Teil 2: Ab S. 120 (Whisky trägt,....) bis zum Ende (S. 182)

Literaturhexle

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Diskussion zum Buch "Vom Ende einer Geschichte " von Julian Barnes
Teil 2: ab S. 120 bis zum Ende
 

Xirxe

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Ich bin wohl mal wieder etwas schnell, aber ich finde das Buch einfach so packend, obwohl (relativ betrachtet) so wenig passiert.
Die Aufklärung des Ganzen ist natürlich der 'Hammer', aber es erklärt mir dennoch nicht, weshalb Victoria so sauer ist auf Tony. Ist er etwas schuld daran, dass Adrian ihre Mutter kennenlernte? Aber sie hat ihn doch bestimmt auch mit nach Hause genommen und ihn vorgestellt. Und weshalb erwartet sie, dass Tony das Alles klar sein müsste? Soll er Gedankenlesen können? Habt Ihr da eine Idee, worher dieser große Zorn kommt? Oder wird einfach nur ein Schuldiger gesucht?
 

Sassenach123

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@Xirxe
Das habe ich auch nicht ganz verstanden. Tony scheint aber die Schuld bei sich zu suchen, da er Adrian in diesem Schmähbrief geraten hat Veronicas Mutter aufzusuchen. Aber wie du schon schreibst, es wäre so oder so passiert.

Im letzten Abschnitt bleibt vieles offen....aber so ist es im wahren Leben ja auch oft, daher stört es mich hier nicht so sehr.

Schade, dass uns der Inhalt des Tagebuches verwehrt wurde. Auch wenn Tony vermutet das Adrians Selbstmord mit dem Baby zusammenhing, anschaulich durch die Gleichung präsentiert, reicht mir das nicht völlig. War Adrian so ein Mensch, der keine Hoffnung mehr sieht und allem ein Ende bereitet?
Für Veronica muss das alles auch schwer verdaulich gewesen sein, Abrede Spielchen die sie mit Tony gespielt hat, fand ich doch etwas albern. Kann verstehen, dass er nicht gleich darauf gekommen ist, was sie ihm zeigen wollte. Und dann immer der Satz, er habe noch nie etwas verstanden und wird es auch nie.....
Ist Tony zu dem Menschen geworden der er ist, weil er durch dieses Verhalten geprägt wurde? Er schien ja irgendwie immer an sich zu zweifeln, fragte sich ständig wie sein Leben verlaufen wäre, wenn er dies oder das anders gemacht hätte. Müßig sich darüber im Nachhinein ständig den Kopf zu zerbrechen.
 
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Literaturhexle

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@Xirxe @Sassenach123
Ich hatte schon die Idee, dass die Mutter auf junge Kerle "stand"...
Ich fand es an dem Besuchswochenende schon seltsam, dass man Tony mit der Mutter allein gelassen hat. Wollte man da ihn/sie testen?
Auf der Rückfahrt im Auto sagte Tony doch auch."Ich mag deine Mutter", woraufhin der Vater erwiderte, dass er wohl jetzt aufpassen müsse...

Den Verdacht mit den jungen Kerlen habe ich aber erst bekommen, als man erfuhr, wer die Eltern des behinderten Jungen sind.

Veronica war früher schon speziell und blieb es ihr ganzes Leben. Die Sache mit dem Sex war doch auch krank: Solange ich mit einem Jungen zusammen bin, schlafe ich nicht mit ihm. Dann ist Schluss und ich biete mich an... Hallo!?!
und sie macht nicht den Eindruck, als hätte sie ihn damit zurück haben wollen...
V. ist aus meiner Sicht psychisch gestört. Das liegt natürlich auch daran, dass der Erzähler dieser Meinung ist und wir nur seine Sicht der Dinge kennen...

Die ganze Beziehung zwischen V. und Tony war ja auch ziemlich unromantisch.... Ganz seltsam...
 

Literaturhexle

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weshalb Victoria so sauer ist auf Tony. Ist er etwas schuld daran, dass Adrian ihre Mutter kennenlernte? Aber sie hat ihn doch bestimmt auch mit nach Hause genommen und ihn vorgestellt. Und weshalb erwartet sie, dass Tony das Alles klar sein müsste? Soll er Gedankenlesen können?
Ich halte Veronica für sehr selbstverliebt. Sie sieht sich selbst im Mittelpunkt, sie ist in meinen Augen kein Sympathieträger und agiert mitunter "gestört", wie ich an anderer Stelle schon erklärt habe.

Auch der furchtbare Brief kann für einen gesunden Menschen nicht der Grund für einen Suizid sein. Warum rückt sie das ganze Tagebuch nicht heraus? Klarer Verstoß gegen den letzen Willen ihrer Mutter (die aber wohl vom Brief nichts wusste). Statt dessen diese seltsamen Treffen wie @Sassenach123 ganz richtig bemerkt hat.
Veronica ist einfach ein unzufriedener Charakter. Vielleicht haben bei ihr immer andere die Schuld? Vielleicht hat Tony ihr ja wirklich das Herz gebrochen. Die Geschichte mit dem einmaligen Sex kann man ja auch ganz anders interpretieren... (hatte der Erzähler ja auch durchgespielt).

Was für V. spricht, ist, wie sie sich liebevoll und regelmäßig um ihren Bruder zu kümmern scheint. Da war ich wieder ein wenig mit ihr versöhnt.
 
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Xirxe

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Sooo schlimm sehe ich Veronica nun doch nicht ;) @Literaturhexle Dass die Beziehung zu Tony unter keinem guten Stern stand, kann ich nachvollziehen, denn sie war ihm einfach weit voraus. Sie hatte bereits feste Werte und Vorstellungen, nach denen sie auch lebte, während die Tony mehr oder weniger bis zum Schluss fehlten. Er nimmt alles wie es kommt, Prinzipien hat er wohl nur wenige. Ganz im Gegensatz zu Adrian, der wohl daran auch zugrunde gegangen ist. Denn ich glaube, nachdem ihm klar war, dass er seinen eigenen Prinzipien nicht treu bleiben konnte bzw. geblieben war, war ihm das Leben nicht mehr lebenswert. Veronica ist ihm im Punkt Prinzipien wohl ziemlich ähnlich und muss dann aber feststellen, dass ihr Freund, trotz seiner Charakter'stärke' sie betrogen hat, dazu mit ihrer Mutter und sie zuguterletzt auch noch allein lässt. Wen das nicht umhaut und etwas merkwürdig werden lässt ...
 

Literaturhexle

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@Xirxe
Aber dass Adrian sie mit der Mutter betrogen hat, ist doch nur Spekulation? Die Beziehung mit Veronica könnte ja zuvor auch ein natürliches Ende gefunden haben.

Prinzipien hin oder her: er hat ein Kind gezeugt und sich aus der Verantwortung gestohlen. Total geplant. Nicht aus einem Affekt der Hoffnungslosigkeit heraus. Insofern schon "inzeniert" als kleines Schauspiel.
Selbstmord ist für die Hinterbliebenen eine Katastrophe. Das müsste Adrian als intelligenter Mensch auch wissen. Die Fragen beschäftigen das ganze weitere Leben. Er ist eine zutiefst egoistische Handlung.

Tony ist viel einfacher gestrickt, das stimmt. Er hat nie so hohe Ansprüche an das Leben gehabt, dadurch aber auch nicht so viele Risiken, an ihnen zu scheitern. Schade, dass seine Ehe nicht gehalten hat. Als Freundschaft scheint sie ja zu funktionieren...
 

Xirxe

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Aber dass Adrian sie mit der Mutter betrogen hat, ist doch nur Spekulation? Die Beziehung mit Veronica könnte ja zuvor auch ein natürliches Ende gefunden haben.
Ja, da hast Du natürlich recht. Aber es schmerzt sicherlich fast genauso stark wie ein Betrug. Überleg mal: Beziehungsende und der Ex fängt mehr oder weniger direkt danach mit der Mutter was an - wenn das nicht schmerzt...(irgendwie trauert man dem Ex ja doch noch hinterher)
Prinzipien hin oder her: er hat ein Kind gezeugt und sich aus der Verantwortung gestohlen. Total geplant. Nicht aus einem Affekt der Hoffnungslosigkeit heraus. Insofern schon "inzeniert" als kleines Schauspiel.
Selbstmord ist für die Hinterbliebenen eine Katastrophe. Das müsste Adrian als intelligenter Mensch auch wissen. Die Fragen beschäftigen das ganze weitere Leben. Er ist eine zutiefst egoistische Handlung.
Vielleicht ging es Adrian ja auch überhaupt nicht um Prinzipientreue, wie ich vermutet habe, sondern er hat das Asperger-Syndrom. Da spielen Emotionen einfach keine große Rolle, sondern Rationalität geht Allem vor. Und dann macht seine Entscheidung (rein rational betrachtet) auch wieder Sinn - ok, so halbwegs ;-)
 
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Du legst dich ja ganz schön ins Zeug, @Xirxe o_O
Aber du hast natürlich recht: wie bei jedem guten Stück Literatur gibt es mehrere Lösungen und Interpretations-möglichkeiten. Fest steht: Adrian ist hochintelligent und wenig emotional. Während ich die Ursache in einer schweren Kindheit ohne Liebe einer Mutter sehe, vermutest du eine Krankheit. Vielleicht ist es eine Kombination/unglückliche Verkettung aus beidem.
Jede Figur hat ihre eigene Geschichte. Tony ist der Durchschnittsmensch, kein Womanizer, nicht erfolgreich im Leben. Irgendwie total normal. Wie er so sein Leben reflektiert, macht ihn mir sympathisch. Aber logisch: er ist der unzuverlässige Erzähler, man darf nicht alles glauben!
Es macht Spaß, mit euch zu diskutieren @Xirxe und @Sassenach123 . Gerade wenn man auch anderer Meinung ist:)
 
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@Literaturhexle @Xirxe
Genau dies scheint Barnes erreichen zu wollen mit seinem Roman. Er möchte keine Geschichte erzählen die nur schwarz oder weiß ist. Auch wenn es manchem Leser so erscheinen mag das wenig passiert bzw vieles ungeklärt bleibt, will Barnes den Leser dazu anregen alles zu hinterfragen und seine Sicht in die Geschichte zu legen. Dies erreicht er perfekt durch kleine Andeutungen die man auf verschiedene Art interpretieren kann. Sehr lebensnah in meinen Augen, denn wann bekommt man im wahren Leben eine zufriedenstellende Antwort auf alles? Fast nie, es gibt immer Zweifel. Drei Leute, drei verschiedene Denkweisen. Ist das herrlich. Mir hat es manchmal fast mehr Spaß gemacht zu lesen wie ihr den Roman wahrnehmt, als ihn selbst zu lesen
 

Literaturhexle

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Drei Leute, drei verschiedene Denkweisen. Ist das herrlich. Mir hat es manchmal fast mehr Spaß gemacht zu lesen wie ihr den Roman wahrnehmt, als ihn selbst zu lesen
Da hast du vollkommen recht! Mir erging es ebenso.
Dieses Buch ist einfach ideal für einen Lesekreis/Leserunde. Weil es eben die unterschiedlichen Auffassungen gibt. Interessant alleine, wie du von Anfang an Adrian in den Fokus gestellt hast. Für mich war er halt nur einer von Vieren....
Hat sich wirklich gelohnt! So machen wir weiter!
 

Helmut Pöll

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Die Aufklärung des Ganzen ist natürlich der 'Hammer', aber es erklärt mir dennoch nicht, weshalb Victoria so sauer ist auf Tony. Ist er etwas schuld daran, dass Adrian ihre Mutter kennenlernte?
Ich denke Veronica ist in vielfacher Hinsicht sauer auf Tony. Einmal natürlich wegen dieses Briefs, der im Rückblick ja wie ein Fluch wirken muss, der sich mit einem behinderten Kind erfüllt hat.
Aber vermutlich macht sie Tony auch verantwortlich dafür, dass er Adrian überhaupt in ihr Leben gebracht hat. Später betrachtet Tony doch eine Fotografie von einem Treffen am Trafalgar Square, wobei ihm nach 40 Jahren auffällt, dass seine damalige Freundin schon Interesse an Adrian hatte. Zumindest interpretiert Tony das hinein.
 

Helmut Pöll

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Veronica ist einfach ein unzufriedener Charakter. Vielleicht haben bei ihr immer andere die Schuld?
Als schwierig habe ich sie auch empfunden, @Literaturhexle . Andererseits ist es schwer zu beurteilen, was so eine Geschichte wie die, die ihr widerfahren ist, mit einem macht. Dass man da einen "Hau" weghaben kann, würde mich nicht wundern.
 

Literaturhexle

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Ich denke Veronica ist in vielfacher Hinsicht sauer auf Tony. Einmal natürlich wegen dieses Briefs, der im Rückblick ja wie ein Fluch wirken muss, der sich mit einem behinderten Kind erfüllt hat.
Da gebe ich dir auf alle Fälle recht! Der Brief als Fluch, da habe ich auch dran denken müssen.
Ein weiteres Motiv für Veronicas Hass könnte auch die verschmähte Liebe sein. Das wirkt auch lange nach....
Und die Sache mit dem "Hau"- ja...
Die Familie wirkte (wenn auch durch Tonys Brille) schon ein wenig schräg. Dass die Mutter dann noch eine Beziehung zum Freund der Tochter anfängt... normal ist das auch nicht... Sehr schräg, das muss Spuren hinterlassen!
 
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Helmut Pöll

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Das Buch hat dich aber mächtig mitgerissen: Gelesen im Eilschnitt
Ja, absolut, @Literaturhexle Ich habe es im Grunde nicht mehr aus der Hand gelegt. Ich stand sogar mit dem Buch lesend in einer Menschentraube, als ich auf die U-Bahn gewartet habe und habe dann stehend in der übervollen Bahn weiter gelesen ;).