Rezension Rezension (5/5*) zu Weißer Tod: Roman (Die Cormoran-Strike-Reihe, Band 4) von Robert Galbraith.

parden

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13. April 2014
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49
Niederrhein
www.litterae-artesque.blogspot.de
Buchinformationen und Rezensionen zu Weißer Tod von Robert Galbraith
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Mit jeder Seite nimmt das Lesevergnügen zu!

Ein verstörter junger Mann bittet den privaten Ermittler Cormoran Strike um Hilfe bei der Aufklärung eines Verbrechens, das er – so glaubt er – als Kind mit angesehen hat. Strike ist beunruhigt: Billy hat offensichtlich psychische Probleme und kann sich nur an wenig im Detail erinnern, doch er wirkt aufrichtig. Bevor Strike ihn allerdings ausführlich befragen kann, ergreift der Mann panisch die Flucht. Um Billys Geschichte auf den Grund zu gehen, folgen Strike und Robin Ellacott – einst seine Assistentin, jetzt seine Geschäftspartnerin – einer verschlungenen Spur, die sie durch die zwielichtigen Ecken Londons, in die oberen Kreise des Parlaments und zu einem prachtvollen, doch düsteren Herrenhaus auf dem Land führt. Zugleich verläuft auch Strikes eigenes Leben alles andere als gradlinig: Er hat es als Ermittler zu Berühmtheit gebracht und kann sich nicht länger unauffällig hinter den Kulissen bewegen. Noch dazu ist das Verhältnis zu seiner früheren Assistentin schwieriger denn je – zwar ist Robin für ihn geschäftlich mittlerweile unersetzlich, ihre private Beziehung ist jedoch viel komplizierter…

Der vorangestellte Klappentext verdeutlicht gut, um welche Problematik sich der vierte Fall von Cormoran Strike und seine Partnerin Robin Ellacott dreht - mehr zum Inhalt möchte ich an dieser Stelle auch gar nicht verraten. Die Länge der Beschreibung durch den Verlag deutet auch schon auf die Komplexität dieses Kriminalromans hin - einfach auf den Punkt bringen lässt sich hier jedenfalls nichts.

Nach einem Prolog, der drängende Fragen aus Band drei beantwortet, folgen 69 Kapitel und ein Epilog - genug also, um die 864 Seiten zu füllen. Jedem Abschnitt ist dabei ein Zitat aus Henrik Ibsens 'Rosmersholm' vorangestellt, was ich erwähnenswert finde - denn aus einem einzelnen Werk ausreichend passende Zitate für diese große Anzahl an Kapiteln zu finden, ist für sich genommen schon eine Kunst.

Das Buch lässt sich trotz der hohen Seitenzahl flüssig lesen und schließt nahtlos an die Geschehnisse aus dem dritten Band an. Robert Galbraith alias Joanne K. Rowling schreibt gewohnt bildhaft und lässt so Szenen, Orte und Charaktere gelungen vor den Augen des Lesers entstehen. Dabei lässt sich immer wieder feststellen, welch genaue Beobachterin die Autorin ist - gerade die am Rande erwähnten kleinen Details lassen das Gelesene so authentisch und lebensecht erscheinen.

Lebendige Dialoge wechseln mit sorgfältigen Beschreibungen ab, wodurch sich das Leseerlebnis abwechslungsreich und unterhaltsam gestaltet. Besonders gefallen haben mir dabei auch die wiederholten und unerwarteten Einwürfe humorvoller Szenen, die die ansonsonsten oft eher düstere Stimmung angenehm durchbrachen.

Den Haupt-Charakteren widmet JKR diesmal wieder viel Zeit. Diesmal steht eher die Entwicklung von Robin Ellacott im Vordergrund, die nach den Erlebnissen im vergangenen Fall mit Panikattacken zu kämpfen hat, die sie jedoch zu verheimlichen sucht, damit Strike gar nicht erst auf die Idee kommt, sie schonen oder gar entlassen zu wollen. Zudem steht ihre Ehe mit Matthew unter keinem besonders guten Stern - diese Krise setzt Robin noch zusätzlich zu. Über einen Mangel an Arbeit braucht sie sich dagegen nicht zu beklagen. In ihrem Undercover-Einsatz im Ministerium könnte sie rund um die Uhr arbeiten.

Cormoran Strike kommt vor lauter Arbeit kaum noch zu einem Privatleben, was seine Freundin Lorelei anfangs noch geduldig hinnimmt. Seine Ex-Verlobte Charlotte taucht im Verlauf der Ermittlungen unerwartet wieder auf, und Strike muss höllisch aufpassen, dass da alte Wunden nicht wieder aufreißen. Gleichzeitig bemüht er sich sehr um einen möglichst neutralen Umgang mit seiner Geschäftspartnerin Robin, denn die Gefühle, die er für sie entwickelt hat, scheinen ihm einfach nur fehl am Platz. Die Unbeschwertheit vergangener Tage lässt sich so kaum noch heraufbeschwören. Doch der Fall beansprucht Cormoran derart, dass er sich darüber meist gar keine Gedanken machen kann.

Auch Nebencharaktere werden von JKR ausreichend skizziert, und obwohl diese meist etwas klischeehaft geraten, passen die ihnen zugedachte Rollen genau. Dabei lässt die Autorin ordentlich Seitenhiebe regnen auf die Upperclass, die Politiker sowie auf hochstilisierte Veranstaltungen wie die Olympiade 2012 in London und lässt dabei auch moralische sowie rechtliche Grauzonen nicht aus. Das lässt zeitweise durchaus ein Unbehagen beim Lesen entstehen, doch gestattet JKR dem Leser, eine eindeutige Position zu den Vorfällen zu beziehen.

Die Handlung selbst konzentriert sich nicht ausschließlich auf den Kriminalfall, sondern widmet sich ebenso der Entwicklung der Charaktere sowie den o.g. Themen. Die Autorin lässt sich viel Zeit beim Erzählen, was vor allem zu Beginn durchaus auch Längen entstehen lässt, insgesamt aber einen ungeheuren Sog entwickelt.

Etwa zur Mitte hin ziehen Spannung und Tempo allmählich an, wobei der Fall derart komplex angelegt ist, dass bei mir bis kurz vor Schluss eine absolute Ratlosigkeit vorherrschte, wie zum Teufel das bloß alles zusammenhängen kann und wer denn nun tatsächlich hinter all den Geschehnissen steckt. Nun, ein Showdown fehlt hier ebensowenig wie eine absolut befriedigende Lösung - und letztlich lässt mich der Krimi sehr zufrieden zurück, mit einer gewissen Sehnsucht nach einer baldigen Fortsetzung.

Alles in allem also ein weiterer überzeugender und düsterer Krimi aus der Reihe um Cormoran Strike. Aufgrund der Entwicklung der Charaktere sollte man die Bände in der vorgesehenen Reihenfolge lesen - ansonsten gibt es hier von mir eine uneingeschränkte Leseempfehlung an alle Liebhaber epischer Krimis.


© Parden


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Bislang gelesen aus der Reihe um Cormoran Strike:

Der Ruf des Kuckucks
Der Seidenspinner
Die Ernte des Bösen
Weißer Tod

 
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