Teil II - Kapitel 1 -12

Querleserin

Bekanntes Mitglied
30. Dezember 2015
4.048
11.068
49
50
Wadern
querleserin.blogspot.com
Der Erzähler der Geschichte wird offenbart und damit erschließt sich für mich auch der eher zusammenfassende 1.Teil. Der junge Ferdinand, für dessen Familie in Heidelberg (?) die taube Olga näht, erfährt von ihr im Laufe der Jahre ihre Lebensgeschichte. Sie erzählt ihm von Herbert, von ihrer verlorenen Liebe, ihren Arbeitsbedingungen - kurz ihr Leben. Auch als Abiturient verbindet Ferdinand eine Freundschaft mit Fräulein Rinke. Sehr ungewöhnlich, wie viel er mit der inzwischen älteren Dame unternimmt - Ausstellungen besuchen, Spaziergänge und viele Gespräche. Eine außergewöhnliche Freundschaft.
 

Bibliomarie

Bekanntes Mitglied
10. September 2015
2.092
3.205
49
Mit Ferdinand bekommt die Stimme aus dem "Off" jetzt ein Gesicht. Olga, inzwischen ein ältliches Fräulein, fand bei seinen Eltern mit Näharbeiten ein Auskommen.
Inzwischen taub geworden, erzählt sie aus ihrem Leben. Sie scheint sehr ausgeglichen und blickt nicht im Zorn zurück. Selbst wenn sie an ihren Ziehsohn denkt, der sich so ganz anders entwickelt hat, an Herbert, der immer nur die Weite gesucht hat.
Hier thematisiert sie auch ihre Liebe zu Herbert: " Ach Kind, nicht die Eigenschaften machen, dass zwei zusammenpassen, die Liebe macht's"
und ein paar Zeilen später: "ich trauere nicht um Herbert, ich lebe mit ihm".

Ich muss gestehen, dass ich damit meine Schwierigkeiten habe, diese bedingungslose Hingabe fällt mir schwer nachzuvollziehen.
 
  • Like
Reaktionen: wal.li und parden

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.250
49.183
49
Mich berührt dieses Buch tief. Ich hatte selbst eine Großmutter, die ihren Mann kaum 30jährig an der Ostfront verloren hatte. Mein Opa war ihr heilig, nie wieder hat sie einen anderen Mann angeschaut.

Vielleicht ist das hier die Erklärung: viele Frauen teilten das Schicksal, die "guten" Männer waren weggestorben, die weibliche Konkurrenz groß...
Wovon ich aber überzeugt bin, ist, dass Olgas Generation früh gelernt hat, das Leben so zu nehmen, wie es ist.

Ich finde Olgas Aussagen so unendlich weise, habe zahlreiche Stellen angestrichen. Hier zum Beispiel: Das Leben ist eine Kette aus zahlreichen Verlusten und man muss beizeiten lernen, seinen Frieden damit zu machen (S. 132)

An anderer Stelle die fast beiläufige Bemerkung, dass sie Glück hatte, dass ihr auf der Flucht nur Wertsachen gestohlen wurden. "Anderen Frauen würde auf der Flucht viel mehr genommen." (S 139)

Die Abschnitte über die Friedhöfe, die Bedeutung des Redens, die Größe....
Absolut Beeindruckend, ihr seht mich entzückt ;)
 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.250
49.183
49
@Bibliomarie
Auch ich könnte mir eine solche lebenslange Liebe nicht vorstellen. Aber war Olgs ihrer Zeit nicht weit voraus?
Dieser Wille zum Lernen, als Lehrerin auf eigenen Füßen stehend, anerkannt als Ledige...

Wie hätte sich das mit einem patriarchalen Ehemann vertragen, der zwar immer da gewesen wäre, aber sie auf Haus und Kinder reduziert hätte?

Wenn Herbert bei ihr war, haben sie viele schöne, romantische Momente erlebt (zumindest sind sie so beschrieben).
Auch das von dir gewählte Zitat bestätigt ja, dass er ihr alles gab, was er zu geben imstande war. Insofern kann ich nachvollziehen, dass Olga die Beziehung als erfüllt betrachtet (vom frühen Tod abgesehen).
 

Bibliomarie

Bekanntes Mitglied
10. September 2015
2.092
3.205
49
Wie hätte sich das mit einem patriarchalen Ehemann vertragen, der zwar immer da gewesen wäre, aber sie auf Haus und Kinder reduziert hätte?

So gesehen, hast Du recht. Herberts Abwesenheit ermöglichte Olga auch eine Freiheit, die verheiratete Frauen nicht mehr hatten. Aber es versagt ihr auch eine Beziehung in Offenheit und mit Kindern. Ich könnte mir vorstellen, dass Olga sehr gern ein Kind gehabt hätte, so liebevoll wie sie sich um Eik und auch die anderen Kinder ihrer Freundin kümmert.
 
  • Like
Reaktionen: wal.li

Querleserin

Bekanntes Mitglied
30. Dezember 2015
4.048
11.068
49
50
Wadern
querleserin.blogspot.com
Das ist unbestritten. Das zeigen ja auch die von @parden erwähnten Tränen in Olgas Wohnung, als die Drei wie eine richtige Familie zusammen waren.
Das zeigt vor allem die Hingabe zu Ferdinand, den sie ja letztlich wie ihren Sohn behandelt und der ihre Lebensgeschichte rekonstruiert. (das wird im weiteren Verlauf noch deutlicher).
 

Anjuta

Bekanntes Mitglied
8. Januar 2016
1.635
4.771
49
62
Essen
Wie ich es schon an dem kleinen Wörtchen "unserer" zum Abschluss des Ersten Teils vermutet hatte: Der Charakter des Buches ändert sich in Teil zwei komplett wegen der absolut veränderten Erzählperspektive. Hier erzählt jetzt ein subjektives Ich (Ferdinand), und nicht ein anonymer, distanzierter Erzähler wie im ersten Teil. Aber wie auch immer: beide erzählen mit einer großen Sympathie für die Titelfigur Olga und so wächst auch die Sympathie beim Leser für diese Figur weiter an. Und mein Gefallen an dem Buch, das in Teil zwei nochmal eine ganz andere Facette zeigt.
 

Momo

Aktives Mitglied
10. November 2014
995
1.264
44
Ach, mit dem Ferdinand habe ich den Perspektivwechsel erst vernommen. Ich dachte, das wäre der dritte Teil gewesen. Also schon im zweiten Teil. Huch, wie die Zeit, nein wie die Seiten vergehen :).
 
  • Like
Reaktionen: wal.li

Momo

Aktives Mitglied
10. November 2014
995
1.264
44
Eik wird uns noch überraschen und lange beschäftigen, denke ich mal.

Ich finde Olga immer noch sehr sympathisch, sowohl als Mensch, als eine Persönlichkeit und als Lehrerin, als auch Liebende ... Schade, dass sie taub wurde. Dass sie eine Freundschaft mit dem kleinen Ferdinand eingeht, das wird später ersichtlich, mit welchen Zielen sie diese Freundschaft verfolgt.
 

wal.li

Bekanntes Mitglied
1. Mai 2014
2.713
2.674
49
Mir kam es so vor, als sei Ferdinand für Olga ein Enkel, den sie nie hatte. Toll wie sie sich um ihn kümmert und ihn fördert und inspiriert. Die Freundschaft hält ja sogar bis in Ferdinands Erwachsenenleben. Das ist schon ungewöhnlich. Olga lebt nachdem sie in Rente gegangen ist noch einmal richtig auf, das ist echt klasse. Sie ist und bleibt eine beeindruckende Persönlichkeit.
 

Helmut Pöll

Moderator
Teammitglied
9. Dezember 2013
6.575
11.113
49
München
Wovon ich aber überzeugt bin, ist, dass Olgas Generation früh gelernt hat, das Leben so zu nehmen, wie es ist.

Ich finde Olgas Aussagen so unendlich weise, habe zahlreiche Stellen angestrichen. Hier zum Beispiel: Das Leben ist eine Kette aus zahlreichen Verlusten und man muss beizeiten lernen, seinen Frieden damit zu machen
Mich beeindruckt ihre Bescheidenheit und dass sie sich überhaupt nicht beklagt. Dabei hätte sie doch allen Grund zu klagen, so wie ihr das Schicksal mitgespielt hat.
 
  • Stimme zu
Reaktionen: Literaturhexle

parden

Bekanntes Mitglied
13. April 2014
5.835
7.675
49
Niederrhein
www.litterae-artesque.blogspot.de
Dieser Perspektivwechsel war doch recht unerwartet, passte letztlich aber ganz gut. Auch hier erfährt der Leser wieder wie im Zeitraffer, was in den verfliegenden Jahren geschieht - diesmal gleich von zwei parallelen Leben, dem von Olga und dem von Ferdinand. Olga ist eine starke Frau, die mich sehr an eine alte Dame aus der Nachbarschaft meiner Eltern erinnert. Je näher man sie kennenlernt, um so mehr mag und schätzt man sie. Allerdings gefällt es mir auf Dauer nicht, dass hier kaum einmal an einem Augenblick verweilt wird, es wird alles hintereinander weggeschrieben, wie ein stetiger Fluss, das Leben zerrinnt. Fast ein Jahrhundert wurde nun auf gerade einmal 150 Seiten präsentiert, und dem einzelnen Schicksal - hier v.a. Olga - wird wenig wirklicher Raum beigemessen. Der ruhige, bedächtige Schreibstil gefällt mir zwar immer noch, aber inhaltlich gibt es in diesem Abschnitt beispielsweise so gar keine Höhepunkte. Es plätschert weiter vor sich hin, angenehm zu lesen, aber... Naja, mal weiterlesen.
 
  • Like
Reaktionen: wal.li