Rezension (5/5*) zu Zwischenfall in Lohwinckel: Roman von Vicki Baum

münchnerkindl

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23. Februar 2022
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München
Kleinstadt in Aufruhr

Der Titel "Zwischenfall in Lohwinckel" hätte m.E. nicht besser gewählt werden können.
Lohwinckel ist eine verschlafene, spießige Kleinstadt mit rund 7.000 Einwohnern in sehr ländlicher Gegend. Die Leute kennen sich, es gibt die Kirche, den Pfarrer, den Apotheker, den Direktor des Gymnasiums, den Ladenbesitzer, einen verarmten Gutsherrn nebst Schwester, einen überarbeiteten Doktor mit Ehefrau und Tochter sowie einen Fabrikanten, den Hauptarbeitgeber der Gegend.
Es passiert hier nicht viel. Alles geht seinen gewohnten Gang, man hat seine kleinen und großen Sorgen, ist nicht ganz zufrieden und es sieht so aus, als würde sich in absehbarer Zeit nichts wirklich ändern.
In dieses feste Gefüge platzen durch einen Unfall plötzlich vier Schicksale mitten hinein und bringen alles durcheinander.
Eine berühmte Filmschaupielerin, samt Liebhaber, ein junger erfolgreicher Boxer sowie der Chauffeur.
Plötzlich ist in Lohwinckel nichts mehr so wie es bis dahin war. Alles wird in Frage gestellt, das gewohnte Leben wird gehörig durcheinandergebracht und es riecht nach Aufruhr.
Vicki Baum ist hier voll in Ihrem Element. Wie schon bei Ihrem großen Erfolgsroman "Menschen im Hotel" treffen auch hier verschiedenste Menschen mit Ihren jeweiligen Schicksalen aufeinander und aus diesem Zusammentreffen ergeben sich einige bemerkenswerte Situationen.
Es ist die große Stärke Baums dem Leser diese Menschenschicksale näherzubringen. Man weint, leidet, liebt und fiebert mit. Ihre einfache und doch wunderbare Sprache ist zeitlos. Ihre Gabe Situationen herrlich bildlich darzustellen, ihre Freude mit der Sprache zu spielen , das ist es was ich an Ihren Romanen so mag. Sie findet oft überaus blumige und fantasievolle Beschreibungen, so dass man denkt: "Ja genau, so ist es! Genauso fühle ich es . Ich hätte es nur nie so ausdrücken können"
Am Ende bleibt man zurück nach diesem "Zwischenfall". Das Leben geht weiter, wie bisher.
Wir bisher? Ich würde sagen, nein. Es ist scheinbar alles beim alten und doch hat sich viel geändert.
Ein Roman über das Leben, eine Momentaufnahme, wunderbar geschrieben und zeitlos.