Rezension (5/5*) zu Yoko Tsuno von Roger Leloup

Mikka Liest

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14. Februar 2015
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Hilter am Teutoburger Wald
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Buchinformationen und Rezensionen zu Yoko Tsuno von Roger Leloup
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Guter Einstieg in die Comicserie!

Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums von Carlsen Comics erschienen fünf der absoluten Bestseller des Verlags als Sonderausgaben, jeweils im Softcover-Doppelband, und dabei durften zwei Abenteuer der selbstbewussten Elektronikspezialistin Yoko Tsuno natürlich nicht fehlen. Schließlich war diese Anfang der 70er Jahre nicht nur die erste europäische Comic-Heldin überhaupt und damit eine Rarität in einer Zeit, als männliche Superhelden weltweit die Comics dominierten, sondern ist auch für moderne LeserInnen noch eine ansprechende Identifikationsfigur: eine sympathische und mutige junge Frau, die ungewöhnliche, fantastische oder gar unglaubliche Abenteuer erlebt und dabei nicht auf Superkräfte zurückgreifen kann, sondern stattdessen mit Einfallsreichtum und Intelligenz trumpft.

Sie zieht gewaltfreie Lösungen vor, erweist sich aber, wenn es gar nicht anders geht, auch als nicht zu unterschätzende Judo- und Aikido-Kämpferin.

Schon 1968 begann der Comiczeichner Roger Leloup mit der Arbeit an Yokos Abenteuern, für das Comicmagazin 'Spirou', und tatsächlich arbeitet er auch heute, im Alter von 83 Jahren, immer noch selber an der Serie! Im Juni 2017 erschien der 28. Band, der bisher nur auf Französisch erhältlich ist, und Band 29 ist bereits in Arbeit. Bei Carlsen ist die Reihe inzwischen nur noch in gebundenen Sammelbänden erhältlich, die je drei Ausgaben der Serie zusammenfassen – allerdings thematisch und nicht chronologisch.

Ich bin keine Expertin für Comics, aber in meinen Augen ist der Zeichenstil klar und eher schlicht, dabei jedoch sehr ausdrucksstark. Besonders gelungen finde ich die detaillierte Darstellung von Technik und Architektur! An Kleidung, Autos und Technologie zeigt sich auf charmante Art deutlich das Alter des Comics, inhaltlich sind die Geschichten für mein Gefühl indes zeitlos.

Yoko ist eine wunderbare Heldin! Mir gefällt, wie sie einerseits ganz emanzipiert zeigen darf, dass sie eine Expertin auf ihrem Gebiet ist und keinen strahlenden Ritter auf weißem Ross braucht, um brenzlige Situationen zu meistern, aber andererseits auch ihre feminine Seite nicht verstecken muss – wobei sich diese feminine Seite erfreulicherweise nicht, wie so oft bei Comic-Heldinnen, in hautengen Kleidern mit absurd tiefem Dekolleté zeigt, sondern eher mal im Kimono.

Interessant ist auch, wie sie mit dem mehr oder weniger versteckten Rassismus umgeht, dem sie in ihrem Abenteuern begegnet: sie geht scheinbar darauf ein und führt ihn dadurch ad absurdum. Als jemand sie zum Beispiel als 'gelber Affe' bezeichnet, bittet sie beim Abendessen um Obst und wählt eine Banane, denn "Affen essen wahnsinnig gerne Bananen!"

Meines Erachtens ist besonders originell, wie die Serie sich immer wieder über Genregrenzen hinwegsetzt, von Science Fiction über Mystery bis hin zum Fantastischen, was sich schon an den zwei im Sammelband enthaltenen Abenteuern zeigt.

Die erste Geschichte ist pure Science Fiction: Yoko und ihre beiden Freunde Vic und Knut begegnen einem außerirdischen Volk, das schon lange Zeit im Geheimen tief unter der Erde lebt, weil ihr eigener Planet zerstört wurde. Die zweite Geschichte würde ich dagegen eher als atmosphärischen Krimi auf Grundlage alter Legenden und Sagen bezeichnen, denn hier geht es um eine mittelalterliche 'Teufelsorgel', die Menschen in den Wahnsinn treiben und Mauern zum Einsturz bringen soll. Dieses Abenteuer spielt übrigens in Deutschland, genauer gesagt auf Burg Katz!

Fazit:

Roger Leloup zeichnet schon seit 49 Jahren an seinem Lebenswerk, den Abenteuern der japanischen Elektronikspezialistin Yoko Tsuno. Diese sind mal Science Fiction, mal Krimi, mal Action, manchmal sogar nahe dran am Fantastischen, aber immer klar gezeichnet und intelligent geschrieben. Obwohl der Humor durchaus nicht fehlt, ist "Yoko Tsuno" für mich weniger ein 'Funny' als eine originelle Abenteuerserie.

Die beiden im Sammelband enthaltenen Geschichten fand ich auf völlig unterschiedliche Art und Weise sehr ansprechend und unterhaltsam, aber gerade diese Abwechslung macht für mich einen großen Teil des Reizes der Serie aus.