Teil 5: Maggie Jones bis Ende (S.304-S.377)

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Die McPherons freuen sich, dass Victoria zurückkehrt. Jetzt schauen sie sie auch an, das ist ihnen anfangs nicht gelungen. Rührend kümmern sie sich um sie, fahren sie zur Untersuchung nach Holt, reden mit dem Arzt und sind sogar bei der Entbindung anwesend. Sehr berührende Szenen!
Ganz im Gegenteil zu dem, was Bobby und Ike widerfährt, die von Russell ins Auto gezwungen werden, gedemütigt und allein gelassen.
Verkörpern die McPherons humanitäres Verhalten, steht Russell Beckmann eindeutig für asoziales. Man kann verstehen, dass Tom ihn anschließend schlägt, allerdings zieht er dabei den kürzeren. Das Ende dieses Konflikts bleibt offen, doch als Leserin wünsche ich mir, dass diese Familie ihre gerechte Strafe erhält. So wie Dwayne, der von den Brüdern vertrieben wird, als er versucht, Victoria zum Mitkommen zu bewegen.
Am Ende laufen jetzt alle Fäden zusammen. Nicht zufällig ist die Überschrift des letzten Kapitels "Holt".
Ike und Bobby reiten auf die Farm, nachdem sie Mrs Stearn tot aufgefunden haben. Tom und Maggie werden ein Paar und auch Victoria scheint glücklich gemeinsam mit ihrem Mädchen, bei den alten McPherons wohnen zu dürfen.
 

Anjuta

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8. Januar 2016
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Am Ende laufen jetzt alle Fäden zusammen. Nicht zufällig ist die Überschrift des letzten Kapitels "Holt".

Ja, so ist es! Was im ersten Teil Stückwerk war, das was ich als "Hopp on-Hopp off-Fahrt" durch Holt bezeichnet habe, hat über den Roman hinweg Bedeutung, Zusammenhang und Sinn bekommen und wird hier am Ende nun richtig zusammengeführt und zu einem Abschluss gebracht..
"Holt" ist so der eigentliche Held des Romans, wie wahrscheinlich, nach allem was ich über die anderen Haruf-Romane lesen konnte, in den anderen seiner Romane auch.
Viktoria, die McPherons, Guthrie, Maggie, Ike und Bobby - sie alle sind im Roman geschildert als Repräsentanten der US-amerikanischen Kleinstadtgesellschaft in Holt. Da gibt es wenig Sensationelles, da gibt es viel Mittelmäßiges, das aber von Haruf auf eine positiv bewegende Weise geschildert wird. Es ist schon ein wenig Idylle, die uns da präsentiert wird, bei allen menschlichen Sorgen und Nöten. Diese Sorgen und Nöte aber finden im Schoße dieser Holt-Gesellschaft ihren Platz und werden weitestgehend aufgefangen. Eine letztlich funktionierende Gesellschaft bei allen menschlichen Unzulänglichkeiten, die sie zu lösen hat.
Ein Wohlfühlbuch, dem ich dabei aber nicht immer ganz vertrauen konnte oder wollte.
Oh, jetzt habe ich mich schon eher zum Fazit geäußert als zum letzten Teil. Da ist es mit mir etwas durchgegangen, entschuldigt.
 

Leseglück

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7. Juni 2017
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Beim Lesen dachte ich oft, dass man sich bei den McPherons sehr geborgen fühlen kann. Die beiden Brüder strahlen Ruhe aus, sie wissen was zu tun ist, damit es ihren Kühen und Kälbern gut geht. Dort möchte man sich auch "bemuttern" lassen. Kein Wunder, dass sich Victoria dort wohl fühlt. Bobby und Ike zieht es auch zu der Farm raus, als sie ihre "Ersatzmutter" tot aufgefunden hatten.
Dieser Russel Beckman war also der Junge, der bei der blöden Szene in dem leeren Haus,seine Freundin angeboten hat. Er liebt es seine Mitmenschen abzuwerten und Macht auszuüben. Die beiden Jungen haben nicht nur eine Erniedrigung beobachtet, sie wurden auch selbst von diesem Russel gedemütigt. Der Vater des ungeborenen Kindes von Victoria ist Russel ähnlich, wenn auch nicht ganz so schlimm (was wird da angedeutet was auf der Party vorgefallen ist?)

Wie versteht ihr die Szene mit der Kette, über die die beiden Jungen einen Zug fahren lassen?

Manchmal war mir das Buch zu schwarz/weiß...also sehr gute Menschen auf der einen Seite vs. sehr schlechte Menschen auf der anderen Seite.

Victoria blieb bis zum Schluss ein schutzbedürftiges "Mädchen" das die Nähe eines "Nestes" sucht und als 17 jährige auch braucht.
Bei uns würden bei einer minderjährigen Alleinerziehenden die keine familiäre Unterstützung hat, verschiedene Ämter einspringen, aber das wäre nicht so berührend.

Ein Wohlfühlbuch, dem ich dabei aber nicht immer ganz vertrauen konnte oder wollte.
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Meinst du auch das ein bisschen Klischeehafte, das ich oben erwähnt habe...also die Gefahr ins Kitschige abzugleiten? Oder auf was konntest du nicht immer vertrauen?
 

Momo

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10. November 2014
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[zitat]Wie versteht ihr die Szene mit der Kette, über die die beiden Jungen einen Zug fahren lassen?[/zitat]^

Diese Szene hat mich auch lange beschäftigt. Sie haben die Kette anschließend ja auch noch begraben. Wahrscheinlich haben sie damit den Mutterverlust, die Trauer dadurch besser verarbeiten und abschließen können. Bin auf andere Ideen gespannt.
 

Momo

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10. November 2014
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[zitat]Victoria blieb bis zum Schluss ein schutzbedürftiges "Mädchen" das die Nähe eines "Nestes" sucht und als 17 jährige auch braucht.
Bei uns würden bei einer minderjährigen Alleinerziehenden die keine familiäre Unterstützung hat, verschiedene Ämter einspringen, aber das wäre nicht so berührend.[/zitat]

Eltern haften für ihre Kinder. Das Amt springt insoweit ein, indem es sich das Geld für den Unterhalt bei den Eltern wieder zurückholt. Außerdem machen sich Eltern, die ihre Kinder aussetzen strafbar.
 
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Bibliomarie

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10. September 2015
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Victoria blieb bis zum Schluss ein schutzbedürftiges "Mädchen" das die Nähe eines "Nestes" sucht und als 17 jährige auch braucht.
Bei uns würden bei einer minderjährigen Alleinerziehenden die keine familiäre Unterstützung hat, verschiedene Ämter einspringen, aber das wäre nicht so berührend.

In den USA, die schon traditionell so wenig Staat wie möglich haben möchten (Krankenversicherung etc) ist das sicher nicht so ausgeprägt.
 

Sassenach123

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Das Ende ist gut so wie es ist. Es lässt einiges offen, wir als Leser können nur hoffen, dass die Beckmanns nicht auf ganzer Linie gewinnen. Guthrie war zu Recht wütend, aber die Art wie er sich Luft gemacht hat, könnte ihm zum Verhängnis werden. Die Beckmanns sind Menschen die sehr von sich eingenommen sind, schon erschreckend das Fehler des Sohnes bei anderen gesucht werden.
Für Victoria freut es mich, und für die McPherons auch.
 
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Literaturhexle

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2. April 2017
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Die Beckmanns sind Menschen die sehr von sich eingenommen sind, schon erschreckend das Fehler des Sohnes bei anderen gesucht werden.
Diese Familie ist grauenvoll und dennoch völlig glaubwürdig: die Eltern haben ihrem Sohn nie Grenzen gesetzt, er musste nie Konsequenzen spüren. Mittlerweile empfindet er Freude an der Demütigung anderer. Völlig verkorkst.

Guthrie geht in dem Konflikt zu weit. So menschlich verständlich sein Ausraster ist, hat er sich keinen Gefallen damit getan. Die Entführung wird am Ende vielleicht nicht nachzuweisen sein, weil Russells Freunde ja zu ihm halten (müssen). Schlimm wäre, wenn die Jungen am Ende noch als Phantasten dastünden...

Victoria hat es geschafft, sich von Dwayne zu lösen. Sie ist sehr gereift. Diese Idylle mit den beiden Alten Männern, Victoria und dem Kind ist wunderschön so als Schlusspunkt des Buches. Da nehme ich gerne in Kauf, dass sie fragil ist und wohl nicht von langer Dauer sein kann...

Ike und Bobby sind fast schon tragische Figuren. Sie müssen früh lernen, dass man das Leben nehmen muss, wie es kommt. Immer öfter sind sie sich selbst überlassen, fühlen sich in den Ferien allein, besuchen die alte Frau, müssen auch noch deren Tod feststellen, besuchen die McPherons auf einem fast lebensgefährlichen Ritt...

Warum sie die Münzen und das Armband durch den Zug zerstören wollten, ist mir auch nicht klar. Das hat ja etwas Rituelles an sich - zumindest Münzen haben sie schon oft auf diese Weise geplättet. @Querleserin : hast du eine Idee?
Die Jungen leiden unter dem Fortgang der Mutter und auch unter der neuen Beziehung des Vaters, weil er so noch weniger Zeit für sie hat. Trotzdem sind sie brav und sich gegenseitig sehr zugetan, was man auch im Kampf gegen Russell gesehen hat, als sie sich gegenseitig verteidigten.

Das Schlusskapitel "Holt" führt die einzelnen Erzählstränge gekonnt zu einem Ende. Absolut glaubwürdig, wie ich finde. Weil eben manches offen bleibt. Wir wissen nicht, ob Guthrie seinen Job verlieren wird oder ob Russell seine gerechte Strafe bekommt. Wir erfahren nicht, ob Victoria ihren Abschluss schafft und das Kind bei den Pherson Brüdern aufwachsen kann....
Deshalb ist es eben kein Kitsch. Wir Leser dürfen darüber nachdenken und befinden. Ein tolles Buch!
 
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Sassenach123

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@Literaturhexle
Vielleicht ist es für die beiden Jungen symbolisch. Ihr Leben hat sich stark verändert, aber es ist nach wie vor präsent. Es nimmt nur eine andere Form an. Die Münzen( sehe hier eine Verbindung zu Mrs Stearns)), und das Armband, sind auch nur in ihrer Form verändert, nur mit dem Unterschied, dass die zwei diese Entwicklung in der Hand hatten. Mit allem anderen was in ihrem Leben geschah, wurde es ihnen ja aus der Hand genommen. Die Bestattung schließt mit allem ab. Zu abwegig?
 
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Literaturhexle

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Nein, gar nicht!
Es liegt ja auf der Hand, dass dieses Ritual tiefere Ursachen hat. Die Veränderung kann da durchaus eine Rolle spielen. Hatten sie die Münzen von Mrs Stearns bekommen?
Das Leben der Mutter ist auch trostlos: jetzt lebt sie bei der Schwester, die sie dominiert. Sie SCHEINT WENIG Sehnsucht nach ihren Kindern zu haben... dass es keine ärztliche Hilfe zu geben scheint, ist unverständlich. Sie (Die Mutter) wird einfach wie ein Spielstein aus dem Leben der Jungen herausgenommen.
 

Sassenach123

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Nein, gar nicht!
Es liegt ja auf der Hand, dass dieses Ritual tiefere Ursachen hat. Die Veränderung kann da durchaus eine Rolle spielen. Hatten sie die Münzen von Mrs Stearns bekommen?
Das Leben der Mutter ist auch trostlos: jetzt lebt sie bei der Schwester, die sie dominiert. Sie SCHEINT WENIG Sehnsucht nach ihren Kindern zu haben... dass es keine ärztliche Hilfe zu geben scheint, ist unverständlich. Sie (Die Mutter) wird einfach wie ein Spielstein aus dem Leben der Jungen herausgenommen.
Nein, aber sie sind ja jede Woche zu ihr, um das Zeitungsgeld einzusammeln. Es war ein eingespieltes Ritual zwischen ihr und den Jungen, dass sie ihre Tasche holen mussten, sie ihnen die Münzen raussuchte......kam mir halt so in den Kopf als ich das las. Schade, dass wir den Autor dazu nie befragen können
 

parden

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13. April 2014
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www.litterae-artesque.blogspot.de
Hach, was für ein schönes Buch... Zum Schreibstil habe ich mich ja in den vorherigen Abschnitten bereits geäußert, und dieses Empfinden blieb bei mir bis zum Schluss. In dem Abschlusskapitel schien es noch einmal ganz deutlich, das goldene Licht, das für mich von Anfang an aus den Zeilen heraus schimmerte. Für mich ist dieses Buch eines der bisherigen Highlights in diesem Jahr - und ich bin so froh, dass ich hier mitlesen durfte!

Nun halte ich definitiv Ausschau nach den anderen (paar) Büchern von Kent Haruf. Für mich eine Entdeckung! :)
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Hach, was für ein schönes Buch... Zum Schreibstil habe ich mich ja in den vorherigen Abschnitten bereits geäußert, und dieses Empfinden blieb bei mir bis zum Schluss. In dem Abschlusskapitel schien es noch einmal ganz deutlich, das goldene Licht, das für mich von Anfang an aus den Zeilen heraus schimmerte. Für mich ist dieses Buch eines der bisherigen Highlights in diesem Jahr - und ich bin so froh, dass ich hier mitlesen durfte!

Nun halte ich definitiv Ausschau nach den anderen (paar) Büchern von Kent Haruf. Für mich eine Entdeckung! :)

Da kann ich dir voll und ganz zustimmen, ein toller Autor. Auch der Austausch hier hat mir sehr gut gefallen,