Truppenparade (Anatole France), Seite 5-6

Literaturhexle

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Diese kurze Geschichte ist bereits deutlich vor 1914 entstanden und soll als Prolog dienen. Beschrieben wird die Truppenparade als Kinderspiel. Die vier spielenden Kinder glorifizieren das Militär, "der Soldat gehört ins vorderste Glied des Vaterlandes".
Die kleine Kompanie greift die Chinesen an. "Stühle sind wie geschaffen dazu, die Chinesen darzustellen. Sie fallen um."
Nach dieser erfolgreichen Schlacht wird gegessen. Nur der düstere Etienne isst nichts. Er packt sich die Insignien des Generals, geht ins Nebenzimmer. Nun darf endlich er - ganz für sich allein - General sein.

Der Krieg als Spiel. Soldatsein gleichbedeutend mit Mannsein, Tapfersein. Die Jungen träumen davon, General zu werden. Er ist ihr Held. Nur der kleine Jaques macht nicht richtig mit. Er ist ein "Melancholiker". Aber auch Träumer können tapfer sein. Also müssen ALLE tapfer sein und in den Krieg ziehen.

Mir hat der Text gefallen. Ich musste ihn mehrmals lesen.
 
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Krieg ein Kinderspiel, sehr zweideutig, denn die Kinder ahmen nur nach, was vor jedem Kriegsausbruch von Kriegstreibern dem Volk aufgetischt wurde und wird:
Alles ganz einfach, der Feind in Windeseile verlustfrei besiegt
(Warum eigentlich Chinesen? Weil sie so weit weg sind, kolonialisiert von den Briten ein sowieso unterdrücktes und damals verachtetes Volk?)
und danach gibt es Kuchen. Das erinnert mich fast ein bisschen an Gedichte von Heine (Deutschland - Ein Wintermärchen)...auch die durchaus rhythmische Sprache hat für mich etwas lyrisches, allerdings mehr im Sinne von marschierender Lyrik, wenn ihr wisst was ich meine.

Es gibt Platz im Krieg für Melancholiker (die ja sonst nicht so genau wissen wohin mit sich, hier können auch sie tapfer sein und gehören dazu - brrrr! Bei so etwas läuft es mir immer eiskalt den Rücken runter), man sieht schick aus in Uniform, denn damals war das durchaus ein Statussymbol.
Und Ehrgeizlinge gibt es auch, der kleine und düstere Etienne, der sofort General werden möchte und sich beim anschließenden Schmausen (Siegesfeier?) davon schleicht - für mich der karierregeile Militarist in der Geschichte.

Was mir aufgefallen ist: es wird häufig das Wort Spiel benutzt, was den Krieg in meinen Augen tatsächlich verniedlichen soll.
 
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Diese kurze Geschichte ist bereits deutlich vor 1914 entstanden und soll als Prolog dienen. Beschrieben wird die Truppenparade als Kinderspiel. Die vier spielenden Kinder glorifizieren das Militär, "der Soldat gehört ins vorderste Glied des Vaterlandes".
Die kleine Kompanie greift die Chinesen an. "Stühle sind wie geschaffen dazu, die Chinesen darzustellen. Sie fallen um."
Nach dieser erfolgreichen Schlacht wird gegessen. Nur der düstere Etienne isst nichts. Er packt sich die Insignien des Generals, geht ins Nebenzimmer. Nun darf endlich er - ganz für sich allein - General sein.

Der Krieg als Spiel. Soldatsein gleichbedeutend mit Mannsein, Tapfersein. Die Jungen träumen davon, General zu werden. Er ist ihr Held. Nur der kleine Jaques macht nicht richtig mit. Er ist ein "Melancholiker". Aber auch Träumer können tapfer sein. Also müssen ALLE tapfer sein und in den Krieg ziehen.

Mir hat der Text gefallen. Ich musste ihn mehrmals lesen.
Gefallen hat mir der Text auch. Aber ich habe ein Gefühl, dass mir etwas wesentliches entgangen ist. Aber vlt. gibt es noch zündende Ideen...oder mein Gefühl täuscht mich.
 
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Diese kurze Geschichte ist bereits deutlich vor 1914 entstanden und soll als Prolog dienen.
Weißt du, wann sie entstand?
Ich frage mich nämlich gerade, ob der Autor sich auf Kriegstreibereien von Frankreich, Deutschland oder den Krieg allgemein bezieht. Hatten Deutsche oder Franzosen vor 1914 etwas mit Chinesen? Ich weiß es gerade nicht...Aber vielleicht sind die Chinesen wirklich einfach nur Sinnbild für Kolonialisierung und Aufstände in Kolonien, die ja vor dem Ersten Weltkrieg ganz groß geschrieben wurde.
 
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Übrigens haben wir die Geschichte eines Literaturnobelpreisträgers gelesen. Anatole France erhielt ihn 1921, dessen Gesamtwerk vom Vatikan 1922 auf den Index gesetzt wurde.
und seine schriftstellerische Karriere begann mit Lyrik.
Interessant finde ich auch, dass er vom Konservativismus und sogar Chauvinismus später nach links rückte.
Im Artikel steht auch, dass der Autor seine Figuren mit dem von ihm Gewollten und Abgelehnten zu offensichtlich ausstattete, wodurch sie flach wirken.

https://de.wikipedia.org/wiki/Anatole_France
 
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Literaturhexle

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Warum eigentlich Chinesen? Weil sie so weit weg sind, kolonialisiert von den Briten ein sowieso unterdrücktes und damals verachtetes Volk?)
So habe ich mir das auch zurecht gelegt. China war zudem ein armes Land, das Militär, falls vorhanden, sehr rückständig.
auch die durchaus rhythmische Sprache hat für mich etwas lyrisches, allerdings mehr im Sinne von marschierender Lyrik,
Ja! Das hast du gut eingefangen. Kinder wollen (auch heute noch) Helden haben und ahmen diese nach. Krieg zu spielen in diesen Zeiten wies mehr als gewöhnlich gewesen sein.
Es gibt Platz im Krieg für Melancholiker
Das fand ich auch heftig: schließlich muss JEDER einrücken- unabhängig von seinen individuellen Neigungen. Nach Gefühlen fragt dich keiner!
Und Ehrgeizlinge gibt es auch, der kleine und düstere Etienne,
Zudem fehlt ihm noch der Respekt der Truppe. Er muss seine Ambitionen quasi hintenrum ausleben.
Aber ich habe ein Gefühl, dass mir etwas wesentliches entgangen ist.
Das Gefühl habe ich auch. Deshalb habe ich den Text mehrfach gelesen. Zum Glück gibt es hinten Kurzbiografien und Erklärungen im Anhang. Dort steht, dass der Text weit vor 1914 entstanden ist, also passt er in die Zeit der Kolonialkriege. Das ist auch nicht wichtig. Es geht um den Krieg als solchen und dass viel zu leichtfertig damit umgegangen wird.
 

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Gänsehaut bei 2 Seiten Text - das schaffen nicht viele Autoren...Er sagt hier mehr als andere in ganzen Büchern.

Fast schon poetisch kommt der Satz "Träumer können ebenso tapfer sein, wie diejenigen, die überhaupt nicht träumen." daher. Kein Wunder, dass er später den Literaturnobelpreis erhalten hat.

Ich glaube, die Chinesen mussten "herhalten", da sie im Vergleich zu den Europäern klein und somit eher auf "Augenhöhe" mit den Kindern sind als andere Nationen.

Schöner Einstieg in die Sammlung!