Studierzimmer I und II (bis 2072)

Querleserin

Bekanntes Mitglied
30. Dezember 2015
4.048
11.068
49
50
Wadern
querleserin.blogspot.com
Im Mittelpunkt dieser beiden Szenen steht zunächst Mephistopheles Selbstvorstellung
Seine subjektive Intention sieht er darin, dass er der „Gegenspieler“ Gottes ist. Sein Ziele sind Verführung, Vernichtung, Zerstörung, Finsternis, aber er muss feststellen, dass er letztlich keinen Erfolg hat, seine Macht beschränkt bleibt. Er ist, wie von Gott gewollt, der „Geselle, der reizt und wirkt“, so dass seine objektive Funktion darin besteht, durch seine Verführung, den Menschen zum Handeln zu aktivieren (Entwicklung statt Stillstand, Tätigkeit statt Erschlaffen). Wichtig ist in dem Zusammenhang, dass er stets nur den irdischen Seelenanteil Fausts befriedigen bzw. verführen kann.

und nach seinem Verschwinden und erneutem Auftauchen der Pakt und die Wette zwischen Faust und Mephisto.
In der Szene muss man unterscheiden zwischen dem Pakt, der Mephisto Faust anbietet und die Erweiterung dieses Paktes durch eine Wette, die von Faust ausgeht
Der Pakt ist ein ZEITVERTRAG. Im Diesseits wird Mephisto der Diener Fausts und erfüllt ihm seine Wünsche, nach dem Tod soll Faust der Diener Mephistos werden.
Faust ist davon unbeeindruckt: Das Drüben kann ihn wenig kümmern, er zweifelt am Sinn des Paktes: Was kannst du armer Teufel mir geben?; Er konfrontiert Mephisto mit paradoxen Wünschen, die seine eigene Unzufriedenheit widerspiegeln.
Deshalb schlägt er die Wette vor, die ein BEDINGUNGSVERTRAG ist:
„Werd ich zum Augenblicke sagen:/ Verweile doch du bist so schön!/ Dann magst du mich in Fesseln schlagen“ (1699ff.) In dem Moment, in dem Faust innere Ruhe gefunden hat, sein Streben und Drängen beendet sind, tritt der Pakt in Kraft und Faust wird sterben. Er selbst glaubt nicht, dass es Mephisto gelingen wird, ihm diesen einen Augenblick der vollkommenen Zufriedenheit zu ermöglichen.
Allerdings entspricht diese Einstellung Fausts, dass Beruhigung und Ruhe ein sträflicher Stillstand seien, Zufriedenheit mit sich selbst oder mit einem Genussmoment gleichbedeutend mit Faulheit des Geistes oder des Leibes sei, nicht dem Grundgedanken der Polarität. Der Herr verurteilt nur die unbedingte Ruh (329), also eine permanente Abkehr vom Streben. D.h. selbst wenn es Mephisto gelingen sollte, Faust diesen vollkommenen Moment zu ermöglichen, würde der Herr trotzdem nicht seine Wette gegen Mephisto verlieren, dadurch würde Faust nicht sein Seelenheil verlieren, weil es eben nur ein Moment des Genusses ist und keine unbedingte Ruh.
Hinzu kommt, dass Mephisto nur den irdischen, sinnlichen Teil Fausts sättigen kann, der anderer Seelenteil, der göttliche strebt weiter. Am Ende von Faust II heißt es, dass Fausts Erlösung möglich ist: „Wer immer strebend sich bemüht, Den können wir erlösen“

In der 2. Studierzimmerszene hat Goethe in der sogenannten Universitätssatire, in der sich Mephisto als Faust ausgibt und einen Studenten "berät", Kritik an der zeitgenössischen Lehre geübt.
 

Emswashed

Bekanntes Mitglied
9. Mai 2020
2.674
9.512
49
Was ich aus diesem Abschnitt "mitnehmen" möchte ist, dass des Pudels Kern zumindest in seinem Ursprung nichts Gutes, sondern den Teufel bedeutete. Ich möchte behaupten, dass wir es in unserem allgemeinen Gebrauch wertneutral benutzen, oder?

Und natürlich, wie schon im Spoiler ersichtlich, ist der Vertrag zwischen Faust und Mephistopheles sehr wohl zweiseitig; das war mir bisher auch nicht so bewusst.:)
 

Die Häsin

Bekanntes Mitglied
11. Dezember 2019
4.555
16.313
49
Rhönrand bei Fulda
Ich hänge sehr nach, habe aber jetzt die Lektüre wieder aufgenommen mit den besten Hoffnungen. ;)

Meine gesammelten Zitate, die in den Fundus allgemeiner Redensarten übergingen:
"Wenn ihr's nicht fühlt, ihr werdet's nicht erjagen"
"Zwar weiß ich viel, doch möcht ich alles wissen"
"Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen"
"Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube"
"Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind"
"Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein"

... und das Attribut "ein dunkler Ehrenmann" - jetzt weiß ich endlich, was es bedeutet.

Ich habe in den Achtzigern eine Zeitlang in einem Anwaltsbüro in Wetzlar gearbeitet, das in einem denkmalgeschützten Haus untergebracht war, angeblich einstmals der Sitz des Kammergerichts. Mein über 70jähriger Seniorchef erzählte gern, dass in den Räumen "schon der alte Goethe ein- und ausging". Und gegenüber dem Haus führte ein Spazierweg - wenn ich mich richtig erinnere, war er mit "Kirschwäldchen" beschildert - einen Hang hinauf. Dort, behauptete mein Chef, ersann Goethe seinen Osterspaziergang.

Keine Ahnung, ob das stimmt. Mein alter Chef schwadronierte gern.

ps. An Reimen wie "Wie Himmelskräfte auf und nieder steigen / und sich die goldnen Eimer reichen" merkt man deutlich, dass Goethe Hesse war. Ich höre das förmlich: "steiche - reiche" ... :D
 
Zuletzt bearbeitet: