Rezension " Mao in der bayerischen Provinz" von Max Brym

Alexandra Cohen

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21. Januar 2020
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Rezension „Mao in der bayerischen Provinz“
Das Buch von Max Brym habe ich sofort nach Erhalt verschlungen. Gefunden habe ich es auf einem Verkaufstisch von Hugendubel unter der Rubrik Bavaria. Die Verkäuferin sagte mir, dass sich das Buch ausgezeichnet verkauft. Offensichtlich wirkt es gut neben Geschichten über Schloss Neuschwanstein und König Ludwig. Der Titel und das Cover sind Werbeträchtig. Eine gute Verlagsstrategie des SWB Verlages. Ob es allerdings alle Käufer aus dieser Rubrik lesen werden ist vorsichtig ausgedrückt nicht ganz sicher. Das Buch sollte allerdings gelesen werden. Ganz ausgezeichnet beschreibt der Autor die Politisierung besonders unter Jugendlichen und Studenten in den siebziger Jahren in Bayern. Der Schwerpunkt liegt auf den tiefschwarzen Landkreisen Mühldorf und Altötting in Südostoberbayern. Gleichzeitig erfährt man viel über die Entstehung der DKP und der maoistischen Gruppen in Deutschland Ende der sechziger Jahre bzw. Anfang der siebziger Jahre. Besonders im Fokus stehen die KPD/ML, der „Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD“, auch über das „Sozialistische Initiativkomitee Altötting-Mühldorf Wasserburg“ wird berichtet. Der KBW und die einst starke „Marxistische Gruppe“ kommen ebenfalls vor. Neben verständlich geschriebenen theoretischen Passagen bezüglich der damaligen Anziehungskraft des Maoismus, kommt der konkrete Kampf gegen Gerold Tandler in Altötting und für ein Krankenhaus in Waldkraiburg im Buch zur Sprache. Aber auch über die Betriebsarbeit in der Region wird berichtet. Diese Agitation führte sogar zu einem wilden Streik in der Heftklammern Fabrik Beck in Waldkraiburg im Jahr 1975. Der Dienststellenleiter bei der Deutschen Bundesbahn in Mühldorf am Inn wurde, nachdem ihm der „Rote Landbote“ mehrere Unterschlagungen nachwies im Jahr 1979 auf der Flucht aus dem Betrieb verhaftet. Der Arbeiterbund hatte im Betriebswerk der DB in Mühldorf am Inn einen sehr aktiven Personalrat. Zwischendurch gibt es Geschichten, die sehr zum Schmunzeln anregen. Viele Personen wie Georg Kellner (DKP) aus Burghausen und Harald Haugwitz (Arbeiterbund) aus Neuötting werden dem Vergessen entrissen. Oftmals muss man über bestimmte Anekdoten in dem Buch lachen. Aber es ist gleichzeitig ein ernstes Buch. Max Brym erzählt interessantes sein Gedächtnis ist erstaunlich. Der Autor ist sehr selbstkritisch andererseits ist sein Buch ein Werk zur Frage wie es dazu kommen konnte, dass maoistische Gruppen im bayerischen Chemiedreieck durchaus einigen Einfluss hatten. Sehr empfehlenswert. Besonders für Menschen mit lokalgeschichtlichem Interesse, sowie für Menschen welche sich die Frage stellen was einst richtig und falsch gemacht wurde. Das Buch ist nicht nur regional interessant. Es führt von Altötting über Waldkraiburg kurz nach Ost-Berlin und Tirana. Der Autor ist links geblieben aber kein Stalinist mehr. Spannend beschreibt Brym seine Irrungen und Wirrungen. Vom jüdischen DKP Mitglied über das Franz Mehring Institut in Berlin, über den maoistischen Arbeiterbund hin zu trotzkistischen Gruppen. Die jüngste Zeitgeschichte wird wieder lebendig. Der Autor ruft so unterschiedliche Personen wie Thomas Schmitz Bender, Ernst Aust, Enver Hoxha, aber auch Ernest Mandel aus seinem Gedächtnis ab. Ein Buch das unterhält und hat gleichzeitig der jüngeren Generation viel zu sagen. Der Autor empfiehlt einen revolutionären authentischen Marxismus. Am Schluss schreibt er: ’ Wir brauchen einen neuen linken Aufbruch, aber diesmal ohne Mao und Enver Hoxha“. Unbedingt lesen.
 
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