Rotwein im Spiel, Bier...

Xirxe

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Wie schön, dass das Wetter heute so durchwachsen ist. so komme ich gut voran mit Walter ;)
In diesem Abschnitt zeigt sich, dass unterdrückte Gefühle, Probleme und was auch immer, sich irgendwann ihren Weg nach außen bahnen. Bei Walter auch schon früher, wie die Erinnerung an die Großvatersuche seines Sohnes zeigt. Dass er so ausrastet, hätte ich nicht erwartet. Aber der Schmerz über die Enttäuschung, dass sein Sohn das erfuhr, was ihm jahrzehntelang vorenthalten wurde, war wohl zu groß.
Dass die USA-Reise ein Flop wurde, war zu erwarten - zuviele unausgesprochene Erwartungen sind da mitgereist. Ein Problem, das Walter wohl auch ansonsten sein Leben lang begleitet. Er versucht, Erwartungen zu erfüllen, die (vielleicht) überhaupt nicht gewünscht sind und hat im Gegenzug welche, die nicht erfüllt werden. Dass da Unzufriedenheit und Unglücklichsein vorprogrammiert sind, ist ja klar.
Vom Schreibstil bin ich immer noch sehr angetan. Wirklich toll, wie gut die Autorin sich in diesen Mann hineinversetzt und seine Gedanken zum Ausdruck gebracht hat.
 

Literaturhexle

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An dessen Gedenkstein weint Walter endlich die Träne, die seiner Mutter gilt...
Ist es nicht auch die Träne, die dem Vater gilt? Schaut mal auf S. 92: " in Nebraska hätte das nicht funktioniert...."
Er hätte als Junge schon gerne Elvis als Vater gehabt. Dieser ist quasi ein Wunschvater, an dessen Grab er trauert für einen Moment.
Währenddessen denkt er an seine Mutter, die den Sänger auch verehrt hat...
Starker Tobak diese Szene auf Elvis' Anwesen. Mehr dazu morgen.
 
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parden

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Ist es nicht auch die Träne, die dem Vater gilt? Schaut mal auf S. 92: " in Nebraska hätte das nicht funktioniert...."
Er hätte als Junge schon gerne Elvis als Vater gehabt. Dieser ist quasi ein Wunschvater, an dessen Grab er trauert für einen Moment.
Währenddessen denkt er an seine Mutter, die den Sänger auch verehrt hat...
Vielleicht eine Mischung aus beidem - Tränen um seine Verluste, ob nun real oder gewünscht...
 
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Literaturhexle

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Dass er so ausrastet, hätte ich nicht erwartet. Aber der Schmerz über die Enttäuschung, dass sein Sohn das erfuhr, was ihm jahrzehntelang vorenthalten wurde, war wohl zu groß.
Ich denke, da kommt auch noch die als Kind erlittene Verletzung hinzu. Wie wir erfahren, wurde Walter nicht nur von Mitschülern gehänselt, sondern vom Lehrer (!) Bloß gestellt und vom Großvater verprügelt wegen seines (nicht vorhandenen) Vaters. Was für Spottreden er auf seine geliebte Mutter ertragen musste, mag ich mir nicht vorstellen, da ist "Amiliebchen" wahrscheinlich das Harmloseste gewesen.
Um das verwinden zu können, hat er diesen Schmerz in einen Kokon verpackt, um zu vergessen. Und nach Jahrzehnten kommt der Sohn und reißt an den Mauern...

Dass Walter für seinen Sohn (sowie in Erinnerung an seine verstorbene Mutter) nicht Nebraska mit auf den Reiseplan genommen hat, ist natürlich seiner mangelnden Empathie, seinem Egoismus, aber auch diesem verpackten Schmerz zu verdanken.

Walter ist aus heutiger Sicht ein absolut in sich selbst verliebter Gockel. Er kann sich schlecht in andere einfühlen, deshalb lässt er auch nur wenige Fettnäpfe aus. In seiner Generation ist er jedoch bestimmt kein Einzelfall. Was ich ihm zu Gute halte, ist die grausame Kindheit (die wir natürlich nur aus seinen eigenen Gedanken kennen, was die Quelle unzuverlässig macht). So etwas MUSS Spuren hinterlassen.
 

Xirxe

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Walter ist aus heutiger Sicht ein absolut in sich selbst verliebter Gockel.
Ganz so schlimm sehe ich ihn nicht, bei mir überwiegt das Mitgefühl. Er hat keine allzu gute Bildung und ist der typische Selfmademan, dem vermutlich niemand geholfen hat, im Gegenteil. Er hat sich Alles alleine erwirtschaftet, viel Arbeit, hat sich wenig gegönnt und glaubt nun, sich nun auch was leisten zu können. Nicht, dass ich es gut finden würde, im Gegenteil, aber woher hätte er Empathie, Reflexionsfähigkeit, Sensibilität undundund lernen sollen?
Ganz im Gegensatz zum Protagonisten aus 'Der See', Max. Der hatte die besten Voraussetzungen, ein mitfühlender, einfühlsamer Mensch zu werden, was ihm allerdings nur in Teilen gelang. Er konnte praktisch sein ganzes Leben seiner Leidenschaft frönen, Arbeit ist vermutlich ein ziemliches Fremdwort für ihn und trotzdem ist er im Innern der kleine Proll geblieben. Er hätte es aber bleiben müssen, mit ein Grund, weshalb er mir so unsympathisch ist.
 

Literaturhexle

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Er hat sich Alles alleine erwirtschaftet, viel Arbeit, hat sich wenig gegönnt und glaubt nun, sich nun auch was leisten zu können.
Ich denke, da hast du mir gegenüber einen Wissenvorsprung. Über seine Arbeit habe ich noch nichts gelesen.
Meine Aussage bezieht sich auf dieses ständige Betonen seiner Fitness, seiner Frauengeschichten. Mit anderen geht er recht unsensibel um. Dennoch "unsympathisch" ist er mir nicht. Er fühlt sich halt mit seinen 68 Jahren noch sehr männlich... ;)
 
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Für mich ist die Frage, ob Walter mir sympathisch oder unsympathisch ist, eher unwichtig. Viel wichtiger ist, ob er glaubwürdig dargestellt wird. Gibt es Brüche in seinen Gedanken? Und das kann ich bisher nicht sehen, alles ist stimmig und passt.
Natürlich ist er total unempathisch, aber woher sollte er es auch gelernt haben. Wie ihr schon geschrieben habt, hatte er sicherlich keine einfache Kindheit - als Bastard verschrieen, bloßgestellt, da kann man schon von Elvis träumen.
Seine Weigerung sich mit seinem echten Vater auseinander zu setzen, scheint mir auch eine Folge der Demütigung zu sein. Er will ihm nicht verzeihen. Die mangelnde Vater-Sohn-Beziehung spiegelt sich dann auch in seiner Beziehung zu Felix wider. Er hat es nicht erfahren und kann nichts weitergeben. Die Autorin zeichnet wirklich ein nachvollziehbares Bild dieses Mannes.
 

Literaturhexle

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Für mich ist die Frage, ob Walter mir sympathisch oder unsympathisch ist, eher unwichtig. Viel wichtiger ist, ob er glaubwürdig dargestellt wird. Gibt es Brüche in seinen Gedanken? Und das kann ich bisher nicht sehen, alles ist stimmig und passt.
Natürlich ist er total unempathisch, aber woher sollte er es auch gelernt haben. Wie ihr schon geschrieben habt, hatte er sicherlich keine einfache Kindheit - als Bastard verschrieen, bloßgestellt, da kann man schon von Elvis träumen.
Seine Weigerung sich mit seinem echten Vater auseinander zu setzen, scheint mir auch eine Folge der Demütigung zu sein. Er will ihm nicht verzeihen. Die mangelnde Vater-Sohn-Beziehung spiegelt sich dann auch in seiner Beziehung zu Felix wider. Er hat es nicht erfahren und kann nichts weitergeben. Die Autorin zeichnet wirklich ein nachvollziehbares Bild dieses Mannes.
Das hast du sehr gut auf den Punkt gebracht! Da kann ich mich deinen Gedanken voll und ganz anschließen ;)
 
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Für mich ist die Frage, ob Walter mir sympathisch oder unsympathisch ist, eher unwichtig.
Wichtig oder unwichtig ist mir das auch nicht, das ergibt sich schlicht beim Lesen; ich bin da nicht in der Lage (und will es auch überhaupt nicht sein), eine neutrale Position einzunehmen. Aber ich möchte wissen, wieso ich eine Person so einschätze - was durchaus auch eine Hilfe für's tägliche Leben ist ;)
 
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Trotzdem bemühe ich mich um eine distanzierte Betrachtungsweise, dann kann ich besser einschätzen, ob ihr Verhalten schlüssig ist.
Das ist schon amüsant, denn ich für mich ist ein Verhalten schlüssig, wenn ich Gefühle für diese Person entwickle. Ist sie mir sympathisch oder unsymphatisch, finde ich diese Neigungen nachvollziehbar - dann hat die Autorin bzw. der Autor gute Arbeit geleistet ;) Bleibe ich 'draußen', scheinbar objektiv (was ja eh nie vollständig geht), dann stimmt etwas nicht mit dem Gesamtbild des beschriebenen Menschen, er bleibt eine Kunstfigur.
 
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Das ist schon amüsant, denn ich für mich ist ein Verhalten schlüssig, wenn ich Gefühle für diese Person entwickle. Ist sie mir sympathisch oder unsymphatisch, finde ich diese Neigungen nachvollziehbar - dann hat die Autorin bzw. der Autor gute Arbeit geleistet ;) Bleibe ich 'draußen', scheinbar objektiv (was ja eh nie vollständig geht), dann stimmt etwas nicht mit dem Gesamtbild des beschriebenen Menschen, er bleibt eine Kunstfigur.
Siehst du, so unterschiedlich kann Lesen sein. Ist doch schön!
 
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Es gibt ein Recht auf Nichtwissen. Walter schreit es gradezu heraus. Jahrzehntelang hat er verdrängt, die Demütigungen des Lehrers und den Spott der Mitschüler ertragen. Hat seine Mutter verteidigt und die Schläge des Großvaters in Kauf genommen. Nun reißt sein Sohn die Wunden wieder auf. Er muss sich seiner Erinnerung stellen. Das ist schmerzhaft, aber ich glaube für eine Heilung ist es zu spät.

Walter ist mir als Typ schon oft untergekommen, hier als literarische Figur wirkt er stimmig, aber ich fühle nicht mit ihm. Er bleibt mir einfach fern.
 

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Das ist ein guter Einwand - er will sich immer so verhalten, wie er meint, dass von ihm erwartet wird.
 
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Wo hätte er es lernen sollen? Genau - weder beim Großvater, noch bei der Mutter, noch in der Schule. Er war sicher ausgegrenzt und die frühe Ehe mit Gisela auch ein Versuch eine Familie zu haben, zu jemandem zu gehören.
 
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Das ist schon amüsant, denn ich für mich ist ein Verhalten schlüssig, wenn ich Gefühle für diese Person entwickle. Ist sie mir sympathisch oder unsymphatisch, finde ich diese Neigungen nachvollziehbar - dann hat die Autorin bzw. der Autor gute Arbeit geleistet ;) Bleibe ich 'draußen', scheinbar objektiv (was ja eh nie vollständig geht), dann stimmt etwas nicht mit dem Gesamtbild des beschriebenen Menschen, er bleibt eine Kunstfigur.
 

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Das fehlt bei mir völlig. Ich anerkenne die literarische Qualität mit der Walter beschrieben wird, aber das Buch löst nicht viel in mir aus. So wie Du es ausdrückst, trifft es auf mich zu: Ich bleibe draußen.