Rezension Rezension (5/5*) zu Walter Nowak bleibt liegen von Julia Wolf.

Literaturhexle

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2. April 2017
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Buchinformationen und Rezensionen zu Walter Nowak bleibt liegen von Julia Wolf
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Die Gedanken des Walter Novak

Walter Novak ist 68 Jahre alt. Er fühlt sich fit und ist stolz darauf, noch 1000 Meter an einem Stück im Schwimmbad zurücklegen zu können. Diese 1000 Meter schwimmt er jeden Morgen, darauf legt er wert. Auch seinen Mann kann er noch stehen, seine zweite Ehefrau Yvonne ist deutlich jünger als er.

Bei einem seiner Besuche in der Schwimmanstalt lässt er sich durch amouröse Stimulation ablenken, verschätzt sich in seiner Bahn und schlägt mit dem Kopf an die Betonwand. Auch wenn er mit Hilfe von Passanten aus dem Wasser kommt und seinen Zustand versucht, unter Kontrolle zu bekommen, bleibt doch ein Schaden zurück: Zu Hause im Bad stürzt Walter und bleibt entkleidet auf den Fliesen liegen. Sein Bewusstsein schwindet, er pendelt zwischen benommenem Wachsein, Schlaf und Ohnmacht. Seine Gedanken fliegen durch die Zeit, fahren Achterbahn, verweilen hier länger, dort kürzer.

Walter ist in den 50er Jahren aufgewachsen. Seine Mutter war nie verheiratet, er ist der Sohn eines GI´s, den er nie kennengelernt hat. Die Vaterlosigkeit hat seine Kindheit nicht einfach gestaltet. Aus diesen einfachen Verhältnissen hat er sich hoch gearbeitet, besaß sogar eine eigene Firma. Mit seiner ersten Frau Gisela hat er einen Sohn, den mittlerweile erwachsenen Felix.
Weil Walter es mit der Treue nicht genau nimmt, trennt sich Gisela von ihm und Walter heiratet die deutlich jüngere Yvonne. Die Lebenswelten und Ideale dieser beiden Ehepartner klaffen ziemlich auseinander, das wird recht schnell deutlich, jedoch spielt diese Beziehung im Verlauf der Geschichte keine große Rolle. Wichtiger ist die Vater-Sohn-Verbindung: Walter liebt seinen Sohn, bedauert aber, dass dieser sich nicht so entwickelt hat, wie Walter das gern gesehen hätte. Beide haben sich voneinander entfremdet. Wir erleben Episoden mit Felix als Kind, Jugendlichem und Erwachsenem. Walter kommt in den meisten nicht besonders gut weg, es wird schnell klar, dass er extrem konservativ geprägt ist, sich nicht in andere Menschen hineinversetzen kann und Probleme hat, Gefühle zu zeigen.
Zu allem Überfluss hat er noch eine ärztliche Prognose bekommen, die nichts Gutes verheißt und die ihm Sorgen bereitet.

Das Besondere an diesem kleinen Roman ist, dass man Walter zwar nicht liebt und auch keine besonderen Sympathien für ihn hegt, man aber dennoch mit ihm mitfühlt. Nach und nach wird klar, wie Walter zu dem geworden ist, der er ist. Dadurch verändert sich die eigene Wahrnehmung : Er bleibt dem Leser nicht fremd, man empfindet auch Mitleid für seine bedauernswerte Lage da auf den Fliesen.

Wir lernen Walter ausschließlich durch seine Gedanken kennen, an denen uns die Autorin wunderbar in einer aus meiner Sicht besonderen, fast schon musikalisch verwebten Sprache teilhaben lässt: Die Art der Sätze, die abreißen, unterbrochen werden, um kurz später wieder aufgenommen zu werden, spiegeln die Sinneslage des Protagonisten wieder. Man kann herauslesen, in welchem Bewusstseinsstadium sich der am Boden Liegende befindet. So etwas habe ich noch nicht gelesen und diese Sprachkomposition hat mich sehr beeindruckt. Was am Anfang noch etwas gewöhnungsbedürftig anmutet, entfaltet schnell Sogwirkung.

Es war erhellend, dieses Buch im Rahmen einer Whatchareadin-Leserunde kennenzulernen. Dieses Buch hinterlässt Eindrücke und es ist wunderbar, diese mit anderen Lesern teilen zu können.

Für mich ein großartiges Buch, das ich bestimmt wieder zur Hand nehmen werde. Gespannt bin ich auf weitere Werke der Autorin Julia Wolf.


von: Gabriella Engelmann
von: Thomas Bugnyar
von: Tommy Jaud
 

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