Sprachlich ist das wirklich ein sehr hohes Niveau. In wenigen Seiten kann man sich in die Menschen und die Handlung einfühlen. Krien verurteilt und wertet nicht. Sie schildert nur. Diese Abwärtsspirale von Otto steht stellvertretend für viele Menschen, auch und gerade in den NBL: der Tag, als sein Ruin begann, ist auf den Tag des Mauerfalls datiert. Auf den Tag also, über den Deutschland sich so freute...Keine gelingt es erneut die Verzweiflung Ottos sprachlich intensiv erlebbar zu machen. Kein Hoffnungsschimmer - nirgendwo.
Ich habe diese Situation eher als Rückblick gelesen. Die ersten Rechnungen, die körperliche Reaktion der Verdrängung, danach beginnt er mit dem Trinken. Der Gerichtsvollzieher war jedenfalls mehrmals da.Ottos Leichtigkeit im Angesicht der Rechnungen. Er haut eine Rechnung Maggie um die Ohren (ja, sie hat besonders große Freude am Geld ausgeben gehabt), steht auf wie in Trance und fühlt sich leicht. Hat er da schon seinen Freitod beschlossen? Es scheint fast so. Der Gerichtsvollzieher kommt zwar am selben Tag. Aber die Entscheidung hat er meines Erachtens schon früher getroffen.
Ich würde das nicht auf die Wende reduzieren. Modernisierungsverlierer, Digitalisierungsverlierer, Bildungsverlierer, welches Wort auch immer vor den Verlierer gesetzt wird. Alkoholiker und Arbeitslosigkeit gab und gibt es immer schon. Scham Schuld und Schulden, das ist doch universell. Da, dort, hier, überall.Sommertag und dann eine solch deprimierende Geschichte...
Otto repräsentiert einen "klassischen" Wendeverlierer.
...wobei diese Geschichte wie alle (bisher von mir gelesenen) überall und zu jeder Zeit stattfinden kann.Otto repräsentiert einen "klassischen" Wendeverlierer.
... Ich könnte mir vorstellen, dass er mit diesem Gedanken schon lange gespielt hat. Dass diese Option wie ein Hintertürchen bereitstand.Hat er da schon seinen Freitod beschlossen?
... Da bin ich absolut deiner Meinung!Ich würde das nicht auf die Wende reduzieren.
Da gebe ich dir Recht. Allerdings verwendet Krien in einer Erzählung selbst den Begriff (Zigarettensammler) und er findet sich auch im Klappentext. Zudem wird in der Geschichte explizit auf die Wende und das neue kapitalistische System verwiesen.Ich würde das nicht auf die Wende reduzieren.
Perfekt zusammengefasst! Allerdings sehe ich eine Mitschuld ebenso bei Otto. Seine Sicht, die Schuld mehr auf die Ehefrau zu begrenzen, kann auch daher rühren, die eigene Beteiligung nicht mehr zu sehen/nicht mehr sehen zu wollen. Ebenso interessant wie Otto jedem auf dem Dorffest sagt, was er von ihm denkt. Sagt er auch sich selbst seine Meinung? Ist er auch da ehrlich. Das klappt nicht so. Ist ja auch einfacher woanders zu kehren.Sommertag und dann eine solch deprimierende Geschichte...
Otto repräsentiert einen "klassischen" Wendeverlierer.
Nachdem er sich als Schreiner selbstständig gemacht hat, hat sich finanziell übernommen, wobei seine Frau vor allem das?Held mit vollen Händen ausgegeben hat, hat den Überblick über Kredite verloren, die ihm großzügig angeboten wurden (Kapitalismuskritik?).
Irgendwann ist er pleite, kann keine Rechnungen mehr bezahlen, wird gepfändet.
Als Reaktion beginnt er zu trinken, verliert seinen nächsten Job wegen seines Alkoholismus und jetzt steht erneut eine Kündigung an, sogar die Gänse sollen gepfändet werden.
Er sieht keinen Ausweg mehr und erhängt sich.
Keine gelingt es erneut die Verzweiflung Ottos sprachlich intensiv erlebbar zu machen. Kein Hoffnungsschimmer - nirgendwo.
Traurig, traurig. Kann ich dazu nur sagen. Aber auch etwas einfach. Denn wo ist hier die eigene Beteiligung? Nur dem Westen die Schuld zu geben ist doch etwas zu einfach.Habt ihr den Satz auf S. 112 gesehen:[zitat]sein Großvater war also im Westen gefallen. Genau wie Ich, dachte Otto.[/zitat]
Das tut fast körperlich weh, diese Diskrepanz aus ursprünglicher Hoffnung, Freude am Konsum, an Reisen,... und jetzt das krachende Scheitern.
Natürlich. Es gehören immer zwei dazu. Der Verführer und der Verführte. Aber viele Leute schauen sich nicht selbst ins Gesicht, sondern sehen die Verantwortung gerne beim anderen... Das ist einfacher.Traurig, traurig. Kann ich dazu nur sagen. Aber auch etwas einfach. Denn wo ist hier die eigene Beteiligung? Nur dem Westen die Schuld zu geben ist doch etwas zu einfach.
Pure Gänsehaut beim Lesen... Die Aussichtslosigkeit steckt in jedem Wort, jedem Satz. Mehr weiß ich momentan nicht dazu zu sagen...
Mir war das auch zu einfach gedacht. Da hätte er genauso gut dem Osten die Schuld geben können. Dafür, dass sie ihr Volk jahrzehntelang kaserniert haben und diese dann mit der neuen „ Freiheit“ überfordert waren. Den Vergleich mit Kriegsgefallenen finde ich anmaßend. Aber es ist natürlich immer leichter, anderen oder dem System die Schuld zu geben, als Verantwortung für sein eigenes Leben zu übernehmen.Traurig, traurig. Kann ich dazu nur sagen. Aber auch etwas einfach. Denn wo ist hier die eigene Beteiligung? Nur dem Westen die Schuld zu geben ist doch etwas zu einfach.