Rezension (5/5*) zu Verräterkind: Roman von Sorj Chalandon

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Gelöschtes Mitglied 2403

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Buchinformationen und Rezensionen zu Verräterkind von Sorj Chalandon
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Alte Wunden

Sorj Chalandon. Besonders nach den Leseerlebnissen von "Am Tag davor" und "Wilde Freude" hatte ich einen besonderen Anspruch an dieses neue Buch von dem französischen Autor. Denn diese beiden Bücher sind recht unterschiedliche Bücher, die auch unter den Lesenden sehr gegensätzliche Reaktionen hervorgerufen haben. Besonders "Wilde Freude" hat hier sehr polarisiert.

Wenn dann bekannt wird, dass Verräterkind um die Väterschuld geht, um die Kollaboration im zweiten Weltkrieg, ein besonders in Frankreich brandheißes Thema und man bedenkt, was Chalandon in seinen Romanen so thematisiert und wie er dies tut, so wird man neugierig. Und diese Neugier ist begründet! Schon der Roman "Stella" von Takis Würger behandelt dieses schwere Thema der Schuld. Und auch dieser Roman macht etwas mit den Lesenden. Und dieses Anzünden der Leserschaft gelingt natürlich auch Sorj Chalandon. Er lässt in seinem Roman zwei Thematiken auch irgendwie gegeneinander antreten, einmal den Prozeß gegen Klaus Barbie und einmal den innerfamiliäre Prozeß gegen den eigenen Vater. Denn schon der Titel des Buches sagt etwas, denn wer will wohl ein Verräterkind sein, so genannt werden? Denn genau so ein Bezeichnen hinterlässt Wunden. Wunden, die kaum geschlossen werden können. Die Chalandon hier vielleicht schließen möchte. Doch ob er dies schafft???

Dann diese Frage der Schuld. Eine einerseits leicht zu verstehende Frage. Doch andererseits sollte sich jeder später Geborene fragen, was er oder sie wohl getan hätten. Was man getan hätte, wenn das eigene Leben gefährdet gewesen wäre. Denn diese Frage lässt sich eigentlich nicht beantworten. Manche wachsen über sich hinaus und werden zu Helden. Aber das Gros der Menschen neigt wohl eher zum Untertanen und versucht sich möglichst ohne Blessuren aus prekären Situationen heraus zu larvieren. Kann man dies bewerten? Vielleicht. Vielleicht auch nicht! Am meisten steht meiner Meinung nach eigentlich nur den Menschen eine Bewertung von so einem Handeln zu, die selbst zum Agieren in dieser Zeit gezwungen waren. Alle anderen sollten nachdenken.

Dass hier kein falscher Eindruck aufkommt, ich verurteile dieses menschenfeindliche Tun von jedem Mörder!

Chalandon versieht seinen Vater noch mit einem sehr wandlungsfähigen Charakter, was eine Bewertung noch mehr erschwert und dieses ganze Buch in meinen Augen brillant macht, denn manchmal ist es eben kein Schwarz und kein Weiß. Manchmal changiert einiges Tun in den verschiedenen Grautönen und die Frage nach dem eigenen Tun ist zum Glück meistens nicht beantwortbar. Ein schmerzhaftes Buch!