Thema "Tage in der Geschichte der Stille" von Merethe Lindstrøm

Literaturhexle

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Mir sind weitere Motive aufgefallen:
  • die Kirche - Simon fühlte sich dort schon als Junge (und Jude) wohl, sie wird angepinkelt, Eva sucht sie auf und möchte vielleicht Vergebung vom Priester erlangen. Zudem pflegt sie jahrelang das Grab des unbekannten Jungen...
  • Hunde tauchen oft auf. Insbesondere der alte Hund, der so ein tragisches Ende nimmt, und der Hund, der vor der Wohnung bellt, weil Simon es ihm beibrachte.
    Außerdem mochte Marija Hunde nicht. Inwiefern deutet das auf ihr zukünftiges Verhalten hin?
  • Verschwinden - Simon verschwindet, Menschen sind verschwunden (Hier habe ich das Märchen vom Rattenfänger nicht recht in einen Zusammenhang bringen können). Aber Eva beschließt, Simon nicht wegzugeben (ins Heim), er soll nicht verschwinden.
 
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Literaturhexle

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2. April 2017
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Einige Fragen habe ich, vielleicht könnt ihr helfen?
  • Bedeutung des Schneckenhauses im Schrank
  • die Wespe (S. 138)
  • Märchen vom Rattenfänger (geht es hier nur um das Verschwinden? Verführung?)
  • die Leiter in der Kirche (S. 54)

Soweit meine Ausführungen! Das Buch hat mich so sehr beeindruckt, dass ich noch eine Rezension abgeben werde. Manche Textstellen muss man einfach archivieren :rolleyes:

Danke @KrimiElse für die tolle Empfehlung!
Ich brenne auf eure Beiträge :D
 

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Wadern
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stehe ich auf dem Schlauch: Hat das was mit dem bellenden Hund zu tun? Als eine Frau mit Kind aus der vermeintlich leeren Wohnung geholt wurde
Genau. Der Hund hat immer vor der Tür auf Simon gewartet.

Das verlassene Schneckenhaus symbolisch für Simon, der durch sein Schweigen ihr gemeinsames Leben verlassen hat?
Die Leiter habe ich lediglich als Teil der Renovierung gesehen ;)
Die Kirche und das Grab - Schuld abtragen, Sühne, Reue, Buße, das Bedürfnis Vergebung zu erlangen.
 

KrimiElse

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26. Januar 2019
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Ich bin mit dem Buch gerade fertig geworden. Es ist echt ein Hammer!
Auch das Ende! Wo sich der Verlust des Vetters am Verlust des Sohnes spiegelt. Dieser Gedanke muss doch unglaublich quälend sein.

@KrimiElse : Ist es nicht ein Zufall, dass wir zwei Bücher hintereinander gelesen haben, in denen ein Junge zur Adoption freigegeben wurde?! Und ist es nicht ein riesiger Unterschied, WIE das Thema aufbereitet wird?!?

Puh. Ich muss wirklich nachdenken. Ich fand die Geschichte ganz großartig. Auch und gerade die Sprache. Da hat die Übersetzerin ganze Arbeit geleistet.
Mir geht es wie Dir, das Buch ist ganz großartig.
So still und dennoch so laut und verstörend.
Ich kann vieles noch gar nicht richtig einordnen. Es gibt Bilder, die ich erst in den Zusammenhang stellen muss, weil ich befürchte, dass ich sonst einiges nicht verstehe oder überlesen habe.

auf jeden Fall ziehen sich Verluste und Schweigen durch die Leben von Eva und Simon. Eva‘s Sohn, den sie weggab, ist ihr Martyrium, über das sie letztlich auch schweigt. Und Simon schweigt über Vetter und Tante, über ihren Tod im KZ, an dem er sich letztlich die Schuld gibt. Ich sehe seinen Rückzug auch ein bisschen als eine Rettung für seinen Geist.

Marija und ihre Entlassung ist für mich jetzt im ersten Moment der Aufhänger der viel tieferen Geschichte über zwei Leben, bei denen der Rückzug aus der Schuld heraus im Vordergrund steht, und wenn auch nicht ganz vorn so doch immer unterschwellig dabei.
Ich hätte bezüglich Marijas am Anfang etwas komplett anderes vermutet und bin äußerst angetan, wie die Autorin die Rolle von Dienenden und Herren, von Flüchtlingen und einheimischer Elite, von Verfolgten und „Volkstreuen“ hier ankratzt und gekonnt damit spielt, auch innerhalb der vorgegebenen Rollen Differenzen findet. Sehr vielschichtig!
 
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KrimiElse

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26. Januar 2019
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Wie deutet ihr sein Schweigen? Einerseits wollte er seine Vergangenheit den Kindern mitteilen, aber da hat Eva ihn zurückgehalten, dann hat er recherchiert und mit ihr gesprochen, seinen Bruder eingeladen und immer wieder versucht, es den Kindern zu sagen, auch brieflich. Doch es ging nicht mehr und daraufhin hat er sich in seine Schweigen zurückgezogen. Vielleicht auch, weil Eva ihn darin unterstützt hat, darüber zu reden. Erst jetzt wird sie es tun? Mit Helena? Zumindest deutet einiges darauf hin.
Ich denke, dass es beim Schweigen nicht nur um ihn geht, sondern auch um Evas Sohn. Zum einen. Und andererseits ist sein Schweigen für mich Ausdruck der Bürde, die er zu tragen bereit ist. Er zieht sich zurück, er kann über sein wichtigstes und offenbar prägendes Erlebnis nur mit Eva sprechen (und auch das erst später), die ihm ihrerseits Schweigen bezüglich ihres Sohnes vorlebt. Er nimmt das für sich genau so an, nur extremer als Eva. Die für ihn wichtigsten Worte spricht er nicht, also verzichtet er auch auf die anderen.
Weiß nicht, ob das zu verdreht gedacht ist...
 

KrimiElse

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Für mich ist es auch Teil einer demenziellen Erkrankung. Der Arzt fand zwar nichts (man findet bei einer weniger fortgeschrittenen Demenz auch nicht unbedingt etwas), aber das zunehmende Schweigen ist auch mit Unruhe verbunden, später läuft Simon auch weg und klopft bei fremden (?) Leuten. Manchmal möchte er auch etwas sagen und kann es nicht. Irgenwo am Anfang schildert Eva auch, dass er sich aus einer Sammlung von Redewendungen bedient, die meistens passen (das machen Betroffene genau so;)).
Ich glaube nicht, dass man es rein bewusst schaffen kann, das Reden einzustellen. Auch wenn Eva das auf S. 125 behauptet. Sie wünscht sich einfach die Gespräche zurück.
Wahrscheinlich ist deine Interpretation die bessere...ich weiß viel zu wenig über diese Krankheit, und für mich klingt deine Erklärung plausibel.
 

Literaturhexle

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Wahrscheinlich ist deine Interpretation die bessere...ich weiß viel zu wenig über diese Krankheit, und für mich klingt deine Erklärung plausibel.
Ich habe mich ja gezwungenermaßen mit der Demenz auseinandergesetzt und einerseits viel gelesen, andererseits erlebe ich die Betroffenen regelmäßig im Wohnheim. Kein Fall ist wie der andere, jede Demenz ist anders. Jedoch habe ich in diesem Roman einige der klassischen, verbreiteten Symptome erkannt. Man kann das Vergessen nicht befehlen. Es passiert. Von vorne nach hinten: je länger die Erfahrungen zurückliegen, desto länger bleiben sie im Kopf. Simon muss sein Trauma auch nicht vergessen haben, er kann nur nicht mehr darüber sprechen. Das hat er zwar das ganze Leben nicht getan, dennoch muss es quälend sein, es nicht mehr zu KÖNNEN. Die Brieffragmente an die Töchter zeugen davon.
 

ulrikerabe

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14. August 2017
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Ich muss euch jetzt etwas fragen, da ich gerade ein Buch lese, das ebenso von Elke Ranzinger aus dem Norwegischen übersetzt wurde.

Ist euer Buch auch nach der alten Rechtschreibung? Mich irritiert das bei der modernen (!) Familie gerade .
Buchinformationen und Rezensionen zu Eine moderne Familie von Helga Flatland
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Ich muss euch jetzt etwas fragen, da ich gerade ein Buch lese, das ebenso von Elke Ranzinger aus dem Norwegischen übersetzt wurde.

Ist euer Buch auch nach der alten Rechtschreibung? Mich irritiert das bei der modernen (!) Familie gerade .
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Ich habe gerade nachgeschaut: Nein, es ist in der aktuellen Schreibweise. Mir war beim Lesen auch nichts aufgefallen. Die Übersetzerin hat wunderbar übersetzt, alles gut verständlich.
Ist dein Buch vielleicht im Original vor 1997 erschienen ? Andere Ideen habe ich auch nicht.
 
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ulrikerabe

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Ich habe gerade nachgeschaut: Nein, es ist in der aktuellen Schreibweise. Mir war beim Lesen auch nichts aufgefallen. Die Übersetzerin hat wunderbar übersetzt, alles gut verständlich.
Ist dein Buch vielleicht im Original vor 1997 erschienen ? Andere Ideen habe ich auch nicht.

Das war zunächst auch meine Überlegung. da wäre dann die Autorin 13 gewesen :)

Es ist 2017 ersterschienen.
 
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