breitet schonungslos die Wahrheit vor ihm aus. Dass Thea sich über ihn lustig mache, das Kind von Dr. Ostwald sei, sie ihn betrüge und das ganz öffentlich. Doch es scheint, als wolle Rudolf es nicht wahrhaben. Immer wieder flüchtet er in Gedanken vor der Wahrheit. Lotte stellt ihn vor die Wahl - sie möchte mit ihm weggehen, weil sie ihn liebt. Seit 2 Jahren schaut sie seinem Leiden zu und leidet mit - doch unbegreiflicherweise weist Rudolf sie ab. Er könne Thea nicht verlassen.
Dass er im Leiden Lust empfindet, bestätigt sich leider. Selbst als Lotte ihrem Leben ein Ende setzt, verlässt er Thea nicht, obwohl etwas in ihm unwiderruflich zerbrochen ist. Aber auch ihren Tod verdrängt er immer wieder. Er scheint kaum noch bei klarem Verstand zu sein.
Erst als Thea ihn vor seinen Augen mit Heidelberger betrügt - gelingt es ihm (endlich möchte man rufen), sich von ihr zu befreien - nicht ohne dass er vorher lange durch das nächtliche Wien streift.
Er tötet sie mit einem Messer und setzt seinen Qualen damit vorläufig ein Ende.

Sehr erhellend ist das Nachwort - der Begriff melancholischer Masochist ist sehr passend für den Protagonisten. Unglaublich, dass der Roman tatsächlich autobiografische Züge aufweist und Vogel selbst von einer dominanten Frau "beherrscht" wurde.
 

Leseglück

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7. Juni 2017
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Als Thea Rudolf nachts aussperrt, irrt er die ganze Nacht in Wien herum. Im Nachwort heißt es dann, dass der Autor solche obdachlosen Nächte in Wien tatsächlich erlebt hat. Das glaube ich sofort, denn diese zwei Nächte ohne ein Zimmer werden so genau und quälend beschrieben.

Ich habe mich gefragt warum der Autor so lange einen der Insassen des Obdachlosenheimes zu Wort kommen lässt. Ein Vorgriff auf das Gefängnis, das Rudolf ja nach dem Mord an Thea erwartet?

Nach dem Selbstmord von Lotte ist Rudolf nicht mehr völlig in der Realität. Er kann den Tod von Lotte nicht annehmen, auch weil er sich schuldig fühlt. Immer wieder denkt er, sie lebe noch und er müsse sich auf eine Reise mit ihr vorbereiten.
 

Literaturhexle

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Kapitel 31 ist sehr intensiv! Thea hat ihre Bösartigkeit wieder ausgelebt und G. mitten in der Nacht aus der Wohnung geschmissen. Er flaniert herum, muss bei beißender Kälte die Zeit totschlagen. Interessante Begegnungen macht er. Obwohl selbst arm, rückt er Zigaretten und Kleingeld raus. Zum Schluss an die Falsche: diese Hexe im Kaffeehaus, die ihn anschnorrt, lügt und ihn anschließend beschimpft.
Dieses Kapitel ist so gut geschrieben, dass man das langsame Vergehen der Zeit spüren kann. Stark!

G. ist wirklich eine tragische Figur.
Er erkennt Thea, aber auch, dass es weder mit ihr noch ohne sie geht.
 
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Literaturhexle

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Dass er dissoziiert habe ich auch gedacht. Die Realitätsebenen verschwimmen. Kann man das auf eine starke Verdrängung zurückführen? Die Gefängnisgeschichte ist für mich so ein verzögerndes Moment - kurz vor der Katastrophe @Leseglück .
Ich denke, da kommt vieles zusammen: die Trauer, der Schock. Auf einmal kann er Theas Verhalten nicht mehr verdrängen, die Erkenntnis stößt auf ihn herab wie eine Keule.

Hinzu kommt, dass er ein schmächtiger, kleiner Mann ist, permanent in Bewegung bei nur geringer Nahrungsaufnahme. Das wäre auch für einen kräftigen Menschen alles zuviel. G. ist ein schwacher Mensch: kein Wunder, dass ihm Gegenwart/Traum/Realität durcheinander geraten. Er ist "völlig neben sich".
 
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Literaturhexle

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Sehr erhellend ist das Nachwort - der Begriff melancholischer Masochist ist sehr passend für den Protagonisten. Unglaublich, dass der Roman tatsächlich autobiografische Züge aufweist und Vogel selbst von einer dominanten Frau "beherrscht" wurde.

Absolut! Sein Lebenslauf hier im Schaufenster weicht davon ab. Nach jenem Eintrag verbrachte er nur eine sehr kurze Zeit in Wien. Das konnte ich mir schwer vorstellen, weil Vogel die Stadt in allen Facetten sehr detailliert beschreibt. Man bekommt ja das Gefühl, dort zu sein, so gut ist ihm das gelungen.

Die Beschreibung dieser Ehe MUSSTE autobiografische Züge haben, oder zumindest brauchte der Autor intime Einblicke in eine so geartete Beziehung.

Der Begriff der masochistischen Melancholie trifft es ziemlich gut: auch dieses endlose Durchstreifen der nächtlichen Stadt... Wie unglücklich muss jemand sein, der das tut? Ohne letztlich zu einer Lösung zu kommen?
Es war angesichts seines tragischen Charakters fast klar, dass er Lotte (als Licht am Horizont) nicht nimmt. Weil er Masochist ist. Blind hat er nicht mal gemerkt, dass Lotte leidet angesichts seines Ehedramas...
Der Mord an Thea hatte etwas Erlösendes.
 
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